Entscheidungsdatum
17.06.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W191 2211408-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2018, Zahl 1100507307-152067945, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden behoben und die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt.
III. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 2 und § 58 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger Nepals, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 28.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. In seiner Erstbefragung am 29.12.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Hindi, gab der BF im Wesentlichen an, er stamme aus XXXX in Nepal, sei Angehöriger der Volksgruppe der Nepali, bekenne sich zur Glaubensgemeinschaft der Buddhisten und sei ledig. Er habe acht Jahre lang die Grundschule besucht. Seine Familie würde nach wie vor in Nepal leben.
Als Fluchtgrund gab der BF zusammengefasst an, dass er seit seinem 15. Lebensjahr für eine politische Partei („MAHOBADI“) in Nepal arbeite. Vor etwa zwei Monaten sei diese Partei zerbrochen, er habe auch nicht länger für sie arbeiten wollen. Beide nepalesischen Parteien – „MAHOBADI“ und „Ka.Ma“ hätten ihn mit dem Umbringen bedroht, daher habe er das Land verlassen.
1.4. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) am 11.10.2018, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Nepali, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF im Wesentlichen an, dass er als kleiner Junge von Maoisten mitgenommen worden sei. Die tauglichen Jungen hätten sie zur nepalesischen Armee bringen wollen, die untauglichen seien im Untergrund vorbereitet worden. Er habe nicht mehr bei den Maoisten sein wollen und sei daher nach Hause gegangen. Daraufhin seien die Untergrundkämpfer gekommen und hätten ihn wieder mitgenommen. Er sei erneut geflüchtet, zurückgeholt und geschlagen worden. Daher sei geflüchtet und ausgereist.
Der BF brachte Integrationsunterlagen in das Verfahren ein.
1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 16.11.2018 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.12.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nepal gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat.
Der BF habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Nepal. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Nepal. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Nepal wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Beweiswürdigend wurde zum Fluchtvorbringen ausgeführt, dass der BF dieses nicht glaubhaft gemacht habe. Sein Vorbringen sei mehrfach unstimmig und widersprüchlich gewesen.
1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines damaligen Vertreters vom 10.12.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes ein.
In der Beschwerdebegründung wurde vorgebracht, dass es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, etwaigen Unklarheiten nachzugehen, was diese jedoch unterlassen habe. Das Ermittlungsverfahren sei daher mangelhaft durchgeführt worden. Die eingebrachten Länderberichte seien unvollständig und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen. Auch würden jegliche relevante Berichte zur Situation von Rückkehrern aus dem westlichen Ausland fehlen.
1.7. Das BVwG führte am 12.03.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Nepali durch, zu der der BF mit seinem Vertreter persönlich erschien. Das BFA ist unentschuldigt nicht erschienen.
Der BF machte auf richterliche Befragung Angaben zu seiner Person und zu seinen Lebensumständen, die mit seinen bisher im Verfahren gemachten Aussagen in den wesentlichen Punkten übereinstimmten.
Auch die Angaben zu seinem Fluchtgrund hielt der BF aufrecht. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor den Maoisten, weil diese nach wie vor nach ihm suchen würden. Es gebe nach wie vor Maoisten, die im Untergrund arbeiten und Tätigkeiten wie er damals ausführen würden. Er habe im Untergrund neue Mitglieder angeworben, Waffen transportiert und Geld eingetrieben. Er habe auf Befehl Sachbeschädigungen durchgeführt und Leute bedroht. Bei einer Rückkehr drohe ihm die Verfolgung durch diese Gruppe.
Zu seinem Leben in Österreich gab er an, dass er mit seiner Cousine und einer weiteren Person in einer privaten Wohnung lebe. Er koche sehr gerne und wolle eine Lehre als Koch beginnen. Er habe die Deutsch A2 Prüfung absolviert, die B1 Prüfung habe er knapp nicht bestanden. Er nehme im Rahmen von nepalesischen Kulturvereinen an Sportveranstaltungen teil.
Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat keine Stellungnahme dazu abgegeben.
1.8. Mit Schreiben seines Vertreters vom 18.05.2021 brachte der BF das Zeugnis der bestandenen Integrationsprüfung A2 in das Verfahren ein.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 29.12.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 11.10.2018, die vom BF vorgelegten Belege zu seiner Integration in Österreich, den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde
? Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, Aktenseiten 77 bis 94)
? Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 12.03.2021 sowie Einsicht in die vom BF im Beschwerdeverfahren vorgelegten Belege zu seiner Integration
? Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 12.03.2021 zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 10.02.2021)
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger Nepals, bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Buddhisten, ist Angehöriger der Volksgruppe der Nepali und ledig. Er stammt aus der Stadt XXXX in Nepal. Der BF beherrscht Nepali als Muttersprache, er spricht auch etwas Hindi, Englisch und Deutsch.
Der BF hat acht Jahre lang die Schule besucht. Die Familie des BF lebt nach wie vor in Nepal. Er hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter.
3.1.2. Der BF verließ Nepal aus angegebenen Gründen und reiste nach Europa, wo er am 28.12.2015 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass er aufgrund seiner angeblichen Arbeit für die Maoisten einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war bzw. ist.
3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
3.3.1. Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus den oben genannten Gründen ausgesetzt wäre.
Der BF kann in seine Herkunftsstadt in Nepal zurückkehren.
Die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Der BF ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Nepal eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.
3.4. Zur Integration des BF in Österreich:
3.4.1. Der BF ist seit Dezember 2015 in Österreich aufhältig. Er hat in Österreich ernsthaft und erfolgreich Integrationsbemühungen gesetzt.
Der BF besuchte Deutschkurse bis Niveau B1 und absolvierte das ÖSD-Zertifikat A2 und die Integrationsprüfung auf Niveau A2.
Der BF lebt mit seiner Cousine in einer privaten Wohnung und nimmt im Rahmen von nepalesischen Kulturvereinen an Sport- und Kulturveranstaltungen (Volleyball, Fußball, Gesang, Tanz) teil. Er hat österreichische und nepalesische Freunde.
3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
Zur allgemeinen Lage in Nepal (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, Gesamtaktualisierung vom 10.02.2021, Schreibfehler teilweise korrigiert):
„[...] 2. Politische Lage
Nach der neuen Verfassung von 2015 ist Nepal in sieben Bundesstaaten gegliedert, die wiederum in insgesamt 75 Distrikte aufgeteilt sind (GIZ 1.2021). Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (CIA 05.02.2021). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie (USDOS 11.03.2020; vgl. AA 24.09.2020a), die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand (GIZ 1.2021). Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 24.09.2020a).
