TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/28 W186 2242806-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2021
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Entscheidungsdatum

28.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W186 2242806-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Sri Lanka, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2021, Zl. 1274649109 – 210216232, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG gestützt wird.

III. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Dem Beschwerdeführer (in der Folge: BF) wurde am 13.02.2021 die Einreise nach Deutschland verweigert. Daraufhin wurde seine Rückübernahme und die anschließende Festnahme bzw. Verbringung in das PAZ Salzburg angeordnet. Dabei gab der BF an, er wolle in Österreich nicht um Asyl ansuchen und selbstständig nach Sri Lanka zurückreisen.

Am 15.02.2021 stellte der BF jedoch aus der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, er habe viele Probleme, weil er Künstler sei. Er sei Tamile und Hindu. In seinem Land gebe es viele Singhalesen und Probleme zwischen den Singhalesen und den Tamilen. Er male und zeichne über diese Probleme, weshalb er Probleme mit den Singhalesen habe. Die Regierung habe ihn gewarnt, dass er nicht mehr über diese Probleme zeichnen dürfe.

Am 23.03.2021 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er den gegenständlichen Asylantrag deshalb gestellt habe, weil er erkannt habe, dass er nicht mehr anders freikommen würde. Sein eigentliches Reiseziel sei die Schweiz gewesen, weil dort sein Onkel leben würde. Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er Künstler sei und in seiner Heimat nicht reüssieren könne. Sein Onkel aus der Schweiz wolle, dass er in die Schweiz komme oder in Österreich bleibe. Zudem sei er im Zuge einer Auseinandersetzung mit Hindus an der Hand verletzt worden, er sei jedoch noch nicht beim Arzt in Österreich gewesen.

Mit gegenständlichem Bescheid des Bundeamtes vom 07.04.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 15.02.2021 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Sri Lanka zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise des BF gewährt (Spruchpunkt VI.), gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) sowie einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).

Begründend wurde ausgeführt, der BF habe keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) glaubhaft machen können. Im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka drohe ihm auch keine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK, zumal es sich beim BF um eine selbsterhaltungsfähige, gesunde und junge Person handle bzw. seine Familie wohlhabend sei. Das gegen den BF verhängte Einreiseverbot stützte das Bundesamt auf die Mittellosigkeit des BF im Sinne des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG in Verbindung mit dem Umstand, dass er einen offensichtlich unbegründeten und somit missbräuchlichen Asylantrag gestellt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 06.05.2021 fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde, in welcher im Wesentlichen unrichtige rechtliche Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden:

Vor dem Bundesamt sei der BF in englischer Sprache einvernommen worden, er beherrsche diese Sprache jedoch bei Weitem nicht auf muttersprachlichem Niveau, weshalb die Einvernahme in seiner Muttersprache Tamil stattfinden hätte müssen. Aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten habe der BF nicht anführen können, dass er von der Armee gefoltert worden sei. Ihm sei ein Stock in den After eingeführt bzw. sei mit einem Messer auf ihn eingestochen worden. Der BF habe sich zudem im Rahmen seines Studiums politisch engagiert und habe dabei geholfen, Demonstrationen zu organisieren, die Bewusstsein für verschwundene und inhaftierte Tamilen schaffen sollten. Weiters habe sich das Bundesamt nicht ausreichend mit der gesellschaftlichen Situation der Tamilen in Sir Lanka beschäftigt.

Am 27.05.2021 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er gehört der Volksgruppe der Tamilen und dem Hinduismus an. Er spricht Tamil und Englisch.

Der BF besuchte von 1999-2006 eine Grundschule, von 2006-2010 eine allgemeinbildende höhere Schule und von 2010-2013 eine weitere höhere Schule. Anschließend begann er im September 2015 ein Studium der Kunstwissenschaften, welches er im Februar 2019 abschloss. Im Jahr 2020 arbeitete er kurzzeitig bei der Regierung (Ministry of Public Services) als Development Officer.

Der BF verfügt in Österreich weder über Familienmitglieder noch über sonstige nahe Angehörige. Seine Eltern und seine Geschwister leben in Sri Lanka, die Familie ist im Besitz eines großen Hauses und wohlhabend.

Der BF bezieht Leistungen aus der Grundversorgung, er ist weder berufstätig noch ist er in Vereinen tätig.

Der BF leidet an keinen die Schwelle der Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Sri Lanka unzulässig machen würden.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen

Der BF konnte im gesamten Verfahren keine drohende asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft machen. Es ist im konkreten Fall sogar von einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag auszugehen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Sri Lanka

Dem BF droht im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka auch keine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und Art. 3 EMRK.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Sri Lanka

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Sri Lanka vom 05.05.2020:

Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die bewaffnete Opposition gegen den Staat nicht völlig aufgegeben wurde (BTI 2020), dennoch dürfte der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat insbesondere im Norden und Osten noch intakt sein (AA 12.1.2020).

