Entscheidungsdatum
19.05.2021Norm
AVG §17Spruch
W211 2225006-1/5E
Im namen der republik!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Barbara SIMMA LL.M. als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Margareta MAYER-HAINZ und den fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrich E. ZELLENBERG als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde der Bezirkshauptmannschaft XXXX gegen Spruchpunkt 1. des Bescheids der Datenschutzbehörde vom XXXX 2019, Zl. XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird dahingehend stattgegeben, dass der Spruch des Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheids zu lauten hat:
„Die Beschwerde, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie im Rahmen der Akteneinsicht eines bei ihr anhängigen Verfahrens die Wohnadresse des Beschwerdeführers offengelegt hat, wird abgewiesen.“
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Datenschutzbeschwerde vom XXXX 2019 bzw. nach Mängelbehebung vom XXXX 2019 brachte die nunmehrige mitbeteiligte Partei eine Verletzung ihres Rechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten sowie eine Verletzung ihrer Rechte nach Art. 5, 6 und 9 DSGVO vor und führte dazu zusammengefasst aus, dass sie als KFZ-Lenker einen anderen KFZ-Lenker wegen rücksichtslosen Verhaltens im Straßenverkehr angezeigt habe. Etwa 3 – 4 Wochen später sei der angezeigte KFZ-Lenker vor der Türe der mitbeteiligten Partei gestanden und habe sich für die Anzeige „bedankt“. Die mitbeteiligte Partei habe sich daraufhin bei der zuständigen Polizeiinspektion erkundigt, wo ihr mitgeteilt worden sei, dass sie auch eine anonyme Anzeige hätte machen können. Der angezeigte Lenker habe vermutlich Akteneinsicht genommen. Die mitbeteiligte Partei habe das Glück gehabt, dass sich der angezeigte Lenker bei seinem Besuch ruhig verhalten habe; man wisse aber, dass es auch andere gebe.
2. Mit Stellungnahme vom XXXX 2019 führte die nunmehrige Beschwerdeführerin, die Bezirkshauptmannschaft XXXX , dazu zusammengefasst aus, dass die mitbeteiligte Partei in einer Lenkeranzeige als Zeuge geführt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin gegen den ausgeforschten Fahrzeuglenker ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Ein Beschuldigter in einem Verwaltungsstrafverfahren sei Partei iSd AVG. Aufgrund der Parteistellung sei dem Beschuldigten auch in vollem Umfang Akteneinsicht zu gewähren. Es seien bei dieser Akteneinsicht auch die Zeugendaten zur Kenntnis gelangt. Zumal die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Beschwerdeführerin in Vollziehung der Gesetze erfolgt sei, sei keinesfalls das Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt und seien die Bestimmungen der Art. 5 und 6 bzw. 9 DSGVO eingehalten worden. Es sei wohl selbstverständlich, dass ein Beschuldigter im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens bei einer Anzeige durch einen Zeugen das Recht habe, bei der Akteneinsicht die Daten des Zeugen zu erfahren. Darüber hinaus habe die mitbeteiligte Partei als Zeuge offenbar bei der Anzeigenerstattung freiwillig der Polizei die angeführten Daten zur Verfügung gestellt.
3. Mit Bescheid vom XXXX 2019 gab die Datenschutzbehörde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei teilweise statt und stellte fest, dass die Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Partei im Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, indem sie im Rahmen der Akteneinsicht eines bei ihr anhängigen Verfahrens die Wohnadresse der mitbeteiligten Partei offengelegt habe (Spruchpunkt 1.). Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen (Spruchpunkt 2.).
