TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/17 W222 2243426-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2021
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Entscheidungsdatum

17.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W222 2243426-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist auf dem Luftweg von Belgrad kommend in XXXX gelandet und hat am 17.05.2021 im Zuge einer vorgelagerten Kontrolle gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei gab dieser an: „Ich möchte nicht mehr in Moldawien studieren, da ich dort Probleme mit dem Studium und andere Schwierigkeiten habe. Zurück nach Belgrad oder Indien möchte ich auch nicht.“

Bei der Einvernahme am 18.05.2021 gab der Beschwerdeführer an, dass er zehn Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet habe. Er sei verheiratet, jedoch lebe er von seiner Ehefrau getrennt. Im Heimatland würden seine Eltern, seine Schwester und seine Ehefrau leben. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer folgendes an:

„Ich war in eine Frau verliebt, welche von einer höheren Kaste war. Sie liebte mich ebenso und wir waren seit vielen Jahren zusammen. Ihre Familie erfuhr von unserer Beziehung und hat diese meiner Freundin verboten, da ich zu einer niedrigeren Kaste gehöre. Von dem Bruder meiner Freundin wurden wir bei einer Zusammenkunft erwischt, bzw. hat uns zusammen gesehen. Der Bruder meiner Freundin schlug auf uns beide ein und bedroht mich danach mit dem Tod, sollte ich die Beziehung weiter fortsetzen. Der Bruder berichtet auch seiner Familie von unserer Beziehung. Die Familie verlangte die Trennung und schlug sogar meine Freundin. Ich wollte Anzeige bei der Polizei erstatten, da mich der Bruder schlug. Die Polizei lehnte eine Aufnahme der Anzeige ab, da die Familie meiner Freundin gute Beziehungen zu den Behörden und der Regierungspartei pflegte.

Nach ca. 7 Monaten ohne Kontakt, trafen wir uns wieder und beschlossen heimlich zu heiraten. Sie verließ ihr zu Hause und kam zu mir. Wir lebten gemeinsam, jedoch hatten wir nicht genügend Geld für eine standesamtliche Heirat. Ihre Familie erfuhr von unserer Unterkunft, die Familie nahm meine Freundin bzw. zukünftige Frau mit. Danach versuchte die Familie mich mit einer Pistole zu erschießen. Mir gelang die Flucht, eine weitere versuchte Anzeige, wurde ebenfalls von der Polizei nicht aufgenommen. Meine Eltern verheirateten mich mit einer anderen Frau, welche ich nicht wirklich liebte. Ich blieb mit dieser bzw. meiner Frau ca. 2,5 Jahre zusammen. Danach meldete ich mich wieder bei meiner alten Freundin bzw. wirklichen Liebe. Als die Familie meiner Freundin von dem neuerlichen Kontakt erfuhr, wurde ich und auch die Familie meiner Ehefrau mit dem Tod bedroht. Meine Frau hat mich an dann verlassen. Mir wurde geraten, dass ich meine Heimat verlassen soll. Daraufhin verkaufte meine Mutter ihr Hab und Gut, damit meine Ausreise aus Indien finanziert werden konnte.

Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung.“

Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben.

Die ärztliche Untersuchung vom 19.05.2021 ergab, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Untersuchung als haftfähig anzusehen ist.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 21.05.2021 vor der Erstaufnahmestelle XXXX , gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht in ärztlicher Behandlung stehe, keine Medikamente nehme und körperlich und geistig gesund sei. Weiters gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

„LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der polizeilichen Erstbefragung am 18.05.2021 wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert? Wollen Sie etwas ergänzen?

VP: Ich habe die Wahrheit gesagt und alles angegeben. Ich möchte nichts ergänzen.

LA: Wie heißen Sie und wann und wo wurden Sie geboren?

VP: Mein vollständiger Name ist XXXX . Auf Nachfrage ich habe nur diesen einen Namen. Ich bin am XXXX , in der Stadt XXXX geboren.

LA: Sind Sie verheiratet? Wenn ja, wie lauten die Daten (Name, Geburtsdatum) Ihrer Gattin?

VP: Ja, mit XXXX , geb. XXXX oder XXXX . Wir haben in einem Sikh Tempel geheiratet, vor ca. 2 ½ Jahren.

LA: Wo befindet sich Ihre Frau?

VP: Sie lebt bei ihren Eltern in Indien.

LA: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wie viele? Nennen Sie den Namen und Geburtsdaten der Kinder.

VP: Nein.

LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrer Heimat Indien?

VP: Vater XXXX , ca. XXXX Jahre alt, Mutter XXXX , ca. XXXX Jahre alt und Gattin XXXX . Ich habe auch noch eine Schwester XXXX Jahre alt.

LA: Wo genau halten sich Ihre Angehörigen aktuell auf?

VP: Meine Eltern leben bei meiner Schwester, bei ihr zu Hause im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Punjab. Auf Nachfrage, meine Schwester ist dort verheiratet.

LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen in Indien den Lebensunterhalt?

VP: Mein Vater ist ein Tagelöhner. Mein Vater machte zuvor XXXX und jetzt ist er Tagelöhner.

