TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/5 W159 2229790-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2021
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Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


W159 2229790-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. BOSNIEN UND HERZEGOWINA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2020,
Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

I.

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III.
gem. § 57 iVm § 10 Abs. 2 AsylG und § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 9 und 55 Abs. 4 FPG sowie § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gem. § 53 Abs. 3 Z 1 FPG auf 5 Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein am XXXX geborener Bosnischer Staatsbürger, ist in Österreich das erste Mal im Jahre 2002 strafrechtlich in Erscheinung getreten (§§ 83, 105 StGB), im Jahr 2003/2004 folgte ein Verfahren nach § 27 und 28 SMG, wobei der Beschuldigte angab, dass er sich bereits seit 1989 in Österreich aufhalte. Bereits mit Urteil des Gerichtes für Strafsachen Wien vom 30.09.2003 wurde zur Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83, 84 Abs. 2, 142 Abs. 2 zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.06.2004, Zl. XXXX erfolgte eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 28 Abs. 2 und 3 iVm §§ 15 und 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten (davon 19 Monate bedingt).

Es folgten weitere Verurteilungen mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.02.2006, Zl. XXXX wegen §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu 5 Monaten Freiheitsstrafe und am 05.10.2005, Zl. XXXX wegen §§ 15, 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 07.06.2006, Zl. XXXX wurde ein unbefristetes Aufenthaltsverbot über den Beschwerdeführer erlassen und weiters wurde dann mit Berufungsbescheid vom 21.07.2006, Zl. St772/06 der Berufung gegen das unbefristete Aufenthaltsverbot nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Auch eine dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde von diesem mit Erkenntnis vom 29.11.2006, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.

Mit Datum 01.06.2007 stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag, der jetzt doch mit Bescheid vom 30.07.2007 sowohl hinsichtlich Asyl, als auch subsidiärer Schutz rechtskräftig negativ abgewiesen wurde. Daraufhin ist der Beschwerdeführer vom 25.07.2007 unter Rückkehrhilfe freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist.

Der Beschwerdeführer reiste in der Folge wieder nach Österreich ein. Mit Eingabe vom 19.11.2012 stellte der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin XXXX den Antrag „Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes“ und legte eine Bestätigung der Firma „ XXXX “ vor, dass er zwischen 2007 und September 2012 in Gradisca, Bosnien, in dem Handelsgeschäft beim Ein- und Ausräumen geholfen habe.

Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 26.08.2013, Zl. XXXX wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

Am 29.08.2013 wurde der Beschwerdeführer durch die Landespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, niederschriftlich einvernommen. Dabei behauptete der Beschwerdeführer sogar, dass er seit 1987 durchgehend in Österreich lebe und er bis 2007 einen unbefristeten Aufenthaltstitel gehabt habe. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er sei aber in Österreich nicht aufrecht gemeldet, lebe aber bei seinen Eltern, welche ihn auch unterstützen würden. Er habe in Österreich 9 Jahre die Schule besucht und eine Lehre als KFZ-Mechaniker begonnen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.10.2014, Zl. XXXX erfolgte eine weitere Verurteilung nach § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, wobei mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.11.2014 ein Strafaufschub bis 13.10.2016 zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung und begleiteten Harnkontrollen auf die Dauer von 2 Jahren (Suchtentwöhnung) gewährt wurde. Eine weitere Verurteilung erfolgte mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 08.05.2015, Zl. XXXX wegen § 223 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, wobei eben auch hier ein Strafaufschub, diesmal bis 08.01.2018, zwecks ärztlicher Behandlung einschließlich Entzugs- und Substitutionsbehandlung erteilt wurde.

Am 11.04.2017 erfolgte eine weitere schriftliche Einvernahme, diesmal durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien. Darin wurde nach Vorhalt der Vorstrafen des Beschwerdeführers festgehalten, dass das Aufenthaltsverbot nicht mehr aufrecht sei, er jedoch über keinen Aufenthaltstitel verfüge. Er befinde sich seit 2009 oder 2010 wieder im Bundesgebiet. Auch seine Eltern, Geschwister und Großmutter würden hier leben. Derzeit arbeite er als Tischler und Bodenleger. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er habe in Bosnien niemand, aber er habe auch dort keine Probleme.

Am 26.11.2017 erfolgte eine weitere Einvernahme der gleichen Behörde. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er nunmehr bei einer Freundin in Wien 14 lebe. Am 21.10.2019 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er am XXXX in Bosnien geboren sei und Moslem sei. Er habe nur bis 1990 in Bosnien gelebt. Er sei damals wegen des Krieges mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Österreich ausgereist. Er sei hier integriert und sei er derzeit auf richterliche Weisung in einer Drogentherapie. Über Vorhalt der zahlreichen rechtskräftigen Verurteilungen gab er an, dass das alles wegen der Drogen gewesen sei und er nunmehr mit den Drogen aufhöre. Er wisse nicht, warum man ihn abgemeldet habe. In Österreich würden seine Eltern, sein Bruder, eine Schwester, seine Oma, eine Tante und ein Onkel leben. In Bosnien habe er keine Verwandten mehr. Er habe in Bosnien nur den Kindergarten besucht. Seine gesamte Schulzeit habe er in Österreich verbracht. Er habe eine Lehre als Tischler- und Bodenleger absolivert. Derzeit beziehe er Geld vom AMS, er sei ledig und habe keine Kinder. In Bosnien wüsste er nicht wo er hingehen sollte, er habe dort nichts. Es tue ihm leid, dass er kriminell gewesen sei, die Drogen seien schuld gewesen, er sei nunmehr seit 30 Jahren in Österreich.