Begründend führte die Datenschutzbehörde soweit wesentlich aus, dass es sich bei den betroffenen Daten der mitbeteiligten Partei um personenbezogene handle. Gemäß § 17 Abs. 3 AVG seien von der Akteneinsicht Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde. Als ein berechtigtes Interesse einer Partei oder eines/einer Dritten werde unter anderem das Interesse eines Zeugen/einer Zeugin oder einer Auskunftsperson am Unterbleiben von „Repressalien“ anerkannt. Diese Einschränkung dürfe sich aber nicht nur auf allgemeine Befürchtungen stützen. Gegenständlich sei das berechtigte Interesse der mitbeteiligten Partei nachvollziehbar. Der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren habe über die Akteneinsicht Kenntnis vom Namen und von der Adresse der mitbeteiligten Partei erhalten und diese aufgesucht, um sich über die Anzeige zu beschweren. Auch wenn sich der Beschuldigte ruhig verhalten habe, sei der mitbeteiligten Partei zuzustimmen, wenn sie vorbringe, dass er auch anders hätte reagieren können. Eine Konfrontation zwischen einem Zeugen oder einer Zeugin und einem/einer Beschuldigten sollte außerdem, wenn nötig, nur vor der Behörde im Rahmen eines Verfahrens stattfinden. § 17 Abs. 3 AVG sei auch bei einer nicht anonymen Anzeige zu beachten.
Zu Spruchpunkt 2. werde ausgeführt, dass allerdings den berechtigten Interessen der mitbeteiligten Partei auch die Interessen des Beschuldigten des Verwaltungsstrafverfahrens an einer effizienten Verfolgung seiner Rechte gegenüberstehe: so müsse eine Behörde den Parteien eines Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG auch die Beweisquellen zugänglich machen. Demnach sei es zulässig gewesen, dem Beschuldigten im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren den Namen der mitbeteiligten Partei offenzulegen, denn in Bezug auf den Namen überwiege der Grundsatz, dass es im rechtsstaatlichen Strafverfahren keine geheimen Beweismittel gebe, da dieser Grundsatz nach der Rechtsprechung keine Ausnahmen dulde. In Bezug auf die Wohnadresse erscheine die Offenlegung aber nicht als gerechtfertigt, denn in dieser sei auch keine Beweisquelle zu erkennen. Die mitbeteiligte Partei scheine nicht im Telefonbuch auf, weshalb die Adresse nicht ohne weiteres mittels des Namens zu finden gewesen wäre.
4. Gegen Spruchpunkt 1. des Bescheids der Datenschutzbehörde vom XXXX 2019 wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, wonach im Rahmen des § 17 Abs. 3 AVG das Interesse der Partei an der Akteneinsicht gegen das Interesse anderer Parteien im Einzelfall abzuwägen bzw. im Einzelfall zu beurteilen sei, inwieweit ein überwiegendes Interesse bestehe, einer Partei bestimmte Informationen vorzuenthalten. Die Behörde habe aber bei Verweigerung der Akteneinsicht nachvollziehbar darzulegen, welche Aktenteile betroffen seien und welche Bedenken dies rechtfertigen würden. Sie habe auch darzulegen, zB welchen Repressalien eine betroffene Person ausgesetzt sein könnte. Für die Beschwerdeführerin hätten sich bei einer ex-ante - Betrachtung im Anlassfall solch konkrete Bedenken rechtfertigende Anhaltspunkte weder aus dem Akteninhalt noch auf Grundlage sonstiger Informationen ergeben, weshalb auch kein Anlass bestanden habe, dem Akteneinsichtsbegehren des Beschuldigten nicht vollumfänglich nachzukommen. Die Datenschutzbehörde habe selbst keine solchen Anhaltspunkte aufgezeigt. Das Ermittlungsverfahren habe daher keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass der Anzeiger durch den Angezeigten rechtlich unzulässige Reaktionen in Gestalt von Repressalien, wie etwa eine gefährliche Drohung, Nötigung oder einen sonstigen Angriff auf die körperliche Integrität, zu befürchten gehabt hätte, sodass dem Informationsinteresse am gesamten Akteninhalt kein überwiegendes berechtigtes Interesse des Anzeigers an der Geheimhaltung seiner Daten gegenüberstehe. Letztlich sei anzumerken, dass der angefochtene Bescheid bei generalisierender Lesart dem § 17 Abs. 3 AVG eine vom Gesetzgeber nicht intendierte „automatische“ Verweigerung/Beschränkung der Akteneinsicht unterstelle: die Ausführungen der Datenschutzbehörde würden nämlich die Schlussfolgerung indizieren, dass schon die Erstattung einer Anzeige selbst einen solchen Ausnahmetatbestand bilden solle, weil schon alleine damit die Befürchtung vor Repressalien zwingend bzw. typischerweise einhergehe. Nach dieser Auffassung solle also schon eine abstrakte Gefahr hinreichen, um einem Angezeigten den Anzeiger identifizierende Daten, wie etwa seinen Wohnort, vorzuenthalten. Es werde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Datenschutzbehörde zurückverweisen, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die gegenständliche Datenschutzbeschwerde zur Gänze abgewiesen werde.
