TE Bvwg Beschluss 2021/5/18 W164 2229578-2

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Veröffentlicht am 18.05.2021
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Entscheidungsdatum

18.05.2021

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs4

Spruch


W164 2229578-1/16E
W164 2229578-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin

I.       über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) XXXX vom 12.12.2019 beschlossen:

I.A)
Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
I.B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.      über den Antrag des XXXX , geb. XXXX auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) XXXX vom 12.12.2019 beschlossen:

II.A)
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gem. § 33 Abs 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als verspätet zurückgewiesen.
II.B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 12.12.2019, GZ: XXXX sprach die Wiener Gebietskrankenkasse, nun österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: WGKK), aus, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) aufgrund seiner Beschäftigung als Angestellter bei der Dienstgeberin XXXX Handelsgesellschaft mbH, in der Zeit von 10.01.2006 bis 31.01.2006 nicht der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) unterlegen sei.

Zur Begründung führte die WGKK aus, die XXXX Handelsgesellschaft mbH sei aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10.01.2006 aufgelöst und der BF mit 09.01.2006 abgemeldet worden. Es habe ausgeschlossen werden können, dass der BF danach noch Arbeitsleistungen für die genannte GmbH erbracht hätte. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wurde der BF darauf hingewiesen, dass die Frist zur Erhebung der Beschwerde vier Wochen betrage.

Dieser Bescheid wurde dem BF an seiner im österreichischen Melderegister ausgewiesenen Adresse am 16.12.2019 nachweislich zugestellt. Auf dem Zustellnachweis ist der Vermerk „Übernahmebestätigung Empfänger“ angekreuzt. Der Zustellnachweis enthält eine Unterschrift.

Mit Schreiben vom 06.03.2020 erhob der BF gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte vor, die WGKK habe ihm mit Schreiben vom 19.02.2020 eine Kopie des Bescheides vom 12.12.2019 samt einer Kopie der „Hinterlegungsanzeige“ übermittelt. Der Bescheid vom 12.12.2019 sei dem BF bislang unbekannt gewesen, er habe diesen erstmals mit genanntem Brief (vom 19.02.2020) erhalten. Der übermittelte Zustellnachweis dokumentiere, dass der Bescheid durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Diese Zustellung sei unwirksam gewesen, da der BF im damaligen Zeitpunkt/Zeitraum ortsabwesend gewesen sei. Der BF legte eine von der österreichischen Post AG am 6.12.2019 aufgenommene Ortsabwesenheitserklärung des BF für den Zeitraum 17.12.2019 bis 29.12.2019 vor.

In der Sache beantragt der BF, dass seine Dienstzeiten bei der Firma XXXX Handelsgesellschaft mbH auch für den Zeitraum 10.01.2006 bis 31.01.2006 anerkannt werden. Der BF beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.

