TE Vfgh Erkenntnis 1995/3/6 V147/94

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Veröffentlicht am 06.03.1995
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4005 Prostitution, Sittlichkeitspolizei

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
ProstitutionsV der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Oberndorf vom 21.06.93
Sbg LandespolizeistrafG §3 Abs5

Leitsatz

Abweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend das Verbot der Ausübung der Prostitution im gesamten Gemeindegebiet; Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen Verordnung gemäß dem Sbg LandespolizeistrafG

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Dem §3 Abs5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. 58/1975 i.d.F. der Novelle LGBl. 48/1981, zufolge kann die Gemeinde für das Gemeindegebiet oder bestimmte Teile des Gemeindegebietes die erwerbsmäßige Prostitution durch Verordnung für einen Zeitraum von jeweils höchstens drei Jahren untersagen, wenn dort die Prostitution zu Mißständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören.

Gemäß §6 Abs1 leg.cit. sind die nach diesem Gesetz von der Gemeinde zu besorgenden Angelegenheiten solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde.

b) Gestützt auf §3 Abs5 leg.cit. beschloß der Gemeinderat der Marktgemeinde Oberndorf (Bezirk Salzburg-Umgebung) am 17. Juni 1993 die nachstehende Verordnung (im folgenden: PrV Oberndorf):

"Aufgrund §3 Absatz 5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975 i.d.g.F., wird zur Abwehr beziehungsweise Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen unbeschadet bestehender Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verordnet:

§1

Gemäß §3 Absatz 5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975 i.d.g.F., wird die Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution, auch wenn sie nur als Nebenleistung zu anderen gewerbsmäßigen oder sonstigen Leistungen erfolgt, im gesamten Gemeindegebiet der Marktgemeinde Oberndorf für die Dauer von drei Jahren untersagt. Diese Untersagung gilt auch für jede Anstiftungs- oder Beihilfehandlung zur Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution, insbesondere durch Schaffung die erwerbsmäßige Prostitution fördernder oder tarnender Betriebsformen oder durch Beistellung von Räumlichkeiten.

§2

Die Nichtbefolgung dieser Verordnung stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft wird. Bei Vorliegen von Erschwerungsgründen können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden.

§3

Diese Verordnung tritt am Tag nach Ablauf der Kundmachungsfrist in Kraft."

Dieser Beschluß wurde am 21. Juni 1993 an der Gemeindeamtstafel angeschlagen.

2. Der vorliegenden Eingabe ist zu entnehmen, daß die Einschreiterinnen in Oberndorf im Haus Rupertusweg 2 die Prostitution ausüben.

Sie stellen gemäß Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG den Antrag, diese Verordnung kostenpflichtig als gesetzwidrig aufzuheben. Sie leugnen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verordnung gegeben seien; die Ausübung der Prostitution habe zwar vielleicht die Moralvorstellungen einiger Gemeindebürger verletzt, aber zu keinen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen geführt.

3. Zum Verordnungsprüfungsantrag erstatteten der Gemeinderat der Marktgemeinde Oberndorf (als verordnungserlassende Behörde) und die Salzburger Landesregierung (als zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes i.S. des §58 Abs1 VerfGG) Äußerungen. Sie erachten den Antrag zwar als zulässig, aber als nicht begründet und begehren daher (der Sache nach) dessen Abweisung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Antragstellerinnen fühlen sich durch die PrV Oberndorf offenkundig dadurch in ihrer Rechtssphäre verletzt, weil ihnen damit verboten wird, im Haus Rupertusweg 2 nach wie vor die Prostitution auszuüben.

Die Verordnung greift tatsächlich unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein; es steht den Antragstellerinnen kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren (vgl. zB VfSlg. 9252/1981, 9253/1981, 9254/1981, 10184/1984, 10187/1984, 12498/1990).

Die Antragstellerinnen sind also antragslegitimiert.

Die Antragstellerinnen sind durch das Verbot zwar nur betroffen, soweit es sich auf das Haus Rupertusweg 2 bezieht. Da jedoch die Formulierung des Verordnungstextes (s.o.I.1.b) verbal eine Beschränkung der Verordnungsprüfung auf dieses Haus nicht zuläßt und die Bestimmungen der §§2 und 3 untrennbar mit der im §1 enthaltenen Verbotsnorm zusammenhängen, wird der Umfang der zur Aufhebung beantragten Norm zutreffend umschrieben.

Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben. Der Verordnungsaufhebungsantrag ist sohin zulässig.

2. Er ist aber nicht begründet:

a) Die Salzburger Landesregierung schildert - in Übereinstimmung mit dem Gemeinderat der Marktgemeinde Oberndorf und gedeckt durch den Inhalt des vorgelegten Verordnungsaktes - die Gründe, die zur Erlassung der in Rede stehenden Verordnung geführt haben, (auszugsweise) wie folgt:

"Anlaß für die Erlassung des Prostitutionsverbotes für das Gemeindegebiet der Marktgemeinde Oberndorf für die Dauer von drei Jahren war die Ausübung der Prostitution im Haus Rupertusweg 2 in 5110 Oberndorf. Die Liegenschaft (EZ 384 Grundbuch Oberndorf) befindet sich in unmittelbarer Nähe der Gewerbebetriebe Unimarkt, Feuerwehrstraße 1, Drogeriemarkt, Rupertusweg 1, und einem (...) physiotherapeutischen Institut, Rupertusweg 1a. Die Entfernung zur nächstgelegenen Schule - Schulzentrum Oberndorf (Volksschule, Hauptschule) - beträgt 170 m, jene zum Schulgebäude Watzmannstraße 40 (Höhere Schulen) und zum Kindergarten I ca. 300 m. Das Haus Rupertusweg 2 wurde derart gestaltet, daß es für jedermann erkennbar ist, welchem Zweck das Haus dient bzw. welcher Art von Gewerbe dort nachgegangen wird. Die zum Rupertusweg und zur Lamprechtshausener Landesstraße hin gerichteten Fenster des Hauses wurden rot verkleidet, an der Hauswand wurde die Bezeichnung 'Haus Nr. 2' in großen Buchstaben angebracht.

Mit Schreiben vom 6.5.1993 hat sich der an das gegenständliche Haus angrenzende Unimarkt ua. mit dem Ersuchen, die zu diesem gehörigen Parkflächen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Geschäftszeiten freizuhalten und einschlägige Charakterien und Werbemaßnahmen, wie rote Fenster und entsprechende Beleuchtung, bei sonstigen Schritten wegen Geschäftsstörung hintanzuhalten, an den Ehemann der Hauseigentümerin gewandt. Das gegenständliche Schreiben erging auch an die Marktgemeinde Oberndorf zur Kenntnis. Die Betreiberin der an das gegenständliche Haus angrenzenden physiotherapeutischen Praxis (...) hat sich mit Schreiben vom 10.5.1993 an den Bürgermeister der Marktgemeinde Oberndorf mit der Bitte um 'rechtliche Entgegenwirkung' gewandt, da sie sich auf Grund der Errichtung des Privatklubs in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit als Physiotherapeutin in verschiedener Hinsicht (Rufschädigung, Fernbleiben von verschiedenen Patienten) massiv beeinträchtigt fühle. Auch hätten sich ihre derzeitigen Mitarbeiter bereits dahingehend geäußert, unter den gegebenen Umständen nur mehr zeitlich begrenzt Patienten betreuen zu wollen. Gegen die Verwendung des Hauses zu Zwecken der Prostitution wurde überdies eine Unterschriftenliste mit zahlreichen Gegenunterschriften abgefaßt.

Die Marktgemeinde Oberndorf befürchtete, daß durch den Prostitutionsbetrieb Mißstände sicherheits- und sittlichkeitspolizeilicher Art, welche das örtliche Gemeinschaftsleben stören, entstehen könnten. Auch im örtlichen Nahbereich (Innviertel) seien zahlreiche ähnliche Mißstände im Rotlichtmilieu aufgetreten. Die diesbezüglichen Mißstände im benachbarten Bezirk wurden detailliert dargelegt. Die Marktgemeinde Oberndorf hegte weiter Bedenken, daß ein derartiges Freudenhaus einen Kristallisationspunkt für damit verbundene einschlägige Kriminalität darstellen könnte.