LA: Bitte geben Sie so genau wie möglich die Adresse im Heimatland an, an der Sie zuletzt gelebt haben?

VP: Punjab, XXXX .

Bevor ich ausgereist bin, habe ich mich 2 Monate lang im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Hayrana bei einem Freund gelebt.

LA: Wie lange haben Sie an dieser Adresse gelebt?

VP: Von Kindheit bis zum 6. Lebensjahr habe ich mich in XXXX aufgehalten. Danach war ich in meinem Heimatdorf XXXX , Provinz Uttar Padesh, dort habe ich die Schule besucht. Ich habe dort 10 Jahre lang die Grundschule besucht. Wie lange ich dort gelebt habe, kann mich daran nicht erinnern. Ich lebte bei vielen Verwandten.

LA: Unter welchen Umständen und mit wem lebten Sie in Indien? (Haus, Wohnung, Miete, Eigentum …?)

VP: Mit meiner Ehefrau habe ich in XXXX gewohnt an der angegebenen Adresse. Das ist eine Eigentumswohnung, diese gehört meinem Vater. Auf Nachfrage, vor meiner Ausreise sagte mein Vater, dass er die Wohnung verkauft hat.

LA: Wann, wie und mit wem hatten Sie zuletzt Kontakt in Ihrem Heimatland?

VP: Mit meinem Vater habe ich telefoniert, als ich in Serbien war. Auf Nachfrage, es geht ihnen gut. Mein Vater hat sich nach mir erkundigt, ob ich genug zu essen bekomme usw.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte?

VP: Nein.

LA: Welche Schul- und Ausbildung haben Sie?

VP: 10 Jahre Grundschule, ich habe nicht einmal die 10. Klasse abgeschlossen. Ich habe gelernt XXXX zu reparieren.

LA: Wovon haben Sie gelebt? Wo waren Sie beschäftigt? Waren Sie bis zu Ihrer Ausreise beruflich tätig?

VP: Als ich noch die Schule besucht habe, habe ich meinem Vater geholfen XXXX herzustellen. Danach zog ich nach Punjab dort habe ich gelernt XXXX zu reparieren. Dort habe ich in der Stadt XXXX in einem Geschäft gearbeitet. Ich musste dann aufhören zu arbeiten, weil ich Probleme bekam und war nicht bis zur Ausreise tätig.

LA: Möchten Sie irgendwelche Beweismittel/Dokumente/ärztliche Befunde etc. vorlegen? Haben Sie Dokumente bei sich?

VP: Ich habe bereits alles abgegeben.

Anm. Reisepass Indien liegt im XXXX Akt im Original auf.

Daten Reisepass:

Name: XXXX

Geboren: XXXX

Ausgestellt am XXXX in XXXX gültig bis XXXX

Passnummer: XXXX

Republic of India

XXXX – Police Clearence Certificate, vom XXXX „Leumundszeugnis“ – Ausbildung in der, Rep. Moldawien. – Original im XXXX Akt – Kopie angefertigt.

2 Schreiben XXXX – Informationen bzgl. Studium/Unterlagen etc. vom XXXX und Studentennamen ersichtlich – Studienzeit XXXX , vom XXXX – Kopien im XXXX Akt

Kopien liegen im Akt auf.

LA: Was haben Sie noch für Dokumente im Heimatland?

VP: Nein, habe ich keine.

LA: Wann haben Sie Ihren Entschluss zur Ausreise gefasst?

VP: Das haben meine Eltern entschieden. Sie sagten zu mir, mein Leben sei in Gefahr. 6-7 Monate vorher, bevor sie den Reisepass beantragt haben.

LA: Nennen Sie mir den Weg Ihrer Ausreise? Wer hat das Ticket besorgt und wie?

VP: Mein Vater hat bezahlt, ich weiß nicht wieviel. Ich vermute er hat 1Mio. ind. Rubien bezahlt. Ich flog von Indien/Delhi nach Dubai, dann Türkei und Moldawien. Am 09.03.2021 war ich in Moldawien und habe mich bis 27.03.2021 dort aufgehalten, dann bin ich in die Ukraine, Serbien und nach Österreich.

LA: Wie erfolgte Ihre Ausreise legal oder illegal?

VP: Legal.

LA: Wie verlief die Ausreisekontrolle in Indien?

VP: Ohne Probleme.

LA: Waren Sie sonst jemals im Ausland?

VP: Nein, davor nicht. Nur die Reise jetzt.

LA: Haben Sie bereits woanders um Asyl angesucht? (wenn ja, wann? – wo? Ausgang d. Verfahrens?)

VP: Nein, ich wollte jedoch in Moldawien bleiben, aber das Studium war sehr schwer.

LA: War Österreich jetzt Ihr Zielland?

VP: Nein.

LA: Bitte nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit, Volksgruppe und Religionszugehörigkeit?

VP: Ich bin indischer Staatsangehöriger, Volksgruppe Ghumar und Religion Hindu XXXX .

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit Probleme im Heimatland?

VP: Nein. Eigentlich, wegen meiner Freundin hatte ich schon Probleme. Auf Nachfrage, sie gehörte einer höheren Kaste an.

LA: Werden Sie gesucht im Heimatland oder gibt es einen Haftbefehl?