Mit Schreiben vom 13.03.2020 legte die WGKK den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit Verspätungsvorhalt vom 06.05.2020, nachweislich zugestellt am 08.05.2020, brachte das Bundesverwaltungsgericht dem BF den im Akt liegenden Zustellnachweis zu Kenntnis, wies den BF darauf hin, dass ihm der Bescheid nachweislich am 16.12.2019 zugestellt wurde und seine für den Zeitraum 17.12.2019 bis 29.12.2019 nachgewiesene Ortsabwesenheit nicht geeignet sei, den Fristenlauf zu beeinträchtigen. Die am 06.03.2020 zur Post gegebene Beschwerde sei daher verspätet. Der BF erhielt die Möglichkeit der Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 15.05.2020, Einlangensdatum 19.05.2020, beantragte der BF beim Bundesverwaltungsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Begründend führte er aus, der Originalbescheid sei ihm bis dato nicht zugegangen. Die nun übermittelte Übernahmebestätigung sei ihm bis dato unbekannt gewesen. Die auf der Übernahmebestätigung befindliche Unterschrift stamme nicht vom BF. Der BF legte zwecks Unterschriftenvergleich eine Ausweiskopie vor. Der BF räumte ein, dass es sich um die Unterschrift seines Vaters handeln könnte. Dieser könne sich jedoch nicht daran erinnern, einen Brief für den BF entgegengenommen zu haben. Das angeblich am 16.12.2019 übernommene Schreiben sei in der Wohnung des BF nicht auffindbar. Der BF habe seinen Vater grundsätzlich angewiesen, für den BF keine Schriftstücke zu übernehmen und während seiner Ortsabwesenheit Zustellungen von der Post an den jeweiligen Absender zurückgehen zu lassen. Sein Vater habe diese Anweisung stets getreulich beachtet. Ob sein Vater nun den verfahrensgegenständlichen Bescheid am 16.12.2019 übernommen habe, sei nach Meinung des BF nicht geklärt. Selbst für den Fall, dass der Vater des BF den Bescheid am 16.12.2019 übernommen hätte, würden „widrige unvorhersehbare Gründe“ vorliegen, die den BF an der fristgerechten Beschwerdeerhebung gehindert hätten. Mögliche Ursache für die Fristversäumnis wäre dann ein Kommunikationsfehler zwischen dem BF und seinem Vater oder ein Irrtum des Vaters. Beides würde einen geringen Verschuldensgrad bilden und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindern. Der BF habe erstmals durch das genannte Schreiben des BVwG von der Übernahmebestätigung Kenntnis erlangt, deshalb sei der Antrag auf Wiedereinsetzung fristgerecht.

Am 03.03.2021 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der der BF und die belangte Behörde als Partei und weiters der Vater des BF als Zeuge geladen waren. Der BF erschien nicht zur mündlichen Verhandlung und sendete am Tag der Verhandlung eine E-Mail mit folgendem Inhalt.

„S.g. Damen und Herren,
zu der oben genannten Geschäftszahl ersuche ich die morgige Verhandlung - 3.März 2021 - zu vertagen, da 1. es mir gesundheitlich momentan nicht gut geht und 2. Ich meinen Rückflug nach Wien erst am 7.März habe, soweit es mir bis 7.März wieder gut geht. Ein heutiger Schnelltest hat ergeben, dass ich negativ auf Covid getestet wurde. Eine Bestätigung der Fluggesellschaft finden Sie im Anhang.“
Beigelegt wurde der Ausdruck eines elektronischen Flugtickets für den 07.03.2021 von Larnaka, Zypern, nach Wien.

Der Vater des BF (im Folgenden Z) erschien zur mündlichen Verhandlung und machte sinngemäß die folgenden Aussagen: Nach Vorhalt des Zustellnachweises vom 16.12.2019 bestätigte der Z, dass die darauf befindliche Unterschrift seine Unterschrift sei. Der Z habe eine schriftliche Generalvollmacht, die es ihm erlaube für den BF zu unterschreiben. Diese sei seinerzeit vor vielen Jahren beim Notar angefertigt worden. Ob sie noch gelte, wisse der Z nicht. Er habe sie nie verwenden müssen. Nur Rsa-Briefe könne der Z nicht für den BF entgegennehmen. Konkret daran, dass er den Brief vom 16.12.2019 für seinen Sohn übernommen hätte, könne sich der Z nicht mehr erinnern, da dies schon über zwei Jahre her sei und laufend viele Briefe für seinen Sohn abgegeben würden.

Der Z lebe seit 2017 mit seiner Frau und dem BF wieder zu dritt in einer Wohnung. Jede der drei Personen öffne den Postkasten und hole die Post. Der Z lege Briefe, die er aus dem Postkasten nehme und die für ein anderes Familienmitglied sind auf den Couchtisch an die linke Ecke. Dieser Tisch werde benutzt, wenn man sich zum Fernsehen setzt. Essen, Getränke und Sachen zum Knabbern und die Zeitung würden auf der anderen Seite dieses Tisches serviert.

Auch der Z selbst erhalte manchmal Rsb-Briefe. Er frage den Postboten, ob der Brief für ihn selbst oder für den Sohn sei. Der Postbote entscheide dann, ob der Z unterschreiben könne. Befragt, ob er mit seinem Sohn vereinbart hätte, dass er Briefe, die während der Ortabwesenheit des Sohnes ankommen an den Absender zurückzusenden habe, gab der Z an, er wisse nichts davon.

