Index
95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;Norm
IngG 1990 §4 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des E in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. November 1994, Zl. 91.508/3543-III/7/94, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. November 1994 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 des Ingenieurgesetzes 1990, BGBl. Nr. 461, nicht statt. Zur Begründung führte der Bundesminister - nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage - im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 24. Juni 1994 an der Höheren Lehranstalt für Berufstätige-Bautechnik-Hochbau die Reifeprüfung abgelegt. Nach den vorliegenden Unterlagen sei der Beschwerdeführer seit Jänner 1975 an der HTL II I und danach seit 1983 als Bundesbeamter (mittlerer Dienst) in der Direktion der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt I tätig gewesen. Neben der Tätigkeit an der genannten Anstalt habe der Beschwerdeführer seit September 1989 freiberuflich für Architekt Professor Mag. arch. H. gearbeitet. Hinsichtlich dieser freiberuflichen Tätigkeit habe der Beschwerdeführer nur die Veranlagung zur Einkommensteuer aber keine Gewerbeberechtigung nachgewiesen. Eine Anrechnung dieser Tätigkeit (als Berufspraxis nach dem Ingenieurgesetz 1990) könne daher nicht erfolgen. Für die Ausübung der dem mittleren Dienst entsprechenden Arbeiten an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt I seien keine höheren Fachkenntnisse im Sinne des Ingenieurgesetzes 1990 erforderlich. Für die Einstufung in die Verwendungsgruppe D sei die erfolgreiche Ablegung einer Reifeprüfung an einer höheren Schule nicht vorgeschrieben. Gemäß § 2 der Verordnung zur Durchführung des Ingenieurgesetzes 1990 könne nur eine Berufspraxis angerechnet werden, wenn sie "in überwiegenden Maße" höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes, auf welchem die Reifeprüfung abgelegt wurde, voraussetze. Im vorliegenden Fall würde das bedeuten, daß der Beschwerdeführer bereits während der ersten Jahrgänge der HTL-Ausbildung über höhere HTL-Fachkenntnisse verfügt hätte, die andere Personen erst durch die fünfjährige Ausbildung an der Höheren Technischen Lehranstalt erwerben. Da es der Lebenserfahrung widerspreche, daß eine Person ohne entsprechende schulische Ausbildung oder eine sehr lange qualifizierte Berufsausbildung mit theoretischer Weiterbildung, Tätigkeiten verrichten kann, für die höhere Fachkenntnisse der fünfjährigen HTL-Ausbildung vorgeschrieben sind, müsse der Nachweis der dreijährigen Mindestpraxis als nicht erbracht angesehen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Jänner 1995, B 2703/94-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, das Gesetz determiniere nicht, ob die Praxis selbständig oder unselbständig bzw. ob sie vor oder nach Ablegung der Reifeprüfung zu erfolgen habe. Die belangte Behörde habe aus unerfindlichen Gründen aufgrund von Anträgen seiner Kollegen, die gleichzeitig mit ihm die Reifeprüfung abgelegt hätten, positive Bescheide erlassen. Die für Architekt Professor H ausgeübte Tätigkeit sei erlaubt und selbständig gewesen und habe nach der insoweit vorgelegten Bestätigung in überwiegendem Maß höhere Fachkenntnisse vorausgesetzt. Das von der belangten Behörde verlangte Erfordernis der Vorlage einer Gewerbeberechtigung finde keine gesetzliche Deckung. Seine im Architektenbüro ausgeübte freiberufliche Arbeit sei sehr wohl als Berufspraxis im Sinne des § 2 der Durchführungs-Verordnung anzurechnen. Das Ingenieurgesetz 1990 und die genannte Verordnung würden nur auf die "Faktizität der geforderten Tätigkeit" abstellen. Die im Architektenbüro von ihm durchgeführten Arbeiten seien ausdrücklich in § 2 der Durchführungs-Verordnung angeführt. Das Argument der belangten Behörde, daß die Berufspraxis erst nach seiner fünfjährigen Ausbildung möglich sei, gehe ins Leere. Es genüge vielmehr die "Identität des Fachgebietes in Praxis und Reifeprüfung unter Berücksichtigung höherer Fachkenntnisse". Schon vor und auch während seiner Ausbildung in der Abendschule an der Höheren Lehranstalt für Berufstätige-Bautechnik-Hochbau sowie auch danach habe er im Rahmen seiner Tätigkeit im Laufe der Zeit "höhere Fachkenntnisse erworben". Aufgrund seiner "gehobenen Berufspraxis" sei er im September 1989 im Architekturbüro als freier Mitarbeiter aufgenommen worden. Mit Fortschreiten der Ausbildung an der genannten HTL habe sich seine höhere Qualifikation gefestigt und verfeinert. Es sei unzweifelhaft, daß die geforderte dreijährige Berufspraxis in seinem Fall gegeben sei. Die belangte Behörde habe ihn jedoch aus unsachlichen Gründen (im Vergleich zu anderen Verleihungsbewerbern) benachteiligt. Dem angefochtenen Bescheid würden auch "schwere formale Gebrechen anhaften". Die belangte Behörde habe ihm keine Möglichkeit gegeben, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu beziehen. Dadurch sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Die in Betracht zu ziehende Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 (BGBl. Nr. 461/1990 in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden Fassung) lautet:
"(1) Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" ist Personen zu verleihen, die
a) die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und
b) eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde;"
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0163, vom 22. November 1994, Zl. 94/04/0210, und vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0246) dargelegt hat, kann als Praxis, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt, nur jene praktische Betätigung berücksichtigt werden, die der Bewerber um die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" in einem Zeitraum absolvierte, in welchem er bereits über diese höheren Fachkenntnisse verfügte. Auch kann es, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang ergibt, keinem Zweifel unterliegen, daß als höhere Fachkenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 nur solche Kenntnisse verstanden werden können, über die Absolventen der in lit. a dieser Gesetzesstelle genannten Lehranstalten regelmäßig verfügen.