Nepal war 240 Jahre lang eine hinduistische Monarchie (GIZ 1.2021). Die heutige Verfassung Nepals sowie die innenpolitische Agenda sind Ergebnis des konfliktreichen Übergangs zur Republik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1991 sah sich die monarchische Regierung auf Druck der politischen Parteien gezwungen, eine Reform der Verfassung in Angriff zu nehmen und ein Mehrparteienparlament zu etablieren (GIZ 1.2021). Zwischen 1996 und 2006 gab es einen Bürgerkrieg, der von maoistischen Rebellen gegen die Sicherheitskräfte des Landes geführt wurde (CIA 05.02.2021). Er forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.500 Todesopfer (LMD 09.03.2012). Mehr als 1.300 Menschen gelten noch immer als vermisst (IKRK 31.08.2018). Die Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik, setzte den König ab und wählte den ersten Präsidenten des Landes (CIA 05.02.2021). Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt (GIZ 1.2021). Instabile Koalitionsregierungen kamen und gingen, und elf Premiers lösten einander seit dem Ende des Bürgerkrieges bis 2018 ab. Das verheerende Erdbeben von 2015 destabilisierte das Land, das ärmer ist als die in der Region liegenden Staaten Bhutan, Pakistan und Bangladesch, zusätzlich (DW 04.04.2018).
In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, welches über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, welche die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-DrittelMehrheit im Senat erhielt. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten (GIZ 1.2021; vgl. DS 14.02.2018).
Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Obwohl die Legitimität der allgemeinen Souveränität des Staates und die territorialen Ansprüche innerhalb seiner internationalen Grenzen prinzipiell unbestritten sind, steht die Beschaffenheit der internen Machtstrukturen des Staates - sowohl geografisch als auch politisch - zur Diskussion. Dies wurde durch die enge Beziehung zwischen Nepals ziviler Regierung und seinen Streitkräften verkompliziert, die sich mit der maoistischen politischen Partei (CPN-M und jetzt NCP) an der Macht und mit der Integration einer beträchtlichen Anzahl ehemaliger maoistischer Kämpfer in die nepalesische Armee (NA) von 2012 bis 2014 noch verstärkt hat (BS 29.04.2020). Geleitet wird die NCP vom langjährigen Führungspersonal der beiden Vorgängerparteien, das bestrebt ist, den eigenen Einfluss nicht zu verlieren (BS 18.01.2021).
Der seit 2006 andauernde, langsame und fragile Friedensprozess hat dazu beigetragen, dass das Gewaltmonopol des Staates in vielen Teilen des Landes gestärkt wurde (BS 29.04.2020). Eine Reihe von kompetitiven Wahlen wurde abgehalten und eine dauerhafte Verfassung verabschiedet (FH 04.03.2020).
Doch wurde Ende Dezember 2020 als Folge eines schwelenden Machtkampfes innerhalb der regierenden NCP durch Premierminister Oli überraschend das Parlament aufgelöst (BS 18.01.2021). Vorgezogene Neuwahlen sollen in zwei Wahlgängen Ende April und im Mai 2021 stattfinden und damit mehr als ein Jahr vor dem regulären Termin (BAMF 11.01.2021).
Gerüchte um eine Spaltung der 2018 geschlossenen Allianz der von Oli geführten CPN-UML und dem CPN-MC unter Pushpa Kamal Dahal haben schon länger bestanden. Als Gründe wurden wiederholt die Unzufriedenheit mit der Arbeit des Premiers in der COVID-Pandemie aufgeführt. Auch seine Annäherung an China, die zu Spannungen mit dem traditionellen nepalesischen Partner Indien geführt haben, werden kritisiert (BS 18.01.2021; vgl. BAMF 11.01.2021).
3. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt (BMEIA 22.01.2021). Nach der erfolgreichen Durchführung der Parlaments- und Lokalwahlen sowie der Arbeitsaufnahme der neuen Amtsträger im Frühling 2018 befindet sich Nepal in einer Konsolidierungsphase. Die politische Lage bleibt fragil. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie verursachen vereinzelt Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden (EDA 21.12.2020). Es kommt vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ [Generalstreiks, welche von kommunalen Akteuren oder politische Parteien ausgerufen werden können]. Diese Protestaktionen können das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders in Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 12.01.2021).
Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen. Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 12.01.2021).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 13 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2020 wurde eine Person durch terroristische Gewalt getötet. Im Jahr 2021 wurden bis zum 24.01.2021 keine Opfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 24.01.2021).
Während es in der Vergangenheit Anlass zur Besorgnis über Maßnahmen der Indischen Grenzsicherheitskräfte im unmittelbaren Grenzgebiet gegeben hat, haben sich diese vereinzelten Vorfälle in letzter Zeit nicht intensiviert. Jedoch haben die offensiven Tätigkeiten durch chinesische Grenztruppen entlang der nördlichen Grenze zur autonomen tibetischen Region Chinas zugenommen. Berichten zufolge fanden grenzüberschreitende Aktionen durch chinesische militärische Kräfte statt (BS 29.04.2020).
Nepal und Indien:
Der Nachbar Indien spielt durch die geographische und kulturelle Nähe für Nepal traditionell eine große Rolle. Neu-Delhi unterstützte das Land auf dem Weg zur Mehrparteien-Demokratie und sendete 2015 als erstes große Mengen Hilfsgüter in die Erdbebenregion. Die Hilfe ist dabei nicht ganz selbstlos (DW 04.04.2018). Nepal ist mit seinem „großer Bruder“ sehr eng verbunden (GIZ 1.2021), auch wenn seit 2015 eine stetige Schwächung der Beziehungen zwischen Indien und Nepal stattfindet (GW 2021).
Nepal beansprucht strategisch wichtiges Terrain im Himalaya, das auch von Indien beansprucht wird. In dem betroffenen Gebiet sind seit Jahrzehnten indische Truppen stationiert. Nepal veröffentlichte 2020 eine neue Landkarte, die das beanspruchte Gebiet Nepal zuordnet, nachdem Indien begonnen hatte, eine neue Straße durch das umstrittene Gebiet zu bauen. Einen Grenzvertrag, den das Land mit dem damaligen britischen Kolonialreich Indien 1816 geschlossen hatte, interpretieren beide Länder zu ihrem Vorteil. Indien ist auch mit China in Grenzstreitigkeiten verwickelt (DS 18.06.2020)
Nepal und China:
Die Beziehungen zwischen China und Nepal haben sich in den letzten Jahren intensiviert (BS 29.04.2020). Nepal wendet sich zunehmend an China als Partner und verstärkt die Investitions- und Handelsbeziehungen, einschließlich der Einbindung an Chinas „Belt and Road“-Initiative (HRW 13.01.2021).