VP: Nein.

Anm. „indisches Leumundszeugnis“ wurde vorgelegt.

LA: Haben Sie im Heimatland strafbare Handlungen begangen, sind Sie vorbestraft / verurteilt oder waren Sie schon einmal in Haft oder Gefangenschaft?

VP: Nein.

LA: Kommen wir bitte jetzt nochmals zu allen Ihren Fluchtgründen. Sie haben schon etwas dazu angegeben. Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davonmachen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Sie wollen mich umbringen. Sie haben es mir gesagt, sie werden mich überall ausfindig machen. Weil diese Leute haben sehr gute Kontakte.

LA: Wer? Warum würde man Sie umbringen wollen?

VP: Der Bruder meiner Freundin, die ganze Familie. Die ganze Familie ist gegen mich.

LA: Welche Familie?

VP: Ich habe es ja schon detailliert gesagt.

LA: Sie gaben vor der Polizei etwas an, ich bin von einer anderen Behörde, dies habe ich Ihnen zu Beginn der Einvernahme auch mitgeteilt.

VP: Ich war verliebt in ein Mädchen, ihre Familie war gegen die Beziehung. Da ich zu einer unteren Kaste angehöre, waren sie gegen mich. Sie haben mich auch angegriffen und ich wurde verletzt. Danach bin ich von dort geflüchtet und hatte die letzten 2-3 Monate keinen Kontakt zu meiner Freundin. Dann hat sie mich angerufen und sie sagte, sie will mich heiraten. Wir machten einen Plan zu heiraten. Sie ist von zu Hause weggerannt, wir wohnten zusammen und hatten nicht genügend Geld für eine standesamtliche Hochzeit. Ich musste dafür 2-3 Monate lang Geld sparen. Inzwischen hat uns ihr Bruder ausfindig gemacht. Ich weiß nicht wie. Er hat uns angegriffen und in unsere Richtung geschossen. Er kam zu uns nach Hause, ich war auf der Terrasse, es war Nacht. Es gelang mir von dort zu flüchten und er nahm seine Schwester mit. Danach habe ich mich einige Zeit versteckt aufgehalten und zog dann nach Punjab. Zuerst wussten sie nichts über meinen Aufenthalt in Punjab. Dann habe ich dort gelernt XXXX zu reparieren. Ich fing an dort zu arbeiten. Dann habe ich geheiratet. Ca. 5-6 Monate nach meiner Heirat habe ich meine Freundin nochmals kontaktiert. Ihre Familie erfuhr davon, wir haben uns 2-3 Mal angerufen. Ihre Familie kam nach Punjab, sie waren sehr verärgert. Sie haben die Familie meiner Ehefrau bedroht und haben meinen Schwiegereltern gesagt, ich wäre keine gute Person. Nach diesem Vorfall hat mich meine Frau verlassen.

Anm. VP weint – Nachfrage, Pause angeboten er kann weiter.

VP: Meine Frau hat mich auch verlassen. Danach habe ich das Land verlassen.

LA: Wann und wo war der Vorfall – Angriff gegen Ihre Person?

VP: Es war vor einer langen Zeit, ich kann mich nicht genau daran erinnern, wann das war. Auf Nachfrage, das war in der Stadt XXXX , da haben wir in einem Hotel gewohnt, in Uttar Pradesh.

Auf Nachfrage, wo in meine Richtung geschossen wurde, war in diesem Hotel. Ich stand oben auf der Terrasse von dem Hotel. Er wollte mich töten.

LA: Haben Sie Verletzungen erlitten, bei diesem Vorfall?

VP: Nein.

LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Warum konnte die Polizei nicht Ihre Anzeige wahrnehmen und Sie schützen?

VP: In Indien ist die Polizei bestechlich, immer wenn wir bei der Polizei waren und sie erfuhren, welche Familie es ist, wurde mir nicht geholfen.

LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihnen die Einreise in das Bundesgebiet NICHT gestattet

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD - eventuell Verhängung der Schubhaft usw. - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.

VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, XXXX des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?

VP: Nein.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Habe ich gut verstanden.

LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Es hat alles gepasst.

LA: Gab es weitere Vorfälle gegen Ihre Person?

VP: Sie haben mich sehr lange verfolgt, aber ich habe mich geschützt und bin ausgereist. Mindestens 2-3 Mal waren sie in Punjabi und haben mich bedroht. Auf Nachfrage, die Drohungen waren mündlich.

LA: Körperliche Übergriffe gegen Ihre Person gab es keine, nur mündliche Drohungen und der eine Vorfall auf der Hotelterrasse. Ist dies korrekt?

VP: Einmal wurde ich geschlagen. Auf Nachfrage, ich weiß nicht mehr, wann das war.

LA: Gingen Sie zur Polizei um eine Anzeige zu erstatten?

VP: Ja. Auf Nachfrage, als ich angegriffen und bedroht worden bin. Die Polizei hat mir nicht geholfen.

LA: Über welchen Zeitraum wären Sie bedroht worden, wann wäre die letzte Drohung/Bedrohung gewesen?

VP: Das kann ich nicht angeben.

LA: Das sind Ihre Fluchtgründe, weshalb Sie nun einen Asylantrag gestellt haben – diese unglückliche Liebesbeziehung zu Ihrer ersten Freundin?

