Entscheidungsdatum
07.07.2021Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W175 2229913-1/11E
W175 2229915-1/11E
W175 2229917-1//11E
W175 2229916-1/11E
W175 2229910-1/11E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. NEUMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 29.01.2020, Zahl: Islamabad-ÖB/KONS/0226/2019, aufgrund des Vorlageantrags von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX und 5.) XXXX , geb. XXXX die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , afghanische Staatsangehörige, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 11.11.2019, beschlossen:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer (BF2 bis BF5). Die BF, Staatsangehörige Afghanistans, stellten am 21.01.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (ÖB Islamabad) Anträge auf Erteilung von Einreisetitel gemäß § 35 Abs. 2 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde der Ehemann bzw. Vater der BF, ebenfalls afghanischer Staatsangehöriger, genannt, welchem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22.06.2015 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
Die BF1 wurde am 24.02.2019 durch die ÖB Islamabad interviewt.
2. Nachdem die Unterlagen dem BFA übermittelt wurden, teilte dieses der belangten Behörde in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005, datiert mit 02.08.2019, mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die BF hätten die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht nachgewiesen und die Einreise der BF erscheine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Die Ehe zwischen der BF1 und der Bezugsperson habe nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden, weshalb die BF1 keine Familienangehörige iSd 4. Hauptstückes des AsylG sei. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.
In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der Bescheid der Bezugsperson am 09.07.2015 rechtskräftig geworden sei und die gegenständlichen Anträge am 21.01.2019 gestellt worden seien. Die Wartefrist von drei Jahren sei daher erfüllt. Die Bezugsperson habe keine Einkommensnachweise vorgelegt. Aus dem Versicherungsdatenauszug sei ersichtlich, dass die Bezugsperson bisher keiner Beschäftigung in Österreich nachgegangen sei, sondern Bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen habe. Der Familienangehörige habe für sich und seine Ehefrau den Ehegattenrichtsatz iHv 1.398,97 Euro aufzubringen. Außerdem müssten diese Beträge nach Abzug der monatlichen regelmäßigen Kosten (Miete etc.), soweit diese den Wert der freien Station iHv 294,65 Euro übersteigen, zur Verfügung stehen. Die Bezugsperson müsse gegenständlich eine monatliche Bruttomiete von 435,31 Euro bezahlen. Der erforderliche Betrag von 2.115,51 Euro werde in Ermangelung der Einkünfte nicht erreicht. Bei der Unterkunft der Bezugsperson könne von einer Unterkunft ausgegangen werden, die für ein Ehepaar mit vier Kindern als ortsüblich angesehen werde. Die Voraussetzung einer ortsüblichen Unterkunft sei sohin erfüllt. Da der Aufenthalt der BF zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft mangels Einkommen der Bezugsperson führen werde, würden die Voraussetzungen nach § 60 AsylG nicht zur Gänze vorliegen.
Aus der vorgelegten Heiratsurkunde ergebe sich eine offensichtlich im Nachhinein – am 04.02.2018 – beurkundete Eheschließung vom 06.05.2002. Eine solche Beurkundung bzw. Registrierung der Ehe habe während des Aufenthaltes beider Ehegatten in Afghanistan nie stattgefunden. Es habe zum Ausreisezeitpunkt die auch im afghanischen Recht grundsätzlich vorgesehene staatliche Registrierung der Ehe gefehlt. Die Ehe sei erst durch die nachträgliche Registrierung und somit nach der Ausreise der Bezugsperson nach afghanischem Recht entstanden.
Eine Einreise der BF sei auch nicht iSd Art. 8 EMRK geboten. Auf die Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach dem NAG wurde verwiesen.