Ein gemeinsames Projekt zwischen China und Nepal sieht derzeit den Bau einer Eisenbahnlinie vor, die die westliche Region Tibets mit Nepal verbinden soll. Dieses Projekt war eines von mehreren bilateralen Abkommen, die während des Besuchs des nepalesischen Premierministers Khadga Prasad Sharma Oli in Peking im Juni 2018 unterzeichnet wurden (BS 29.04.2020). Darüber hinaus wird kolportiert, dass im Oktober 2019 Abkommen über ein „System zum Grenzmanagement“ und einem Abkommen zur „Gegenseitigen juristischen Hilfe bei Kriminalfällen“ zwischen den beiden Staaten ausgehandelt wurden (GSTF 21.02.2020; vgkl. HRW 13.01.2021). Andere Quellen berichten, dass zwischen Nepal und China kein solches Auslieferungsabkommen besteht, aber seit Oktober 2019 eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung von Kriminalität existent ist (BAMF 13.01.2021; vgl. BW 16.10.2019).
Die geografische Lage Nepals erfordert eine Politik der guten Nachbarschaft und einen entsprechenden Ausgleich der Interessen des Binnenstaates gegenüber den beiden Großmächten (GIZ 21.2021 b; vgl. ORF 31.07.2020).
3.1. Regionale Problemzone Terai
Das Terai (Tarai) umfasst etwa 20 Prozent der Landfläche Nepals und erstreckt sich von Osten nach Westen entlang der indischen Grenze auf einer Länge von etwa 900 Kilometern und einer Breite von etwa 70 Kilometern und ist die fruchtbarste Region des Landes. Das Terai beheimatet eine Vielzahl von ethnischen Gruppen, Kasten und Religionen (IAN 8.2011). Die Region wird manchmal auch als Madhesh/Madhesh bezeichnet. Das Terai bewohnen mehrere Bevölkerungsgruppen, darunter die Pahadis, Madhesis und Tharus, die sich als die ursprünglichen Bewohner der Region betrachten (OFPRA 12.06.2020). 50 Prozent der Einwohner Nepals leben im Terai (IAN 8.2011). In Terai ist die Diskriminierung niedrigerer Kasten und bestimmter ethnischer Gruppen in besonderem Maße verbreitet (USDOS 11.03.2020; vgl. UKHO 8.2018). Das Terai ist die Region mit der höchsten Anzahl ländlicher Schuldknechtschaftssysteme in Nepal (OFPRA 12.06.2020).
Der zumeist offene, ungesicherte Grenzverlauf zu Indien bedingt eine Nutzung des Grenzgebietes des Terai als Rückzugsgebiet für terroristische Gruppierungen. Darüber hinaus besteht über den Landstrich die Möglichkeit, dass Terroristen aus Pakistan nach Nordindien eindringen könnten (IAN 8.2011).
Als im August 2015 eine Einigung erfolgte, Nepal verfassungsmäßig als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen, protestierten ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen des Landes gegen diese neue Struktur, welche ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigere (HRC 05.11.2020). Etwa 65 Menschen, darunter 10 Polizisten, wurden während der Proteste des Jahres 2015 getötet (HRW 20.11.2020). Im März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Madhesi und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Während der Untersuchung der Todesfälle wurden Beamte der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) in ihrem Fahrzeug von Anhängern jener Partei angegriffen, welche die Wahl boykottierten (AI 22.02.2018; vgl. HRW 18.01.2018).
Während der Proteste in den Jahren 2015 bis 2017 im Terai verhängte die Regierung Ausgangssperren und richtete „Verbotszonen“ ein (BS 29.04.2020). Die Proteste gegen die neue Verfassung betreffen zwei relativ große ethnische oder soziale Gruppen der Madhesis [im östlichen und zentralen Terai konzentriert] und der Gruppe der Tharus [im äußersten westlichen Terai konzentriert]. Durch diese ethnischen Gruppen wird kritisiert, dass die neue Verfassung frühere Zusagen an ihre Gemeinschaften aufhebt. Darüber hinaus werden die neuen Provinzgrenzen, eine ungleiche Verteilung der parlamentarischen Wahlkreise und die Einschränkung des Rechts von Frauen, die Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weiterzugeben (HRC 5.11.2020), [kritisiert].
Im Terai agieren zahlreiche bewaffnete Gruppierungen, und es kommt häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Es besteht ein Risiko von lokalen Unruhen (AA 29.01.2021; vgl. BMEIA 29.01.2021). Politische und ethnische Spannungen sind im Terai ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes (GIZ 1.2021a).
Es wird von Todesfällen von in Gewahrsam der Sicherheitskräfte befindlichen Personen und weit verbreiteter, offiziell bestätigter Anwendung von Folter und Misshandlungen an polizeilichen Verwahrungsorten im Terai berichtet (UNHRC 12.2020; vgl. HRTMCC 1.2021). Opfer von Folter und Gewalt zögern davor, Anzeige zu erstatten, da sie von der Polizei oder anderen Behörden eingeschüchtert werden und Angst vor Vergeltung haben (USDOS 11.3.2020). Dutzende mutmaßliche außergerichtliche Hinrichtungen von Mitgliedern der Madheshi-Gemeinschaft wurden durch Sicherheitskräfte im Terai seit dem ersten Madhesh-Aufstand im Jahr 2007 exekutiert (AI 10.2020; vgl. UNHRC 12.2020). Untersuchungen zu den erfolgten außergerichtlichen Tötungen durch Sicherheitskräfte bleiben weiterhin aus (AI 10.2020; vgl. HRTMCC 1.2021).
4. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassung von 2015 garantiert eine unabhängige Justiz (GIZ 1.2021; vgl. FH 04.03.2020). Jedoch bleibt das Justizwesen anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktsgerichte (GIZ 1.2021; vgl. USDOS 11.03.2020, FH 04.03.2020).
Durch Militärgerichte wird über all jene Fälle geurteilt, welche militärisches Personal nach dem Militärgesetz betreffen. Das Militärgesetz räumt dabei dem Militärpersonal die gleichen Grundrechte wie der Zivilbevölkerung ein. Bis auf Soldaten, die wegen Vergewaltigung oder Mordes angeklagt sind und zur Strafverfolgung an zivile Behörden übergeben werden, verfolgt die Armee alle anderen Strafverfahren, die gegen Soldaten im Rahmen der Militärgerichtsbarkeit eingeleitet werden (USDOS 11.03.2020).