5. Mit Schreiben vom XXXX 2019 legte die Datenschutzbehörde die Beschwerde und den Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor und verwies auf die Begründung im Bescheid vom XXXX 2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die mitbeteiligte Partei zeigte am XXXX 2018 einen anderen KFZ-Lenker wegen rücksichtslosen Verhaltens bei der Polizeiinspektion XXXX an. Dabei wurde sie als Zeuge geführt. Es wurden außerdem ihr Name, ihre Wohnadresse und ihr KFZ-Kennzeichen aufgenommen und samt der Anzeige an die Beschwerdeführerin übermittelt, die daraufhin ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den anderen KFZ-Lenker einleitete.
Die Beschwerdeführerin gewährte dem anderen KFZ-Lenker, dem in ihrem Verfahren Beschuldigten, vollständige Akteneinsicht, wodurch dieser Kenntnis vom Namen und der Adresse der mitbeteiligten Partei erhielt. Daraufhin begab sich der andere KFZ-Lenker zur Wohnadresse der mitbeteiligten Partei und sprach sie auf die Anzeige an. Er verhielt sich bei diesem Treffen ruhig.
Die Wohnadresse der mitbeteiligten Partei ist nicht aus dem öffentlichen Telefonbuch ersichtlich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen der Parteien und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Rechtsgrundlagen:
1.1. Die gesetzlichen Grundlagen nach dem DSG lauten auszugsweise wie folgt:
(Verfassungsbestimmung)
Grundrecht auf Datenschutz
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3) - (4) […]
1.2. Die gesetzlichen Grundlagen nach der DSGVO lauten auszugsweise wie folgt:
Art. 5 DSGVO:
Artikel 5: Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten
1) Personenbezogene Daten müssen
a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“);
b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken („Zweckbindung“);
c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein („Datenminimierung“);
d) sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden („Richtigkeit“);
e) in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist; personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden („Speicherbegrenzung“);
f) in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“);
(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).
Art. 6 DSGVO:
Artikel 6: Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.
(2) Die Mitgliedstaaten können spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1 Buchstaben c und e beibehalten oder einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.
(3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch
a) Unionsrecht oder
b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.
Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt oder hinsichtlich der Verarbeitung gemäß Absatz 1 Buchstabe e für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich sein, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Diese Rechtsgrundlage kann spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung enthalten, unter anderem Bestimmungen darüber, welche allgemeinen Bedingungen für die Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung durch den Verantwortlichen gelten, welche Arten von Daten verarbeitet werden, welche Personen betroffen sind, an welche Einrichtungen und für welche Zwecke die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, welcher Zweckbindung sie unterliegen, wie lange sie gespeichert werden dürfen und welche Verarbeitungsvorgänge und -verfahren angewandt werden dürfen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung einer rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgenden Verarbeitung, wie solche für sonstige besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX. Das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten müssen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen.
(4) Beruht die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, nicht auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Artikel 23 Absatz 1 genannten Ziele darstellt, so berücksichtigt der Verantwortliche — um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist — unter anderem
a) jede Verbindung zwischen den Zwecken, für die die personenbezogenen Daten erhoben wurden, und den Zwecken der beabsichtigten Weiterverarbeitung,
b) den Zusammenhang, in dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den betroffenen Personen und dem Verantwortlichen,
c) die Art der personenbezogenen Daten, insbesondere ob besondere Kategorien personenbezogener Daten gemäß Artikel 9 verarbeitet werden oder ob personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 verarbeitet werden,
d) die möglichen Folgen der beabsichtigten Weiterverarbeitung für die betroffenen Personen,
e) das Vorhandensein geeigneter Garantien, wozu Verschlüsselung oder Pseudonymisierung gehören kann.
1.3. Die gesetzlichen Grundlagen nach dem AVG lauten auszugsweise wie folgt:
Akteneinsicht
§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.