VP: Ja.

LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen oder Vorfälle zu Ihrem Fluchtgrund?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie von staatlicher Seite verfolgt oder bedroht?

VP: Nein. Nur diese Personen.

LA: Nennen Sie mir bitte genau, welche Personen Sie meinen.

VP: Der Bruder meiner Freundin. Er hat sehr gute Kontakte zu politischen Parteien. Ich habe mich in Punjab aufgehalten und sie haben mich gefunden. Auf Nachfrage, das Dorf meiner Freundin und Punjab liegen ca. 600-700 km dazwischen.

LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen.

VP: Okay.“

Mit Schreiben vom XXXX des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das UNHCR Büro in Österreich ersuchte das Bundesamt den UNHCR um Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG.

Mit Schreiben vom XXXX teilte der UNHCR mit, dass noch Ermittlungen betreffend des Asylverfahrens des BF durchgeführt werde und die Antwort in den kommenden 48 Stunden übermittelt werde.

Anlässlich einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 28.05.2021 vor der Erstaufnahmestelle XXXX , gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

„LA: Die heutige Einvernahme findet aufgrund des Ersuchens vom UNHCR statt, da noch Fragen offen sind.

Anmerkung: Vor Beginn dieser Einvernahme erfolgte bereits am heutigen Tag eine Rechtsberatung der Verfahrenspartei durch die/den RechtsberaterIn – Uhrzeit 10:30 – 11:00, wozu der gesamte bisherige Akt zur Akteneinsicht überlassen worden ist.

LA: Haben Sie die Rechtsberatung verstanden?

VP: Ja.

LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung Ihrer Angaben, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) im Vorfeld ausgefolgt.

Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja.

LA: Sie werden nun nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.

Es ist auch unumgänglich, dass Sie ohne unnötigen Aufschub Ihren Antrag auf internationalen Schutz begründen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

In diesem Zusammenhang werden Sie auch nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass Sie für den Fall, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes abgewiesen werden sollte, in einer Beschwerde gegen diesen Bescheid neue Tatsachen und Beweismittel nur eingeschränkt vorbringen können (sog. Neuerungsverbot).

Anmerkung: Bedeutung bzw. Umfang dieses Neuerungsverbotes werden vom LA erklärt.

LA: Auf die Folgen von wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung werden Sie hier und heute nochmals ausdrücklich hingewiesen.

Wenn Sie wissentlich falsche Angaben über Ihre Identität oder Herkunft machen, um die Duldung Ihrer Anwesenheit im österreichischen Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begehen Sie eine Verwaltungsübertretung nach dem FPG und können bestraft werden.

Sie werden auch nochmals darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST XXXX als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie das Bundesamt über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten, trotz der dazu nun erfolgten Belehrung über die Folgen eines solchen Verhaltens, zu täuschen versuchen.

Ihnen wird weiters zur Kenntnis gebracht, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, dass Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und unwahre Aussagen zur Abweisung Ihres Antrages auf internationalen Schutz wegen mangelnder Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens führen können.

Darüber hinaus werden Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Ihren Angaben im Zulassungsverfahren hier in der EAST XXXX eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt (Anmerkung: LA erklärt die Bedeutung dieser Bestimmungen).

Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Ja.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird auf die Möglichkeit, Unterstützung durch die Mitarbeiter/innen der BBU hier am Flughafen zu finden, die Möglichkeit der Beiziehung eines Vertreters/Rechtsanwaltes, einer Vertrauensperson und auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit UNHCR hingewiesen.

Wasser zu trinken wird bereitgestellt.

LA: Wenn Sie eine Pause benötigen, können Sie dies jederzeit verlangen.

VP: Ja.

LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der polizeilichen Erstbefragung am 18.05.2021 und in der Einvernahme am 21.05.2021 wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert? Wollen Sie etwas ergänzen?

VP: Sie haben mich das letzte Mal das Alter meiner Eltern gefragt, ich weiß es noch immer nicht genau. Ich habe heute in der Früh auch darüber nachgedacht.

LA: Wie heißen Sie und wann und wo wurden Sie geboren?

VP: Mein Name ist XXXX , ich bin am XXXX in XXXX geboren.

LA: In Ihrem Pass ist als Name XXXX ohne Vorname eingetragen bzw. Familienname. Im Verfahren werden Sie nun als XXXX geführt. XXXX wurde von der Polizei angeführt, da Sie keinen Vornamen haben. Wir werden „ XXXX “ aus dem IFA entfernen, es kann nur sein, dass wir einen Namen eingeben müssen, dies wird XXXX sein.

VP: Ja.

LA: Welcher Kaste gehören Sie an?

VP: Ghumar.

LA: Welche Stellung hat diese Kaste in Indien?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Ist diese unten, mittel oder höher angesiedelt?

VP: Ich weiß nicht einmal, welche die unterste Kaste in Indien ist.

LA: Wie wirkt sich die Kastenzugehörigkeit Ghumar auf das Verhältnis von Angehörigen der Kaste zu Behörden und Polizei aus?

VP: In Indien macht es nichts aus, zu welcher Kaste man gehört.