Es gibt weiterhin im gesamten politischen Spektrum eine umfassende Akzeptanz für die Verschleppung einer Strafverfolgung von mehr als 63.000 Anklagen mit Bezug auf erfolgte Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Die Konfliktparteien haben bei ihrem Friedensschluss 2006 und in der Interimsverfassung von 2007 das Einsetzen einer Übergangsgerichtsbarkeit versprochen. Doch sind bis 2014, als die Kommission zur Untersuchung von Verschwundenen (COIDP) und die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) geschaffen wurden, keine Einrichtungen für eine Übergangsgerichtsbarkeit eingerichtet worden. Die Ermächtigungsgesetze, die mit diesen beiden Gremien verbunden sind, enthalten Amnestiebestimmungen, die praktisch sicherstellen, dass es zu keiner Strafverfolgung auf hoher oder breiter Ebene kommt. Ein daraufhin erfolgter Entscheid des Obersten Gerichtshofes hat entschieden, dass alle Bestimmungen, die Amnestien gewähren und solche Fälle von den Gerichten fernhalten, verfassungswidrig sind. Doch wird die Entscheidung des Gerichts von der Regierung ignoriert (BS 29.04.2020; vgl. AI 10.2020). Das Militär und die ehemaligen Rebellen schützen die Täter in ihren Reihen. Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit (GIZ 1.2021).
Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten sowie politische Einflussnahmen bei Besetzungen von Posten haben die Arbeit der Gremien und ihre Fähigkeit, das Vertrauen von Opfergruppen und der Zivilgesellschaft zu gewinnen, negativ beeinflusst (AI 10.2020). Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 1.2021; vgl. USDOS 11.03.2020).
Die NA [Nepal Army] hat sich bereiterklärt, mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Commission for the Investigation of Enforced Disappeared Persons CIEDP zusammenzuarbeiten (USDOS 11.03.2020).
Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BS 29.04.2020).
Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um (USDOS 11.03.2020).
Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BS 29.04.2020).
5. Sicherheitsbehörden
Die Armee (einschließlich Luftgeschwader) wird für die Verteidigung des Landes gegen einen Angriff von außen eingesetzt. Die dem Innenministerium unterstehende der Nepal Police (NP) ist für die Durchsetzung von Recht und Ordnung eingesetzt, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, Unterstützungsleistungen bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF verfügen jeweils über eine Menschenrechtsabteilung (HRS), die National Army (NA) über eine Menschenrechtsdirektion (HRD). Die Untersuchungen der NA waren nach Ansicht von Menschenrechts-NGOs nicht vollständig transparent (USDOS 11.03.2020; vgl. CIA 05.02.2021).
Von den Polizeikräften werden schwere Formen von Misshandlungen eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 11.03.2020; vgl. AI 10.2020). Im Zeitraum von Juni 2015 bis September 2020 wurde in den nepalesischen Massenmedien von mindestens 20 Todesfällen in Polizeigewahrsam berichtet (TW 22.06.2020; vgl. TH 14.09.2020). Eine genaue Anzahl der in Polizeigewahrsam verstorbenen Personen ist nicht verfügbar, da vom Department of Prison Management und dem nepalesischen Polizeipräsidium keine Aufzeichnungen über solche Vorfälle geführt werden (TKP 03.07.2020).
Zwar werden Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte untersucht, jedoch werden die Verantwortlichen nicht systematisch zur Verantwortung gezogen (USDOS 11.03.2020; vgl. FH 04.03.2020). Sicherheitskräften, welchen vorgeworfen wird, in den letzten Jahren exzessive Gewalt angewendet zu haben, sehen sich, ebenso wenig wie die meisten Täter aus der Zeit des Bürgerkrieges [1996-2006], keiner nennenswerten Rechenschaftspflicht ausgesetzt (USDOS 11.03.2020; vgl. AI 10.2020). Es gibt keine Anzeichen einer Abkehr von der Praxis polizeilicher Misshandlungen (USDOS 11.03.2020).
6. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet Folter (USDOS 11.03.2020). Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und Verstöße dagegen mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden (AI 10.2020; vgl. USDOS 11.03.2020). Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament seit 2014 anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 10.2020).
Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten und Rechtsexperten nutzt die Polizei dennoch schwerste Formen des Missbrauchs sowie Misshandlungen, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 11.03.2020; vgl. AI 10.2020, DFAT 01.03.2019).
Die lokale Menschenrechts-NGO Advocacy-Forum (AF) berichtet, dass tendenziell keine Anzeichen für größere Veränderungen des polizeilichen Missbrauchs im ganzen Land bestehen, weist aber darauf hin, dass die Polizei zunehmend der Forderung der Gerichte nach einer medizinischen Voruntersuchung der Häftlinge nachkommt. Die Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA), eine weitere lokale NGO, erklärt, dass Folteropfer oftmals aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zögern, Beschwerden wegen polizeilicher oder anderer offizieller Einschüchterungen einzureichen. Laut THRDA haben die Gerichte viele Fälle von angeblicher Folter mangels glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Unterlagen, abgewiesen. In Fällen, in denen Gerichte Entschädigung gewährten oder Disziplinarmaßnahmen gegen die Polizei anordneten, werden die Entscheidungen laut THRDA und anderen NGOs selten umgesetzt (USDOS 11.03.2020). Von Einsatz von Folter gegen Frauen und Kinder wird berichtet (DFAT 01.03.2021; vgl. HRCH 2019).
THRDA berichtet, dass 2017 34 Prozent der Häftlinge in Polizei-Haftanstalten im südlichen Terai-Gürtel des Landes körperlichem und/oder psychischem Missbrauch ausgesetzt waren. Nach Angaben der Nepal Police Human Rights Section (HRS) wurden viele dieser mutmaßlichen Vorfälle von keiner Polizeibehörde offiziell gemeldet oder untersucht (USDOS 11.03.2020).
Es wurden keine Fälle von Foltervorwürfen in der Zeit des Bürgerkrieges an die Strafjustiz herangetragen (USDOS 11.03.2020).
7. Korruption
Das Verwaltungssystem ist marode. voller Korruption und dringend reformbedürftig (BS 29.04.2020). Zwar sieht das Gesetz strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, jedoch werden die Gesetze dafür durch die Regierung nicht konsequent umgesetzt. Auch wird über Korruption innerhalb der Regierung berichtet (USDOS 11.03.2020).
Die Korruption innerhalb der Nepal Police [NP] und der APF [Armed Police Force] bleibt problematisch (USDOS 11.03.2020).
Nepal lag im 2018 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 124 (von 180) (TI 29.01.2019). Im Jahre 2019 erreichte Nepal eine Bewertung von 34 und belegte den 113. Rang (von 180) (TI 24.01.2020). 2020 lag das Land mit Bewertung 33 auf Platz 117 (von 180) (TI 28.01.2021).