In der Folge erfolgte eine weitere Verurteilung durch das Bezirksgericht Meidling mit Urteil vom 19.09.2018, Zl. XXXX wegen § 241e Abs. 3 StGB sowie §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, welche bedingt unter der Weisung sich einer Drogentherapie zu unterziehen ausgesprochen wurde. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 25.02.2019, Zl XXXX wurde schließlich der Beschwerdeführer wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 24.02.2020 wurde unter Spruchteil I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter Spruchteil II. festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei und unter Spruchteil III. eine Frist für die Freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie unter Spruchteil IV. eine auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. In der Begründung des Bescheides wurden insbesondere die über den Beschwerdeführer verhängten Strafurteile im wesentlichen Inhalt wiedergegeben, sowie die bereits erwähnten Einvernahmen dargestellt und die Beweismittel aufgelistet. Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer Bosnischer Staatsbürger sei und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leide. Er sei erstmals in 1994 in Österreich behördlich gemeldet gewesen, verfüge jedoch seit 2006 über keinen Aufenthaltstitel, sei aktuell auch nicht gemeldet, nehme derzeit an gesundheitsbezogenen Maßnahmen nach § 39 SMG teil und beziehe alternierend Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. In Österreich sei er zehnmal rechtskräftig verurteilt worden und sei auch noch ein Verfahren wegen §§ 146, 107 StGB und § 28 SMG anhängig. Er habe familiäre Bindungen zu Österreich, da seine Eltern, seine Schwester und seine Großmutter in Österreich aufhältig seien. Er sei aber ledig und habe keine Sorgepflichten. In der Folge wurde auszugsweise das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bosnien sowie über den Beschwerdeführer verhängten Urteile wiedergegeben. Hinsichtlich Spruchteil I. wurde ausgeführt, dass keine der Voraussetzungen des § 57 AsylG vorlägen. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Es würden sich wohl einige Familienangehörige in Österreich aufhalten, spezielle Abhängigkeitsverhältnisse seien jedoch nicht vorgebracht worden. Es bestände die Möglichkeit auch telefonisch oder per Internet weiter regelmäßig Kontakt zu seiner Familie zu halten. Der Beschwerdeführer sei wohl seit zumindest 1994 in Österreich, es bestehe jedoch trotz des langjährigen Aufenthaltes keine tiefgreifende soziale Integration. Der Beschwerdeführer habe wohl verschiedene berufliche Tätigkeiten, insbesondere als Tischler- und Bodenleger ausgeübt, habe jedoch die meiste Zeit Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen. Im vorliegenden Fall sei daher eine Rückkehrentscheidung zulässig.

Zu Spruchteil II. wurde zunächst festgehalten, dass sich weder aus den Feststellungen zum Zielstaat noch aus dem Vorbringen eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergebe und einer Abschiebung auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass diese zulässig sei. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der Öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Schließlich wurde zu Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass im vorliegenden Fall der § 53 Abs. 3 Z 1 erfüllt sei und insgesamt 10 rechtskräftige Verurteilungen im Zeitraum von 2003 bis Februar 2019 erfolgt wären, und zwar solche nach dem StGB und nach dem SMG. Es könne daher im vorliegenden Fall von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Die gesamte Beurteilung des Verhaltens der Lebensumstände und der familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe im Rahmen der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass ein Einreiseverbot in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um eine schwerwiegende Gefährdung der Öffentlichen Ordung und Sicherheit zu verhindern.

Gegen diesen Bescheid erhob der Adressat, vertreten durch den XXXX , Beschwerde, wobei nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer überhaupt über keine Kontakte in Bosnien und Herzegowina verfüge und sein Vater XXXX , seine Mutter XXXX , seine jüngere Schwester XXXX und sein Bruder XXXX alle in Wien 16 wohnhaft seien, ebenso seine Großmutter. Der Beschwerdeführer habe in Österreich eine Lehre als Tischler und Bodenleger absolviert. Er sei wohl straffällig geworden, bereue jedoch sein Verhalten und absolviere bis zum Jahr 2021 eine Drogentherapie. Eine Rückkehrentscheidung sei aufgrund des schützenswerten Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers daher unverhältnismäßig. Die Bemessung des Einreiseverbotes sei ebenfalls die bis zum Jahre 2021 dauernde Drogentherapie zu berücksichtigen und seien seine Verurteilungen im Zusammenhang mit seiner Drogensucht zu sehen, die er nunmehr dabei ist zu überwinden. Der Beschwerdeführer möchte in Österreich ein normales Leben führen und arbeiten. Die Dauer des Einreiseverbotes auf die Dauer von 8 Jahren sei daher nicht geboten. Vorgelegt wurde eine Überlassungsmitteilung der XXXX . Weiters wurde eine Kopie des Prüfungszeugnisses der Lehrabschlussprüfung für den Lehrberuf Tischler vorgelegt.

Die zunächst zuständige Richterin legte einen Aktenvermerkt über die Nicht-Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung zu, in der Folge wurde der Verfahrensakt mehrfach abgenommen und neu zugeteilt. Der nunmehr zuständige Einzelrichter beraumte für den 11.05.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, wobei dem Beschwerdeführer die Ladung nur im Wege der Polizei zugestellt werden konnte. Die XXXX legte eine Vollmacht, entsandte jedoch keinen Vertreter. In Anbetracht des Umstandes, dass keine mündliche Verkündung des Bescheides erfolge und die Verhandlung lediglich einer Befragung hinsichtlich des Privat- und Familienlebens diene, gab der BF an, an dieser auch ohne Vertreter oder Rechtsberater teilnehmen zu können.

Der Beschwerdeführer hielt die Beschwerde und das bisherige Vorbringen aufrecht. Er gab an, dass er nachwievor eine Drogentherapie mache und derzeit bei der XXXX arbeite. Dies sei eine Firma für Brand- und Wasserschäden. Es sei, nachdem er bereits in mehreren Leihfirmen für dieses Unternehmen gearbeitet habe, von dieser übernomme worden und lege er bei dieser Firma vor allem neue Böden. Er sei Staatsbürger von Bosnien und Herzoegowina. Er sei Moslem, übe diese Religion aber kaum aus und sei hier in Österreich völlig integriert. Er sei in XXXX am XXXX geboren und lebe seit Ende 1990/Anfang 1991 in Österreich. Seine Eltern seien mit ihm wegen des Krieges geflohen. Er habe immer in Wien gelebt. Er habe von 2007 bis 2009 in Bosnien gelebt. Über Vorhalt, dass er eine Bestätigung vorgelegt habe, dass er von 2007 bis 2012 bei der Handelsfirma in Bosnien gearbeitet habe und in diesem Zeitraum in Österreich auch keine Straftaten begangen habe, gab er an, dass er 2009 bis 2012 in Österreich als „U-Boot“ gelebt habe und ein bisschen schwarz gearbeitet habe. Es sei leicht in Bosnien eine Bestätigung ausgestellt zu erhalten.

