Entscheidungsdatum
15.06.2021Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2Spruch
W105 2242808-1/2E
W105 2242807-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald Benda als Einzelrichter über die Beschwerden der XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, und der XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2021, Zl. XXXX und XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.
II. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. bis IV. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben, die Spruchpunkte ersatzlos behoben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.
III. XXXX und XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mittels Verständigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 30.09.2020 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) davon benachrichtigt, dass das Ermittlungsverfahren gegen XXXX (BF1) wegen des Verdachts der Begehung der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB eingestellt wurde.
2. Am 20.10.2020 wurde der serbische Reisepass der BF1 von der Polizei gemäß § 39 Abs. 3 BFA-VG sichergestellt, wobei sie ihn freiwillig aushändigte.
3. Am 09.11.2020 fand vor dem BFA eine niederschriftliche Einvernahme unter Beiziehung einer Dolmetscherin für Serbisch statt, in der die BF1 im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll gab: Sie befinde seit 16.03.2020 durchgehend in Österreich bzw. im Schengen-Raum. Im Juni habe sie ein Kind, nämlich die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), bekommen. Sie habe weder einen Aufenthaltstitel noch habe sie einen solchen beantragt. Sie habe kein Geld und werde von ihrem Ehemann, den sie am 30.04.2019 in Wien geheiratet habe, finanziert. Sie lebe mit ihm und der gemeinsamen Tochter in einem Haushalt. Wenn sie müsse, wäre sie bereit, freiwillig auszureisen. In Serbien habe sie acht Jahre eine Grundschule und drei Jahre eine Berufsschule mit technischem Schwerpunkt besucht. Sie könne in Serbien im Haus ihrer Schwiegereltern leben, wo sie auch früher gewohnt habe.
4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 09.04.2021 hat das BFA den Beschwerdeführerinnen einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Zur Erlassung der Rückkehrentscheidung führte das BFA aus, dass sich die BF1 seit 16.03.2020 durchgehend im Bundesgebiet bzw. im Schengen-Raum befinde, obwohl sie über keine Aufenthaltsberechtigung oder Niederlassungsbewilligung verfüge. Sie sei in Österreich lediglich zur Einreise und zum Aufenthalt von 90 Tag innerhalb von 180 Tagen aufgrund der Schengen-Verordnungen berechtigt. Für die BF2 gelte dies ebenso seit ihrer Geburt. Da die erlaubte Aufenthaltsdauer massiv überschritten worden sei, seien die Aufenthalte der Beschwerdeführerinnen in Österreich als unrechtmäßig einzustufen. In Österreich würden sie mit dem zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigten Ehemann bzw. Vater leben, es bestehe ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Da er rechtmäßig in Österreich niedergelassen sei, können sich die Beschwerdeführerinnen bei einer Rückkehr nach Österreich nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzt (im Folgenden: NAG) ohne große Hürden niederlassen. Dass sie dies nicht schon früher beantragt hätten, liege gänzlich in der Verschuldenssphäre der BF1. Aufgrund der langen, unrechtmäßigen Aufenthalte der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet und der gegebenen Rückkehrmöglichkeit seien die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung höher einzustufen als ihre Interessen an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.
5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen mit Schriftsatz vom 13.05.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wird, dass in Österreich ein schützenswertes Familienleben bestehe. Sie seien eine vierköpfige Familie, die Rückkehrentscheidungen betreffe lediglich zwei Personen. Der Hinweis des BFA auf die Möglichkeit der Beschwerdeführerinnen, sich nach dem NAG bei erneuter Einreise nach Österreich niederzulassen, greife zu kurz, da eine erlassene Rückkehrentscheidung der Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 NAG entgegenstehe. Zur Zumutbarkeit, das Familienleben zwischen Eltern und Kindern mittels Telefon, E-Mails oder Skype aufrechtzuerhalten, habe der Verfassungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass die Annahme, ein solcher Kontakt könne mittels solcher Kommunikation aufrechterhalten werden, lebensfremd sei. Aufgrund des bestehenden Familienlebens der Beschwerdeführerinnen in Österreich sei der angefochtene Bescheid zu beheben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF1 trägt den Namen XXXX , ist serbische Staatsangehörige und am XXXX in Serbien geboren. Die BF2 trägt den Namen XXXX , ist serbische Staatsangehörige und am XXXX in Wien geboren. Die BF1 ist die Mutter der BF2. Beide Beschwerdeführerinnen sind gesund.
Die BF1 befindet sich seit 16.03.2020 und die BF2 seit ihrer Geburt durchgehend in Österreich. Sie verfügen über keinen Aufenthaltstitel, der sie zum Verbleib im österreichischen Bundesgebiet oder einem Staat des Schengen-Raumes berechtigt. Ihr Aufenthalt in Österreich stellt sich als unrechtmäßig heraus.