Am 21.4.2019 verübten sri-lankische islamistische Terroristen Selbstmordanschläge auf katholische Kirchen im Westen und Osten des Landes sowie drei Luxushotels in Colombo. Unter den rund 260 Todesopfern befanden sich 45 ausländische Staatsbürger. Der Großteil der Opfer waren sri-lankische Christen. Verantwortlich für die Anschläge war die National Thowheed Jamath (NTJ), deren Mitglieder dem sog. Islamischen Staat die Treue geschworen haben. Am 22.4.2019 rief die Regierung den Notstand gemäß der Verordnung über die öffentliche Sicherheit aus und setzte die Streitkräfte im Inland ein und erteilte ihnen Festnahmebefugnisse. Nach Ablauf des Notstands am 22.8.2019 ordnete der damalige Präsident Maithripala Sirisena an, dass das Militär auch nach Ablauf des Notstands im ganzen Land stationiert bleibt. Dieser Befehl wurde durch den derzeitigen Präsidenten Rajapaksa am 22.11.2019 verlängert (CT 22.4.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 9.2019). Mögliche Hintergründe für die erfolgten Anschläge wurden durch die Regierung auch als eine Strategie internationaler Kräfte zur Spaltung der Gesellschaft und der Destabilisierung dieser im „Fadenkreuz der Großmächte und ihrer zunehmenden Konkurrenz im Indischen Ozean gesehen“ (CT 21.4.2019). Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass mehr als eine islamistische Zelle in Sri Lanka aktiv ist (GW 8.2.2020).

Bis auf kleine noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne „Hochsicherheitszonen“ um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Sri Lanker im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 12.1.2020).

Für das gesamte Land gelten derzeit auf Grund der COVID-19 Pandemie bis auf weiteres Ausgangsbeschränkungen (BMEIA 22.4.2020). Seit der am 20.3.2019 verhängten landesweiten Ausgangssperre wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet (HRW 3.4.2020).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Verteidigungsministerium. Das Militär ist für die äußere Sicherheit zuständig. Das Militär kann aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 11.000 Mitglieder zählende paramilitärische Sondereinsatzgruppe [Specila Tasc Force, STF] ist eine dem Generalinspekteur der Polizei unterstellte Polizeieinheit, die gelegentlich Operationen zur inneren Sicherheit mit dem Militär koordiniert. Der Präsident handelt als Verteidigungsminister, aber der zivile Verteidigungssekretär hat die tägliche operative Verantwortung für das Heer (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung hat die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 12.1.2020). Freie Meinungsäußerungen ist in jenen Teilen des Nordens, in denen die Sicherheitskräfte stark vertreten sind, eingeschränkter als in anderen Teilen des Landes. Offene Kritik am Militär bleibt selten (BTI 2020).

Polizei- und Sicherheitskräfte wenden gelegentlich missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Folter an. Von solchen Maßnahmen sind Tamilen unverhältnismäßig stark betroffen (FH 4.2.2020).

Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Im April 2019 ernannte die Regierung fünf Beauftragte für das Amt für Wiedergutmachung, eine unabhängige Behörde, die durch das im Oktober 2018 verabschiedete, gleichlautende Gesetz geschaffen wurde. Das Büro hat den Auftrag, geschädigte Opfer, die für Reparationen in Frage kommen, zu ermitteln und einzeln oder kollektiv angemessene Entschädigungen zu leisten (USDOS 11.3.2020). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 2.2020).

Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupteten, dass die Regierung und die Gerichte zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen. Zwar leitete die Regierung Ermittlungen gegen einige Beamte ein, die im Verdacht stehen Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, doch gelang es nicht, Verurteilungen zu erwirken (USDOS 11.3.2020).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) arbeiten relativ frei, auch wenn Aktivisten, die sich mit heiklen Themen befassen - darunter Korruption, Menschenrechtsverletzungen aus der Kriegszeit und Vermisste - weiterhin über Überwachung, Belästigung und Einschüchterung durch die Sicherheitskräfte berichten (ÖB 9.2019; vgl. DFAT 4.11.2019). Diese Überwachungsmaßnahmen ereignen sich vor allem im Norden und Osten, aber auch anderorts (DFAT 4.11.2019). Eine 2016 durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass das Vertrauen gegenüber NGOs bei der tamilischen Minderheit (über 73 Prozent) und den Muslimen (65 Prozent) viel größer ist als bei der singhalesischen Mehrheit (35,3 Prozent) (BTI 2020). Seit November 2019 ist das Verteidigungsministerium als Aufsichtsorgan für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eingesetzt worden. Durch diese Maßnahme steigt die Gefahr einer Überwachung für die NGOs. Von mehr als einem Dutzend NGOs und Medienorganisationen werden Einschüchterungsbesuche durch Strafverfolgungsbehörden und den Geheimdiensten gemeldet (AI 28.2.2020).

Tamilische Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten berichteten darüber hinaus weiterhin von Belästigungen durch Strafverfolgungsbeamte. Menschenrechtsaktivisten im Norden und Osten berichten, dass Interaktionen mit der Polizei oft mit sexueller Erniedrigung einhergehen (ÖB 9.2019). Nachrichtendienste haben begonnen, Finanz- und Verwaltungsaufzeichnungen von NGOs der vergangenen fünf Jahre, sowie Einzelheiten von Finanzierungen durch ausländische Geldgeber ins Visier zu nehmen. Aktivisten befürchten, dass die Behörden Fehler in der Buchführung als Vorwand für das Einstellen von Tätigkeiten der betroffenen NGOs oder für Strafanzeigen geltend machen werden (HRW 3.3.2020).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt. Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert (AA 12.1.2020).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen durch Regierungsstellen gehören unrechtmäßige Tötungen, Folter, sexueller Missbrauch, willkürliche Verhaftungen, langwierige Inhaftierungen, fehlende Rückgabe von Eigentum durch das Militär sowie Überwachung und Belästigung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Journalisten und Blockaden sozialer Medien, Korruption, Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle (LGBTI) Personen und die Kriminalisierung gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens (USDOS 11.3.2020).