Er habe 4 Jahre lang die Volksschule, 4 Jahre lang die Hauptschule, 1 Jahr die Polytechnische Schule und 3 Jahre eine Lehre als Tischler absolviert. Anschließend habe er beim XXXX auch eine Ausbildung als Fliesen- und Bodenleger gemacht. Er habe in Österreich sehr wohl gearbeitet, von 2004 bis 2007 sei er aber im Gefängnis gewesen. Als er wieder nach Österreich zurückgekehrt sei, habe er zunächst schwarz gearbeitet, aber seit 15 Monaten arbeite er wieder offiziell. Er sei niemals verheiratet gewesen und lebe auch in keiner Lebensgemeinsachaft, er habe auch keine Kinder. Derzeit sei er obdachlos gemeldet und lebe in einer Obdachlosenunterkunft im XXXX . Von seinen Familienangehörigen werde er mit Essen und Trinken unterstützt. Seine Mutter koche für ihn. Finanzielle Zuwendungen erhalte er von seiner Familie jedoch nicht. Seine Oma leide unter Diabetes. Ab- und zu besuche er sie und helfe er ihr gelegentlich. Sie sei jedoch nicht auf seine dauernde Betreuung angewiesen. Primär kümmere sich seine Mutter um ihn. Er verdiene monatlich ca. 1.700,- EUR netto und habe viele österreichische Freunde, auch eine österreichische Freundin namens XXXX . Sie stamme auch aus Bosnien, könne aber kein Bosnisch. Sie habe keine Kinder. Sie arbeite und studiere nebenbei Jus. Sie werde 36 Jahre alt. Gelegentlich übernachte er bei ihr. Er sei bei einem XXXX und mache nachwievor eine Drogentherapie und sei im Substitutionsprogramm, er müsse einmal im Monat einen Harntest abgeben. Außer Substitutionsmedikamenten bekomme er auch gegelgentlich starke Schlaftabletten und sei er jede Woche eine Stunde bei einem Psyschotherapeuten. Er sei durch schlechte Freunde in die Drogenszene abgerutscht. Die zehn Verurteilungen würden mit den Drogen zusammenhängen. Seit dem Substitutionsprogramm, seit ca. 2,5 Jahren, nehme er keine Drogen mehr. Über Vorhalt, dass nachwievor eine Anzeige nach dem SMG wegen Betrugs- und gefährlicher Drohung anhängig sei, gab er an, dass die Verhandlung vertragt worden sei. Seit 2009 sei er nicht mehr in Bosnien gewesen und spreche auch nur wenig Bosnisch. Er habe zu Verwandten seiner Mutter in Bosnien keinen Bezug. Die meisten Verwandten würden in Wien leben, seine Eltern, seine Geschwister und deren Kinder, auch seine Großmutter. Wenn er nach Bosnien zurückkehren würde, wüsste er nicht wohin. Er habe dort gar nichts. Er sei derzeit auf dem Weg der Besserung, er zahle auch seine Schulden in Raten ab.

In der Folge wurde der Zeuge XXXX nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe befragt: „Er glaube, er sei der Vater des Beschwerdeführers“, lebe mit diesem jedoch nicht in einem Haushalt. Er habe mit seinem Sohn auch nicht so engen Kontakt. Er arbeite im Schichtbetrieb. Er sei wegen der Drogenvergangenheit seines Sohnes sehr traurig. Er unterstütze seinen Sohn auch nicht und brauche er auch keine Hilfe von ihm. Er wisse auch nicht, was er zum Verfahren des Beschwerdeführers noch sagen solle.

Die Zeugin XXXX wurde ebenfalls nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe, wegen ihrer Minderjährigkeit im Beisein ihres Vaters, befragt. Sie gab an, sie sei die Schwester des Beschwerdeführers und lebe bei ihren Eltern. Sie sehe ihren Brunder 2-3 Mal in der Woche. Sie hätten auch gelegentlich via WhatsApp Kontakt. Wenn er etwas ausgedruckt haben wolle, schicke er es ihr. Sie habe einen PC und einen Drucker und gehe in die HLW im 19. Bezirk mit dem Schwerpunkt Sozialmanagement. Abgesehen vom Drucken benötige ihr Bruder aber nicht ihre Hilfe. Sie hoffe jedoch, dass er nicht nach Bosnien müsse, aber sie glaube, dass sie daran nichts ändern könne.

Schließlich wurde die Zeugin XXXX , ebenfalls nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe, befragt. Sie sei die Mutter des Beschwerdeführers, lebe mit ihm jedoch auch nicht in einem Haushalt Er komme manchmal zweimal in der Woche, manchmal aber auch nur alle zwei Wochen zu ihr. Sie sei seit 1. Mai in Pension. Vorher sei sie bei der Firma XXXX im Verkauf gewesen. Sie koche manchmal für ihn und wasche ihm die Wäsche. Finanziell unterstützen würde sie ihn jedoch nicht. Sie habe wohl Probleme mit der Wirbelsäule, aber sie brauche nicht die ständige Hilfe ihres Sohnes. Wenn sie einkaufen gehe, helfe ihr ihr Mann. Manchmal gehe auch ihr Sohn mit ihr einkaufen. Zu Therapien und Ärzten sei sie jedoch bisher immer alleine gegangen. Ihr Sohn benötige auch nicht ihre ständige Hilfe. Es wäre für sie schlimm, wenn er nach Bosnien zurückkehren müsste. Er sei dort alleine und habe dort keine Verwandten. Sie würden auch in der Familie Deutsch miteinander reden.

Schließlich wurde der Zeuge XXXX , ebenfalls nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe, befragt. Er sei der ältere Bruder des Beschwerdeführers, lebe auch mit diesem nicht in einem Haushalt. Sie würden sich nur gelegentlich sehen, er habe mit ihm auch wenig Kontakt. Er selbst sei Bauleiter in der Tischlerei. Er unterstütze seinen Bruder weder finanziell noch sonst irgendwie. Er sei selbst verheiratet und habe eine Tochter. Er brauche auch die Hilfe seines Bruders nicht, sie hätten nur wenig Kontakt. Er kenne die Verurteilungen seines Bruders nicht. Er glaube aber, dass er es in Bosnien nicht schaffen würde. Sie würden aus einer kleinen Ortschaft stammen, dort könnte er keine Arbeit finden.

Am Schluss der Verhandlung wurde den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt zu Bosnien und zu Herzgegowina unter Setzung einer Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt und dem Beschwerdeführer aufgetragen, innerhalb gleicher Frist eine Bestätigung über die Drogentherapie einschließlich negativer Harntests sowie weitere medizinische oder psychotherapeutische Bestätigungen sowie allenfalls aktuelle Bestätigungen des Arbeitgebers vorzulegen. Vorgehalten wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem 10 Verurteilungen aufscheinen.