Der Vollständigkeit halber sei nur darauf verwiesen, daß in Schulgebäuden auch Abendveranstaltungen stattfinden, die meist länger als bis 20:00 Uhr dauern. Derartige Veranstaltungen finden sowohl schulintern (Elternabende, Theateraufführungen u.dgl.) wie auch im Rahmen der Volkshochschule statt, die zahlreiche Kurse in den Abendstunden anbietet. Von großer Bedeutung ist weiter die Abhaltung von Musikunterricht durch das Musikschulwerk in den Schulen. Hauptsächlich nehmen an den Musikstunden Kinder und Jugendliche teil. Die Musikstunden dauern jedenfalls bis 20:00 Uhr. Ein Zusammentreffen von Personen, insbesondere auch von Kindern und Jugendlichen, die Veranstaltungen in den Schulgebäuden besuchen, mit Personen, welche das Haus Nr. 2 aufsuchen, ist daher unvermeidlich.

Der Einkaufsmarkt hält bis 18:00 Uhr offen. Zumindest die Angestellten, welche die Abrechnungs-, Ein- und Aufräumarbeiten auch bis 20:00 Uhr verrichten, werden mit den Bordellbesuchern konfrontiert. Ebenso die Angestellten und Klienten des physiotherapeutischen Institutes. Es ist üblich, daß Therapien bis spät in die Abendstunden hinein stattfinden, da der überwiegende Kreis der Patienten berufstätig ist und sich die Institute auf den vermehrten Bedarf von Behandlungen nach Dienstende eingestellt haben und ihre Dienste daher auch zu dieser Zeit anbieten."

Der Verfassungsgerichtshof findet keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Sachverhaltsschilderung zu zweifeln, zumal sie die Antragstellerinnen unwidersprochen gelassen haben. In dieser Schilderung finden sich ausreichende Gründe, die deutlich machen, daß die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution im Haus Rupertusweg 2, Oberndorf, verbunden sind, zu das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen geführt haben.

b) Zu den (hilfsweise) vorgebrachten Bedenken der Antragstellerinnen, die Verordnung hätte sich nicht auf das ganze Gemeindegebiet erstrecken dürfen, wenn der Gemeinderat schon angenommen habe, es bestünden durch die Ausübung der Prostitution in einem einzigen bestimmten Gebäude hervorgerufene Mißstände, äußert sich die Salzburger Landesregierung folgendermaßen:

"Oberndorf an der Salzach ist eine Marktgemeinde mit

4.791 Einwohnern (Ergebnis Volkszählung 1991) und weist eine Fläche von 4,55 km2 auf. Auf Grund der geringen Größe des Gemeindegebietes der Marktgemeinde Oberndorf ist es daher durchaus zulässig, ein Prostitutionsverbot für das gesamte Gemeindegebiet der Marktgemeinde Oberndorf zu erlassen. Die Erlassung eines Verbotes der Prostitution in nur einem bestimmten Teil des Gemeindegebietes würde auch lediglich dazu führen, daß der Ort der Prostitutionsausübung innerhalb des Gemeindegebietes verlagert wird und dieselben Mißstände neuerlich in einem anderen Teil des Gemeindegebietes auftreten. Die Mißstände können auch im dünner besiedelten und bebauten Gebiet der Gemeinde mit 'ländlichem Charakter' auftreten und auch dort das örtliche Gemeinschaftsleben stören."

Der Verfassungsgerichtshof kann diesen Überlegungen nicht entgegentreten. Sie sind durchaus plausibel, bewirkt doch bekanntlich das Verdrängen der Prostitution aus einem Ortsteil in der Regel nicht, daß die Prostitution in der Gemeinde überhaupt aufhört, sondern nur, daß sie in einem anderen Ortsteil ausgeübt wird, wo sie genauso störend in Erscheinung tritt wie am früheren Ort. Im übrigen sieht das Gesetz (s.o.I.1.a) ausdrücklich vor, daß sich eine Prostitutionsverordnung auf das ganze Gemeindegebiet beziehen darf.

c) Die von den Antragstellerinnen ob der Gesetzmäßigkeit der PrV Oberndorf vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu.

Ihr Antrag war infolgedessen abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Prostitution, Sittlichkeitspolizei, Polizeirecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V147.1994

Dokumentnummer

JFT_10049694_94V00147_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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