Die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) hat das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die HRCSL nimmt Beschwerden entgegen, kann aber auch selbständig Untersuchungen einleiten. Nachdem eine Anschuldigung vorgebracht wurde, macht die HRCSL einen Vorschlag zur finanziellen Entschädigung des Opfers und leitet den Fall zur Vollziehung disziplinärer Maßnahmen weiter und/oder übergibt ihn an den Generalstaatsanwalt zur weiteren Strafverfolgung. Wenn die Regierung einem HRCSL-Antrag nicht nachkommt, kann die HRCSL den Fall an den Obersten Gerichtshof verweisen. Die HRCSL hat per Gesetz weitreichende Befugnisse und Ressourcen und kann nicht als Zeuge vor Gericht geladen oder wegen seiner Amtspflichten verklagt werden. Die HRCSL arbeitete in der Regel unabhängig und ohne Einmischung der Regierung. Die HRCSL erhielt bis November 2019 zahlreiche Beschwerden über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, ein Abschlussbericht steht jedoch noch aus (USDOS 11.3.2020).

Einige tamilische Politiker und lokale Menschenrechtsaktivisten bezeichnen mutmaßliche ehemalige LTTE-Kämpfer, denen terrorismusbezogene Gewaltverbrechen zur Last gelegt werden, als "politische Gefangene". NGOs berichten, dass die Behörden mehr als 130 politische Gefangene im Land festhalten. Die Regierung hat keine politischen Gefangenen anerkannt und darauf bestanden, dass diese Personen wegen krimineller Handlungen inhaftiert wurden. Die Regierung erlaubte der HRCSL, Richtern und dem Board of Prison Visits Zugang zu den Gefangenen und erlaubte dem IKRK, die Haftbedingungen zu überwachen. Die Behörden gewährten Rechtsberatern nur unregelmäßigen Zugang (USDOS 11.3.2020).

Als Folge des Bürgerkrieges mit den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gelten schätzungsweise noch 20.000 Menschen als verschwunden (IPS 30.4.2018). Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Behörde für vermisste Personen (Office of Missing Persons, OMP), die mit der Untersuchung solcher Fälle beauftragt ist (IPS 30.4.2018). Das OMP eröffnete 2019 drei Regionalbüros in Mannar, Matara und Jaffna und setzt seine Bemühungen um die Familien der Vermissten und Verschwundenen fort (USDOS 11.3.2020). Dennoch wurden die von Sri Lanka im Jahr 2015 eingegangenen Verpflichtungen zur Schaffung von Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Wiedergutmachungsmechanismen und zu Reformen zur Verhinderung, dass sich diese Verbrechen wiederholen, bis Ende des Jahres 2019 nicht umgesetzt (AI 30.1.2020). Die Regierung hat keinen Mechanismus eingeführt, um Angehörige des Militär- und der Sicherheitskräfte, die Gräueltaten während des Bürgerkrieges von 1983 bis 2009 beschuldigt werden, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 11.3.2020).

Religionsfreiheit

Die in Sri Lanka vertretenen Religionen sind Buddhismus (70,2 Prozent), Hinduismus (12,6 Prozent), Muslime (9,7 Prozent), Christen (4 Prozent) und Sonstige (0.05 Prozent) - (CIA 16.4.2020; vgl. AA 12.1.2020, USDOS 21.6.2019).

Das Gesetz erkennt vier Religionen an: Buddhismus, Islam, Hinduismus und Christentum (USDOS 21.6.2019). Die sri-lankische Verfassung gibt keine Staatsreligion vor und garantiert Religionsfreiheit, weist aber dem Buddhismus eine herausgehobene Rolle zu. Die Religionen begegnen sich in Sri Lanka traditionell mit Respekt und Toleranz. Nach den Terroranschlägen auf Kirchen und Hotels durch islamische Extremisten zu Ostern 2019 hat sich allerdings eine skeptische Grundstimmung gegen die muslimische Minderheit entwickelt, die zeitweise zu einem informellen Boykott muslimischer Geschäfte führte (AA 12.1.2020). Die erfolgten islamistischen Angriffe vom April 2019 verschärfen die bestehenden kommunalen Bruchlinien zwischen der buddhistischen Mehrheit Sri Lankas und der muslimischen Minderheit (GW 18.12.2019). Übergriffe radikaler buddhistisch-nationalistischer Gruppierungen auf Minderheiten sind immer wieder öffentlich bemerkbar. Dabei werden insbesondere seit den Terroranschlägen Muslime mit rassistisch-aggressiver Rhetorik angegriffen (AA 12.1.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Die Behörden schränkten "Hassrede", einschließlich der Beleidigung von Religion oder religiösen Überzeugungen durch die Polizeiverordnung und das Strafgesetzbuch ein (USDOS 11.3.2020).