Von der Möglichkeit zur Stellungnahme machte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung Gebrauch, wobei zusammenfassend ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer sehr eng familiär, sozial und wirtschaftlich mit Österreich verankert sei, hier seine prägenden Kindheits- und Jugendjahre verbracht hat. Seine Familie sei hier dauerhaft niedergelassen, er habe eine Freundin und sein gesamter Freundeskreis und sein soziales Netzwerk befinde sich in Österreich. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch auf Muttersprachenniveau und sei aktuell erwerbstätig und selbsterhaltungsfähig. Weiters sei der Beschwerdeführer von seinem Heimatstaat entfremdet, da er schon im Kindesalter mit seiner Familie nach Österreich verzogen sei. Er konsumiere seit 1,5 Jahren keine Drogen mehr, befinde sich im Substitutionsprogramm und absolvieren eine engmaschige Drogenentzugstherapie bei dem XXXX Da die Straftaten im Zusammenhang mit dem eigenen Drogenkonsum gestanden seien, sei von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. Es würden daher insgesamt die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung überwiegen und sei eine solche im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK unverhältnismäßig, sodass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erteilem sei und ein Aufenthaltstitel zu erklären sei. Jedenfalls sei ein Einreiseverbot in der Dauer von 8 Jahren unrechtmäßig und unverhältnismäßig, zumal, wie bereits ausgeführt, von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei. Beigelegt wurde eine Bestätigung des XXXX über eine seit 24.11.2014 bestehende Suchttherapie, wobei aufgrund des Schweregrades der Suchterkrankung eine stationäre Therapie empfohlen wurde. Vorgelegt wurden ein Dienstvertrag und eine Gehaltsabrechnung.

Über Befragen durch das Bundesverwaltungsgericht gab das Landesgericht für Strafsachen Wien an, dass ein Rechtsmittelverfahren wegen §§ 146, 107 Abs. 1 StGB offen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1.Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina. Er wurde am XXXX in XXXX geboren, gehört der Bosnischen Volksgruppe an und ist (kaum praktizierender) Moslem. Ende 1990/Anfang 1991 floh er mit seinen Eltern vor dem Krieg nach Österreich und besuchte in Österreich die Volkschule, die Hauptschule, die polytechnische Schule und absolvierte eine Lehre als Tischler. In der Folge geriet der Beschwerdeführer mit Drogen in Kontakt, wurde drogenabhängig und verübte Straftaten. Er absolviert seit 2014 eine Drogentherapie und ist seit ca. 2,5 Jahren in einem Substitutionsprogramm. Er wurde 2007 nach Bosnien abgeschoben, wann er wieder in Österreich auhältig war, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er führt kein Familienleben in Österreich. Er wird wohl durch seine Mutter gelegentlich mit Essen und Trinken unterstützt. Sonst besteht keinerlei Abhängigkeit zu seinen Eltern, seinem Bruder und zu seiner jüngeren Schwester XXXX . Er hilft gelegentlich seiner Großmutter, in der Regel wird diese von seiner Mutter gepflegt.

Der Beschwerdeführer ist selbsterhaltungsfähig. Er verdient monatlich ca. 1.700,- EUR netto als Bodenleger. Er hat wohl eine Österreichische Freundin, lebt aber mit dieser nicht in einer Lebensgemeinschaft, sondern in einer Obdachlosenunterkunft. Der Beschwerdeführer spricht auf muttersprachlichem Niveau Deutsch.

Er wurde in Österreich wie folgt rechtskräftig verurteilt:

1.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.09.2003 wegen §§ 83, 84 und 142 StGB, Zl. XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren

2.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.06.2004,
Zl. XXXX wegen § 28 Abs. 2 SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten, davon 19 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren

3.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 05.10.2005, Zl. XXXX wegen § 15 iVm § 142 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.02.2006
Zl. XXXX wegen § 105 Abs. 1 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten

5.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.08.2013
Zl. XXXX wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten

6.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.10.2014 wegen
§§ 146, 127, 83 Abs. 1, 231 und 229 StGB sowie 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, im bezughabenden Urteil geht es einerseits um die Überlassung von Heroin und die Unterdrückung einer E-Card und Benützung dieser E-Card, einen Diebstahl zu Lasten der Post AG, die Versetzung von zwei Faustschlägen. Als mildernd wurde das reumütige Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen sowie einschlägige Vorstrafen gewertet.

7.       Mit Urteil des BG Hernals vom 08.05.2015, Zl. XXXX wegen
§ 223 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten (auf Verwendung von gefälschten Substitolrezepten)

8.       Mit Urteil des BG Hernals vom 08.07.2016, Zl. XXXX wegen § 283 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten

9.       Mit Urteil des BG Meidlung vom 19.09.2018, Zl. XXXX wegen
§§ 15 iVm 127 StGB sowie 241e StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 10 Jahren

10.      Mit Urteil des BG Innere Stadt vom 25.02.2019, Zl. XXXX wegen
§ 15 iVm § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen (Diebstahl eines Parfums), als erschwerend wurden 6 einschlägige Vorstrafen sowie die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit sowie der rasche Rückfall, als mildernd der geringe Wert der zu stehlen versuchten Sache gewertet.

Weiters ist ein Rechtsmittelverfahren wegen §§ 146, 107 Abs. 1 StGB nach wie vor offen.

Zu Bosnien und Herzegowina wird verfahrensbezogen folgendes festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 12.06.2020

Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. Laut Volkszählung 2013 hatte Bosnien und Herzegowina ca. 3,5 Mio Einwohner; durch starke Abwanderung hat sich die Einwohnerzahl in den letzten Jahren reduziert und wird von einigen Quellen auf derzeit 2,7 Mio. Einwohner geschätzt. Bosnien und Herzegowina besteht aus zwei flächenmäßig nahezu gleich großen, weitgehend autonomen, Entitäten genannte Gebietskörperschaften: Die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation Bosnien und Herzegowina (51 % des Territoriums, ca. 63 % der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS) (49 % des Territoriums, ca. 35% der Gesamtbevölkerung).

Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die Föderation Bosnien und Herzegowina gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als „Staatsoberhaupt“ des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von 4 Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle 8 Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der FBiH kommen zusammen auf über 150 Ministerien. Der Anteil des Staatsapparats am Staatsbudget ist infolgedessen fast doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Im Übrigen ist die Besetzung von Ämtern in Regierungen und Verwaltungen auf allen Ebenen durch die institutionalisierte Machtteilung zwischen den konstituierenden Völkern geprägt (AA 14.3.2020).