1.4. Zur Akteneinsicht, vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 17 [Stand 1.1.2014, rdb.at] mwN:
„Die Akteneinsicht des § 17 AVG ist – insbesondere in reinen Aktenverfahren – unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Parteien effektiv von ihrem Anspruch Gebrauch machen können, bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts ihre Rechte und rechtlichen Interessen zu wahren (§ 37 AVG; vgl. auch § 17 Abs. 1 AVG in der Stammfassung BGBl 1925/274), steht also in engstem Zusammenhang mit dem Recht auf Gehör (VwSlg 12.553 A/1987; VwGH 19. 3. 2003, 2000/12/0110; VwSlg 17.973 A/2010; vgl. insbesondere auch Herrnritt 65 [Das Verwaltungsverfahren (1932)]; Hellbling 159 [Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I (1953)]; Novak, ÖJZ 1973, 253; ferner Ledl, ÖJZ 1952, 510; Kitzler, ÖJZ 1956, 536; die „Wesentlichkeit“ dieses Rechts betonend auch VwGH 19. 9. 1996, 95/19/0778; 20. 11. 2003, 2002/09/0093). Die Akteneinsicht soll den Parteien – auch in Gewährleistung der Waffengleichheit (VwSlg 17.973 A/2010) – die Möglichkeit geben, sich durch unmittelbaren Einblick in die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens selbst eine Meinung zu bilden (Hellbling 160 f) und dadurch genaue Kenntnis vom Gang des Verfahrens und von den Entscheidungsgrundlagen der Behörde zu erlangen (VwSlg 14.717 A/1997; 17.517 A/2008; VwGH 22. 10. 2013, 2012/10/0002 verst. Sen). Damit wird jeglicher polizeistaatlichen Kabinettsjustiz eine Absage erteilt (Hengstschläger4 Rz 148) und dem rechtsstaatlichen Prinzip (vgl § 8 Rz 1) Geltung verschafft (Herrnritt 65; Novak, ÖJZ 1973, 254; vgl. auch Harbich, AnwBl 1988, 3; Thienel, Grundsätze 53). Gleichzeitig steht das Recht der Parteien auf Akteneinsicht (vgl. Rz 2) in einem gewissen Spannungsverhältnis zur grundsätzlichen (dh unter Gesetzesvorbehalt stehenden) Verpflichtung der Verwaltungsorgane zur Amtsverschwiegenheit gemäß Art 20 Abs. 3 B-VG (Haller, Amtsverschwiegenheit 145 ff; Novak, ÖJZ 1973, 254) und zur Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß § 1 Abs. 1 DSG (vgl auch Haller, Amtsverschwiegenheit 148 ff; Messiner, ZVR 1994, 8; ferner § 17 Abs. 3 AVG und dazu Rz 8 ff) [RZ 1]. […].
Seinem Telos entsprechend bezieht sich das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 Abs. 1 AVG auf alle Akten(-bestandteile), welche die Sache (vgl. auch Rz 2 f) der Partei betreffen, die Akteneinsicht begehrt (VwGH 19. 9. 1996, 95/19/0778; 20. 11. 2003, 2002/09/0093; 27. 9. 2011, 2010/12/0184; vgl auch VwGH 14. 11. 2012, 2012/12/0036). [RZ 5]. […]
Gemäß dem geltenden – durch die Novelle BGBl 1990/357 (ohne Begründung [vgl AB 1990, 1 f] neu gefassten – § 17 Abs. 3 AVG gibt es keine unbedingten Ausnahmen (Hellbling 161; Mannlicher/Quell AVG § 17 Anm 4; Novak, ÖJZ 1973, 256) von der Akteneinsicht (vgl. hingegen § 21 Abs 1 VwGVG). Vielmehr sind alle Aktenbestandteile von der Einsicht (nur mehr) insoweit ausgenommen, als der Einsichtnahme bestimmte legitime Interessen entgegenstehen. Dadurch wird kein Ermessen der Behörde begründet (vgl. schon Novak, ÖJZ 1973, 256; siehe auch VwGH 25. 6. 1992, 91/16/0057 zu § 90 Abs 2 BAO; idS auch VwGH 18. 9. 