LA: Hatten Sie dazu persönliche Erlebnisse?

VP: Ich habe nie etwas wegen meiner Kaste Ghumar erlebt.

LA: Welcher Kaste gehörte die Freundin – Ihre 1. Freundin an?

VP: Zur Kaste Barahman. Auf Nachfrage, die ist höher.

LA: Sie gaben an, dass Sie der Volksgruppenzugehörigkeit „Ghumar“ angehören würden. Was ist das für eine Volksgruppe?

VP: Ich habe nie darüber nachgedacht zu welcher Kaste ich gehöre. Auf Nachfrage, ich verbinde Volksgruppe mit der Kaste.

LA: Erfuhren Sie wegen dieser Zugehörigkeit – Kaste Ghumar- Benachteiligungen, gab es Probleme? Wenn ja, welche?

VP: Ja, wegen meiner Freundin. Auf Nachfrage, meine Freundin wollte mich heiraten, aber deren Familie war gegen mich. Auf Nachfrage, sonst hatte ich keine Probleme.

LA: Sie gaben an, dass die Familie der Freundin politisch vernetzt sei, da der Bruder gute Kontakte zu politischen Parteien habe. Können Sie dies näher ausführen? Zu welchen Parteien, pflegt der Bruder bzw. die Familie gute Kontakte? Wie haben Sie davon erfahren? Welche Funktion haben die Familienangehörigen der Freundin in der Partei?

VP: Der Vater meiner Freundin hat sehr gute Kontakte mit der „ XXXX “. Der Vater meiner Freundin kandidiert bei Dorfwahlen. Auf Nachfrage, ich weiß es nicht, ob er eine Funktion hat. Auf Nachfrage bzgl. des Bruders der Freundin, die gesamte Familie hat mit der „ XXXX “ zu tun, der Bruder hilft bei der Partei, seine Aufgabe ist mit den Menschen zu reden. Wir leben im selben Dorf.

LA: In welcher Region/Dorf hätte der Vater Ihrer Freundin für die Dorfwahlen kandidiert?

VP: Dorfwahlen XXXX . Auf Nachfrage, die Dorfwahlen finden jedes Jahr statt, oder vielleicht alle 5 Jahre, ich weiß es nicht genau.

LA: Unter welchen Umständen und wo haben Sie und Ihre Freundin kennengelernt? Wie lange hielt die Beziehung an? Wie konnten sie sich (unbemerkt) treffen?

VP: Ich habe sie in meinem Dorf gesehen. Langsam, langsam ist es zu einer Beziehung gekommen, dann habe ich sie gefragt, ob sie mich heiraten möchte. Auf Nachfrage, ich kann mich an den Zeitpunkt unseres, Kennenlernen nicht mehr erinnern, es ist schon so lange her. Vielleicht im Jahr 2005 oder 2006.

LA: Wie lange hielt Ihre Beziehung?

VP: Anm. Frage muss erklärt werden.

Ca. 6-7 Jahre lang. Auf Nachfrage im Jahr 2018 habe ich meine jetzige Frau geheiratet.

LA: Wie konnten sie sich (unbemerkt) treffen?

VP: Wir haben uns in der Schule und am Markt getroffen, es war aber nicht regelmäßig. Auf Nachfrage, in der 6. Schulstufe ist sie zu uns an die Schule gekommen, vorher war sie woanders. Bevor sie am Markt ging, hat sie mich angerufen und gesagt, wir sollen uns am Markt treffen. Auf Nachfrage, wir haben auch Treffpunkte gehabt, wo wir alleine waren. Auf Nachfrage, in einem Park auf einer Seite.

LA: Was haben Sie bei Ihren Treffen gemacht?

VP: Wir haben miteinander gesprochen.

LA: Sie gaben an, dass die Familie Ihrer Freundin Sie überall finden würde. Können Sie erklären, warum das so ist?

VP: Wir sind nach XXXX gereist, das liegt auch in Uttar Pradesh. Wie ich bereits erzählt habe, waren wir in einem Hotel wo sie in meine Richtung geschossen haben. Danach bin ich nach Punjab gezogen, am Anfang hatte ich keine Probleme. Ich habe geheiratet, meine Familie hat dies arrangiert. Nach 6-7 Monaten habe ich bei meiner Freundin angerufen und gefragt, wie es ihr geht. Ihre Familie kam in Kenntnis davon und hat mich in Punjab ausfindig gemacht. Sie waren bei der Familie bei meiner Ehefrau. Sie habe meinen Schwiegereltern erzählt, dass ich kein guter Mensch bin.

LA: Wie lange hatten Sie keinen Kontakt zu Ihrer Freundin – Umzug von XXXX nach Punjab?

VP: Erst nach meiner Heirat, habe ich wieder Kontakt aufnehmen. Auf Nachfrage, ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich von XXXX nach Punjab umgezogen bin. Es kann 2014 sein, oder ein paar Jahre früher oder später.

LA: Sie hätten sich 6-7 Jahre lang getroffen? Hat Sie dabei jemand gesehen oder darauf angesprochen?

VP: Innerhalb dieses Zeitraumes hat die Familie von der Beziehung erfahren.