14 Monate nach der Parlamentswahl gibt es eine neue Regierung auf Staatsebene. Zu ihr gehören die nationalistischen Parteien, die sich als Vertreter von Volksgruppen verstehen, wie die SDA und die SBB für Bosniaken, die SNSD für Serben, die HDZ für Kroaten, aber auch die multiethnische, sozialdemokratisch ausgerichtete Demokratska Fronta (DF). Vorsitzender des Ministerrats ist Zoran Tegeltija von der SNSD. Die Regierungsbildung hatte so lange gedauert, weil man sich nicht über die Beziehungen zur Nato einigen konnte. Während die traditionell prowestlich ausgerichteten bosniakischen und kroatischen Parteien für einen Nato-Beitritt sind, stellt sich die prorussische SNSD von Dodik dagegen (DS 26.12.2019). Die klassische rechtsstaatliche Gewaltenteilung wird ergänzt durch den im Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden vorgesehenen Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (HR) und die ihm unterstehende Behörde, dem „Office of the High Representative“ (OHR). Der HR ist die höchste Instanz im Land für die Auslegung und Implementierung des Daytoner Rahmenabkommens für den Frieden und steht damit rechtlich über den staatlichen Stellen. Er besitzt vom Sicherheitsrat der VN gedeckte, sehr weitreichende Vollmachten („Bonn Powers“), mit denen er u. a. politische Amtsträger entlassen und Gesetze suspendieren kann (auf die seit 2011 jedoch nicht mehr zurückgegriffen wurde). Seit 26.03.2009 ist der Österreicher Valentin

Inzko Amtsinhaber (AA 14.3.2020). Milorad Dodik, das serbische Mitglied im Staatspräsidium Bosnien und Herzegowinas, hat im Februar 2020 die Existenz des eigenen Staates infrage gestellt. Darin hat er einen wichtigen Verbündeten, den Vorsitzenden der kroatischen Nationalpartei HDZ-BiH in Bosnien, Dragan ?ovi?, gefunden. All dies hat bei der Bevölkerung Bosniens Ängste vor einem neuen Krieg

ausgelöst (TAZ 27.2.2020).

Die Zentrale Wahlkommission von BiH (CIK) hat am 23.5.2020 aus budgetären Gründen die Kommunalwahlen 2020 verschoben. Die verschobenen Wahlen finden am Sonntag, den 15. November 2020, statt. Die CIK hofft, dass das Budget BiH bis Ende Mai 2020 beschlossen wird, um die Wahlvorbereitungen rechtzeitig finanzieren zu können. Im Zuge der Wahlen im Herbst sollen 120 Bezirksversammlungen, 120 BezirksvorsteherInnen, die Versammlung des Distrikts Br?ko sowie 21 Gemeinderätinnen beziehungsweise -räte ermittelt werden. Die 22 BürgermeisterInnen werden direkt gewählt (CEC 23.5.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2020),

https://www.ecoi.net/en/file/local/2028001/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Beric

ht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsla

nd_im_Sinne_des_%C2%A729_a_AsylG_%28Stand_Februar_2020%29%2C_14.03.2020.pdf, Zugriff 19.5.2020

• CEC - Central Election Commission of Bosnia and Herzegovina (23.5.2020): The 2020 Local Elections postponed for November 15, https://www.izbori.ba/Default.aspx?Lang=6, Zugriff 27.5.2020

• DS - der Stadard (26.12.2019): Bosnien-Herzegowina, Kabinett, Bosnien und Herzegowina hat nach 14 Monaten wieder eine Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000112679753/bosnien-und-herzegowina-hat-nach-14-monaten-wieder-eine-regierung, Zugriff 19.5.2020

• TAZ - Die Tageszeitung (27.2.2020): Nationalismus in Bosnien-Herzogowina: Angst vor neuem Krieg, https://taz.de/Nationalismus-in-Bosnien-Herzogowina/!5666891/, Zugriff 25.5.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 12.06.2020

Die aktuelle Sicherheitslage in Bosnien und Herzegowina ist seit Oktober 2018 durch die politischen

Spannungen zwischen den regierenden Parteien geprägt. Die Wahlkampfrhetorik der politischen Parteien hat auch zur Zeit der Covid-19-Pandemie nicht angehalten, da man sich für die Kommunalwahlen im Herbst 2020 wappnet. Diese instabile politische Lage wirkt sich direkt negativ auf die Sicherheitslage aus (VB 15.5.2020).

Während des ersten Nachkriegsjahrzehnts hatte ein Hoher Repräsentant unter dem Mandat der Vereinten Nationen die Exekutivgewalt in einer Art Halbprotektorat, während eine von der NATO geführte Militärmission die Sicherheit im ganzen Land wiederherstellte. Der Hohe Repräsentant nutzte seine Exekutivbefugnisse, wo dies erforderlich war, um Beamte und politische Entscheidungsträger, die beschuldigt wurden, die Umsetzung des Friedens zu behindern, abzusetzen, Gesetze und Änderungen der Verfassungen der Entitäten durchzusetzen und zusätzliche Institutionen auf gesamtstaatlicher Ebene zu schaffen. Die internationalen Interventionen schufen jedoch die Voraussetzungen für eine liberale Demokratie, öffneten Raum für Dialog und Kompromisse, führten zu einer gewissen Pluralisierung des Parteiensystems und des politischen Lebens, etablierten staatliche Kernfunktionen und legten die Grundlage für eine allgemeine Stabilität. Seit 2004 unterhält die Europäische Union eine militärische Präsenz in Bosnien und Herzegowina, die European Union Force Althea (EUFOR Althea), die die friedenserhaltende Mission der North Atlantic Treaty Organization (NATO) ablöste, die im Rahmen des Dayton-Abkommens von 1995 eingesetzt worden war. EUFOR Althea ist nach wie vor die einzige internationale Sicherheitstruppe in Bosnien und Herzegowina mit einem landesweiten Mandat zur Gewährleistung der Sicherheit. Die Reduzierung der Truppenstärke auf nur wenige Hundert Mann in den letzten zehn Jahren hat jedoch dazu geführt, dass es für EUFOR Althea schwierig sein wird, im Falle einer ernsten Sicherheitskrise die Sicherheit zu garantieren. Die Sicherheitslage hat sich jedoch weitgehend normalisiert (BTI 29.4.2020).

Zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz- und Territorialfragen. Zum einen geht es um die Nutzung der Adria. So ist im Südwesten Bosnien- Herzegowinas die Frage des Verwaltungsbezirks Neum, der die Stadt Dubrovnik und umliegendes Land vom kroatischen Festland abtrennt, ungelöst. Bis dato ist kein Grenzvertrag ratifiziert worden. Zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien wiederum existieren ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang des Flusses Drina. Die OSZE-Mission in Bosnien-Herzegowina ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsentund operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken (BICC 5.2020).

Quellen:

• BICC - Bonn International Center for Conversion (5.2020): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien- Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien

-Herzegowina.pdf, Zugriff 22.5.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bosnia and Herzegovina,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2029431/country_report_2020_BIH.pdf, Zugriff 12.5.2020

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 12.06.2020

Die Staatsverfassung sieht das Recht auf ein faires Verfahren in Zivil- und Strafsachen vor, während die Verfassungen der Entitäten ein unabhängiges Justizwesen vorsehen. Dennoch beeinflussen politische Parteien und die Akteure des organisierten Verbrechens die Justiz sowohl auf Staats- als auch auf Entitätsebene in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden versäumen es bisweilen, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den 16 Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlichen Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, die Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 13.3.2020).