Rechtliche Einschränkungen für andere Religionen oder Ideologien, einschließlich der Freiheit zum Religionsübertritt, gibt es nicht (AA 12.1.2020). Religiöse Gruppen müssen sich registrieren, um die Genehmigung zum Bau neuer Gotteshäuser zu erhalten. Eine Registrierung als Treuhandgesellschaft, Verein oder NGO ist notwendig, um finanzielle Transaktionen durchführen, ein Bankkonto eröffnen oder Eigentum besitzen zu können. Religiöse Organisationen können auch durch ein vom Parlament mit einfacher Mehrheit verabschiedetes Gesetz staatliche Anerkennung und die Erlaubnis zum Betrieb von Schulen beantragen (USDOS 21.6.2019).

Nach den Bombenanschlägen am Ostersonntag 2019 erließ die Regierung Anordnungen, die Gesichtsbedeckungen verbieten, insbesondere die Schleier, die einige muslimische Frauen tragen. Nach dieser Anordnung sahen sich muslimische Frauen, auch solche, die andere Formen der Kleidung wie Kopftücher und Abayas trugen, am Arbeitsplatz und an öffentlichen Orten Schikanen ausgesetzt. Einigen wurde der Zugang zu öffentlichen Diensten wie Schulen, Krankenhäusern und Universitäten verweigert (HRW 14.1.2020).

Ethnische Minderheiten

Nach dem 14. Zensus im Jahr 2011/2012 stellen die Singhalesen mit 74,9 Prozent die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 11,2 Prozent Tamilen, 4,2 Prozent sog. Indian Tamils (Einwanderung während der britischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter) und 9,2 Prozent sog. Moors muslimischen Glaubens (AA 12.1.2020; vgl. CIA 16.4.2020).

Es gibt keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis. Allerdings gibt es weiterhin soziale Missstände insbesondere im Norden und Osten des Landes, die vom Bürgerkrieg am stärksten betroffen waren (AA 12.1.2020). Der Zugang zu öffentlichen Diensten ist nach geltendem Recht für alle gleich. In der Praxis bestehen jedoch Ungleichheiten. Während Nicht-Singhalesen während der Kolonialzeit einen bevorzugten Zugang zu wirtschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Möglichkeiten genossen, verfolgten die Regierungen nach der Unabhängigkeit eine Politik, die darauf abzielte, Singhalesen zu begünstigen. Dies führte in der postkolonialen Zeit zu einer Umkehrung der horizontalen Ungleichheitsmuster der Kolonialzeit. Fast drei Jahrzehnte Bürgerkrieg vergrößerten die Kluft zwischen tamilischen Hindus und buddhistischen Singhalesen weiter (BTI 2020). So ist die soziokulturelle Struktur des politischen Lebens in erster Linie durch die Werte der singhalesischen (ganz überwiegend theravada-buddhistischen) Mehrheit bestimmt. Darüber hinaus lebt im Land eine große Minderheit von Tamilen sowie Christen und Muslime. Nach wie vor ist die Innenpolitik vom Bürgerkrieg (1983 – 2009) zwischen der tamilischen Separatistenorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung geprägt (AA 6.3.2020a).

Singhalesisch und Tamilisch sind Amtssprachen in Sri Lanka (CIA 16.4.2020).

Tamilen

Über 26 Jahre lang haben sich die Armee der singhalesischen Regierung und separatistische Tamilen-Rebellen einen blutigen Bürgerkrieg geliefert, von dem sich das Land bis heute noch nicht erholt hat. Die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) kämpften darin für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Insel. Die LTTE verübte hunderte Selbstmordanschläge im ganzen Land und führte Zwangsrekrutierungen von Kindern durch. Von der Armee wiederum wurden großflächig die Tamilen-Gebiete im Norden bombardiert. Geschätzte 100.000 Menschen kamen während des Konflikts ums Leben (DP 22.4.2019).

Zwar gab es gegenüber den Tamilen im Norden und Osten seit Amtsantritt des ehemaligen Präsidenten Sirisena am 9.1.2015 keine direkten staatlichen Repressionen mehr (AA 12.1.2020), doch kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu blutiger Gewalt radikaler Buddhisten gegen Muslime. So gingen singhalesische Schlägertrupps Anfang 2018 in der Touristenregion rund um Kandy im Zentrum des Landes gegen Muslime vor und zerstörten ihre Geschäfte, verprügelten Händler und griffen Moscheen an. Die Regierung sah sich angesichts der Gewalt schließlich gezwungen, für begrenzte Zeit den Notstand auszurufen (DP 22.4.2019).

Im ganzen Land, besonders im Norden und Osten, berichteten Tamilen, insbesondere Aktivisten und ehemalige oder mutmaßliche ehemalige LTTE-Mitglieder, von ethnischem Profiling, Überwachung und Belästigung durch Sicherheitskräfte (AI 22.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). Sowohl lokale als auch indisch-stämmige Tamilen behaupteten, dass sie in den Bereichen Hochschulbildung, Regierungsbeschäftigung, Wohnen, Gesundheitswesen, Sprachgesetze und Verfahren zur Einbürgerung von Nichtbürgern seit langem systematisch diskriminiert werden (USDOS 11.3.2020).

Die Landrückgabe wird fortgesetzt. Insgesamt hat das Militär laut Regierung 92 Prozent des einst besetzten Landes an Zivilisten zurückgegeben (AA 12.1.2020). Die Tamilische Nationale Allianz und das Verteidigungsministerium hielten 2019 einen 2017 eingeleiteten formellen Dialog über die Rückgabe von Militärgebieten in den nördlichen und östlichen Provinzen aufrecht (USDOS 11.3.2020).

