TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 W256 2199319-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W256 2199319-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geboren am XXXX , StA Somalia, vertreten durch den Verein We move together – Beratung und Hilfe für MigrantInnen, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 8. Juni 2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

I. beschlossen:

A) Das Verfahren betreffend die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II. zu Recht erkannt:

A) 1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs 2 und 3 BFA-VG eine den Beschwerdeführer betreffende Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia auf Dauer unzulässig ist.

3. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 58 Abs 2 iVm § 54 Abs 1 Z 2 und Abs 2 iVm § 55 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

4. Die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005).

Am XXXX fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Darin gab der Beschwerdeführer u.a. an, dass er den Namen XXXX führe, in Mogadischu geboren und in Besitz der Staatsangehörigkeit von Somalia sei. Im Erstbefragungsprotokoll ist als Aliasname auch der Name XXXX angeführt.

Nach erfolgter Einvernahme durch ein Organ der belangten Behörde wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) sowie stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.) und für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen festgelegt werde (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

In weiterer Folge wurden vom Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen vorgelegt.

In seiner Stellungnahme vom 3. März 2021 gab der Beschwerdeführer u.a. bekannt, dass er zwischenzeitig eine Asylberechtigte traditionell geheiratet habe und seine Ehefrau schwanger sei. Der Beschwerdeführer habe eine Arbeitserlaubnis des AMS erlangen können. Eine Probezeit als Zeitungszusteller habe er bereits bestanden und werde diesbezüglich der Werkvertrag nachgereicht. Unter einem legte der Beschwerdeführer das den Asylstatus seiner Ehefrau betreffende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts sowie weitere Integrationsunterlagen, wie eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF vom 9. November 2018 vor.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 20. April 2021 eine öffentlich mündliche Verhandlung in Anwesenheit u.a. des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung durchgeführt. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass er seine Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids zurückziehe und wurde diesbezüglich auch eine Stellungnahme vom 19. April 2021 von ihm vorgelegt. Darin wird in Übereinstimmung mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig eine somalische Frau geheiratet habe, welche in Österreich als Konventionsflüchtling anerkannt und mit seinem Kind schwanger sei. Er sei bereits durch seine Arbeit als Zeitungszusteller selbsterhaltungsfähig gewesen und werde er dies auch in Zukunft sein. Zudem sei er bereits seit fünf Jahren in Österreich aufhältig und im Übrigen unbescholten. Er spreche Deutsch auf dem Niveau A2 und werde bald eine Prüfung ablegen. Sein Name werde – wie schon in der Erstbefragung angeführt – richtig XXXX geschrieben. Er lebe mit seiner Frau gemeinsam. Er habe auch bereits gemeinnützige Tätigkeiten ausgeübt, wobei er diesbezüglich keine Bestätigungen vorlegen könne. Die geladene Zeugin, XXXX , führte aus, mit dem Beschwerdeführer verheiratet zu sein und ein Kind von ihm zu erwarten. Darüber hinaus gab sie an, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit ihr in XXXX leben würde.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2021 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die von ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptete Prüfung in Bezug auf das Sprachniveau A2 vorzulegen. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, ergänzendes Vorbringen im Verfahren, insbesondere zur allfälligen Geburt seines Kindes, darzutun.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2021 führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Frau einen Sohn zur Welt gebracht habe und eine Geburtsurkunde nachgereicht werde. Am 18. Mai 2021 habe er zudem an der ÖIF A2-Prüfung teilgenommen und legte er diesbezüglich eine Teilnahmebestätigung vor. Sobald er ein Zeugnis erhalte, werde er dieses an das Bundesverwaltungsgericht weiterleiten.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2021 übermittelte der Beschwerdeführer u.a. die Geburtsurkunde seines Sohnes, die Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft durch den Beschwerdeführer, einen aktuellen Meldezettel seines Sohnes und (erneut) die Teilnahmebestätigung an der ÖIF A2-Prüfung. Das Zeugnis seiner Prüfung habe er bislang nicht erhalten. Da es derzeit wenig Arbeit für ihn als Zeitungszusteller gebe, erreiche er derzeit auch nicht die Geringfügigkeitsgrenze.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2021 führte der Beschwerdeführer aus, dass er die ÖIF A2-Prüfung nicht bestanden habe, er angesichts seiner Familiensituation jedoch dennoch um die Zuerkennung der Aufenthaltsberechtigung ersuche.