Eine überarbeitete nationale Strategie zur Bearbeitung von Kriegsverbrechen, die den Prozess der Zuweisung von Fällen an die verschiedenen Gerichte verbessern soll, wartet seit Februar 2018 auf die Genehmigung durch den Ministerrat. 2019 wurden keine Fortschritte erzielt, so dass sich die Geschwindigkeit, mit der Kriegsverbrecherfälle verfolgt werden, verlangsamt hat. Nach Angaben der OSZE waren im August 2019 250 Kriegsverbrechensfälle gegen 512 Angeklagte vor allen Gerichten in BiH anhängig (HRW 14.1.2020).

Seit Mitte Februar 2020 blockieren die bosnischen Serben Entscheidungen (alle Gesetzesänderungen und Vorschläge) im Parlament BiH. Diese Blockade wurde von den Funktionären aus der Entität RS angekündigt, weil sie unzufrieden mit den Entscheidungen des BiH Verfassungsgerichts waren. Insbesondere möchte diese Entität die drei ausländischen internationalen Richter aus dem Verfassungsgericht entfernen und plant, bis zu diesem Zeitpunkt die genannte Blockade aufrechtzuerhalten (VB 15.5.2020).

Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in Bosnien und Herzegowina ist auch die Strafverfolgungs-

oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis oft nur auf dem Papier angewandt werden. Sippenhaft wird nicht praktiziert (AA 14.3.2020).

Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von „Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person“ an Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u.a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 15.5.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2020),

https://www.ecoi.net/en/file/local/2028001/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Beric

ht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsla

nd_im_Sinne_des_%C2%A729_a_AsylG_%28Stand_Februar_2020%29%2C_14.03.2020.pdf, Zugriff 19.5.2020

• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Bosnia and Herzegovina,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2022732.html, Zugriff 20.5.2020

• USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -

Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026419.html, Zugriff 23.4.2020

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 12.06.2020

In Bosnien-Herzegowina ist das staatliche Gewaltmonopol im Prinzip auf dem gesamten Territorium

verankert. Dieses Gewaltmonopol wird jedoch nach wie vor durch die schlechte institutionelle Koordination zwischen den Sicherheitsdiensten und die anhaltende Politisierung untergraben. Die Streitkräfte von BiH wurden 2006 durch die Vereinigung der drei getrennten ethnischen Kräfte aufgestellt, sie haben jedoch nicht das Mandat, die Sicherheit innerhalb vdes Landes aufrechtzuerhalten. Die Polizeikräfte leiden unter einem hohen Grad an institutioneller Fragmentierung und zunehmender Politisierung. In der RS ist die Polizei stark zentralisiert und steht unter dem starken Einfluss der Regierungsparteien. In der Föderation sind die Zuständigkeiten der Polizei zwischen der föderalen und der kantonalen Ebene aufgeteilt, wobei die Zusammenarbeit zwischen den Behörden nur unvollständig institutionalisiert ist. In den ethnisch gemischten Kantonen bestehen weiterhin ethnische Trennungen unter den Polizeikräften. Seit 2011 erleben die Polizeibehörden auf allen Ebenen einen massiven Drang der herrschenden Eliten nach mehr politischer Kontrolle und einer Rücknahme der Reformen. Die Institutionen auf staatlicher Ebene haben ein schwaches Mandat und geringe operative Kapazitäten, was auf eine 2007 durchgeführte Teilreform der Polizei zurückzuführen ist. Sie leiden auch unter der schlechten Koordinierung mit den Behörden auf den unteren Regierungsebenen (BTI 29.4.2020).

Im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe bosnisch-herzegowinischen Verfassung nieder; auf Gesamtstaatsebene existiert neben der Polizeibehörde SIPA (u. a. zuständig für Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität und Korruption), die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u.a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Die Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der Föderation existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Föderation erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der Republika Srpska übt die Gesamtpolizei hingegen auch Aufsicht über die sechs regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Br?ko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten.

Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u. a. in Hinblick auf die NATO-Annäherung Bosnien und Herzegowinas). Mit Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes und des Wehrdienstgesetzes (beide 2005) wurde mit den bewaffneten Streitkräften (Oruzane Snage Bosne i Herzegowine - OSBIH) eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebene Truppenteile der drei konstituierenden Volksgruppen wurden abgeschafft (AA 14.3.2020).

Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt. Erfolge bestehen darin, dass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt (BICC 5.2020).

Die Grundausbildung für Polizeibeamte wird in zwei Akademien auf Entitätsebene (Republika Srpska und Föderation BiH) durchgeführt. Die mittlerweile abgeschlossenen Twinning Projekte „Strenghtening in Law Enforcement“ und „Moneylaundering“ bekommen in Form von weiteren, von der EU geförderten Projekten (IPA, Twinning, TAIEX), ihre Nachfolge. An der ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen BVT und den zuständigen bosnischen Sicherheitsbehörden hat sich nichts verändert (VB 15.5.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2020),

https://www.ecoi.net/en/file/local/2028001/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Beric

ht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsla

nd_im_Sinne_des_%C2%A729_a_AsylG_%28Stand_Februar_2020%29%2C_14.03.2020.pdf, Zugriff 19.5.2020

• BICC - Bonn International Center for Conversion (5.2020): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien- Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien -Herzegowina.pdf,

Zugriff 22.5.2020

• BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029431/country_report_2020_BIH.pdf, Zugriff 12.5.2020

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 12.06.2020

Die Verfassung von Bosnien und Herzegowina schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. Das Land ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäische Folterverhütungskonvention gebunden. BiH hat 2003 vorbehaltlos die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention anerkannt. Folter ist in BiH strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung überprüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen. Die letzte Überprüfung fand im Juni 2019 statt, ein Bericht liegt noch nicht vor. Es kommt nach Angaben des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma. Beschwerden von Betroffenen werden uneinheitlich behandelt und nur wenige werden aufgeklärt (AA 14.3.2020).

Das Gesetz verbietet solche Praktiken. Obwohl es keine Berichte gibt, dass Regierungsbeamte solche Maßnahmen ergriffen haben, gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte die Praxis der schweren Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen, die in den Vorjahren gemeldet wurden, beendet hätten. Im Jahr 2018 erhielt die Institution des Ombudsmanns für Menschenrechte 144 Beschwerden über Misshandlungen von Gefangenen durch Sicherheitskräfte, von denen sich einige auf die Behandlung in Gefängniseinrichtungen bezogen.

Beobachter stellten fest, dass die Misshandlung von Verdächtigen und Gefangenen auf Polizeistationen und in Haftanstalten zwar allgemein zurückging, aber weiterhin Anlass zur Sorge gibt.