Es gibt eine Reihe von Ministerien und präsidentiell ernannte Gremien, die sich mit den sozialen und entwicklungspolitischen Bedürfnissen der tamilischen Minderheit befassen sollen. Die Regierung hat eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen ergriffen, um Beschwerden der tamilischen Gemeinschaft zu begegnen (USDOS 11.3.2020).

Das vom Präsidenten im Jahr 2016 eingerichtete Büro für nationale Einheit und Versöhnung koordinierte weiterhin die Versöhnungsbemühungen der Regierung. Das Büro konzentriert sich auf die Förderung der sozialen Integration zum Aufbau einer integrativen Gesellschaft, die Sicherung der Sprachrechte für alle Bürger, die Unterstützung eines Heilungsprozesses innerhalb der vom Krieg betroffenen Gemeinden durch die von der Regierung vorgeschlagene Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Nichtwiederholung der Gewalt (USDOS 11.3.2020).

Grundversorgung und Wirtschaft

Sri Lankas Wirtschaft ist von strukturellen Unterschieden geprägt. Einerseits gibt es viele kleine Unternehmen, v.a. in der Landwirtschaft, die meist mit veralteter Technik und in Handarbeit produzieren. Andererseits entsteht eine hochmoderne Geschäfts- und Industriekultur. Das Land verfügt über ein gutes Bildungsniveau und eine Alphabetisierungsrate von ca. 92 Prozent, jedoch fehlt es oft an praxisbezogenen Qualifikationen. Zentrale Herausforderung ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Der protektionistisch geprägte Inselstaat ist trotz einer hohen marktwirtschaftlichen Orientierung auf weitreichende Reformen angewiesen, um sich strukturell weiterzuentwickeln. Zu den wichtigsten Branchen gehört die Textil- und Bekleidungsindustrie. Aber auch andere Industriezweige wie die Nahrungsmittelbranche, die Kautschukindustrie und die im Aufbau befindliche Kühllagerlogistik gewinnen immer mehr an Bedeutung. In der Landwirtschaft ist fast ein Drittel der Bevölkerung beschäftigt, die Ausfuhr von Tee erzielt nach wie vor einen großen Teil der Deviseneinnahmen. Der Dienstleistungssektor ist der dynamischste Bereich der Wirtschaft und wird vor allem durch das rapide Wachstum in der Kommunikationsbranche, bei Versicherungen und Banken begünstigt. Vielversprechend entwickelt sich das Feld der Informationstechnologie. Die Exporteinnahmen dieser Branche stiegen von 311 Mio. US$ in 2008 auf geschätzte 1 Mrd. US$ im Jahr 2018 (GIZ 10.10.2019).

Die Arbeitslosigkeit lag 2019 bei 2 Prozent. Problematisch ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die im Jahr 2019 bei 21,2 Prozent lag. Die öffentliche Verschuldung lag Ende 2019 bei 83,0 Prozent des BIP (WKO 2020).

Der Staat hat eine Reihe von Programmen zur Armutsbekämpfung gefördert. Dazu gehören die Subventionierung des Samurdhi-Programms, eines Ernährungszulagenprogrammes sowie Sozialversicherungs- und Rentenprogramme. Die neue Regierung hat die an arme Senioren gezahlte Armutszulage erhöht und eine neue Ernährungszulage als Hilfe bei Geburten eingeführt (BTI 2020).

Rückkehrer sind auf sich allein gestellt bzw. von der Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte abhängig. Ohne solche Unterstützung ist es für Rückkehrer nach wie vor schwierig, in angemessener Zeit wirtschaftlich und sozial wieder in Sri Lanka Fuß zu fassen. Die in der Vergangenheit große Beteiligung des Militärs am privatwirtschaftlichen Sektor, insbesondere in der Fischerei und in Form von „Army Shops“, erschwerte Heimkehrern im Norden die Wiederaufnahme ihres Gewerbes. Durch den angekündigten Rückzug des Militärs aus kommerziellen Aktivitäten ist jedoch in dieser Hinsicht Besserung zu erwarten. Eine Grundversorgung von staatlicher Seite gibt es nicht (AA 12.1.2020; vgl. DFAT 4.11.2019).

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in Sri Lanka ist landesweit gut (AA 12.1.2020). Das öffentliche Gesundheitssystem bietet eine umfassende, kostenlose Gesundheitsversorgung (AA 12.1.2020; vgl. DFAT 4.11.2019).

Die Gesundheitsausgaben belaufen sich laut WHO auf 3 bis 3,8 Prozent des BIP (97 USD/Kopf). Es besteht freier Zugang zu medizinischen Dienstleistungen, jedoch werden ca. 40 Prozent aller medizinischen Dienstleistungen aus eigener Tasche bezahlt (ÖB 9.2019; vgl. AA 12.1.2020). Auch bestehen regionale Unterschiede in der Qualität der Versorgung und der Einrichtungen, insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Gebieten (DFAT 4.11.2019). Die medizinische Versorgung ist in den großen Städten ausreichend bis gut, entspricht aber nicht überall europäischem Standard. Im Colombo ist die medizinische Versorgung in einzelnen Fachbereichen durchaus auch auf einem hohen bis sehr hohen Niveau (AA 6.4.2020). Vor allem in Colombo gibt es einige Privatkrankenhäuser mit gutem medizinischem Standard (AA 12.1.2020). Außerhalb der Großstädte ist mit erheblichen Engpässen bei der ärztlichen und medikamentösen Versorgung zu rechnen (CRM 28.4.2020; vgl. BMEIA 22.4.2020). Im Norden und Osten gestaltet sich die Gesundheitsversorgung schlechter, was zum Teil auf die Verzögerungen beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und den Rückgang des vorhandenen Fachpersonals während des Krieges zurückzuführen ist. Es gibt nur wenige Krankenhäuser in den vom Krieg betroffenen Gebieten im Landesinneren des Ostens (DFAT 4.11.2019). Einige Medikamente und Behandlungen sind nur von privaten Anbietern erhältlich (DFAT 4.11.2019).