In Österreich führen die Beschwerdeführerinnen ein schützenswertes Familienleben. Sie leben mit dem Ehemann bzw. Vater und der jüngeren Tochter bzw. Schwester im gemeinsamen Haushalt. Die BF1 heiratete ihren Mann am 30.04.2019. Die Töchter kamen im Juni XXXX und April XXXX auf die Welt. Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen verfügt über den zum unbefristeten Aufenthalt in Österreich berechtigenden Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“.
Die BF1 geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und wird wie die BF2 von ihrem Ehemann finanziell versorgt. Sie ist bei ihrem sozialrechtlich mitversichert und ist strafrechtlich unbescholten.
In Serbien ging die BF1 insgesamt elf Jahre lang zur Schule. Vor ihrem Aufenthalt in Österreich lebte sie im Haus ihrer Schwiegereltern, wo sie auch im Falle einer Rückkehr wieder wohnen könnte.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerinnen und ihrer Familie gründen auf den im Akt einliegenden Dokumenten, wie Kopien der Reisepässe sowie die Heirats- und Geburtsurkunden. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand, zu den Aufenthalten in Österreich und zum fehlenden Aufenthaltsrecht ergeben sich zweifelsfrei aus den Angaben der BF1 vor der belangten Behörde. Dass der Ehemann bzw. Vater über einen Daueraufenthaltstitel verfügt, stellte bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest.
Dass die Beschwerdeführerinnen in Österreich ein schützenswertes Familienleben führen, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen sowie den Angaben der BF1 vor dem BFA. So wurde durch die Vorlage der Heirats- und Geburtsurkunden sowie der Meldezettel in Zusammenschau mit ihren Angaben glaubhaft gemacht, dass die Beschwerdeführerinnen mit den Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben, sich die Eltern um die gemeinsamen Kinder kümmern und die Beschwerdeführerinnen vom Ehemann bzw. Vater finanziell versorgt werden. Es sind keine Zweifel hervorgekommen und wurde auch vom BFA nicht bestritten, dass ein schützenswertes Familienleben der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet vorliegt.
Die weiteren Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführerinnen in Österreich und ihrer allfälligen Situation in Serbien beruhen auf den Angaben der BF1 vor dem BFA sowie einem Sozialversicherungs- und Strafregisterauszug.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zu Spruchpunkt I. – Nichterteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“:
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Beschwerdeführerinnen ein Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder haben die Beschwerdeführerinnen das Vorliegen eines dieser Gründe behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.
Es war daher spruchgemäß über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. - Behebung der Spruchpunkte II. bis IV. der angefochtenen Bescheide:
3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1); wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2); wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen (Z 3); solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt (Z 4); bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet (Z 5); wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind (Z 6); wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind (Z 7); wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind (Z 8), oder soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt (Z 9).
Gemäß § 31 Abs. 1a FPG halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn kein Fall des Abs. 1 vorliegt.
Art. 6 (1) des Schengener Grenzkodex mit der Überschrift „Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige“ lautet:
„Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen folgende Einreisevoraussetzungen:
a) Er muss im Besitz eines gültigen Reisedokuments sein, das seinen Inhaber zum Überschreiten der Grenze berechtigt und folgende Anforderungen erfüllt:
[…].“
Die Beschwerdeführerinnen sind serbische Staatsangehörige und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Ein Drittstaatsangehöriger darf sich gemäß Art. 6 (1) Schengener Grenzkodex lediglich 90 Tage innerhalb von 180 Tagen im Schengenraum ohne sonstiges Aufenthaltsrecht aufhalten. Der Herkunftsstaat der Beschwerdeführerinnen, Serbien, ist im Anhang I der Verordnung 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 aufgelistet, weshalb für die Einreise in den Schengen-Raum für bis zu 90 Tage kein Visum erforderlich ist.
Den Beschwerdeführerinnen war es folglich erlaubt, sich ohne Visum oder sonstigen Aufenthaltstitel ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise (im Fall der BF2: ab dem Zeitpunkt der Geburt) insgesamt 90 Tage innerhalb der nächsten 180 Tage im Schengen-Raum aufzuhalten. Dieser Zeitraum wurde aber überschritten und es kann aus dem Schengener-Grenzkodex kein Recht zum Aufenthalt in Österreich abgeleitet werden.
Wie bereits festgestellt und beweiswürdigend dargelegt wurde, kam im Verfahren nicht hervor, dass die Beschwerdeführerinnen im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer Niederlassungsbewilligung für einen Aufenthalt in Österreich oder eines anderen Landes des Schengen-Raumes sind.