3. Mit Schreiben vom 27.08.2019 wurde den BF eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung des Antrages mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Mitteilung und Stellungnahme des BFA zu entnehmen. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
4. In ihrer Stellungnahme vom 03.09.2019 brachten die BF zusammengefasst vor, dass der Bezugsperson mehrere Finger und Zehen amputiert worden seien, diese in ärztlicher Behandlung sei, an Schmerzen leide, regelmäßig Medikamente einnehme und laut Gutachten der PVA arbeitsunfähig sei. Es sei richtig, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht erfüllt sei. Es sei jedoch die gesundheitliche Situation der Bezugsperson zu berücksichtigen. Die Bezugsperson sei somit unverschuldet aufgrund der schweren Behinderung nicht dazu in der Lage, selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen. Um Härtefälle zu vermeiden könne von den Voraussetzungen des § 60 AsylG gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG abgesehen werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens dringend geboten sei. Die Trennung der Familie sei aufgrund der Fluchtgründe der Bezugsperson erfolgt. Eine Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat komme nicht in Frage. Das Unterbleiben der Anwendung der Nachsichtsgründe würde angesichts der Behinderung der Bezugsperson letztendlich dazu führen, dass die Bezugsperson und die BF von der Führung eines gemeinsamen Familienlebens ausgeschlossen wären, da durch die Arbeitsunfähigkeit keine Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben sein werde. Die Familie wäre dauerhaft an einem adäquaten Familienleben iSd Art. 8 EMRK gehindert. Auf das B-VG, das BVG zum Verbot der rassischen Diskriminierung und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz wurde verwiesen. Auch der Verweis auf das NAG entbehre sich jeder logischen Grundlage. Die Bezugsperson müsse hierzu auf den Daueraufenthalt-EU umsteigen, für welche wiederrum die Voraussetzungen des § 11 NAG zu erfüllen, wozu die Bezugsperson nicht in der Lage sei. Auch sei das Kinderwohl zu berücksichtigen. Betreffend das Vorliegen einer gültigen Ehe wurde, unter Verweis auf die afghanische Gesetzeslage, ausgeführt, dass eine Ehe, die nach den Bestimmungen der Scharia gültig geschlossen worden sei, wohl in Afghanistan auch rechtliche Gültigkeit entfalten müsse.
5. Nachdem die Stellungnahme dem BFA übermittelt wurde, teilte dieses am 08.11.2019 mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG sei nicht erfüllt worden. Die Ehe zwischen der Bezugsperson und der BF1 habe zudem nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden. Auch ergebe sich aus der durchgeführten Zeugeneinvernahme der Bezugsperson vom 28.10.2019 und den vorgelegten Unterlagen, dass diese noch immer über kein Einkommen verfüge und liege auch keine durch deren Behinderung mittelbare Diskriminierung vor. Die Bezugsperson habe während der Einvernahme angegeben, nach dem Zuzug der BF ein Schneidergeschäft eröffnen zu wollen. Dies signalisiere die Bereitschaft, eine Erwerbstätigkeit ausüben zu können. Auch sei der Antrag der Bezugsperson auf Ausstellung eines Behindertenausweises abgelehnt worden und bestehe kein besonderes Verhältnis zu den BF. Die Niederschrift der Einvernahme der Bezugsperson vom 28.10.2019 war dem Schreiben des BFA angeschlossen.
6. Mit Bescheiden vom 11.11.2019 wies die ÖB Islamabad die Anträge auf Erteilung von Einreisetitel gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab. Das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass durch die Stellungnahme der BF das Familienverhältnis nicht nachgewiesen habe werden können und dass es an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festhalte.
7. In den gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden vom 09.12.2019 wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen der Stellungnahme vom 03.09.2019 verwiesen. Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 25.06.2019, Ra 2018/19/0568, gehe hervor, dass der Verweis des BFA auf die Möglichkeit eines Verfahrens nach dem NAG hinfällig sei. Das BFA habe sich mit der Stellungnahme der BF nicht auseinander gesetzt. Auch die vorgelegten medizinischen Berichte betreffend die Bezugsperson seien in der Beweiswürdigung nicht erkennbar berücksichtigt worden. Dies stelle eine Verletzung des Parteiengehörs beziehungsweise einen Begründungsmangel dar, der ein willkürliches Verhalten der Behörde darstelle und den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste.
8. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 29.01.2020, Zl. Islambad-ÖB/KONS/0226/2019, eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurden. Begründend führte die ÖB Islamabad aus, es sei ständige Rechtsprechung des VwGH, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei. Die Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde.
Wie das BFA zutreffend ausführe, ergebe sich aufgrund der vorgelegten Einkommensnachweise der Bezugsperson, dass die Voraussetzung gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht erfüllt sei. Dies werde in der Beschwerde auch nicht bestritten. Betreffend § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG wurde auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen, wonach es den Behörden eines Mitgliedstaates erlaubt sei, die Ablehnung eines Antrages auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich sei, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen müsse, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaates den Lebensunterhalt zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Antragstellung weiterhin vorhanden sein würden und dabei dieser Prognose die Einkünfte während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen seien. Im vorliegenden Fall sei kein Beleg über die vorgebrachte Arbeitsunfähigkeit der Bezugsperson vorgelegt worden. Auch sei der Bezugsperson die Ausstellung eines Behindertenausweises verweigert worden. Die Regelung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG diene nicht dazu, eine fehlende Bereitschaft den eigenen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen zu decken, zu substituieren. Dass eine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens dringend gebotene Ausnahmesituation vorliege, sei nicht zu sehen. Auch schreibe Art. 8 EMRK nicht vor, dass in allen Fällen einer Familienzusammenführung jedenfalls der Status der Bezugsperson zu gewähren wäre. Auf die Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach § 46 NAG wurde verwiesen.