Die Strafverfolgung solcher Fälle bleibt langsam und inkonsequent (USDOS 13.3.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2020),

https://www.ecoi.net/en/file/local/2028001/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A729_a_AsylG_%28Stand_Februar_2020%29%2C_14.03.2020.pdf,Zugriff 19.5.2020

• USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026419.html, Zugriff 23.4.2020

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung: 12.06.2020

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial und Strom ist landesweit sichergestellt (AA 14.3.2020). Der Import, Export und Transit von Waren verläuft langsam, aber ungehindert (KAS 4.2020). Insgesamt ist der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung dennoch niedrig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei ca. 18,47 %, die Jugendarbeitslosigkeit bei 38,8 %. Die Höhe der Sozialhilfe ist nicht einheitlich geregelt. In der Föderation BiH beträgt sie 20 % des Durchschnittslohns im jeweiligen Monat, in der Republika Srpska 15 % des Durchschnittslohns. Sie kann jedoch oftmals nicht ausgezahlt werden. Laut dem Zentrum ziviler Initiativen leben 20 % der Bevölkerung in absoluter Armut (AA 14.3.2020).

Offiziell haben 30.000 Menschen in BiH durch die Pandemie ihren Job und ihr Einkommen verloren.

Der Staat fängt sie nicht auf. Die soziale Situation hat sich durch die Covid-19-Pandemie in BiH noch einmal verschärft. Laut Generalsekretär des Roten Kreuzes von BiH gibt es seit dem Ausbruch der Pandemie offiziell einen Zuwachs von 30.000 Arbeitslosen - aber da viele Bosnier keinen angemeldeten Jobs nachgehen, sind es tatsächlich viel mehr. Helfer arbeiten auf lokaler Ebene mit den Sozialbehörden zusammen, die wissen, wer besonders bedürftig ist (DS 29.4.2020).

In der Föderation von BiH haben seit Beginn der Coronavirus-Pandemie mehr als 19.000 Menschen

ihren Arbeitsplatz verloren. Die Republika Srpska hat noch keine offiziellen Zahlen von Kündigungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie zur Verfügung gestellt (KAS 4.2020).

Die Gesetzgebung in BiH garantiert Sozialhilfe. Über die Empfänger und die Höhe der Unterstützungsgelder wird im Einzelfall entschieden. Die Höhe der jeweiligen Unterstützung (z.B. monatliche Geldbeträge) bzw. Qualität der Einrichtungen für Unterbringung, falls notwendig, hängt auch von den Möglichkeiten der jeweiligen administrativen Einheit (z.B. Kanton) ab. Weiters besteht die Möglichkeit, dass örtliche NGOs (kirchliche, humanitäre etc.) verschiedene Hilfeleistungen für Bedürftige zur Verfügung stellen. Das Gesetz über den Sozialschutz der Entität Republika Srpska (RS) regelt die Höhen der Beträge und Zulagen in diesem Bereich. Primär verwirklichen das Recht auf diese Leistungen arbeitsunfähige Personen, die keine eigenen/anderen Einkünfte haben. Die Höhen der Beträge werden als Prozentsätze des Durchschnittsgehaltes in der Entität vom Vorjahr berechnet z.B. für eine Einzelperson 15% vom diesem Betrag (Durchschnittsgehaltes), für einen Zweipersonenhaushalt 20% usw. Für den Distrikt Brcko waren zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Info keine aktuellen Informationen verfügbar, außer, dass Sozialhilfe natürlich gewährt wird. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese aktuellen Werte ändern werden, bevor es in Bosnien und Herzegowina zum wirtschaftlichen Aufschwung kommt (VB 15.5.2020).

Der Verband unabhängiger Gewerkschaften von BiH (SSSBiH) gab bekannt, dass der Warenkorb im Marz 2020 2.019,80 KM (ca. 1.142,00 €) ausmachte, während der Durchschnittslohn in der Föderation BiH 914 KM (ca. 490,00 €) betrug (SSSBiH 4.2020). In der Föderation BiH betrug die Mindestpension im April 2020 371,77 KM (ca. 190,20 €), die garantierte 465,87 KM (ca. 238,40 €) und die höchste Pension 2.174,48 KM (ca. 1.111,00 €) (FZMIO-PIO 5.2020). Die durchschnittliche Pension im Monat März 2020 in Republika Srpska (RS) betrug 393,36 KM (ca. 201,20 €), die Mindestpension 403,71 KM (ca. 206,50 €) und die höchste Pension 2.076,35 KM (1.062,10 €) (BL PORTAL 9.4.2020).

Laut dem bosnischen Arbeitsamt waren am 31. Dezember 2019 401.846 Personen in BiH arbeitslos, 57,02 % davon sind Frauen. Demnach sank Arbeitslosenrate in der Entität Föderation BiH um 0,19 %, im Distrikt Brcko um 1.27 %, während sie in der Entität RS um 1,33 % angestiegen ist. Nach vorliegenden Informationen sind 8,61 % der Arbeitslosen Personen mit Hochschulausbildung (VB 15.5.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028001/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A729_a_AsylG_%28Stand_Februar_2020%29%2C_14.03.2020.pdf, Zugriff 19.5.2020

• DS - der Standard (29.4.2020): Bosnien-Herzegowina: Verarmung, Überlebenshilfe für die Allerärmsten in der Covid-19-Krise, https://www.derstandard.at/story/2000117193249/bosnien-ueberlebenshilfe-fuer-die-alleraermsten-in-der-covid-19-krise, Zugriff 4.5.2020

• FZMIO-PIO (Pensionsversicherungsfonds der Föderation BiH) (5.2020): Penzije za mart 2020.

(Höhe der Pensionen im April 2020), http://www.fzmiopio.ba/index.php?option=com_content&vie

w=category&layout=blog&id=35&lang=ba, Zugriff 4.5.2020

• BL PORTAL (9.4.2020): DRUŠTVO, U RS po?ela isplata penzija za mart 2020 (Höhe der Pensionen in RS im März 2020), https://www.bl-portal.com/drustvo/u-rs-pocela-isplata-penzija-za-mart-2020/, Zugriff 4.5.2020

• KAS - Konrad Adenauer Stiftung (4.2020): Bosnien und Herzegowina, Länderbericht, Bosnien und Herzegowina in Zeiten von Corona, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028884/Bosnien+und+Her

zegowina+in+Zeiten+von+Corona.pdf, Zugriff 4.5.2020

• SSSBiH - Savez samostalnih sindikata Bosne i Hercegovine (Unabhängiger Gewerkschaftsbund

BiH) (4.2020): Sindikalna potroša?ka korpa za mart 2020. godine (Warenkorb für März 2020)

http://https://www.sssbih.com/wp-content/uploads/2020/04/Potrosacka-korpa_mart-2020.pdf,

Zugriff 4.5.2020

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 12.06.2020

Die Ausbreitung der Coronavirus (SARS-CoV-2) Pandemie hat auch Bosnien und Herzgowina (BiH) nicht verschont. Der erste Fall eines COVID-19 Patienten in Bosnien und Herzegowina wurde am 5. März 2020 in Banja Luka in der Entität Republik Srpska (RS) registriert. Seitdem ist die Zahl der registrierten Erkrankten landesweit auf über 1.000 gestiegen. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher liegen. Um eine unkontrollierte und rasante Ausbreitung des Virus zu verhindern - welche rasch zu einer Überforderung des maroden Gesundheitssystems führen würde - wurden von staatlichen Stellen rasch Restriktionen eingeführt. Nach einem Treffen in Anwesenheit des EU-Botschafters Johann Sattler haben sich die Vorsitzenden der führende Parteien SDA, der HDZ und der SNSD mit Vertretern der EU und des IWF auf ein Arrangement mit einer Kredithöhe von 330 Mio. EUR zur Bekämpfung der Coronakrise geeinigt (KAS 4.2020).