LA: Wie hat die Familie erfahren?

VP: Ich weiß nicht woher sie es erfahren haben, ich vermute über Nachbarn oder Verwandtschaft.

LA: Welcher Kaste gehört Ihre jetzige Ehefrau an? Ist dies eine höher gestellte Kaste als die Ihre?

VP: Sie ist auch Ghumar. Sie kommt aus Punjab.

LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?

VP: Nein.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Habe ich sehr gut verstanden.

LA Frage an Rechtsberatung: Haben Sie noch Fragen?

VP: Nein, eigentlich nicht.

LA: Wie hat die Familie Ihrer Freundin erfahren, dass Sie und Ihre Freundin im Hotel in XXXX waren?

VP: Das weiß ich nicht. Auf Nachfrage, wir waren dort 2 Monate in dem Hotel.

LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Es hat alles gepasst.“

Mit email vom XXXX übermittelte der UNHCR ein Antwortschreiben, in dem Folgendes ausgeführt wurde: „Bezugnehmend auf Ihr Ersuchen vom XXXX erlauben wir uns, Ihnen mitzuteilen, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nummer 30 des UNHCR – Exekutivkommitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden kann.“

Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt, und ihm unter einem auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt.

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid, neben umfangreichen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Indien, unter Darlegung näherer Erwägungen unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Sie waren nicht in der Lage, konkrete Angaben zu Ihrem Vorbringen darzulegen. Sie führten in den Befragungen oberflächliche und unterschiedliche Angaben zu Ihren Fluchtgründen an.

In den niederschriftlichen Befragungen vor der LPD am 17.05.2021 führten Sie zu Ihren Fluchtgrund an: „Ich möchte nicht mehr in Moldawien studieren, da ich dort Probleme mit dem Studium und andere Schwierigkeiten habe. Zurück nach Belgrad oder Indien möchte ich auch nicht. Deshalb möchte ich einen Antrag auf internationalen Schutz stellen.“ (Aktenvermerk LPD, S. 1, vom 17.05.2021)

Im Rahmen Ihrer Erstbefragung am 18.05.20321 führten Sie andere Fluchtgründe ins Treffen. Sie wären in eine Frau verliebt gewesen, welcher einer höheren Kaste angehören würde. Sie beide hätten sich geliebt und wären seit vielen Jahren zusammen gewesen. Die Familie der Frau hätte von der Beziehung erfahren und hätte diese Beziehung verboten, da Sie einer niederen Kaste angehören würden. Der Bruder der Frau hätte sie beide zusammen angetroffen und dieser Bruder hätte auf Sie und die Frau eingeschlagen. Zudem seien Sie von diesem Bruder mit dem Tode bedroht, wenn Sie die Beziehung weitergeführt hätten.

Sie hätten gegen den Bruder der Frau Anzeige erstatten wollen, die Polizei hätte dies jedoch abgelehnt, da die Familie der Frau gute Beziehungen zu den Behörden und der Regierungspartei pflegen würde. Nach ca. 7 Monaten ohne Kontakt hätten Sie sich mit dieser Frau wiedergetroffen und gemeinsam beschlossen heimlich zu heiraten. Die Frau hätte ihre Familie verlassen und sie beide hätten zusammengelebt, für eine standesamtliche Heirat wäre nicht genügend Geld zur Verfügung gestanden. Die Familie der Frau hätte von der gemeinsamen Unterkunft erfahren und die Frau sei von deren Familie mitgenommen worden. Danach hätte die Familie der Frau versucht, Sie mit einer Pistole zu erschießen. Ihnen sei die Flucht gelungen. Eine weitere Anzeige sei von der Polizei nicht aufgenommen worden.

Ihre Eltern hätten Sie danach mit einer anderen Frau verheiratet, welche Sie nicht wirklich geliebt hätten. Sie wären ca. 2 ½ Jahre mit Ihrer jetzigen Frau zusammengeblieben. Danach hätten Sie wieder Kontakt zu Ihrer ehemaligen Freundin – Ihrer wirklichen Liebe aufgenommen. Als die Familie Ihrer ehemaligen Freundin davon erfahren hätte, wären Sie und die Familie Ihrer jetzigen Ehefrau mit dem Tode bedroht worden. Ihre Ehefrau hätte Sie aufgrund dessen verlassen und Ihnen sei geraten worden, Ihre Heimat zu verlassen. Ihre Mutter hätte ihr Hab und Gut verkauft, um Ihnen die Ausreise aus Indien zu finanzieren.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führten Sie diese unglückliche Liebesgeschichte ebenfalls aus, jedoch mit unterschiedlichen Angaben.

So gaben Sie in der Erstbefragung an, dass Ihre Mutter ihr gesamtes Hab und Gut zur Finanzierung Ihrer Ausreise verkauft hätte (vgl. Erstbefragung, S. 6, vom 18.05.2021).

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, erklärten Sie, dass Ihr Vater Ihnen die Tickets bezahlt hätte (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 6, vom 21.05.2021). Zudem führten Sie aus, dass Sie 2-3 Monate nach der Beendigung Ihrer Beziehung zu der Frau, diese Sie angerufen und Ihnen mitgeteilt hätte, dass die Frau Sie heiraten möchte. In weiterer Folge führten Sie aus, dass Sie nach der Heirat mit Ihrer jetzigen Frau, ca. 5-6 Monate später, Sie wieder Kontakt mit Ihrer ehemaligen Freundin aufgenommen hätten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 21.05.2021).