Die medizinische Versorgung ist zweigeteilt. Auf dem Land wird Medizin oft noch nach alter Tradition praktiziert. In vielen Dörfern gibt es einen Arzt und eine Hebamme, die sich um die Primärversorgung der Bevölkerung kümmern. Schlangenmedizinmänner versorgen Menschen nach Bissen von giftigen Reptilien. In den städtischen Gebieten dominiert dagegen westliche Medizin, die als Überbleibsel aus der Kolonialzeit, auf den Grundpfeilern des britischen Gesundheitswesens fußt (DÄ 2016).

In Sri Lanka gibt es auf 1.000 Einwohner 0,96 Mediziner (Stand: 2017), 2.116 Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte (Stand: 2015) und 3,6 Krankenbetten (Stand: 2012) (CIA 16.4.2020; vgl. TWB 2018).

Die Investitionen in das Gesundheitssystem betrugen 2919 insgesamt 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten Jahren gestiegen und betrug 2019 77,3 Jahre (WKO 2020; vgl. DFAT 4.11.2019).

Die Regierung ist bestrebt, einen Rahmen zu nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG) zu schaffen, die die behördenübergreifende Zusammenarbeit zur Erreichung und Überwachung der Fortschritte hinsichtlich der Erreichung der nationalen Ziele erleichtern soll. Der Sri Lanka-Sustainable Development Act, Nr. 19 von 2017 über nachhaltige Entwicklung wurde verabschiedet, um die Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Strategie und Politik für nachhaltige Entwicklung im Land zu gewährleisten (WHO 2018).

Es gibt 23 UN-Organisationen, darunter auch die WHO, die eng mit der Regierung Sri Lankas zusammenarbeiten und sich dabei vom Rahmen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung leiten lassen (WHO 2018).

Personen, die HIV-Präventionsdienste angeboten haben, und Gruppen mit hohem Infektionsrisiko wurden Berichten zufolge diskriminiert. Darüber hinaus haben Krankenhausbeamte Berichten zufolge den HIV-positiven Status ihrer Klienten veröffentlicht und sich gelegentlich geweigert, HIV-positive Personen zu behandeln (USDOS 11.3.2020).

Rückkehr

Rückkehrer müssen grundsätzlich keine staatlichen Repressalien fürchten, jedoch müssen sie sich nach der Rückkehr Vernehmungen durch das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen. Ob es dabei zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt. Spezielle Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige bestehen nicht (AA 12.1.2020; vgl. DFAT 4.11.2019).

Verschiedene Behörden, einschließlich der Abteilung für Ein- und Auswanderung, des staatlichen Nachrichtendienstes, der Kriminalpolizei und zeitweise der Abteilung für Terrorismusbekämpfung nehmen Rückkehrer bei ihrer Ankunft in Empfang. Bei der Einreise am Flughafen von Colombo mit gültigem sri-lankischem Reisepass werden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt, kann aufgrund der administrativen Verfahren, der Länge der Vorstellungsgespräche und der Personalbeschränkungen mehrere Stunden dauern. Dies gilt auch für Zurückgeführte (AA 12.1.2020; vgl. DFAT 4.11.2019).

Rückkehrer die keinen sri-lankischen Reisepass vorlegen können, sondern nur ein von einer sri-lankischen Auslandsvertretung ausgestelltes Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (Identity Certificate Overseas Missions, ICOM, auch Emergency-Passport genannt) vorweisen, werden regelmäßig von der Einreisebehörde sowie von der Kriminalpolizei (CID) einer Personenüberprüfung unterzogen und zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt. Es ist nicht auszuschließen, dass von den sri-lankischen Auslandsvertretungen im Datensatz der betreffenden Personen ein entsprechender Vermerk veranlasst oder im Reisedokument angebracht wird. Den sri-lankischen Staatsangehörigen wird seitens der sri-lankischen Behörden kommuniziert, dass sie nur mit einem sri-lankischen Pass wieder ausreisen dürften. Ohne Vorlage eines Ausweisdokuments können Rückkehrer nicht einreisen (AA 12.1.2020; vgl. DFAT 4.11.2019). Fälle diskriminierender Behandlung auf diese Weise Einreisender (auch bei Tamilen) sind nicht bekannt (AA 12.1.2020; vgl. ÖB 9.2019). Einige Familien der Betroffenen sehen das mit der Abschiebung einhergehende Ausbleiben von Geldüberweisungen jedoch als Schmach an. Stigmatisierungen innerhalb der Familie sind die Folge (ÖB 9.2019).

