Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §22 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 18. März 1996, Zl. UVS 303.9-6/95-5, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die verhängte Strafe und über den Ersatz der Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 18. März 1996 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, als Konzessionsinhaberin für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Bar" in der Zeit vom 23. Juli 1994 bis zumindest
6. November 1994, zumindest an 51 in diesem Zeitraum gelegenen näher bezeichneten Tagen im Mehrzwecksaal Metropol an einer näher bezeichneten Anschrift eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage betrieben zu haben, obwohl für diese Anlage keine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung vorliege und dadurch die Schutzinteressen (insbesondere Schutz vor Gefährdung durch unzumutbare Lärmbelästigung) gemäß § 74 GewO 1973 verletzt worden seien, indem die Art der Betriebsführung geeignet gewesen sei, insbesondere zwei namentlich genannte Nachbarn unzumutbar durch Lärm zu belästigen. Durch diesen Betrieb einer genehmigungspflichtigen gewerblichen Betriebsanlage ohne Vorliegen der erforderlichen gewerberechtlichen Genehmigung habe sie eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 begangen, weshalb über sie nach dieser Gesetzesstelle eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) verhängt wurde. Ferner wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 64 VStG zur Bezahlung der Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von S 2.000,-- verurteilt. Nach der Begründung dieses Bescheides ging der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, die einzelnen Tathandlungen hätten dadurch festgestellt werden können, daß im Zuge von Aufträgen der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg Beamte des Gendarmeriepostens W u.a. auf Grund von Nachbarbeschwerden Überprüfungen bei der Beschwerdeführerin durchgeführt hätten und dabei habe festgestellt werden können, daß je nach Auslastung zwischen 20 und ca. 150 Personen sich im Lokal der Beschwerdeführerin befänden. Den Zeugen habe sich das Bild eines Diskothekenbetriebes geboten, wobei ein Disjockey Tonträger aufgelegt und dabei Ansagen über das Mikrofon getätigt habe. Zu den nach § 19 Abs. 2 VStG maßgeblichen Erwägungen für die Straffestsetzung führte der unabhängige Verwaltungssenat u.a. aus, den Erschwerungsgründen von einer einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafe sowie der nicht unbeträchtlichen Dauer der unbefugten Gewerbeausübung von mehreren (zumindest drei) Monaten seien keine strafmildernden Umstände gegenüberzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Erledigung des gesamten einheitlichen Tatvorsatzes in einem Verwaltungsstrafbescheid und in ihrem Recht auf gesetzmäßige Strafbemessung verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht sie zunächst geltend, die belangte Behörde sei bei Begründung der verhängten Strafe auf ihre Ausführungen hinsichtlich der Zerrüttung ihrer Vermögensverhältnisse nicht eingegangen, sondern sie verwende lediglich allgemeine Formulierungen ohne Konkretisierung. Darüberhinaus werde ausdrücklich als Erschwerungsgrund eine rechtskräftige einschlägige Vorstrafe angeführt. Offensichtlich beziehe sich die belangte Behörde hiebei auf ihr eigenes Erkenntnis vom 10. Oktober 1995. Dieses könne nun zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Bescheides rechtskräftig gewesen sein, niemals aber zum Zeitpunkt der Begehung der Taten, welche allesamt vor dem 1. Oktober 1995 lägen. Zu Unrecht sei die belangte Behörde daher bei der Straffestsetzung von einer einschlägigen Vorstrafe ausgegangen. Zu Recht habe die belangte Behörde dagegen eine einheitliche Tathandlung angenommen. Warum diese einheitliche Tathandlung dann allerdings in zwei Bescheiden erledigt worden sei und nicht in einem Verfahren, sei nicht begründet worden und auch nicht begründbar. Die Überschneidung der beiden Verfahren sei aus dem angefochtenen Bescheid ersichtlich, da ein Tatvorwurf aus dem erstbehördlichen Bescheid herausgenommen worden sei, weil er bereits im Vorbescheid erledigt worden sei. Im Vorbescheid hätten bei Verbindung der beiden Strafverfahren sämtliche Vorwürfe erledigt werden können. Der Bescheid der belangten Behörde im Vorverfahren sei am 10. Oktober 1995 gefällt worden, die letzte Tathandlung, welche der Beschwerdeführerin vorgeworfen worden sei, habe am 6. November 1994, also nahezu ein Jahr vorher, geendet. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren und neuerlich in der Berufung vom 16. Februar 1995 habe die Beschwerdeführerin beantragt, die beiden Verfahren zu vereinen. Da ohnedies kein mündliches Berufungsverfahren durchgeführt worden sei, wäre es ohne weiteres denkbar, richtig und angebracht gewesen, mit dem Bescheid vom 10. Oktober 1995 den gesamten einheitlichen Tatvorwurf zu erledigen. Nicht gehe es an, die einheitliche Tathandlung, welche der Behörde bekannt gewesen sei, willkürlich zu zerlegen und dann einen Erschwerungsgrund daraus zu konstruieren, daß ein Teil des Vorwurfes bereits mit dem Vorbescheid erledigt worden sei. Es bleibe bei einem einheitlichen Tatvorwurf, welcher als Dauerdelikt in einem Bescheid zu erledigen sei. Aufrecht blieben die Einwendungen der Beschwerdeführerin dem Grunde nach, welche sie in der Berufung ausgeführt habe und auf welche zur Vermeidung von Weitschweifigkeiten verwiesen werde.
Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ebenso wie aus den vor dem Verwaltungsgerichtshof zu den hg. Zlen. 95/04/0239, 96/04/0108 und 96/04/0187 geführten Beschwerdeverfahren ergibt, wurde die Beschwerdeführerin wegen einer gleichartigen Verwaltungsübertretung bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 6. Juli 1994 bestraft und die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Oktober 1995 dem Grunde nach abgewiesen. Dieser Bescheid wurde zwar in der Folge mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1996, Zl. 95/04/0239, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, doch erließ die belangte Behörde am 10. Juli 1996 einen gleichartigen Ersatzbescheid. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 10. Dezeber 1996, Zl. 96/04/0187, abgelehnt.
Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Beurteilung im Recht, daß es sich bei der diesen Verurteilungen zugrunde liegenden Tat um ein fortgesetztes Delikt handelt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, schließt ein solches Delikt die Anwendung des im § 22 VStG normierten Kumulationsprinzipes hinsichtlich der einzelnen Tathandlungen aus. Aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetzes Delikt folgt, daß die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen, wenn auch allenfalls erst später bekannt gewordenen Einzeltathandlungen erfaßt. Dies bedeutet, daß ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides der Behörde erster Instanz angeführten Tatzeit alle Einzeltathandlungen bis zu der mit seiner Zustellung erfolgten Fällung des Strafbescheides erster Instanz erfaßt sind und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen denselben Täter eine Strafe verhängt werden darf (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., S. 869 ff, zitierte hg. Judikatur). Entscheidend für die Beurteilung, welche Einzeltathandlungen eines fortgesetzten Deliktes von der Verurteilung erfaßt sind, ist somit entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht der Zeitpunkt der Erlassung des Berufungserkenntnisses, sondern jener der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz. Hinsichtlich Tathandlungen, welche nach Erlassung eines Straferkenntnisses erster Instanz neuerlich gesetzt werden, ist ohne Verstoß gegen das Verbot einer Doppelbestrafung die Erlassung eines neuerlichen Straferkenntnisses zulässig. Ausgehend von den oben dargestellten Verfahrenstaten vermag der Verwaltungsgerichtshof einen Verstoß der belangten Behörde gegen diese Rechtsgrundsätze nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis war hiebei nicht einzugehen, weil die bloße Verweisung auf den Inhalt von im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens erstatteten Schriftsätzen keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG darstellt.
Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin allerdings die Strafbemessung. Die belangte Behörde stützte sich bei der Annahme des Vorliegens des Erschwerungsgrundes einer einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafe offensichtlich auf den Inhalt ihres Bescheides vom 10. Oktober 1995.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, besteht der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe nur dann, wenn diese bereits zum Zeitpunkt der Begehung der neuen Straftat rechtskräftig war (vgl. die in Hauer/Leukauf, a.a.O., S. 851f, zitierte hg. Judikatur). Daß diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht gegeben war, rügt die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Verfahrensdaten zu Recht.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seines Strafausspruches und des damit im Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040131.X00Im RIS seit
20.11.2000