2002, 2001/07/0149), sondern sie hat das Interesse der Partei an der Akteneinsicht im Hinblick auf deren Zweck gegen das Interesse der anderen Partei(en) oder Dritter – und nach VwGH 18. 3. 1992, 91/12/0007, offenbar auch gegen die in Betracht kommenden öffentlichen Interessen – im Einzelfall abzuwägen (VwGH 22. 5. 2012, 2009/04/0187; 9. 4. 2013, 2011/04/0207; vgl. auch noch Walter/Mayer8 Rz 179; kritisch zur Unbestimmtheit der Verweigerungsgründe Hengstschläger4 Rz 155; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger9 Rz 179 [Verwaltungsverfahrensrecht]; zur grundsätzlichen Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art 6 MRK siehe Grabenwarter, Verfahrensgarantien 611 ff). [Rz 9]. […]
Die Behörde darf weder den Parteien noch Dritten Einsicht in Aktenbestandteile gewähren, insoweit dadurch eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen herbeigeführt würde. In systematischer Interpretation ist zunächst anzunehmen, dass der Begriff „berechtigte Interessen“ (vgl. auch § 1 Abs. 2 DSG und dazu Messiner, ZVR 1994, 8 f, sowie die Mitteilung des BKA zur Auskunft über Daten einer Unfallaufnahme, AnwBl 1994, 365) einer Partei oder eines Dritten jedenfalls weiter ist als jener der „rechtlichen Interessen“ iSd § 8 AVG. Hätten die „dritten Personen“ (§ 17 Abs. 3 AVG) nämlich ein rechtliches Interesse an der Sache gemäß § 8 AVG, dann wären sie ohnedies Parteien (vgl Hengstschläger4 Rz 154; idS auch Novak, ÖJZ 1973, 257). Von § 17 Abs. 3 AVG werden etwa auch wirtschaftliche Interessen aus einer legalen Tätigkeit (Wielinger12 Rz 70 [Einführung in das österreichische Verwaltungsverfahrensrecht12]; vgl. auch Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim DSG § 1 Anm 13; Hengstschläger4 Rz 154), wie zB das Interesse am Schutz von Betriebsgeheimnissen (vgl. Ritz4 BAO § 90 Anm 8; ferner VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0207; Wessely, Eckpunkte 161 f), oder sonstige berechtigte Interessen geschützt, also etwa das Interesse eines Zeugen oder einer Auskunftsperson am Unterbleiben von „Repressalien“ (VwGH 19. 12. 2000, 95/12/0007) oder an ihrer körperlichen Integrität (vgl. VwGH 18. 10. 1988, 88/14/0092 zu § 90 Abs 2 BAO) und das Interesse des Erwerbers versteigerter Waffen an der Geheimhaltung seiner Identität gegenüber dem vormaligen Eigentümer (VwGH 27. 11. 2008, 2005/03/0136). [RZ 10]. […]
Wird die Akteneinsicht verweigert, so ist in der Begründung des das Verfahren abschließenden Bescheides (oder des selbständigen Verweigerungsbescheides) nachvollziehbar darzulegen, welche Aktenteile davon betroffen sind und welche öffentlichen oder privaten Interessen dies im konkreten Fall rechtfertigen (VwGH 11. 5. 2010, 2008/22/0284). Den Anforderungen des § 60 AVG ist in diesem Zusammenhang etwa mit der bloßen Behauptung, es sprächen „besondere Umstände“ für die Annahme einer Gefährdung öffentlicher Interessen, nicht Genüge getan. Dies gilt umso mehr, wenn die betreffenden Aktenteile für die (negative) Entscheidung in der Sache (zB über eine Aufenthaltsbewilligung) und damit auch für die Rechtsverfolgung durch die Partei wesentlich sind (VwGH 19. 9. 1996, 95/19/0778; 11. 5. 