Mit Schreiben vom 05.03.2021 wies die ÖGK darauf hin, dass am 16.12.2019 eine wirksame Zustellung an den BF im Wege der Ersatzzustellung stattgefunden habe. Hätte der BF eine wirksame Ersatzzustellung an seinen Vater verhindern wollen, so hätte er dies gem. § 16 Abs 3 ZustG gegenüber der Post verlangen müssen. Derartiges sei nicht hervorgekommen. Bei dem vom BF geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund könne nicht von einem minderen Grad des Versehens iSd § 71 Abs 1 Z 1 AVG gesprochen werden.

Der BF erhielt das Protokoll der Verhandlung und die ergänzende schriftliche Stellungnahme der ÖGK vom 05.03.21 im Sinne eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis. Ausdrücklich wurde dem BF Gelegenheit geboten, jene Hinterlegungsanzeige betreffend den Bescheid vom 12.12.2019 vorzulegen, auf die er sich in seiner Beschwerde bezogen hatte.

Der BF machte von dieser Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch.

Eine Einsichtnahme in das österreichische Strafregister ergab, dass der BF mehrfach, unter anderem wegen Betrugsdelikten, strafbar wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Hinsichtlich der Feststellungen des Sachverhaltes wird auf die in Punkt I. (Verfahrensgang) gemachten Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2021, weiters durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Der gemeinsame Wohnsitz des BF und seines Vaters zur Zeit der fraglichen Zustellung ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich.

Die Zustellung des Bescheides an den BF im Wege der Ersatzzustellung per 16.12.2019 ergibt aus der vorliegenden Übernahmebestätigung. Der Vater des BF - seine in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben erscheinen durchwegs glaubhaft und plausibel – bestätigte, dass er zur Zeit der fraglichen Zustellung ebenso wie der BF an der Abgabestelle (Wohnung des BF) wohnhaft war und dass die auf dem Zustellnachweis befindliche Unterschrift seine sei. Es finden sich (abgesehen von den Behauptungen des BF) keine Anhaltspunkte, welche an der ordnungsgemäßen Zustellung und der Übernahme des Bescheids durch den Vater des BF zweifeln lassen würden. Die vom BF gemachten Behauptungen, er hätte seinen Vater angewiesen, für den BF keine Schriftstücke zu übernehmen und während seiner Ortsabwesenheit Zustellungen von der Post an den jeweiligen Absender zurückgehen zu lassen, wurden von diesem nicht bestätigt. Dass der BF gem. § 16 Abs 3 ZustG schriftlich von der Post AG verlangt hätte, dass an seinen Vater keine Ersatzzustellungen vorzunehmen wären, hat dieser nicht einmal selbst behauptet. Die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides an den BF im Wege der Übergabe an seinen Vater per 16.12.2019 ist daher erwiesen.

Die vom BF nachgewiesene Ortsabwesenheit von 17.12.2019 bis 29.12.2019 ergibt sich aus der vorliegenden Bestätigung der Österreichische Post AG.