9. Mit Schreiben vom 11.02.2019 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Zur Begründung wurde dabei auf die Stellungnahme vom 03.09.2019 sowie die Beschwerde vom 09.12.2019 verwiesen.
10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.03.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 26.03.2020, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2020, ZIen. W175 2229913-1/2E, W175 2229915-1/2E, W175 2229917-1/2E, W175 2229916-1/2E und W175 2229910-1/2E, wurden die Beschwerden der BF als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH für den österreichischen Rechtsverkehr, der das Vorliegen einer Zivilehe verlange, entgegen der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA eine nachfolgende staatliche Registrierung einer zuvor traditionell-muslimisch geschlossenen Ehe als rückwirkend gültig – und die Rückwirkung nicht dem ordre public widersprechend – anzusehen sei. Ebenso wenig liege entgegen dem Einwand des BFA eine rechtsungültige „Stellvertreterehe“ vor. Die Ehe zwischen der Bezugsperson und der BF1 bestehe daher bereits seit 06.05.2002, somit bereits vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich. Die Bezugsperson sei grundsätzlich arbeitsfähig und arbeitswillig, jedoch nicht erwerbstätig und beziehe Mindestsicherung. Es sei daher der Nachweis der erforderlichen Mittel iSd § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht erbracht und daher die Erteilungsvoraussetzung nach § 35 Abs. 2 AsylG 2005 nicht erfüllt worden.
Der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 gelange nicht zur Anwendung. Im Allgemeinen gewähre Art. 8 EMRK weder ein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land noch ein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lasse den „Mitgliedstaaten“ der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen weiten Ermessensspielraum. Nach näher genannter Rechtsprechung des EGMR könne die Verweigerung eines Visums, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle diene, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach näher genannter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) und des VwGH komme der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.
Konkret würde in Folge der Nichterfüllung der Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 die Einreise und der Aufenthalt der BF, einer insgesamt sechsköpfigen Familie, zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft von nicht nur kurzer Dauer führen. Eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften und der Vermeidung finanzieller Belastungen der Gebietskörperschaften einerseits und des persönlichen Interesses der BF an der Fortsetzung des Familienlebens in Österreich andererseits falle daher zu Lasten der BF aus. Besondere Umstände, weshalb das Recht auf Familienleben konkret schwerer wiege als das öffentliche Interesse, seien nicht dargetan worden.
Die Voraussetzung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 sei nicht immer schon allein dann erfüllt, wenn überhaupt der Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK eröffnet sei, zumal das Bestehen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK im Regelfall Voraussetzung für die Familienangehörigeneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 sei. Nur in seltenen Ausnahmefällen sei eine Visumerteilung nach § 35 AsylG 2005 auch dann geboten, wenn zwar eine Familienangehörigeneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005, aber kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK bestehe. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er die Erfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nur in diesen seltenen Fällen als Voraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels vorsehen habe wollen.
Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibe auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren sei. Vielmehr werde im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen und zwar nach dem NAG als in Österreich für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige gesetzlich vorgesehener Weg in Betracht kommen, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Nur in besonders gelagerten Fällen sei auf § 35 Abs. 4 Z 3 letzter Halbsatz AsylG 2005 zurückzugreifen, wenn die Erteilungsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht vorlägen, aber „im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2“ - also zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 - die Stattgebung des Antrages gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten sei. Nur dann, wenn (ausnahmsweise) eine Familienzusammenführung insbesondere nach § 46 NAG nicht hinreiche, sondern für den Familienangehörigen Art. 8 EMRK einen asylrechtlichen Schutzstatus nach §§ 34 und 35 AsylG 2005 gebiete, komme § 35 Abs. 4 Z 3 letzter Halbsatz AsylG 2005 zum Tragen.