Ein zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigter, serbischer Staatsangehöriger ist zwar der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen, aber sie beantragten nie einen darauf aufbauenden Aufenthaltstitel nach dem NAG. Da erst mit der behördlichen Entscheidung der Erteilung eines Aufenthaltstitels einem Fremden ein Recht auf Aufenthalt oder Niederlassung mit konstitutiver Wirkung eingeräumt wird (VwGH 04.09.2006, VwGH 2006/09/0070), kann den Beschwerdeführerinnen gegenständlich mangels Vorliegens eines Aufenthaltstitels kein Aufenthaltsrecht zukommen.
Sonstige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtmäßigen Aufenthalts gemäß § 31 Abs. 1 FPG sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Im Umkehrschluss befinden sich die Beschwerdeführerinnen im Sinne des § 31 Abs. 1a FPG unrechtmäßig im Bundesgebiet. Folglich hat die belangte Behörde die Rückkehrentscheidung zurecht auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.
3.2.2. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (VfGH 24.09.2018, E 1416/2018).
Nach Auffassung des EGMR ist es ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl. VfSlg. 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.02.1992, Fall Margareta und Roger Andersson, Appl. 12.963/87 [Z 72] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohls zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art. 8 EMRK führen (vgl. VfGH 26.02.2019, E 3079/2018; 24.09.2018, E 1416/2018, jeweils mit Hinweis auf Judikatur des EGMR).
Wie bereits festgestellt und beweiswürdigend dargelegt wurde, befindet sich die Kernfamilie der Beschwerdeführerinnen in Österreich. Sie leben im gemeinsamen Haushalt mit dem Ehemann bzw. Vater und der jüngeren Tochter bzw. Schwester. Die BF2 und ihre jüngere Schwester wurden in den Jahren 2020 und 2021 geboren und sind folglich im infantilen Alter, sie sind daher entsprechend den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid anpassungsfähig und ihnen ist eine Neuansiedelung im Herkunftsstaat grundsätzlich zumutbar.
Die vom BFA verfügten Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführerinnen stellen jedoch einen massiven Eingriff in das in Österreich bestehende Familienleben dar, da dies eine Trennung der vierköpfigen Familie bedeuten würde. Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen verfügt über einen unbefristeten Aufenthaltstitel für Österreich, auch gegen die jüngst geborene Tochter bzw. Schwester wurde keine Rückkehrentscheidung erlassen und sie würden im Bundesgebiet verbleiben. Somit muss im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG insbesondere auch auf das Kindeswohl der BF2 und ihrer jüngeren Schwester eingegangen werden, da einerseits die in Österreich verbleibende Tochter von ihrer Mutter und andererseits die BF2 von ihrem Vater getrennt werden würde. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass eine Trennung der Kinder von den Eltern, insbesondere da bislang ein klassisches Familienleben im gemeinsamen Haushalt stattgefunden hat, eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellt (VwGH 24.10.2019, Ra 2018/21/0246). Die Höchstgerichte vertreten in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, Kontakte über Telefon oder mittels E-Mail zwischen den getrennten Kindern und ihren Eltern können eine solche Trennung nicht wettmachen (VfGH 19.6.2015, E 426/2015, 26.6.2018, E 1791/2018; ebenso VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0108, Rn. 11.).
Von der belangten Behörde wurde zur Rechtfertigung der Erlassung von Rückkehrentscheidungen im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 9 BFA-VG ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerinnen über einen längeren Zeitraum unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten und den Bestimmungen zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zur Sicherung der öffentlichen Ordnung ein maßgeblich hohes öffentliches Interesse zukomme. Dieser Ansicht des BFA ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich beizupflichten, den Beschwerdeführerinnen ist jedenfalls anzulasten, dass sie sich unter Missachtung der österreichischen Regelungen im Bundesgebiet niedergelassen hat. Die BF1 hätte sich nach ihrer Einreise im März 2020 bei den zuständigen Behörden melden und einen Aufenthaltstitel beantragen müssen, grundsätzlich ist Letzteres sogar vor der Einreise zu tun (siehe § 21 NAG).
Auch wenn die Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen von hohem öffentlichen Interesse ist, erscheint die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in den gegenständlichen Fällen nicht gerechtfertigt:
So steht unzweifelhaft fest, dass es der Verstoß gegen fremdenrechtliche Regelungen in der Verschuldenssphäre der BF1 liegt. Sie unterließ die Antragsstellungen für die BF2 und für sich betreffend Aufenthaltstitel, sie verblieb mit ihrer Tochter länger als die erlaubten 90 Tage innerhalb von 180 Tagen im Bundesgebiet. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch maßgeblich mildernd zu werten, dass es ihr möglich gewesen wäre, jederzeit einen grundsätzlich bewilligungsfähigen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 46 NAG zu stellen. Die BF1 befindet sich seit 2019 in einer aufrechten Ehe mit einem in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigten serbischen Staatsangehörigen („Daueraufenthalt-EU“), dies hätte sie ebenso für die BF2 machen können. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen wäre folglich durch die Stellung eines Antrags eines solchen Aufenthaltstitels und darauffolgender Erteilung wahrscheinlich rechtmäßig geworden, da nach summarischer Prüfung die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel grundsätzlich vorliegen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen nahm auch das BFA im angefochtenen Bescheid an.