Erstaunlich sind dazu Ihre Ausführungen in der Erstbefragung, worin Sie angaben, dass Sie sich nach ca. 7 Monaten mit der Frau wieder getroffen und beschlossen hätten zu heiraten. Nach der Heirat mit einer anderen Frau – Ihrer jetzigen Ehefrau, welche Sie nicht wirklich geliebt hätten wären Sie ca. 2 ½ Jahre mit dieser zusammen gewesen und hätten sich nach diesen 2 ½ Jahren wieder bei Ihrer ehemaligen Freundin gemeldet (vgl. Erstbefragung, S. 6, vom 18.05.2021).

In Ihren Zeitangaben zeigen sich widersprüchliche Ausführungen. Auf der einen Seite wären es ca. 5-6 Monate und auf der anderen Seite seien es ca. 7 Monate gewesen, wo Sie den Kontakt wieder, aufgenommen hätten.

Sie wären nur von der Familie Ihrer ehemaligen Freundin bedroht worden. Dezidiert sei es der Bruder von ihr gewesen, welcher Sie einmal geschlagen hätte und einmal mit der Pistole in Ihre Richtung geschossen hätte. An den genauen Zeitraum hätten Sie sich nicht mehr erinnern können (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8-9, vom 18.05.2021).

Bemerkenswert ist, dass Sie in der Einvernahme zuerst angaben, dass der Bruder Ihrer ehemaligen Freundin zu Ihnen nach Hause gekommen sei und Sie auf der Terrasse gestanden wären, dieser hätte mit einer Pistole in Ihre Richtung geschossen und Ihnen sei die Flucht gelungen. Eingehender zu diesem Vorfall befragt, führten Sie plötzlich aus, dass dieser Vorfall in der Stadt XXXX , Provinz Uttar Pradesh, in einem Hotel stattgefunden hätte. Sie wären auf der Terrasse eines Hotels gestanden. Sie hätten keine Verletzungen erlitten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 18.05.2021).

Sie wurden weder aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, noch Ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt. Ebenso gibt es keinen Haftbefehl gegen Ihre Person. Von staatlicher Seite wären Sie auch nicht verfolgt oder bedroht worden. Lediglich die von Ihnen ins Treffen geführte angebliche Bedrohung durch den Bruder Ihrer ehemaligen Freundin.

Dazu ist anzumerken, dass dies eine Bedrohung durch Dritte wäre. Sie führten zwar aus, dass Sie bei der Polizei gewesen wären um eine Anzeige zu erstatten, diese jedoch nicht aufgenommen worden wäre, aufgrund des Einflusses der Familie Ihrer ehemaligen Freundin.

Sie lebten zuletzt in der Provinz Punjab, das Dorf Ihrer ehemaligen Freundin und Ihres Wohnortes liegen ca. 600-700 km weit entfernt. Sie hätten sich auch in der Provinz Punjab an die Sicherheitsbehörden im Falle einer Bedrohung gegen Ihre Person wenden können.

In der ergänzenden Einvernahme vom 28.05.2021 waren Sie nicht in der Lage, glaubhaft darzulegen, welchen Einfluss die Familie Ihrer ehemaligen Freundin in Indien hätte. Zudem waren Sie nicht einmal in der Lage den Zeitpunkt Ihres Kennenlernens zu benennen. Es ist Ihnen auch nicht gelungen, glaubhaft darzulegen, wie Sie die Familie Ihrer ehemaligen Freundin in ganz Indien finden hätte können.

Es lässt sehr den Anschein, dass Sie sich einer konstruierten Geschichte bedient haben, zumal Sie im Zuge einer Personenkontrolle am Flughafen Wien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und dabei angaben, dass Sie nicht mehr in Moldawien studieren möchten, da Sie dort Probleme mit dem Studium und andere Schwierigkeiten hätten. Zurück nach Belgrad oder Indien würden Sie nicht wollen. Deshalb hätten Sie den Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Sie waren nicht in der Lage glaubhaft darzulegen, dass man Sie in Indien verfolgen bzw. bedrohen würde.

Sie brachten ein Leumundszeugnis aus Indien und zwei Schreiben vom XXXX in Vorlage, aus welchen hervorgeht, dass Sie zur XXXX in Moldawien berechtigen würde.

Erstaunlich ist jedoch, dass Sie in der Einvernahme ausführten, dass Sie nicht einmal die 10. Klasse abgeschlossen haben (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 5, vom 18.05.2021).

Im Schreiben vom XXXX geht hervor, dass die Anmeldevoraussetzung u.a. eine Kopie des Diploms, vom letzten abgeschlossenen Level der Ausbildung (Abschluss Secondary High School, Bachelor, Master etc.) an das XXXX übermittelt werden muss. Erstaunlich, wie Sie ohne einen ordentlichen Schulabschluss, an dieser Bildungseinrichtung aufgenommen wurden.