Alle Bürger in BiH haben das Recht auf Sozialversicherung (beinhaltet: Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung); arbeitslose Personen werden bei ihrer Anmeldung beim Arbeitsamt versichert und können so ihr Recht wahrnehmen (VB 15.5.2020). Das Gesetz über das Gesundheitswesen sowie die Verfassung der Föderation BiH legen in allgemeiner Weise fest, dass allen Personen, Bosniaken, Serben, Kroaten als konstitutiven Völkern und allen anderen Bürgern auf dem Gebiet der Föderation die gleichen Rechte garantiertsind. Laut diesen Bestimmungen haben gemäß Artikel 12 des Gesundheitsgesetzes alle Bürger und Bevölkerungsgruppen der Föderation das gleiche Recht auf soziale Sicherung und Gesundheitsversorgung.

Es gibt Krankheiten, die auch an den drei besten Spitälern der Föderation BiH - den Universitätskliniken in Sarajevo, Tuzla und Mostar - nur eingeschränkt oder nicht behandelt werden können. Dazu zählen namentlich die Kinderonkologie, die Kinderkardiochirurgie und die Transplantationschirurgie in den Bereichen Herz und Leber. Dieselbe Feststellung gilt auch für die Universitätsklinik Banja Luka. Nierentransplantationen werden in den Transplantationszentren der Universitätskliniken Sarajevo und Tuzla vorgenommen, in der Republika Srpska (RS) im Transplantationszentrum in Banja Luka. Diese Eingriffe sind weiterhin anspruchsvoll, beispielsweise nach schweren Unfällen jeglicher Art. In Westeuropa erfolgen die Behandlungen oft mittels abteilungsübergreifender Teams von Spezialisten. Bei diesen Behandlungsformen, die in BiH keine Tradition haben, fehlen die Erfahrungen in allen Bereichen, auch bei der begleitenden psychiatrischen Unterstützung (BFA-SEM 1.2018).

Personen mit geistigen Einschränkungen erhalten entsprechend bestimmter Kriterien eine staatliche

Krankenversicherung. Dazu müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt werden, die von einem medizinisch-forensischen Institut oder anderen staatlich autorisierten Kommissionen/Instituten geprüft werden. Außerdem erfolgt eine medizinische Untersuchung, durch eine staatlichmedizinische

Kommission. Generell haben alle Staatsangehörigen aus BiH zudem die Möglichkeit an einer freiwilligen privaten Krankenversicherung teilzunehmen. Die EmpfängerInnen einer staatlichen Krankenversicherung erhalten den Großteil der Medikamente kostenlos. Die Kosten für einige spezielle Medikamente müssen teilweise selbst übernommen werden. Die Beiträge zur Krankenversicherung in BiH sind festgelegt, aber variieren je nach Einrichtung und Kanton. Wenn keine Krankenversicherung vorliegt, ist die Eigenbeteiligung 100 %, ansonsten schwankt sie je nach Art der Behandlung. Die medizinische Versorgung im öffentlichen Gesundheitssektor ist aufgrund der Wirtschaftslage nicht vollständig kostenlos. Abhängig von der Form der medizinischen Behandlung, müssen selbst kleine Beträge einer Behandlung selbst übernommen werden (IOM 2019/19.3.2020).

Grundsätzlich sind alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldete Personen gesetzlich krankenversichert. Das Krankenversicherungsgesetz der Föderation deckt aber nur Rückkehrer ab, die bereits vor ihrer Ausreise krankenversichert waren (AA 14.3.2020). Im Bereich Gesundheitswesen gibt es keine Änderungen der Gesetze (VB 15.5.2020). Alle Vorschulkinder, Schüler bis 18 Jahre, Kinder von 15 bis 18 Jahren, die keine weitere Ausbildung machen, Studenten bis 26 Jahre, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose sowie alle Personen ab 65 Jahren krankenversichert sind. Der für viele Gesundheitsleistungen zu erbringende Eigenanteil an den Kosten kann zu einer eingeschränkten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen führen. Nach Schätzungen des Helsinki-Komitees haben etwa 60 % der Bevölkerung, darunter auch Kinder, keinen Zugang zu einer regelmäßigen Gesundheitsvorsorge. Das Krankenversicherungswesen liegt in der Föderation BiH bei den Kantonalverwaltungen und der Entitätsverwaltung, in der Republika Srpska (RS) auf Entitätsebene bei einem Versicherungsfonds. Das Gesundheitssystem gliedert sich in drei Bereiche - primären, sekundären und tertiären. Es gibt über 300 Ambulanzen, die jeweils zwischen 2.000 und 10.000 Einwohner versorgen. Grundsätzlich existiert in jeder grö ßeren Gemeinde (ca. 120) ein Gesundheitshaus, das eine medizinische Versorgung für 20.000 bis 50.000 Einwohner sicherstellen soll. Es existieren fünf klinische Zentren (drei in der Föderation BiH und zwei in der RS) in den größten Städten des Landes, hinzukommen landesweit 20 staatliche (Kantonal-)Krankenhäuser. Dazu kommen diverse private Krankenhäuser, Poli- und Fachkliniken. In größeren Städten gibt es eine wachsende Zahl an privatärztlichen Praxen und Kliniken (AA 14.3.2020).

Die nach dem Krieg bestehenden psychiatrischen Einrichtungen, beispielsweise diejenige in Jagomir bei Sarajevo, setzt sich zum Ziel, die Bettenzahl deutlich zu vermindern. Wie in anderen jugoslawischen Teilrepubliken basierte die staatliche psychiatrische Versorgung hauptsächlich auf der Verschreibung von Antidepressiva und Beruhigungsmitteln. Vor dem oben angeführten Hintergrund wurde das Konzept der psychiatrischen Behandlung den veränderten Bedürfnissen und modernen westeuropäischen Konze

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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