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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. Oktober 1996, Zl. 91 508/10846-III/7/96, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 2. Oktober 1996 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" vom 2. September 1996 mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 nicht statt. Nach der Begründung dieses Bescheides ging der Bundesminister davon aus, der Beschwerdeführer habe, wie sich aus den seinem Antrag angeschlossenen Urkunden ergebe, die Reifeprüfung an der Höheren Lehranstalt für Maschinenbau-Waffentechnik am 10. Juni 1992 abgelegt. Hinsichtlich der Berufspraxis habe er zunächst eine Bestätigung des Sportschießzentrums B vorgelegt, derzufolge er im elterlichen Betrieb seit dem Matura-Abschluß "mit der Reparatur, Instandhaltung, Pflege und Wartung der Waffen und Munition, einschließlich der erforderlichen Schießtests" beschäftigt gewesen sei. Ferner habe er eine Schulbesuchsbestätigung übermittelt, derzufolge er im Schuljahr 1995/96 bis zum 31. Mai 1996 in Ferlach die Fachschule für Büchsenmacher besucht habe. Er habe ferner über Aufforderung eine Versicherungszeitenbestätigung der Kärntner Gebietskrankenkasse vorgelegt, aus der sich ergebe, daß er, von Ferialtätigkeiten als Arbeiter in den Jahren 1990 und 1991 abgesehen, in der Zeit vom 15. Juni 1992 bis 30. September 1992 als Arbeiter beim Österreichischen Wachdienst C beschäftigt gewesen sei und seit 1. Oktober 1993 als Zeitsoldat beim Bundesministerium für Landesverteidigung in Dienstverwendung stehe. Eine regelmäßige berufliche Tätigkeit im Betrieb seiner Eltern liege offenkundig nicht vor. Zu seinem Dienst beim Bundesministerium für Landesverteidigung habe er erklärt, er sei "im Rahmen meiner Anstellung beim Österr. Bundesheer ua mit dem Waffensektor befaßt". Wenngleich es durchaus glaubwürdig sei, daß Soldaten mit Waffen zu tun hätten, reiche für eine anrechenbare Praxis nicht aus, u.a. "mit dem Waffensektor befaßt" zu sein. Im übrigen sei von der beim Österreichischen Bundesheer zurückgelegten Zeit jene in Abzug zu bringen, in der der Beschwerdeführer die Fachschule in Ferlach besucht habe, sodaß sich Ermittlungen, welche Tätigkeiten der Beschwerdeführer beim Bundesheer tatsächlich verrichtet habe, erübrigten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Verleihung der in Rede stehenden Berechtigung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt er vor, seine Tätigkeiten im elterlichen Betrieb, egal ob hauptberuflich oder nebenberuflich, setze im überwiegenden Maße höhere Fachkenntnisse der Waffentechnik voraus. Zur Verbesserung und Spezialisierung der HTL-Kenntnisse habe er auch im Schuljahr 1995/96 selbständig in der Fachschule der HTL Ferlach gearbeitet, wo er sich speziell auf Waffentechnik mit höherer Fachkenntnis konzentriert habe und diese Tätigkeit nicht nur den Charakter einer bloßen Fachschulausbildung dargestellt habe. Wenn die belangte Behörde aus der Bestätigung der Kärntner Gebietskrankenkasse schließe, es liege keine regelmäßige berufliche Tätigkeit im elterlichen Betrieb vor, so sei darauf zu verweisen, daß weder das Gesetz noch die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl. Nr. 244/1991 für die Anerkennung einer Tätigkeit als Berufspraxis eine Versicherungspflicht oder einen Gewerbeschein (bzw. eine Konzession) voraussetze. Als Berufspraxis sei danach eine berufliche Tätigkeit anzurechnen, die als selbständig anzusehen sei. Es sei "in überwiegendem Maße auch davon auszugehen", daß eine höhere Fachkenntnis des Fachgebietes vorausgesetzt werde und daß sich diese Tätigkeit über einen dreijährigen Zeitraum erstrecke. Der Begriff der "Selbständigkeit" lasse laut § 4 des Bundesgesetzes vom 5. Juli 1990 und der Durchführungsverordnung vom 17. Mai 1991 jeden Schluß auf eine verpflichtende eigene Gewerbeberechtigung oder eine damit verbundene Versicherungspflicht vermissen. Das Gesetz spreche unmißverständlich von "selbständig", ohne den geringsten Hinweis "auf die Selbständigkeit einer Gewerbeberechtigung oder eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses" zu geben. Nähere Erläuterungen zu "berufliche Selbständigkeit" enthalte weder das Ingenieurgesetz noch die hiezu ergangene Verordnung. Seine Tätigkeit beim Österreichischen Bundesheer hätte nebst seiner Tätigkeit im elterlichen Betrieb ausgereicht, um ihm die Standesbezeichnung "Ingenieur" zu verschaffen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die
a)
die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer Höherer technischer oder Höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und
b)
eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.
Gemäß § 2 der in Ausführung der Verordnungsermächtigung des § 10 Abs. 1 lit. a leg. cit. ergangenen Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl. Nr. 244/1991 ist eine berufliche Tätigkeit anzurechnen, wenn sie erlaubt und selbständig oder in einem Dienstverhältnis ausgeübt wurde und in überwiegendem Maße höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes voraussetzt.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß durch seine Tätigkeit beim Österreichischen Bundesheer allein die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 einer dreijährigen Berufspraxis nicht erfüllt ist, er meint aber, die belangte Behörde habe zu Unrecht seine Tätigkeit im elterlichen Betrieb nicht als Berufspraxis in diesem Sinn anerkannt.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer insoweit im Recht, als die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen eine abschließende Beurteilung dieser Frage nicht zulassen. Die belangte Behörde unterläßt es nämlich zu begründen, warum sie meint, schon deshalb, weil für den fraglichen Zeitraum keine Bestätigung der Kärntner Gebietskrankenkasse über eine bestehende Sozialversicherung vorliege, sei die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Betrieb seiner Eltern nicht als regelmäßige berufliche Tätigkeit anzuerkennen. Sie übersieht dabei einerseits, daß zwar ein unselbständiges Dienstverhältnis die Versicherungspflicht nach sich zieht, eine unterlassene Anmeldung zur Sozialversicherung aber die Begründung eines Dienstverhältnisses nicht ausschließt, und andererseits, wie sich aus § 2 der zitierten Verordnung unzweifelhaft ergibt, auch selbständig ausgeübte Tätigkeiten, die eine Versicherungspflicht bei der Gebietskrankenkasse nicht begründen, eine Berufspraxis im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 darstellen können. Auf das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift ist hier schon deshalb nicht einzugehen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ausführungen in der Gegenschrift fehlende Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 607, zitierte hg. Judikatur).
Um abschließend beurteilen zu können, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer im Betrieb seiner Eltern verrichteten Tätigkeit um eine Berufspraxis im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 handelt, hätte es daher genauerer Feststellungen über das dieser Tätigkeit zugrunde liegende Rechtsverhältnis sowie über die Art und den Umfang der Tätigkeit selbst bedurft.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040249.X00Im RIS seit
20.11.2000