Eine solche Ausnahmesituation liege konkret auch nicht nach dem Prinzip des Kindeswohls vor. Es könne aus keiner Bestimmung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern (BVG Kinderrechte) ein Recht des Kindes auf Erteilung eines Einreisetitels abgeleitet werden. Das „Kindeswohlvorrangigkeitsprinzip“ (Art. 1) als Orientierungsmaßstab für die Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung sowie auch für Leistungen staatlicher und privater Einrichtungen stehe damit jedenfalls unter Gesetzesvorbehalt. Aus dem Gebot, bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Wohl des Kindes ausreichend Rechnung zu tragen, sei noch nicht der Schluss zulässig, der Grundsatz, wonach die EMRK „Ausländern“ kein Recht auf Einreise verbürge, sei im Hinblick auf das Kindeswohl durchbrochen. Das Kindeswohl im Zusammenhalt mit Art. 8 EMRK verbürge kein Recht auf Einreise.
Selbst wenn man vom Bestehen eines aufrechten Familienlebens zwischen den BF und der Bezugsperson ausgehe, könne die familiäre Situation als nicht so außergewöhnlich angesehen werden, dass (ausnahmsweise) eine Familienzusammenführung im Grunde von insbesondere § 46 NAG nicht hinreiche, sondern für die BF ein asylrechtlicher Schutzstatus nach §§ 34 und 35 AsylG 2005 geboten sei.
Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 21. April 2016, C-558/14-Khachab, lasse erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen dürfe.
Da der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 nicht zur Anwendung komme und die Erteilungsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht erfüllt seien, seien die Anträge zu Recht abgewiesen worden.
12. Mit Beschluss des VwGH vom 04.09.2020, Ra 2020/01/0284 bis 0288-4, wurde den BF Verfahrenshilfe bewilligt.
13. Die BF erhoben gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes außerordentliche Revision an den VwGH. Sie führten aus, dass bei der Abweisung eines Einreiseantrages gemäß § 35 AsylG auch eine Abwägung hinsichtlich einer allfälligen Verletzung des Art. 8 EMRK zu erfolgen haben. Das Bundesverwaltungsgericht habe keine Abwägung iSd § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG vorgenommen. Im gegenständlichen Verfahren hätte sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Abwägung bezüglich Art. 8 EMRK insbesondere mit der nachgewiesenen körperlichen Beeinträchtigung der Bezugsperson auseinandersetzen müssen. Da diese aufgrund der Amputationen an Händen und Füßen bei der Arbeitssuche dauerhaft eingeschränkt sei, sei auch zukünftig nicht zu erwarten, dass sie ein Einkommen in der Höhe des ASVG-Richtsatzes für ein Ehepaar mit vier Kindern erzielen könne. Somit wären die BF durch die Abweisung ihrer Einreiseanträge dauerhaft an der Fortführung ihres gemeinsamen Familienlebens gehindert, was als besonders erschwerender Umstand zu berücksichtigen gewesen wäre. Es sei zu beachten, ob eine Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreich möglich sei und ob auf Grund einer aus Asylgründen bedingten Trennung der Familie der Eingriff in das Familienleben als unzulässig zu werten wäre. Überdies sei eine Subsidiarität der Bestimmungen des § 35 AsylG 2005 zu den Vorschriften des NAG nicht gegeben. In den Fällen, in denen § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gelte, komme nur eine Titelerteilung nach § 35 AsylG 2005 und nicht nach dem NAG in Betracht. Das Bundesverwaltungsgericht habe gesamt gesehen die persönlichen Verhältnisse völlig außer Acht gelassen, insbesondere auch den Umstand der Anzahl der minderjährigen Kinder, deren Bindung zur Bezugsperson und die dringende Notwendigkeit der Familienzusammenführung. Betreffend den gesundheitlichen Zustand der Bezugsperson wurde ausgeführt, dass durch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes die Bezugsperson und die BF infolge der Behinderung der Bezugsperson dauerhaft an einem adäquaten Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gehindert seien, und würde dies eine Diskriminierung bedeuten, nämlich dass letztlich Menschen mit Behinderung aufgrund ihrer medizinischen Konstitution und ihres mangelnden Leistungskalkül nicht dazu in der Lage seien, ihre Familie nachzuholen, da sie niemals ein ausreichendes Einkommen erzielen werden könnten. Auch hätte das Kindeswohl berücksichtigt werden müssen.