8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Eine Reihe inländischer und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitetet im Allgemeinen ohne Einschränkungen durch die Regierung und untersuchen und veröffentlichen ihre Erkenntnisse zu Menschenrechtsfällen (USDOS 11.03.2020).
Unterstützt durch sozioökonomische Veränderungen und die Präsenz vieler internationaler NGOs haben sich seit dem ersten Übergang zur Demokratie Anfang der 1990er Jahre mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen und Interessengruppen etabliert. Dazu gehören Gewerkschaften, kommunale Gruppen, lokale NGOs und Organisationen für die Rechte der Frauen. Sie spielen eine Rolle in der gesellschaftlichen Interessenvertretung und Interessenvermittlung. Organisationen wie die Nepal Federation of Indigenous Nationalities, die Nepal Bar Association und die Federation of Nepali Journalists haben in den letzten Phasen des politischen Wandels in Nepal erheblichen Einfluss ausgeübt, indem sie die öffentliche Debatte angeregt haben und auf politische Veränderungen gedrängt haben. Einige dieser Interessengruppen werden von internationalen Entwicklungsorganisationen finanziert, während andere ihre Unterstützung ausschließlich von lokalen, nationalen oder regionalen Akteuren erhalten. Einige Geldgeber und NGOs agieren halbstaatlich und erbringen in vielen Fällen Dienstleistungen und/oder üben starken Einfluss in politischen Arenen aus. Solche Organisationen nehmen auch eine wichtige Verbindungsrolle zwischen Bürgern und politischen Entscheidungsträgern im Zentrum ein (BS 29.04.2020).
Während Regierungsbeamte im Allgemeinen bei den Untersuchungen der NGOs kooperativ sind, erlegt die Regierung einigen internationalen NGOs administrative Auflagen auf und erschwert deren Tätigkeit (USDOS 11.03.2020). Ausländische NGOs müssen projektspezifische Vereinbarungen mit der nepalesischen Regierung treffen (FH 04.03.2020). Einige NGOs, vor allem solche mit religiösem Hintergrund, berichteten über zunehmende bürokratische Einschränkungen nach der erfolgten Dezentralisierung von Befugnissen an Beamte auf lokaler Ebene (USDOS 11.03.2020).
9. Wehrdienst und Rekrutierungen
Ein freiwilliger Militärdienst ist im Alter von 18 Jahren möglich, eine Wehrpflicht gibt es nicht (CIA 05.02.2021).
10. Allgemeine Menschenrechtslage
Der ohnehin schwache Staatsapparat und die geringe Leistungsfähigkeit der Justiz sorgen dafür, dass Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz auch weiterhin nicht verwirklicht werden.
Aspekte der Verfassung von 2015 wie etwa ein uneingeschränktes Begnadigungsrecht des Präsidenten tragen dazu bei, dass die politische Elite nur selten mit Konsequenzen für illegale Handlungen rechnen muss (BS 29.04.2020). Es wurde versäumt, gut dokumentierte Fälle von Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Bürgerkrieges strafrechtlich zu verfolgen (BS 29.04.2020; vgl. HRW 20.11.2020). Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung, das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 1.2021b). Die beiden Übergangsjustizbehörden, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und die Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons (CIEDP), haben über 60.000 Beschwerden erhalten, aber keine der beiden Kommissionen hat irgendwelche der vorgebrachten Fälle abgeschlossen. Die Regierung hat es verabsäumt, auf Bedenken einzugehen, wonach es den beiden Kommissionen an Unabhängigkeit mangle. Im Januar [2021] wurden neue Kommissare für beide Gremien ernannt (HRW 13.01.2021).
Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Internet-Seiten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigung, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansäßigen Tibetern, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 11.03.2020; vgl. AI 10.2020).
Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kaste“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 1.2021; vgl. AI 10.2020). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind weit verbreitet (USDOS 11.03.2020; vgl. IHR 17.08.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch wird über Benachteiligungen Angehöriger sexueller Minderheiten berichtet (USDOS 11.03.2020). Nepal hat es verabsäumt, wichtige Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und der Bekämpfung anhaltender Diskriminierung umzusetzen (AI 10.2020).
Die Durchsetzung der geltenden Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich, und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar, und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen (USDOS 11.03.2020).
Hunderttausende Menschen, fast 70 Prozent der Betroffenen des Erdbebens von 2015, leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende Betroffene nicht förderfähig.
Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.02.2018).
11. Meinungs- und Pressefreiheit
Nepal verfügt über eine lebendige Medienlandschaft, die mit einigen Ausnahmen eine große Meinungsvielfalt ohne Einschränkungen aufweist. Mehrere Redakteure und Journalisten berichten, dass sie durch Polizei und Regierungsbeamte eingeschüchtert werden. Unklare Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen führen zu einer zunehmenden Selbstzensur der Journalisten (USDOS 13.11.2020). Von Verhaftungen von Verfassern regierungskritischer Artikel wird berichtet (AI 30.01.2020). Ein Zuwiderhandeln gegenüber den weit gefassten und vage formulierten Verboten wird mit Haftstrafen bedroht (HRW 13.01.2021).
Ein neues Nachrichtendienst-Gesetz, das im Mai 2020 vom Oberhaus gebilligt wurde, gibt dem nepalesischen Geheimdienst, dem National Investigation Department (NID), neue, weitreichende, Befugnisse zum Abhören von Kommunikation und zur Durchsuchung von Liegenschaften und Objekten ohne richterliche Verfügung (HRW 13.1.2021). Andere Gesetzesentwürfe liegen dem Parlament zur Begutachtung vor, darunter rigorose Maßnahmen zur Kontrolle der Medien und eine Einschränkung der Nutzung sozialer Medien. (HRW 13.1.2021; vgl. AI 30.1.2020).
Medienschaffende äußern sich besorgt über eine zusätzliche Bestimmung in der Verfassung, die es der Regierung erlaubt, Gesetze zur Regulierung der Medien zu formulieren (USDOS 11.03.2020). Tibeter, die sich in Nepal öffentlich über die Menschenrechtssituation in Tibet äußern und Gegenstände wie Fahnen oder T-Shirts zeigen, die auf tibetische Nationalsymbole oder politischen Aktivismus verweisen, werden weiterhin verhaftet und belästigt (UNHRC 04.01.2021). Im Laufe des Jahres 2019 hat die polizeiliche Überwachung der Tibeter deutlich zugenommen (USDOS 10.06.2020).
12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Artikel 17(2) der nepalesischen Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung nur nepalesischen Staatsbürgern (UNHRC 04.01.2021; vgl. USDOS 11.03.2020). Grundsätzlich wird dieses Recht auch durch die Regierung respektiert (USDOS 11.03.2020), jedoch in den letzten Jahren durch neue Gesetze zunehmend eingeschränkt (MRG 11.2020).