UNHCR betreute im Jahr 2018 in Sri Lanka 42.956 Betroffene, darunter 39.322 IDPs, 605 Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückkehren konnten, 1.579 sri-lankische Rückkehrer aus dem Ausland, 628 Asylsuchende und 822 Flüchtlinge. Die Flüchtlinge und Asylsuchenden kommen großteils aus Pakistan (1.136), aber auch Afghanistan (191), Myanmar (36) und Iran (19) (ÖB 9.2019).

Die Einreise ist derzeit auf Grund der COVID-19 Pandemie bis auf weiteres nicht möglich. Eine 14-tägige Quarantäne ist bei der Einreise zu erwarten (BMEIA 22.4.2020).

1.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 13.06.2021 9.759 bestätigte Fälle von aktuell mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 644.577 laborbestätigte Fälle, 624.419 genesene Fälle und 10.399 bestätigte Todesfälle; in Sri Lanka wurden zu diesem Zeitpunkt 221.277 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 2.136 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen hinsichtlich des Namens des BF, seines Geburtsdatums und seiner Staatsangehörigkeit werden anhand der gleichbleibenden Angaben im Zuge des Verfahrens getroffen. Die Feststellungen hinsichtlich der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit des BF sowie seiner Sprachkenntnisse gründen sich auf seine eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.03.2021.

Auch die Feststellungen hinsichtlich der Ausbildung bzw. beruflichen Tätigkeit des BF erfolgen anhand seiner eigenen glaubhaften Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.03.2021, ebenso wie die Feststellungen hinsichtlich seiner Familienangehörigen sowohl in Österreich als auch in Sri Lanka.

Die Feststellungen, dass der BF Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und er weder berufstätig noch in Vereinen tätig ist, ergeben sich aus seinen diesbezüglichen expliziten Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.03.2021.

Die Feststellung, dass der BF an keinen die Schwelle der Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Sri Lanka unzulässig machen würden, leidet, wird anhand der Tatsache getroffen, dass er im gesamten Verfahren weder derartige Umstände vorgebracht hat noch derartige Umstände amtswegig hervorgetreten sind. In diesem Zusammenhang ist explizit darauf hinzuweisen, dass die, in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 07.04.2021 vorgebrachte, beim BF vorgenommene Abszessinzision im Analbereich sowie seine Verletzungen an der Hand keine schweren und lebensbedrohlichen Krankheiten darstellen, die in Sri Lanka generell nicht behandelbar wären.

Die Feststellung hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF gründet sich auf die diesbezügliche Feststellung im Bescheid des Bundesamtes vom 07.04.2021.

2.2. Zu den Fluchtgründen

Die Feststellung, dass der BF im gesamten Verfahren keine drohende asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft machen konnte, erfolgt anhand seiner in zentralen Punkten widersprüchlichen Angaben:

Im Zuge seiner Erstbefragung am 15.02.2021 führte der BF aus, er habe viele Probleme, weil er Künstler sei. Er sei Tamile und Hindu. In seinem Land gebe es viele Singhalesen und Probleme zwischen den Singhalesen und den Tamilen. Er male und zeichne über diese Probleme, weshalb er Probleme mit den Singhalesen habe. Die Regierung habe ihn gewarnt, dass er nicht mehr über diese Probleme zeichnen dürfe.

Hingegen gab der BF im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.03.2021 an, dass er den gegenständlichen Asylantrag deshalb gestellt habe, weil er erkannt habe, dass er nicht mehr anders aus der Schubhaft freikommen würde. Sein eigentliches Reiseziel sei die Schweiz gewesen, weil dort sein Onkel leben würde. Er sei Künstler und könne in seiner Heimat nicht reüssieren. Zudem sei er im Zuge einer Auseinandersetzung mit Hindus an der Hand verletzt worden, er sei jedoch noch nicht beim Arzt in Österreich gewesen.

Im Zuge dieser Einvernahme verneinte der BF explizit die Fragen, ob er in seiner Heimat vorbestraft sei, ob er je vor Gericht gestanden sei, ob er je inhaftiert gewesen sei, ob er Probleme mit den Behörden in seiner Heimat gehabt habe, ob gegen ihn aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen bestünden, ob er je politisch tätig gewesen sei, ob er Mitglied einer politischen Partei oder einer Organisation gewesen sei, ob er sonstige Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation gehabt habe, ob er in seinem Herkunftsstaat aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt habe, ob er Probleme mit Privatpersonen gehabt habe sowie ob er in seinem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen habe.

Die in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 07.04.2021 erstmals vorgebrachte angebliche Folterung des BF durch die Armee sowie seine angebliche politische Tätigkeit bzw. seine Teilnahme an Demonstrationen sind als unzulässige Steigerung des Fluchtvorbringens bzw. als Verstoß gegen das Neuerungsverbot im Sinne des § 20 BFA-VG einzustufen. Insbesondere ist nicht überzeugend, dass der BF diese Umstände wegen angeblicher Sprachschwierigkeiten nicht früher anführen habe können, zumal er im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.03.2021 explizit angegeben hat, dass er Tamil und Englisch spreche und damit einverstanden sei, dass die Einvernahme in englischer Sprache durchgeführt werde bzw. er den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden habe. Zudem hat der BF teilweise sehr ausführliche Antworten gegeben, weshalb jedenfalls davon ausgegangen werden kann, dass er sich problemlos in englischer Sprache ausdrücken kann. Es ist daher absolut nicht nachvollziehbar, warum er, sollte er tatsächlich gefoltert worden sein, das simple Wort „torture“ in der gesamten Einvernahme nicht verwendet hat. Schließlich erscheint allein die Tatsache, dass beim BF ein Abszess im Analbereich diagnostiziert und eine Abszessinzison durchgeführt worden ist, nicht geeignet, eine angebliche Folterung durch Einführen eines Stocks in den After zu beweisen.