14. Mit Erkenntnis des VwGH vom 31.05.2021, Ra 2020/01/0284 bis 0288-16, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2020 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Betreffend die nachträgliche Registrierung der Ehe der BF1 und der Bezugsperson wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH der bloße Umstand der rückwirkenden Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung im ausländischen Recht nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung verstoße und eine rückwirkende Sanierung einer traditionell erfolgten Eheschließung durch die nachfolgende Registrierung (in Abwesenheit eines Ehepartners) grundsätzlich möglich sei, wenn eine solche vom anwendbaren Zivilrecht vorgesehen sei. Demnach setze die rückwirkende Geltung der traditionellen Eheschließung zwischen der BF1 und der Bezugsperson auf den Tag der Hochzeit am 06.05.2002 voraus, dass nach afghanischem Recht eine zu einem früheren Zeitpunkt rituell geschlossene Ehe rückwirkend durch staatliche Registrierung anerkannt werde. Vorliegend habe das Bundesverwaltungsgericht eine rückwirkende Geltung der traditionellen Eheschließung und somit das Bestehen der Ehe der BF1 mit ihrem Ehegatten als Bezugsperson vor dessen Einreise in Österreich angenommen, ohne - wie rechtlich geboten - dazu erforderliche Feststellungen zum afghanischen Recht zu treffen. Das Bundesverwaltungsgericht habe insoweit das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Betreffend die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach dem NAG führte der VwGH aus, dass § 46 NAG keine Bestimmung über die Familienzusammenführung für Familienangehörige von subsidiär schutzberechtigten Bezugspersonen enthalte. Der Gesetzgeber wolle auch die Familienzusammenführung für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten nicht im Rahmen des NAG, sondern über das AsylG 2005 regeln. Entgegen der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts sei demnach eine Familienzusammenführung nach § 35 Abs. 2 AsylG 2005 nicht subsidiär zu einer Familienzusammenführung nach § 46 NAG. Es komme daher nicht - wie es das Bundesverwaltungsgericht vermeine - darauf an, ob bei Bestehen eines aufrechten Familienlebens zwischen den Antragstellern und ihrer Bezugsperson „die familiäre Situation so außergewöhnlich“ sei, „dass (ausnahmsweise) eine Familienzusammenführung im Grunde von (insb.) § 46 NAG nicht hinreichen würde“. Es seien daher keine Erwägungen betreffend die Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach dem NAG anzustellen.
Zur Interessenabwägung nach § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG iVm Art. 8 EMRK wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH bei der Beurteilung, ob ein Eingriff nach Art. 8 ERMK zulässig sei, unter anderem zu beachten sei, ob eine Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreichs möglich sei und ob eine aus Asylgründen bedingte Trennung der Familie den Eingriff in das Familienleben als unzulässig werten lassen könnte. Komme im Entscheidungszeitpunkt eine Fortsetzung des Familienlebens im gemeinsamen Herkunftsstaat - wie vorliegend in Bezug auf eine subsidiär schutzberechtigte Bezugsperson - und auch sonst außerhalb Österreichs nicht in Betracht, sei der mit der Verweigerung des Einreisetitels verbundene Eingriff in das Familienleben zwar nicht jedenfalls unzulässig, es müsse aber dem öffentlichen Interesse an der Vornahme dieser Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen sein, wie etwa bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung oder den „Familiennachzug“. Für den Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter nach § 35 Abs. 2 AsylG 2005 sei zu beachten, dass dieser (im Rahmen der nach dem Gesetz vorzunehmenden Gesamtabwägung) unter anderem voraussetze, dass eine aus den Gründen, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz an die Bezugsperson geführt haben, bedingte Trennung der Familie vorliege, der Nachzug das einzige Mittel darstelle, um das Familienleben wiederaufzunehmen und das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens nie in Frage gestanden habe. Nur dann liege ein besonders gelagerter Fall iSd § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 vor, in dem „die Stattgebung des Antrages gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten“ sei. Im Rahmen dieser Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG sei das „Kindeswohl“ zu berücksichtigen. Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führe jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK, solange nicht jegliche Bindung gelöst sei. Demnach setze eine gesamtheitliche Abwägung der im Sinne von Art. 8 EMRK maßgeblichen Interessen im Rahmen der Beurteilung der Erteilungsvoraussetzung nach § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 hinreichende Feststellungen zum Familienleben der subsidiär schutzberechtigten Bezugsperson und seinen die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 2 AsylG 2005 beantragenden Familienangehörigen nach Abs. 5 leg. cit. vor deren Trennung, zu den Gründen der Trennung sowie zum Kontakt zwischen Antragsteller und Bezugsperson nach der Trennung voraus. Das Bundesverwaltungsgericht habe im gegenständlichen Fall die vorliegend nach § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 vorzunehmende Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK auf Grund der Berücksichtigung der für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht kommenden Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach dem NAG in unvertretbarer Weise vorgenommen. Das Bundesverwaltungsgericht habe daher das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Darüber hinaus würden für eine hinreichende Beurteilung, ob die Stattgebung des Antrages gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten sei, nach dem Obgesagten Feststellungen zum Familienleben der Bezugsperson mit den BF vor deren Trennung, zu den Gründen der Trennung und dem tatsächlichen Bestehen eines Familienlebens durch Kontakte nach der Trennung fehlen. Dabei wäre fallbezogen auch zu prüfen, ob die Trennung der Familie aus den Gründen erfolgt ist, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz an die Bezugsperson geführt habe, und nicht aus anderen (etwa wirtschaftlichen) Gründen die Entscheidung getroffen wurde, dass zunächst die Bezugsperson als „Ankerperson“ nach Europa reist.