Die Versammlungsfreiheit wird im Allgemeinen für Bürger und legal im Land Ansäßige respektiert, aber es gibt einige Einschränkungen (USDOS 11.03.2020). Für große öffentliche Veranstaltungen sind Genehmigungen erforderlich. Die Regierung versucht weiterhin, im Land aufhältige Tibeter daran zu hindern, kulturell wichtige Ereignisse wie das tibetische Neujahr oder den Geburtstag des Dalai Lama zu feiern (HRW 13.01.2021; vgl. USDOS 11.03.2020).
13. Haftbedingungen
Die Überbelegung in den Haftanstalten bleibt ein ernsthaftes Problem (USDOS 13.03.2019). Nepal verfügt über 74 Haftanstalten, die eine Gesamtkapazität von 15.466 Plätzen aufweisen. Insgesamt sind die angeführten Haftanstalten mit 25.685 Personen [Untersuchungshäftlinge und Verurteilte] belegt (WPB 11.2020; vgl. USDOS 11.03.2020).
Nepals Gesetze sehen medizinische Untersuchungen von Häftlingen nach der Verhaftung, eine Separierung von Schwerkriminellen und minderschweren Straftätern sowie die Trennung von jugendlichen und erwachsenen Häftlingen vor. Das Mindestalter für die Strafmündigkeit ist mit dem zehnten Lebensjahr festgesetzt. Gefangene und Inhaftierte dürfen Besuch empfangen und ihre religiösen Praktiken ausüben (DFAT 01.03.2019).
Medizinische Untersuchungen für Häftlinge sind im Allgemeinen oberflächlich, und die medizinische Versorgung für Häftlinge mit schweren Erkrankungen ist auf niedrigem Niveau. Gefangenen und Häftlingen werden regelmäßige medizinische Untersuchungen und Behandlungen vorenthalten. Den meisten Gefängnissen fehlen separate Einrichtungen für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen. Einige Häftlinge schlafen aufgrund des Mangels an Betten auf dem Boden und haben nur Zugang zu ungefiltertem, schmutzigem Wasser und unzureichender Nahrung. Viele Haftanstalten verfügen über schlechte Belüftung, Beleuchtung, Heizung und Bettwäsche. Einige Hafteinrichtungen halten Untersuchungshäftlinge zusammen mit verurteilten Gefangenen fest. Aufgrund des Fehlens angemessener Jugendstrafanstalten inhaftieren Behörden manchmal Kinder in Untersuchungshaft mit Erwachsenen oder erlauben Kindern, mit ihren inhaftierten Eltern in Haft zu bleiben (USDOS 11.03.2020).
Allgemein gestattet die Regierung in Gefängnis- und Untersuchungshaftzentren Monitoringbesuche durch die OAG, die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC), die Nationale Frauenkommission und die Nationale Dalit-Kommission, sowie durch Anwälte der Angeklagten. THRDA und AF berichten jedoch, dass sie und einige andere NGOs oft daran gehindert werden, sich mit Gefangenen zu treffen oder Zugang zu Haftanstalten zu erhalten, obwohl einigen unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern, einschließlich der Vereinten Nationen und internationaler Organisationen, ein solcher Zugang gewährt wird (USDOS 11.03.2020; vgl. DFAT 01.03.2019).
Zwar werden durch das Gesetz willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen verboten, doch sollen Sicherheitskräfte im Laufe des Jahres 2020 willkürliche Verhaftungen durchgeführt haben. Leitenden Bezirksbeamten wird vom Gesetz dazu ein großer Spielraum für Verhaftungen gewährt. Menschenrechtsgruppen geben an, dass die Polizei ihre 24-Stunden-Haftvollmacht missbraucht, indem sie Personen rechtswidrig, in einigen Fällen ohne angemessenen Zugang zu Rechtsbeistand, Verpflegung und medizinische Versorgung oder in unzureichenden Einrichtungen festhalte (USDOS 11.03.2020; vgl. DFAT 01.03.2019).
14. Todesstrafe
Nepal gehört zu jenen Staaten, deren Gesetzgebung die Todesstrafe nicht vorsieht (AI 10.04.2019; vgl. DFAT 01.03.2020, TKP 04.05.2018).
15. Religionsfreiheit
Die Verfassung legt das Land als „säkularen Staat“ fest (USDOS 10.06.2020; vgl. GIZ 1.2021b), definiert aber Säkularismus als „Schutz der uralten Religion und Kultur und religiöse und kulturelle Freiheit“ (USDOS 100.6.2020). Die Verfassung bezieht sich dabei auf die besondere Schutzwürdigkeit von „Sanatana“ (einem Sanskrit-Ausdruck), der den Hinduismus bezeichnet (BS 29.04.2019).
Die Religion ist Grundlage der traditionellen Kultur in Nepal. Nicht nur religiöse Praktiken, sondern auch Feste und Feiern, Literatur, Kunst und Architektur, Sitten und Bräuche, oder auch der Ablauf des täglichen Lebens, sind von der Religion geprägt. Die wechselvolle Geschichte des Landes hat entscheidend auch die Religion beeinflusst und die besondere Beziehung zwischen Hinduismus und Buddhismus in Nepal bewirkt (GIZ 1.2021b). Hinduismus und Buddhismus sind mit dem Tantrismus, sowie Resten animistischer Urreligionen, welche sämtliche Dinge mit einer Vielzahl von guten und bösen Geistern als beseelt betrachten, miteinander verwoben. Viele Feste werden gemeinsam, teils mit unterschiedlichen Inhalten, gefeiert. Buddhistische und hinduistische Kultstätten stehen nebeneinander oder werden auch gemeinsam genutzt (GIZ 1.2021b; vgl. DFAT 01.03.2019).
Das religiöse Weltbild besteht aus einem Nebeneinander religiöser Richtungen, Schulen und Theorien. Diese Art von Synkretismus macht die Einteilung in Religionsgruppen nur bedingt möglich: Dem letzten Zensus (2011) nach bekennen sich rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung zur ehemaligen Staatsreligion, dem Hinduismus, rund ein Zehntel sind Anhänger des Buddhismus, Muslime bilden vier Prozent und Kirati drei Prozent der Bevölkerung. Christen, Sikhs, Jainas und Bön bilden kleine religiöse Minderheiten mit etwa 0,4 Prozent (GIZ 1.2021b).