Die belangte Behörde hat sich dazu im Rahmen des Parteiengehörs nicht geäußert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

zur Person

Der – im Kopf genannte – Beschwerdeführer besitzt die somalische Staatsangehörigkeit (Verhandlungsschrift, Seite 5). Er ist in Mogadischu geboren (angefochtener Bescheid, Seite 5).

Er hat in Österreich XXXX traditionell geheiratet und ist der Vater des gemeinsamen am 16. Mai 2021 geborenen Sohnes. Frau XXXX verfügt über den Status einer Asylberechtigten (Urkundenvorlage vom 3. März 2021 und vom 19. März 2021; Verhandlungsschrift, Seite 5 f und Seite 8).

Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit XXXX in XXXX (Verhandlungsschrift, Seite 6 und Seite 8).

Der Beschwerdeführer hat an einem Deutschkurs auf dem Niveau A1 sowie an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teilgenommen (OZ 1 AS 515; Urkundenvorlage vom 18. Februar 2019). Eine Prüfungsbestätigung wurde von ihm dazu jedoch nicht vorgelegt bzw. hat der Beschwerdeführer die ÖIF-Prüfung A2 auch nicht erfolgreich bestanden (Stellungnahme vom 30. Juni 2021).

Der Beschwerdeführer hat zwar bereits zahlreiche Aushilfstätigkeiten ausgeübt (Urkundenvorlage vom 18. Februar 2019, vom 3. März 2021) und auch einen Werkvertrag mit der XXXX beginnend mit 4. März 2021 abgeschlossen (Urkundenvorlage vom 19. März 2021). Aktuell übt der Beschwerdeführer aber keine Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird (Stellungnahme vom 19. Juni 2021).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 1. Juli 2021).

2. Beweiswürdigung:

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde, der mündlichen Verhandlung und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen. Es bestehen von Seiten des erkennenden Gerichts keine Gründe, an der diesbezüglichen Glaubhaftigkeit des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt I.A)

Gemäß § 13 Abs 7 AVG iVm § 17 VwGVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Eine Zurückziehung eines Anbringens ist grundsätzlich bis zur Entscheidung der Behörde möglich (VwGH 07.11.1997, 96/19/3024 mwN).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung war daher in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen (vgl VwGH vom 29.4.2015, Fr 2014/20/0047).

§ 28 Abs 1 VwGVG legt nicht fest, wann das Verfahren einzustellen ist, sodass insoweit auf die diese Frage regelnden Vorschriften abzustellen ist. Bezogen auf nach dem AVG geführte Rechtsmittelverfahren ist davon auszugehen, dass – auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung – eine Verfahrenseinstellung dann vorzunehmen ist, wenn das Rechtsmittel rechtswirksam zurückgezogen wurde. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (vgl VwGH vom 29.4.2015, Fr 2014/20/0047).

Eine solche Erklärung über die Zurückziehung der Beschwerde lag im gegenständlichen Fall zweifelsfrei vor: der vertretene Beschwerdeführer zog in der mündlichen Verhandlung – wie auch in der Stellungnahme vom 19. April 2021 – seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. der angefochtenen Bescheide explizit zurück, weshalb das Verfahren ist in diesem Umfang demnach einzustellen ist.

zu Spruchpunkt I. B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

zu Spruchpunkt II. A) 1.

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 Asylgesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2021/86 (im Folgenden: AsylG 2005) ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird (§ 10 Abs 1 AsylG 2005). Dies ist von Amts wegen zu prüfen (§ 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005).

1. Prüfung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005:

Gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

„1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.“

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2021/54 (im Folgenden: FPG) geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG 2005 substantiiert behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 richtet, abzuweisen, weil keiner der in § 57 Abs 1 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegt.

zu Spruchpunkt II. A) 2.