2010, 2008/22/0284; vgl. auch allgemein § 60 Rz 5 ff). Hat die Behörde Bedenken, dass im Fall der unbeschränkten Einsicht (zB in Beschwerden gegen einen Beamten durch einzelne Bürger) dritte Personen Repressalien ausgesetzt wären, so darf sie sich nicht mit allgemeinen Befürchtungen, die nicht nachvollziehbar sind, begnügen, sondern hat darzulegen, welchen Repressalien die betreffenden Personen bei Bekanntwerden ihrer Identität ausgesetzt sein könnten (VwGH 19. 12. 2000, 95/12/0007). Gleichzeitig hat die Behörde – wie bei einem Auskunftsverweigerungsbescheid nach Art 20 Abs. 4 B-VG (vgl Perthold-Stoitzner, ecolex 1991, 362; ferner VwSlg 13.663 A/1992; VwGH 22. 5. 1996, 95/01/0084) – wohl auch zu beachten, dass durch ihre Darlegungen in der Bescheidbegründung die geheim zu haltende Tatsache nicht bekannt wird. […]
Wie diese Ausführungen dem Grunde nach schon zeigen, muss auch und gerade im Fall der Ausnahme von Aktenteilen gemäß § 17 Abs 3 AVG den Parteien die Möglichkeit effektiver Rechtsverfolgung bleiben (vgl Rz 1; VwGH 22. 5. 2012, 2009/04/0187; Wessely, Eckpunkte 162 f). Bezüglich der Rechtsfolgen einer solchen Verweigerung der Akteneinsicht wird daher in Lehre und Rsp auch der aus dem Recht auf Parteiengehör erfließende fundamentale Grundsatz (vgl. § 45 Rz 28, § 46 Rz 17) hervorgehoben, dass ein Bescheid nicht auf Beweismittel gegründet werden darf, die der Partei nicht zugänglich (geheim) sind (vgl. auch Lehofer, Parteienrechte 420). […] Zum anderen hat der VwGH (wenn auch konkret zur – parallelen – Bestimmung des § 90 Abs 2 BAO) festgehalten, aus der Zulässigkeit einer Ausnahme gemäß § 17 Abs 3 AVG folge noch keineswegs die Berechtigung der Behörde, Aussagen von gegenüber der Partei verdeckten Auskunftspersonen und Zeugen zum Nachweis für nachteilige Tatsachen heranzuziehen. Aussagen geheim gehaltener Personen können daher zwar für die Behörde einen Verdacht begründen, der sie zu entsprechenden Ermittlungen und Nachforschungen berechtigt, als Beweismittel zur Begründung von Feststellungen im Bescheid dürfen sie jedoch nicht herangezogen werden (vgl auch mwN Wessely, Eckpunkte 163). [RZ 11]. […]“
2. In der Sache:
2.1. Aus den vorstehenden Absätzen zur Akteneinsicht gemeinsam mit den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und dem Beschwerdevorbringen ergibt sich die Bedeutung des Rechts auf Akteneinsicht im verwaltungsrechtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren als Garant für Rechtsstaatlichkeit und als Voraussetzung für die Wahrnehmung aller Parteien- bzw. Beschuldigtenrechte. Dass das Recht auf Akteneinsicht für die Parteien in einem Spannungsverhältnis mit dem Schutz personenbezogener Daten stehen kann, wurde bereits in der oben angeführten Literatur ausgeführt. Der OGH stellte dazu kürzlich in seinem Urteil vom 24.07.2019, 6 Ob 45/19i iZm § 219 ZPO (die Einschreiterin beantragte Akteneinsicht ua in Gesundheitsdaten einer Klägerin in einem Verfahren über Schadenersatz gegen eine Spitalserhalterin und brachte dazu ein berechtigtes Interesse wegen eines gegen die Einschreiterin geführten Strafverfahrens vor) fest, dass dort die Wahrnehmung von Verteidigungsrechten in einem Strafverfahren auch im Kontext von datenschutzrechtlichen Überlegungen betreffend Gesundheitsdaten iSd Art. 9 DSGVO ein berechtigtes Interesse im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung darstellen kann.