Wenn die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nunmehr auch damit rechtfertigt, dass den Beschwerdeführerinnen nach dem Verlassen des Bundesgebiets eine Wiederansiedelung in Österreich und die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG wegen der familiären Beziehung ohne Probleme möglich sein werde, ist dem § 11 Abs. 1 Z 2 NAG entgegenzuhalten. So ist eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung, dass gegen einen antragsstellenden Fremden in den letzten 18 Monaten grundsätzlich keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Somit könnte - wie im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt - die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu einer länger andauernden Trennung der Beschwerdeführerinnen von den anderen beiden Mitgliedern der Kernfamilie führen. Eine solche Trennung und eine bloße Kontaktaufrechterhaltung der Familienmitglieder über Telefon und Ähnliches - besonders betreffend die Kinder zu den Eltern - über einen längeren Zeitraum erscheint in diesem Fall bei besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls nicht verhältnismäßig (vgl. VfGH 19.6.2015, E 426/2015, 26.6.2018, E 1791/2018).
Diese Einschätzung wird weiters dadurch bestätigt, dass der BF1 mit Ausnahme des unrechtmäßigen Aufenthalts bzw. der Missachtung der fremdenrechtlichen Regelungen kein maßgebliches Fehlverhalten zur Last gelegt werden kann. Sie ist strafrechtlich unbescholten, weitere Verstöße gegen verwaltungsrechtliche Bestimmungen sind nicht bekannt und sie war auch in Österreich durchgehend bei ihrem Ehegatten sozialversicherungsrechtlich mitversichert. Der BF2 als einjährigem Kind kann naturgemäß sowieso kein Fehlverhalten zur Last gelegt werden.
Im vorliegenden Fall treten die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung in den Hintergrund, da die Beschwerdeführerinnen in Österreich ein besonders schützenswertes Familienleben führen und eine Trennung von Vater bzw. Ehegatten und der jüngeren Schwester bzw. Tochter eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellen würde. Die österreichischen Höchstgerichte sprachen mehrfach aus, dass die Trennung von Kindern von ihren Eltern dem Kindeswohl massiv entgegensteht, dieser Eingriff nicht durch einfache Kontakte über Telefon oder Ähnliches wettgemacht werden kann und ein solcher Eingriff in ein schützenswertes Familienleben nur durch besonders hoch einzustufende öffentliche Interessen gerechtfertigt werden können. Der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens kommt zwar definitiv ein hohes öffentliches Interesse zu, da die Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet sonst jedoch kein Fehlverhalten an den Tag legten und sie wohl jederzeit einen bewilligungsfähigen Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach dem NAG hätten stellen können, erscheint dieser massive Eingriff in ihr Familienleben nicht gerechtfertigt. Die Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem Verbleib im Bundesgebiet sind im Vergleich zu den zuvor geschilderten öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung aufgrund ihres besonders schützenswerten Familienlebens als höher einzustufen.
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme würde in Anerkennung der im konkreten Einzelfall gegebenen Situation eine Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerinnen auf Achtung des Familienlebens bewirken, die auf Umständen beruhen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. So ist der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“, der zur unbefristeten Niederlassung in Österreich berechtigt.
Im Sinne des § 9 Abs. 3 BFA-VG ist Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide spruchgemäß zu beheben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
3.2.3. Nachdem im gegenständlichen Erkenntnis Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide - mit welchen gegen die Beschwerdeführerinnen Rückkehrentscheidungen erlassen wurden - ersatzlos behoben wurde, waren auch die weiteren, damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte II. bis IV.) ersatzlos zu beheben, zumal sie schon infolge der Behebungen der Rückkehrentscheidungen ihre rechtliche Grundlage verlieren.
3.3. Zu Spruchpunkt III. - Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung:
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2).
Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 werden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:
1. „Aufenthaltsberechtigung plus“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,
2. „Aufenthaltsberechtigung“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,
3. „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.
Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 sind Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar.
Die Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführerinnen wurden mit Spruchpunkt I. für auf Dauer unzulässig erklärt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerinnen das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllten oder einer geringfügigen, erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, kamen im Verfahren nicht hervor.
Im Sinne des § 55 Abs. 2 AsylG ist den Beschwerdeführerinnen folglich eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Vor dem Hintergrund, dass die gegenständlich angefochtenen Bescheide in ihren wesentlichen Spruchpunkten bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Familienleben Interessenabwägung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W105.2242808.1.00Im RIS seit
20.09.2021Zuletzt aktualisiert am
20.09.2021