Gemäß § 52 Abs 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung ua zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2020/146 (im Folgenden: BFA-VG) auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 idF BGBl III 2018/139 (im Folgenden: EMRK) geboten ist.

§ 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG lautet:

„Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigun mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt eine Rückkehrentscheidung, die zwangsläufig zu einer Trennung eines Kleinkindes von Mutter oder Vater (die in Lebensgemeinschaft leben) führt, in jedem Fall eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Kontakte der Mutter über Telefon oder E-Mail können das nicht wettmachen (VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0108 mwN).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde unverhältnismäßig in die Rechte des Beschwerdeführers gemäß Art. 8 EMRK eingreifen:

Der minderjährige Sohn sowie die Partnerin des Beschwerdeführers, XXXX , mit der er traditionell verheiratet ist, leben in Österreich. XXXX ist in Österreich asylberechtigt, weshalb davon auszugehen ist, dass auch dem Sohn des Beschwerdeführers abgeleitet von dessen Mutter der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird und dieser daher für Österreich einen Aufenthaltsstatus erlangen wird. Der Beschwerdeführer lebt mit den beiden in einem gemeinsamen Haushalt zusammen.

Der Sohn des Beschwerdeführers ist erst wenige Wochen alt und daher auf den Beschwerdeführer als leiblichen Vater angewiesen. Eine Trennung des Beschwerdeführers von seinem Sohn würde unter Berücksichtigung des Kindeswohles massiv in das schützenswerte Familienleben eingreifen.

Aufgrund des Alters des Kindes kann der Kontakt jedenfalls nicht ausschließlich über E-Mail oder Telefon aufrechterhalten werden. Eine räumliche Trennung des Sohnes vom Beschwerdeführer wäre daher für das Kindeswohl schädlich.

Die zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn bestehende Bindung stellt daher ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK dar. Im Hinblick auf die Judikatur des EGMR würde im Falle einer Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer daher ein Eingriff in sein Familienleben mit seinem minderjährigen Sohn vorliegen. Die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens würden auf Umständen beruhen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, da der Mutter des gemeinsamen Sohnes des Beschwerdeführers und damit in weiterer Folge wohl auch dem Sohn in Österreich der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde bzw. wird.

Da der Beschwerdeführer nicht vorbestraft ist und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, stehen diesbezügliche öffentliche Interessen dem schützenswerten Familienleben nicht entgegen.

Der Beschwerde des Beschwerdeführers war daher hinsichtlich Spruchpunkt IV. betreffend die vom Bundesamt erlassene Rückkehrentscheidung und hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Abschiebung stattzugeben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

zu Spruchpunkt II. A) 3.

Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeits-grenze (§ 5 Abs 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs 4 Integrationsgesetz BGBl I 2017/68 idF BGBl I 2020/42 (im Folgenden: IntG) erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

„1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.“

§ 11 IntG lautet:

„Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Qualifikationen der Prüfer sowie die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 werden durch Verordnung der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.

(Anm.: Abs. 4 bis 6 aufgehoben durch Art. III Z 21, BGBl. I Nr. 41/2019)

Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 umfasst gemäß § 11 Abs 2 IntG Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden.

Der Beschwerdeführer übt zum Entscheidungszeitpunkt keine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird. Er hat auch weder die ÖIF Prüfung auf dem Niveau A2 positiv absolviert, noch eine Integrationsprüfung abgelegt.

Er hat damit keine erfolgreich abgeschlossene Prüfung auf dem Sprachniveau A2 und auch keine Prüfung eines – von § 11 Abs 2 IntG vorausgesetzten – Werteteils absolviert, womit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt ist.

Da somit im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht vorliegen war dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG ist diese für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Zu Spruchpunkt II. A.) 4

Auf Grund der Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung“ sind die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos - gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) - zu beheben.

zu Spruchpunkt II. B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Spruchpunktbehebung Verfahrenseinstellung Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W256.2199319.1.00

Im RIS seit

20.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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