Der Beschwerdeführer hat sich im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren darauf gestützt, daß er am 24. Juni 1994 die Reifeprüfung erfolgreich abgelegt hat. Daß er schon vor diesem Zeitpunkt höhere Fachkenntnisse erworben hätte, die Absolventen der in lit. a des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 genannten Lehranstalten regelmäßig verfügen, hat er jedoch weder behauptet noch versucht nachzuweisen. Auch in der Beschwerde (Ergänzungsschriftsatz) wird in dieser Hinsicht lediglich vorgebracht, daß der Beschwerdeführer seine höheren Fachkenntnisse "schon vor und dann auch während meiner Ausbildung in der Abendschulde an der HTL sowie auch danach im Laufe der Zeit" erworben habe, bzw. daß sich "mit Fortschreiten der Ausbildung an der HTL" seine Qualifikation festigte und verfeinerte. Solcherart hat der Beschwerdeführer aber nicht (nachvollziehbar) dargelegt, auf welchem anderen Ausbildungsweg als dem seiner HTL-Ausbildung er die in Rede stehenden höheren Fachkenntnisse erworben habe, bzw. welche Umstände es ihm schon vor Ablegung seiner Reifeprüfung ermöglicht haben sollen, über Kenntnisse zu verfügen, die Absolventen einer im § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg. cit. genannten Lehranstalt regelmäßig erst mit Ablegung der Reifeprüfung aufweisen.
In diesem Zusammenhang übersieht der Beschwerdeführer des weiteren die Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. b Ingenieurgesetz 1990, wonach er seinem Antrag Nachweise über seine Ausbildung und über seine Berufspraxis anzuschließen hatte (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1996, Zl. 94/04/0227, und vom 10. Dezember 1996, Zl. 96/04/0204). Wenn die belangte Behörde die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigungen von Architekt Professor H (ausgestellt am 13. September 1994) und von Hofrat Dipl.-Ing. M (ausgestellt am 7. Oktober 1994) nach ihrem Inhalt nur als Nachweise über die Berufspraxis und nicht als Nachweise über die Ausbildung des Beschwerdeführers beurteilte, kann diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig erachtet werden. Andere Nachweise über die Ausbildung als sein Reifeprüfungszeugnis vom 24. Juni 1994 hat der Beschwerdeführer aber nicht vorgelegt.
Ausgehend von dieser Sachlage, wonach höhere Fachkenntnisse vom Beschwerdeführer somit erst ab dem 24. Juni 1994 nachgewiesen wurden, vermag es der Verwaltungsgerichtshof daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die bis zur erfolgreichen Ablegung seiner Reifeprüfung ausgeübte Tätigkeit nicht als solche im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 anerkannte. Damit mangelt es aber den nach den Behauptungen in der Beschwerde der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensverstößen schon aus den dargelegten Gründen an der erforderlichen Relevanz, da die belangte Behörde auch bei deren Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
Schließlich bildet es - auch im Lichte des Gleichheitsgebotes - keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, daß die belangte Behörde, wie der Beschwerdeführer meint, in angeblich vergleichbaren anderen Fällen (möglicherweise rechtswidrig) die in Rede stehende Berechtigung verliehen hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0246).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war
daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995040025.X00Im RIS seit
20.11.2000