Außerdem wurde Ihr Leumundszeugnis, am XXXX in XXXX , Punjab Indien ausgestellt.

Sie führten in der Einvernahme aus, dass Ihre Eltern entschieden hätten, dass Sie das Land verlassen sollen, dies wäre ca. 6-7 Monate bevor Sie den Reisepass beantragt hätten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 6, vom 18.05.2021).

Ihr Reisepass wurde am XXXX ausgestellt, somit hätten Sie Jänner/Februar 2020 die Ausreise bereits ins Auge gefasst. Ihre Ausreise aus Indien fand am XXXX statt. Zuvor haben Sie sich um einen Studienplatz in Moldawien bemüht.

So verhält sich keine verfolgte Person, welche aus Angst vor Verfolgung bzw. mit dem Tod bedroht worden wäre. Eine wirklich verfolgte Person würde das Land sofort verlassen und sich nicht noch den Pass ausstellen lassen, sich um einen Studienplatz in Moldawien kümmern und die dazugehörenden Anmeldunterlagen besorgen, wie z. B. das Leumundszeugnis.

Es lässt sehr den Anschein, dass Sie aus wirtschaftlichen Gründen die Ausreise aus Indien im Vorfeld geplant haben.

In der Gesamtschau waren Sie nicht in der Lage ein glaubhaftes Vorbringen zu Ihren zentralen Asylvorbringens darzulegen. Hätten die von Ihnen behaupteten Bedrohungen gegen Ihre Person tatsächlich stattgefunden, wären von Ihnen detaillierte und nachvollziehbare Angaben zu erwarten gewesen. Es kann nicht Aufgabe der Einvernahmeleiterin sein, jede Ihrer unzähligen vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es an Ihnen ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

In einer Gesamtwürdigung Ihres Vorbringens gelangt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anbracht der aufgetretenen Widersprüche sowie der mangelnden Plausibilität der in Rede stehenden Angaben zur Ansicht, dass nicht glaubwürdig ist, dass Sie in Indien, bedroht worden wären. Diesbezüglich haben Sie eine individuelle Bedrohung oder Verfolgung nicht glaubhaft machen können.

Die Behörde kommt darüber hinaus zu dem Schluss, dass es Ihnen nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

Da Ihren Fluchtgründen kein Glauben geschenkt wird und Sie problemlos mit Ihrem echten Reisepass das Land verlassen haben, ist bei einer Einreise nach Indien nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen.

Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Sie aufgrund einer Asylantragstellung bei einer Rückkehr mit Schwierigkeiten zu rechnen haben.

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in Indien derzeit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschte, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre.

In Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen ist in Ihrem Fall hervorzuheben, dass Sie in Ihren Heimatländern keine aktuell drohende Verfolgung zu erwarten haben, wie bereits im gegenständlichen Bescheid ausgeführt wurde. Somit ist eine essentielle Voraussetzung für das oben angeführte wirtschaftliche Existenzminimum –ein verfolgungssicherer Ort- erfüllt.

Was nun die zweite Voraussetzung –die Erwerbsfähigkeit- betrifft, ist anzumerken, dass es sich in Ihrem Fall um einen arbeitsfähigen jungen Mann handelt. Daher ist zusammenfassend jedenfalls davon auszugehen, dass Sie im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein werden, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zweifelsfrei davon aus, dass Sie in Ihrem Heimatland keiner existenziellen Notlage ausgesetzt sind, nachdem Sie dort keine Verfolgung zu befürchten haben, Erwerbsfähigkeit gegeben ist und sich auch aus der allgemeinen Lage in Ihrem Heimatland nicht ergibt, dass praktisch jede dorthin zurückkehrende Person in eine Existenzgefährdende Lage gerät.

Es besteht kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind gesund und benötigen keinerlei Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung, welche in Österreich und nicht in Indien vorhanden wären.

Aus diesen Gründen waren die entsprechenden Feststellungen bezüglich der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr zu treffen.

Die Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 60 Abs. 2 AsylG 2005 zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Die Feststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation in Ihrem Herkunftsland ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998 89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleichlautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.“

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Bundesstaat Punjab und hat am 17.05.2021 am Flughafen XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In Indien leben seine Eltern, seine Schwester und seine Ehefrau.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

COVID-19

Letzte Änderung: 22.10.2020

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800

Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die

Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

•        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/Sh aredDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnoteskw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blo b=publicationFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirts chaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wir tschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Politische Lage

Letzte Änderung: 23.10.2020

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 5.10.2020; vgl. AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 8.2020a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA9.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 8.2020a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic

Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-

Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die

United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore

(East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des

Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 8.2020a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW

27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des

Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi

(AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 7.2020). Ein ständiger Sitz im UNSicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 8.2020a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 7.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ec oi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abs chiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_2 3.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

•        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi .net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_a syl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_201

9%29%2C_19.07.2019.pdf , Zugriff 15.10.2020

•        AA – Auswärtiges Amt (9.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertig es-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff

15.10.2020

•        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_I ndien.pdf , Zugriff 20.10.2020

•        CIA - Central Intelligence Agency (5.10.2020): The World Factbook – India, https://www. cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 15.10.2020

•        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

•        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in

Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindusund-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien,

Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

•        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschefmodi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

•        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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