2.2. Im angefochtenen Spruchpunkt 1. des Bescheids der Datenschutzbehörde vom XXXX 2019 stellt sie eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung durch die Offenlegung der Wohnadresse des Anzeigers – hier der mitbeteiligten Partei – in einem Verwaltungsstrafverfahren im Wege der Akteneinsicht fest. Diesem Ausspruch der belangten Behörde kann aus den folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
Wie die belangte Behörde in ihrem Spruchpunkt 2. im Bescheid vom XXXX 2019 richtig ausführt, besteht seitens einer Partei in einem Verwaltungs(straf)verfahren ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in den dem Verfahren zugrundeliegenden Akt. Aus dem rechtsstaatlichen Prinzip des Parteiengehörs, das für die Möglichkeit der Wahrnehmung von Parteienrechten im Verfahren unabdingbar ist, ergibt sich die Verpflichtung zur Offenlegung eben auch der Beweisquelle, wie die belangte Behörde richtigerweise dargelegt hat (vgl. wieder Hengstschläger/Leeb, AVG § 45, RZ 28, § 46, RZ 17 [Stand 1.7.2005, rdb.at])).
Der Beschwerdeführerin ist dahingehend zu folgen, dass sich im Laufe des Verfahrens für sie keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben, wonach sich die Offenlegung der Identität – damit gemeint auch der Name – des Anzeigers bzw. der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 Abs. 3 AVG aufgrund anzunehmender Repressalien als problematisch darstellen könnte. Wie oben dargestellt bedarf es konkreter Anhaltspunkte, um eine Beschränkung der Akteneinsicht zu rechtfertigen, wobei nur allgemeine Befürchtungen darüber nicht ausreichen (siehe VwGH, 19.12.2000, 95/12/0007 und zu § 90 BAO VwGH, 18.10.1988, 88/14/0092). In einem Fall, in dem der VwGH die Verweigerung der Einsicht in Aktenbestandteile aufgrund befürchteter Repressalien als gerechtfertigt ansah, ging es um die Identität des Erwerbers von Faustfeuerwaffen in einem Verwertungsverfahren. Im gegenständlichen Verfahren wird weder von der mitbeteiligten Partei noch von der belangten Behörde vorgebracht, dass es objektive Kriterien dazu gegeben hätte, eine Schädigung des Anzeigers im Falle der Offenlegung seiner Identität annehmen zu können (wie zB Hinweise auf Waffenbesitz, Gewaltbereitschaft, uä), noch wurden subjektive Befürchtungen dazu im Verfahren vor der Beschwerdeführerin geltend gemacht.
Darüber hinaus muss gegenständlich angemerkt werden, dass von keiner Partei im Verfahren vorgebracht wurde, dass aus Gründen der Furcht vor (konkreten) Repressalien die Identität der mitbeteiligten Partei geheim zu halten gewesen wäre. Moniert wird „nur“ die Offenlegung der Wohnadresse im Rahmen der Akteneinsicht durch den Beschuldigten des Verwaltungsstrafverfahrens. Damit gehen weder die mitbeteiligte Partei selbst noch die belangte Behörde davon aus, dass erstere ausreichend konkrete Befürchtungen hätte haben müssen, die die Geheimhaltung ihrer Identität als Anzeiger bedingt hätten.
Was nun die Wohnadresse alleine betrifft, so beruft sich die belangte Behörde ua darauf, dass die Adresse der mitbeteiligten Partei nicht im Telefonbuch aufscheine, weshalb sie „nicht ohne weiteres nur mit dem Namen“ zu finden sei. Dabei übersieht sie allerdings, dass gemäß § 18 Abs. 1 MeldeG die Meldebehörde auf Verlangen gegen den Nachweis der Identität aus dem Zentralen Melderegister Auskunft zu erteilen hat, ob und zutreffendenfalls wo eine eindeutig bestimmbare Person angemeldet ist oder war. Das Zentrale Melderegister ist aus Gründen der Publizität für die Öffentlichkeit in Bezug auf den Hauptwohnsitz als öffentliches Register geführt (vgl. VwGH, 13.02.2020, Ra 2018/01/0040, und die dort angeführte Quelle der Erläuterungen zum Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I. Nr. 32/2018, RV 65 BlgNR 26. GP, 69). Dass es eine Auskunftssperre in Bezug auf die mitbeteiligte Partei geben würde, wurde im Verfahren nicht vorgebracht. Im Gegensatz zu § 18 Abs. 1b MeldeG muss eine Person bei einer Abfrage des ZMR betreffend den Hauptwohnsitz auch keinerlei berechtigtes Interesse dafür nachweisen. Demnach kann ein Beschuldigter, der seinen Anzeiger aus einer Akteneinsicht aufgrund seiner Parteienrechte mit Namen kennt, vielleicht nicht „ohne weiteres“, aber doch einfach zugänglich aus einem öffentlichen Register die Adresse des Hauptwohnsitzes der Person ermitteln.