Überdies führte der VwGH aus, dass entgegen dem Vorbringen in der Revision die Gründe für die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG – im gegenständlichen Fall die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Bezugsperson – für die Beurteilung, ob gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 letzter Halbsatz AsylG 2005 die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 2 AsylG 2005 gemäß § 9 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten sei, nicht wesentlich seien und daher im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK nicht zu berücksichtigen seien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Behebung der Bescheide und Zurückverweisung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit
§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
Beschwerdevorentscheidung
§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Vorlageantrag
§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
Anzuwendendes Recht
§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 9 Abs. 3 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden.
Erkenntnisse
§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
[…]“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
(9) Für die Entscheidungenüber die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§2 Abs. 4 Z13a) ist Art 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005:
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG) lauten:
„Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
§ 60
[…]
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1.der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2.der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3.der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
[…]
Übergangsbestimmungen
§ 75
[…]
(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetitel wurden am 21.01.2019, und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).
Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.
Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.
Der VfGH hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: „Verwaltungsverfahren Band I2“, E 84 zu § 39 AVG).
Im vorliegenden Fall erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Die BF1 gab an, die Ehefrau der in Österreich schutzberechtigten Bezugsperson zu sein.
Das BFA ist im Verfahren davon ausgegangen, dass die am 06.05.2002 traditionell geschlossenen Ehe der BF1 und der Bezugsperson am 04.02.2018 durch den Obersten Gerichtshof der Provinz Nangarhar bestätigt bzw. registriert worden sei. Die Ehe hätte erst mit deren Registrierung Gültigkeit erlangt, zu einem Zeitpunkt, als die Bezugsperson bereits in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und sei die BF1 demnach keine Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 iVm § 35 leg. cit. Darüber hinaus sei die Registrierung der Eheschließung in Abwesenheit der Bezugsperson, dem vermeintlichen Ehemann, erfolgt, weshalb es sich um eine „Ferntrauung“ handle, die mit den österreichischen Grundwerten unvereinbar sei.
Das BFA zweifelte die Echtheit der vorgelegten Heiratsurkunde gegenständlich nicht explizit an. Da die Angaben der BF1 und der Bezugsperson im Wesentlichen übereinstimmen (siehe Ausführungen untern), liegt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes insgesamt kein plausibler Grund vor, an der traditionell-muslimischen Eheschließung im Jahr 2002 zu zweifeln.
Die Behörde hat die Fragestellung ausgeblendet, ob - wie aus der vorgelegten Ehebescheinigung des Obersten Gerichtshofes der Provinz Nangarhar vom 02.04.2018 hervorgeht - die Ehe nicht bereits am 06.05.2002 in traditionell-religiöser Form geschlossen worden und ob es zu diesem Zeitpunkt zu einer Verletzung des ordre public gekommen ist. Relevant ist diesbezüglich auch, ob und wann nach den Formvorschriften des Ortes der Eheschließung eine nachfolgende Registrierung korrekt erfolgt ist und ob durch eine allfällige spätere gerichtliche Bestätigung der Ehe und deren Eintragung in das Personenstandsregister die behauptete traditionelle Eheschließung rückwirkend Gültigkeit erlangt hat. Die Entscheidung der Behörde lässt demnach fundierte Feststellungen über die afghanische Eherechtslage vermissen.
Was die Frage der Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung von Drittstaatsangehörigen im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (z.B. VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633). Im Zusammenhang mit der Frage der Gültigkeit einer Eheschließung von (dort:) somalischen Staatsangehörigen in deren Herkunftsstaat hat der VwGH im zitierten Erkenntnis vom 27.06.2017 Folgendes näher ausgeführt:
"Gemäß § 3 Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 idF