Die Verfassung legt fest, dass jede Person das Recht hat, ihre Religion zu bekennen, auszuüben und zu schützen. Während der Ausübung dieses Rechts verbietet die Verfassung Einzelpersonen, sich an Handlungen zu beteiligen, die „gegen die öffentliche Gesundheit, den Anstand und die Moral“ verstoßen oder die „die öffentliche Rechts- und Ordnungslage beeinträchtigen.“ Es ist verboten, andere Personen von einer Religion zu einer anderen zu bekehren oder die Religiosität anderer zu stören. Zuwiderhandlungen stehen unter Strafe (USDOS 10.06.2020; vgl. DFAT 01.03.2019).
Von lokalen Vorfällen zwischen religiösen Gruppen und Diskriminierungen wird berichtet (DFAT 01.03.2019).
15.1. Buddhisten
Buddhisten machen offiziell nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Nepals aus. Allerdings betrachten sich viele Nepalis sowohl als Hindu als auch als Buddhisten und teilen sich oft Tempel und Rituale der Anbetung (GIZ 1.2021b; vgl. DFAT 01.03.2019). Die größte Konzentration von Buddhisten findet sich in den östlichen Hügeln, im Kathmandutal und im zentralen Terai. Buddhas Geburtsort in Lumbini (im Süden Nepals) ist ein bedeutender Pilgerort. Die seit langem bestehende Stellung des Buddhismus in der nepalesischen Gesellschaft, zusammen mit den engen Verbindungen zwischen Buddhisten und Hindus, bedingen, dass Buddhisten selten von gesellschaftlicher Diskriminierung oder Gewalt bedroht sind (DFAT 01.03.2019).
15.2. Muslime
Muslime haben schätzungsweise einen 4,4 prozentigen Anteil an der nepalesischen Gesamtbevölkerung. Die meisten Muslime in Nepal sind Sunniten, eine kleine Minderheit ist schiitisch. Obwohl Muslime in allen Distrikten Nepals zu finden sind, konzentrieren sie sich im Terai. Offiziellen Angaben zufolge wurden 879 Madrassas bei den Bildungsämtern der Bezirke registriert, was einen Anstieg von 765 [2017] bedeutet. Muslimische religiöse Führer berichten jedoch, dass es im ganzen Land tausende weitere, nicht registrierte Madrassas existent sind (DFAT 01.03.2019).
Gewaltsame Zusammenstöße zwischen hinduistischen und muslimischen Gruppen werden mit einiger Häufigkeit gemeldet (DFAT 01.03.2019; vgl. USDOS 10.06.2020). Das Schlachten von Kühen ist in Nepal, einem Staat mit hinduistischer Mehrheit, illegal. Wie in Indien wird auch in Nepal von Kuh-Vigilantismus berichtet (DFAT 01.03.2019).
15.3. Christen
1,4 Prozent der Bevölkerung Nepals sind Christen, die überwiegende Mehrheit davon Protestanten (USDOS 10.06.2020). In Nepal gibt es Dutzende von christlichen Missionskrankenhäusern, Wohlfahrtsorganisationen und Schulen. Im Allgemeinen berichten Christen, dass sie bei der Arbeit in diesen Einrichtungen keine Einschränkungen durch die Regierung erfahren. Einige christliche Gruppen berichten jedoch, dass sie ihre Aktivitäten diskret halten. Insbesondere christliche Gruppen, die nicht gut etabliert sind, können Schwierigkeiten bei der Registrierung ihrer Glaubensgemeinschaft erwachsen. Darüber hinaus stellt es sich für Angehörige des christlichen Glaubens schwierig dar, Land für Friedhöfe erwerben zu können (DFAT 01.03.2021; vgl. USDOS 10.06.2020).
Wegen öffentliches Missionierens wurden gegen Christen mehrere Anklagen erhoben (USDOS 10.06.2020; vgl. DFAT 01.03.2019). Christen waren 2015 im Zusammenhang mit Protesten gegen die neue Verfassung von mehreren kleineren terroristischen Anschlägen betroffen. Die Verantwortung zu den erfolgten Anschlägen wurde von Hindu-Nationalisten übernommen (DFAT 01.03.2021).
Die Zahl der Konversionen zum Christentum hat seit den 1950er Jahren zugenommen. 90 Prozent der nepalesischen Christen gehören zu Randgruppen wie indigenen Gemeinschaften (z. B. Chepangs und Santal) oder Dalits, für die das Christentum einen Ausweg aus dem Kastensystem darstellt (DFAT 01.03.2021).
16. Ethnische Minderheiten und Kasten
Die nepalesische Verfassung von 2015 richtete verschiedene Kommissionen ein, um die Rechte von Dalits, Tharus, Muslimen, Madhesis und indigenen Völkern zu schützen und die Inklusion zu fördern, aber die Regierung hat sie weitgehend ungenutzt und ineffektiv in ihrer Funktion gelassen. Angehörige der sogenannten unberührbaren Kasten (Dalits) sind nach wie vor erheblicher rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Diskriminierung durch „hochkastige“, oft als „Hügel-Eliten“ (weil sie in der zentralen Hügelregion leben) bezeichnete Hindus ausgesetzt, die immer noch dominante Positionen in der Bürokratie und den politischen Institutionen sowie im komplexen sozioökonomischen System Nepals innehaben (BS 29.04.2020; vgl. HRW 13.01.2021).
Im Zuge der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie erfahren marginalisierte ethnische Gruppen im Land Beschränkungen im Zugang zu Gesundheitsleistungen (HRW 14.01.2021; vgl. AI 10.2020).
16.1. Madhesis
Der Begriff „Madhesi“ bezieht sich auf Nicht-Stammes- und Kasten-Hindus indischer Herkunft, die im Terai leben. Weniger als 50 Prozent der Terai-Bevölkerung sind Madhesi (OFPRA 12.06.2020; vgl. DFAT 01.03.2019). Rund 20 Prozent der nepalesischen Bevölkerung sind Madhesis. Angehörige dieser Gruppe sind in der Politik, im öffentlichen Dienst und beim Militär unterrepräsentiert. Wirtschaftliche und politische Bevorzugung (durch Landzuteilung) gegenüber der oberen Kaste der Pahadis (in den Bergen lebende Hindus) wurde unter dem „Panchayat“-System eingeführt und führte zu jahrzehntelangem politischen Aktivismus und Spannungen zwischen Madhesis und Angehörigen anderer ethnischer Minderheiten, die in der Terai-Region leben (DFAT 01.03.2019).