Daher muss das Interesse der mitbeteiligten Partei an der Geheimhaltung ihrer Wohnadresse bereits als gering angesehen werden, wenn ihre Adresse auch für jede Person, die ihren Namen kennt, aus dem Zentralen Melderegister in Erfahrung gebracht werden kann.
Diesem also bereits geringen Interesse an der Geheimhaltung der Wohnadresse steht außerdem ein beachtenswertes Interesse eines Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren gegenüber, eine Beweisquelle so zu kennen, um diesem Beweis gegebenenfalls im Verfahren informiert entgegen treten zu können. Dabei kann eine Wohnadresse zur Identifizierung einer Zeugin oder eines Zeugen beitragen oder vielleicht sogar notwendig sein, zB wenn solche gängige Namen tragen. Wenn daher, wie im gegenständlichen Fall, die belangte Behörde ohne ex-ante – Anhaltspunkte für die Beschwerdeführerin im Falle der fehlenden Beschränkung der Akteneinsicht in Bezug auf die Wohnadresse der mitbeteiligten Partei eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung annimmt, ist der Beschwerdeführerin dahingehend zu folgen, dass damit eine beinahe automatisierte Beschränkung der Akteneinsicht in Bezug auf Anzeiger_innen einhergehen würde, die jedoch eine in diesem Ausmaß unzulässige Beschränkung von Beschuldigtenrechten im Verwaltungsstrafverfahren darstellt, wenn mehr oder weniger anlasslos und automatisch ein möglicherweise notwendiges identifizierendes Merkmal für eine Beweisquelle aus der Akteneinsicht ausgenommen würde.
Schließlich kann auch nicht der Einwand der Beschwerdeführerin dahingehend übersehen werden, dass die mitbeteiligte Partei bei der Anzeige ihre Daten, darunter ihre Wohnadresse, bekannt gegeben hat, obwohl auch die Möglichkeit einer anonymen Anzeige besteht.
2.3. Mit Blick auf die DSGVO stellt § 17 AVG eine Rechtsgrundlage iSd Art. 6 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 DSGVO dar, weshalb die entsprechende Verarbeitung durch die Beschwerdeführerin (Bereitstellung, vgl. Art. 4 Z 2 DSGVO) als rechtmäßig angesehen werden kann.
2.4. Es wird nicht übersehen, dass es für die mitbeteiligte Partei ein überraschendes und vielleicht auch unangenehmes Erlebnis gewesen sein kann, an ihrer Wohnadresse von der angezeigten Person auf ihr Vorgehen angesprochen, also „zur Rede gestellt“ zu werden. Allerdings gab es für die Beschwerdeführerin nicht nur bei der Prüfung, ob Aktenbestandteile wie die Wohnadresse der mitbeteiligten Partei von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollen, keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese durch die angezeigte Person einer Repressalie unterliegen würde, es verlief schließlich auch das Gespräch zwischen der mitbeteiligten Partei und der angezeigten Person ruhig, und entstanden dabei keine „Repressalien“. Dem Interesse der mitbeteiligten Partei an Geheimhaltung ihrer Wohnadresse zur Vermeidung einer Konfrontation mit der angezeigten Person stehen deren – unabdingbar wichtigen – Verfahrensrechte auf Akteneinsicht, Parteiengehör und Kenntnis der Beweisquellen gegenüber, die gegenständlich in der Interessensabwägung überwiegen müssen.
3. Da der Sachverhalt feststeht und im Verfahren ausschließlich Rechtsfragen zu klären waren, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden (VwGH, 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 DSGVO fehlt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Akteneinsicht Anzeige berechtigtes Interesse Datenschutz Datenschutzbeschwerde Datenschutzverfahren Datenverarbeitung Geheimhaltung Interessenabwägung Meldeadresse personenbezogene Daten Revision zulässig Spruchpunkt - Abänderung VerwaltungsstrafverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2225006.1.00Im RIS seit
22.09.2021Zuletzt aktualisiert am
22.09.2021