Was die Frage jenes Zeitpunktes betriff, mit dem dem BF die genannte Ersatzzustellung bekannt wurde, erscheinen die diesbezüglichen Behauptungen des BF nicht glaubwürdig: Dieser hat am hier geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht in der gebotenen Weise mitgewirkt. Der BF hat von der Gelegenheit, jene Hinterlegungsanzeige, die ihm nach seinen Angaben mit dem Schreiben der ÖGK vom 19.02.2020 übermittelt worden sei, nachträglich vorzulegen, keinen Gebrauch gemacht.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes korrespondiert die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Feststellung des Sachverhalts stets (also auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung) mit einer Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Parteien sind verpflichtet, die ihnen zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen eingeräumten prozessualen Mitwirkungsrechte wahrzunehmen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Die Offizialmaxime befreit die Partei nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Eine solche Mitwirkungspflicht ist etwa dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt sind, die Behörde/das Verwaltungsgericht also nicht (mehr) in der Lage ist, sich ohne Mitwirkung der Partei amtswegig relevante Daten zu verschaffen. (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG, Manz, Wien 2005, RZ 9 und 10 zu § 39 AVG mit Hinweisen auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Die Unterlassung einer entsprechenden Mitwirkung durch den BF hatte daher in die Beweiswürdigung einzufließen. Gegen die Glaubwürdigkeit des BF spricht weiters, dass er mehrmals wegen Betrugsdelikten vorbestraft ist. Dem BF war daher nicht zu glauben, dass er mit dem eingangs genannten Schreiben der WGKK vom 19.02.2020 anstelle des aktenkundigen Zustellnachweises eine Hinterlegungsanzeige erhalten hätte. Es war davon auszugehen, dass der BF den im Akt aufliegenden Zustellnachweis, der eine Ersatzzustellung des angefochtenen Bescheides per 16.12.2019 nachweist, bereits mit dem Schreiben der ÖGK vom 19.02.2020 erhalten hat.

Der Sachverhalt ist ausreichend ermittelt, die Abhaltung einer weiteren mündlichen Verhandlung erscheint nicht geboten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

I.A) Zur Frage der Verspätung der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.

Dies wurde auch in der Rechtsmittelbelehrung des verfahrensgegenständlichen Bescheides der WGKK vom 12.12.2019 richtig angeführt.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden der Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

Laut Aktenlage wurde der gegenständliche Bescheid am Donnerstag, den 16.12.2019, zugestellt. Das Ende der Beschwerdefrist wäre im gegenständlichen Fall am Montag, den 13.01.2020, gewesen. Folglich erweist sich die am 06.03.2020 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet.

Zur Frage der wirksamen Zustellung des Bescheides vom 12.12.2019:

Gemäß § 16 Abs 1 ZustG darf dann, wenn ein Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger […] regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Gemäß § 16 Abs 2 ZustG kann jede erwachsene Person, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist. Ersatzempfänger sein.

Zufolge § 16 Abs 3 ZustG dürfen Organe eines Zustelldienstes an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zustellen, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

Die erwiesene Übergabe des verfahrensgegenständlichen Bescheides durch das Zustellorgan der Post an den Vater des BF entspricht der im Zustellgesetz vorgesehenen Ersatzzustellung. Allein aus dem Umstand, dass auf dem Zustellnachweis statt „Ersatzempfänger“ „Empfänger“ angekreuzt ist, ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang (siehe Punkt II.2., Beweiswürdigung) nicht auf die Unwirksamkeit der Zustellung zu schließen. Der Bescheid der ÖGK vom 12.12.2019 wurde dem BF am 16.12.2019 wirksam zugestellt.

Zu der vom BF behaupteten Ortsabwesenheit:

Gemäß § 16 Abs 5 ZustG gilt eine Ersatzzustellung als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Die vom BF nachgewiesene Ortsabwesenheit von 17.12.2019 bis 29.12.2019 hindert den Fristenlauf nicht.

II.A) Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs 3, erster Satz VwGVG [Anm: diese Bestimmung bleibt zufolge VfGH G178/2020 vom 06.10.2020 bis 30.6.2021 in Kraft] ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag (Einlangensdatum 19.05.2020) wurde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben.

Zum Zeitpunkt des Wiedereinsetzungsantrages war dem BF schon länger als zwei Wochen bekannt, dass der Bescheid der ÖGK vom 12.12.2019 ihm am 16.12.2029 per Ersatzzustellung zugestellt worden war. Das vom BF behauptete Hindernis iSd § 33 Abs 3 VwGVG war daher zum Zeitpunkt der Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages bereits seit mehr als zwei Wochen weggefallen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung war als verspätet zurückzuweisen. Auf die vom BF vorgebrachten Wiedereinsetzungsgründe war nicht weiter einzugehen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu I.B und II.B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die oben angeführten Judikaturnachweise); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristablauf Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2229578.2.00

Im RIS seit

20.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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