Es ist den Länderinformationen zudem nicht zu entnehmen, dass die Volksgruppe der Tamilen in Sri Lanka einer landesweiten Gruppenverfolgung unterliegen würde, wenngleich es in Bereichen des täglichen Lebens zu Diskriminierungen kommt und Angehörige der Tamilen unverhältnismäßig oft von missbräuchlichen Praktiken von Polizei- und Sicherheitskräften betroffen sind. Der Umstand, dass die Familie des BF nach wie vor in Sri Lanka lebt und wohlhabend ist, untermauert die Einschätzung, dass die Tamilen nicht landesweit verfolgt werden. Ebenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Vernehmungen von Rückkehrern durch das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department bzw. die erkennungsdienstliche Behandlung von Rückkehrern in einer Art und Weise durchgeführt werden, sodass vom Erreichen einer asylrelevanten Schwelle ausgegangen werden kann.

Das in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 07.04.2021 zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.09.2015, Ra 2015/18/0080 hinsichtlich der asylrelevanten Verfolgung von Rückkehrern in Sri Lanka unterscheidet sich deutlich vom gegenständlichen Fall: Einerseits stützt es sich auf mittlerweile nicht mehr aktuelle Länderberichte, andererseits behandelt es die Frage nach der Abgrenzung zwischen Asyl und subsidiärem Schutz. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer subsidiären Schutz zuerkannt, obwohl anhand der damaligen Länderfeststellungen auch Asyl gewährt werden hätte können. Von einer solchen Situation ist jedoch im gegenständlichen Fall nicht auszugehen.

Zusammengefasst konnte der BF keine drohende asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen. Aufgrund seiner diesbezüglichen expliziten Angaben im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.03.2021, wonach er den gegenständlichen Asylantrag deshalb gestellt habe, weil er erkannt habe, dass er nicht mehr anders aus der Schubhaft freikommen würde, erfolgt die Feststellung, dass es sich im gegenständlichen Fall um einen offensichtlich unbegründeten Asylantrag handelt.

2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Sri Lanka

Wie schon das Bundesamt zutreffend ausgeführt hat, droht dem BF im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben bzw. seine körperliche Unversehrtheit im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK. Es sind weiters keine Umstände bekannt, dass in Sri Lanka eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass jedem Rückkehrer automatisch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK droht bzw. eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre.

Der BF hat nach eigenen Angaben ein Kunststudium abgeschlossen und stammt aus einer wohlhabenden Familie, die in einem großen Haus lebt, weshalb jedenfalls davon ausgegangen werden kann, dass er dort auch im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka leben kann. Der BF ist zudem ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, dem durchaus zugemutet werden kann, seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten.

Den Länderinformationen ist zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung in Sri Lanka landesweit gut ist und das öffentliche Gesundheitssystem eine umfassende, kostenlose Gesundheitsversorgung bietet, jedoch qualitative Unterschiede zwischen Städten und ländlichen Gebieten bestehen.

Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass im Herkunftsstaat des BF die Grundversorgung der Bevölkerung generell nicht gegeben wäre oder dass sich der BF sich in einer schlechteren persönlichen Situation befinden würde als die übrige Bevölkerung.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Sri Lanka

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Sri Lanka ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

2.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus

Die unter Pkt. II.1.5. getroffenen unstrittigen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen, vgl. etwa:

https://covid19-dashboard.ages.at/dashboard.html

https://covid19.who.int/region/searo/country/lk

https://orf.at/corona/daten/oesterreich

https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/

(Zugriff jeweils am 14.06.2021)

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Beschwere gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, konnte der BF keine drohende asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunfts-staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu den Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie auseinandergesetzt und festgehalten, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Judikatur beginnend mit seinem Urteil vom 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj, klargestellt habe, dass die Statusrichtlinie die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nur in Fällen realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs im Sinne des Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden nach Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie bei Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) vorsehe. Nicht umfasst seien dagegen insbesondere Fälle, in denen eine Rückkehr aufgrund allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland – etwa im Gesundheitssystem –, die nicht von Dritten (Akteuren) verursacht würden, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde. Dem nationalen Gesetzgeber sei es – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union – auch unter Mitbeachtung des Art. 3 Statusrichtlinie verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen würden (vgl. allerdings zur Zulässigkeit der Erstreckung des Schutzes auf Angehörige eines Schutzberechtigten VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040, unter Hinweis auf EuGH 04.10.2018, C-652/16, Ahmedbekova).

Im Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, erkannte der Verwaltungsgerichtshof jedoch, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des Gerichtshofes der Euro-päischen Union dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer – unionsrechtlich nicht geforderten – Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Der Verwaltungsgerichtshof halte daher an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht werde – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen könne.

Ausgehend davon ist demnach zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde, was zu einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 führen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 20.11.2018, Ra 2018/20/0528; vgl. auch VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. etwa VwGH 0

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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