Eine Pro-Madhesi-Autonomiegruppe (die United Democratic Madhesi Front - UDMF) wurde 2007 gegründet. Die Gruppe hat zwei Friedensabkommen mit der nepalesischen Regierung unterzeichnet, wobei die Hauptforderung die „Befreiung“ der Terai-Region und die Schaffung einer einzigen autonomen Einheit namens Madhes in einem neuen föderalen System für Nepal ist. Die Gruppe fordert auch eine stärkere Vertretung in politischen, militärischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, oft unter Ausschluss anderer ethnischer Gruppen wie der Tharu in den westlichen Regionen des Terai. Nach einer Zeit der Verhandlungen schlossen sich einige Madhesi politischen Parteien an und nahmen an den Wahlen 2017 teil. Es wird angenommen, dass Madhesi im Terai aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft eine moderate offizielle Diskriminierung erfahren, was sich im Zugang zu staatlichen Dienstleistungen auswirkt. Die Gewalt in der Region bleibt sporadisch, wie die Proteste Ende 2015 und Anfang 2016 zeigen, bei denen Berichten zufolge mehr als 40 Menschen getötet wurden (DFAT 01.03.2019). Über den Einsatz von Waffengewalt der nepalesischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten der Madhesi wird berichtet (UNHRC 12.2020).
16.2. Tharu
Die Tharu lebten bis in die 1950er-Jahre im Terai weitgehend isoliert (OFPRA 12.06.2020). Angehörige der Tharu haben rund 6,6 Prozent Anteil an der Bevölkerung Nepals (CIA 05.02.2021). Die meisten Tharu sind Buddhisten und Anhänger traditioneller Religionen. Im nepalesischen Kastensystem stehen die Tharu am unteren Ende der reinen Kasten und Ethnien und zählen zur Matwali Jat. Sie werden seit Generationen durch die auf Kathmandu konzentrierten Eliten diskriminiert. Es wird über schwere Schikanen gegen Mitglieder des Volkes der Tharu durch die staatlichen Behörden berichtet. Auch sind die Tharu wegen ihres Analphabetismus von Landraub betroffen (Seiler, J. 2014).
Ungleiche Machtverhältnisse bleiben auch mit der 2015 erlassenen neuen Verfassung bestehen und führen insbesondere unter den Tharu und den Madheshi [Bewohner des südlichen Tieflandes von Nepal], den wichtigsten Bevölkerungsgruppen im Terai, zu Protesten, bei welchen im Zuge von Tumulten Ende August 2015 acht Sicherheitskräfte und ein Kind in Tikapur / Distrikt Kailali, getötet worden waren. Im Zuge dessen wurden Dutzende Personen durch die Sicherheitskräfte festgenommen. Dabei soll es auch zu gezielten Aufgriffen von politischen Führern und Aktivisten der ethnischen Tharu-Gemeinschaft gekommen sein. Angehörige der Tharu waren daraufhin Verhaftungen, Folterungen und anderen Misshandlungen durch die Polizei ausgesetzt. Auch lösten die Morde eine Welle von Vergeltungsangriffen gegen Mitglieder der Tharu-Gemeinde aus. Mindestens 40 Menschen wurden in den darauffolgenden Wochen bei Protesten der Volksgruppen der Madhesi und Tharu im Süden getötet (AI 19.07.2016; vgl. NZZ 03.10.2015, BBC 20.09.2019).
Trotz einer offiziellen Abschaffung aller Formen von Sklaverei im Jahr 2000, welche auf eine Abschaffung aller Arten von Leibeigenschaft [Das Kamaiya-System, eine traditionelle Arbeitsform, ist in Nepal unter der Volksgruppe der Tharu weit verbreitet. Heute ist sie zunehmend in den Verruf geraten, als Schuldknechtschaft eine Form von Sklaverei darzustellen, denn die Betroffenen unterliegen einer extremen Form der Ausbeutung, die durch das Kamaiya-System organisiert ist] abzielte, sind heute noch viele nepalesische Mädchen versklavt. Die Gemeinschaft der Tharu ist von dieser illegalen Praxis und den gesetzlichen Änderungen in der nepalesischen Verfassung besonders betroffen (Humanium 13.03.2019).
16.3. Dalits
Dalits stehen am Ende der alten Kastenhierarchie. Sie bilden ca. 13 Prozent der Bevölkerung in Nepal (BAMF 22.06.2020). Trotz gesetzlicher und politischer Bestimmungen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit sind Dalits weiterhin mit Diskriminierung. dem Stigma der „Unberührbarkeit“. Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert (MRG 11.2020; vgl. AI 10.2020). Vorurteile gegenüber niedrigeren Kasten erschweren ihren Angehörigen den Zugang zu Bildung. Arbeitsplätzen und Wohnungen (BAMF 22.06.2020). Von Ermordungen Angehöriger der Dalits durch Zivilpersonen (AI 10.2020; vgl. BAMF 22.06.2020) und durch Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte wird berichtet (HRW 02.09.2020).
17. Relevante Bevölkerungsgruppen
17.1. Frauen
Die Verfassung enthält Bestimmungen, welche eine geschlechtsspezifische Diskriminierung zulassen. Diskriminierung von Frauen und Mädchen stellt ein anhaltendes Problem dar. Vor allem Dalit-Frauen wurden aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Kaste diskriminiert (USDOS 11.03.2020; vgl. HRW 13.01.2021).
Auch wenn die gesetzlichen Bestimmungen zu Eigentum und Erbschaft keine geschlechtsspezifische Diskriminierung beinhalten, sind Frauen angesichts der anhaltenden Diskriminierung durch die herrschende gesellschaftliche Praxis oft nicht in der Lage, berechtigte Ansprüche geltend zu machen. Frauen sind weiterhin unter den Ärmsten überproportional stark vertreten (BS 29.04.2020).
Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen oder Minderheiten am politischen Prozess explizit einschränken. Frauen nehmen an lokalen, regionalen und nationalen Wahlen teil. Die Verfassung schreibt eine proportionale Beteiligung von Frauen in allen staatlichen Gremien vor und vergibt ein Drittel aller Sitze in der Legislative auf Bundes- und Landesebene an Frauen (USDOS 11.03.2020).
Häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt ein ernsthaftes Problem. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich Früh- und Zwangsheirat, einer der Hauptfaktoren für den als relativ schlecht zu bezeichnenden Gesundheitszustand von Frauen, deren unsichere Existenzsicherung und ihre unzureichende soziale Mobilisierung darstellt und zur intergenerationellen Armut beiträgt. Darüber hinaus schränkt die nach wie vor weit verbreitete Praxis der Früh- und Zwangsheirat den Zugang von Mädchen zur Bildung ein und erhöht ihre Vulnerabilität für häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch, einschließlich dem Sexhandel (USDOS 11.03.2020). Nepal erreicht in Asien den dritthöchsten Wert an geschlossenen Kinderehen. 40 Prozent der Mädchen heiraten vor dem 18. Lebensjahr, sieben Prozent sogar vor dem 15. Lebens