Entscheidungsdatum
14.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W104 2130233-2/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Julia KOLDA, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , Außenstelle XXXX , vom 31.7.2019, Zl. 1030247608-190423680, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.6.2021 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI., VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 26.4.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von zwei Jahren erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 29.8.2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.5.2016, Zl. 1030247608-14924525, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Jedoch wurde ihm gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG bis zum 25.5.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde stellte in ihrem Bescheid vom 25.5.2016 fest, der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und hänge der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er habe keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft machen können. Allerdings bedeute die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan im Entscheidungszeitpunkt eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Eine Rückkehr könne für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers stehe in keinem Zusammenhang mit einem Konventionsgrund. Aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass er unbegleitet und minderjährig sei, und des fehlenden familiären Rückhalts in Afghanistan sowie der allgemein angespannten Lage in Afghanistan sei jedoch absehbar, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder menschenunwürdigen Behandlung gleichzusetzenden Lage ausgesetzt sein könne. Der Beschwerdeführer sei, seit er Afghanistan im Alter von einem Jahr verlassen habe, nicht mehr in seinem Herkunftsstaat gewesen; seine Eltern seien bereits verstorben. Er verfüge in Afghanistan über keinerlei Bezugspunkte und habe dort weder familiäre Anknüpfungspunkte, noch ein Vermögen oder eine sonstige Existenzgrundlage. Eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz komme mangels eines familiären Anschlusses nicht in Betracht. Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe im Fall des Beschwerdeführers nicht, da er auch in anderen Teilen Afghanistans aufgrund des fehlenden familiären bzw. sozialen Netzwerkes auf sich alleine gestellt wäre und ohne Wohnraum und ausreichende Kenntnisse über infrastrukturelle Gegebenheiten sowie ohne eine ausreichend sichere Existenzgrundlage in eine aussichtslose Situation geraten werde.
In der rechtlichen Beurteilung dieses Bescheides begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer wie folgt:
„[…] In Ihrem konkreten Einzelfall geht die Behörde von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus. Es ist daher davon auszugehen, dass Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in Ihr Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen könnte. Angeführt wird dazu auch, dass – wie Ihren niederschriftlichen Angaben sowie den im Akt befindlichen Auszügen zu entnehmen ist – kein Aberkennungsgrund vorliegt.“
Mit Bescheid vom 9.6.2016, Zl. 1030247608-14924525, wurde dieser Bescheid von der belangten Behörde aufgrund eines Schreibfehlers beim Geburtsdatum des Beschwerdeführers berichtigt.
3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 25.5.2016, Zl. 1030247608-14924525, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.11.2016, W202 2130233-1/4E, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.5.2016, Zl. 1030247608-14924525, ist daher rechtskräftig.
4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.8.2016 (rechtskräftig seit 22.8.2016) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 142 Hv 46/16z wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a und Abs. 3 SMG in Anwendung von § 5 Z 4 JGG nach § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen wurde.
5. Mit Schreiben vom 23.3.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005. In einem legte der Beschwerdeführer eine Schulnachricht der Öffentlichen Polytechnischen Schule XXXX vom 3.2.2017 vor und führte aus, er besuche derzeit an dieser Schule einen Nachqualifizierungslehrgang und werde diesen im Sommer 2017 mit dem Hauptschulabschluss abschließen. Derzeit habe er mehrere aussichtsreiche Bewerbungsverfahren und werde im September 2017 eine Lehrstelle antreten. In Österreich habe er seit zwei Jahren eine Patin, mit der er täglich in Kontakt sei, während er in seinem Herkunftsland keine Familienangehörigen mehr habe. Es sei zu erwarten, dass sich die Situation in seinem Herkunftsland in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern werde.
6. Das Landesgericht XXXX verhängte über den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 27.7.2017, Zl. 318 HR 249/17h, Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO. Begründend führte es aus, der Beschwerdeführer sei dringend verdächtig, die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 SMG begangen zu haben. Es liege Tatbegehungsgefahr vor, weil der vermögenslose Beschwerdeführer einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung mit nicht bloß leichten Folgen verdächtig sei und sein Strafregister bereits eine einschlägige Vorstrafe aufweise. Die Verhängung der Untersuchungshaft stehe zur Bedeutung der Sache sowie der zu erwartenden Strafe in Anbetracht der Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe und der Vorstrafenbelastung nicht außer Verhältnis. Taugliche gelindere Mittel stünden (derzeit) nicht zur Verfügung.
7. Die Staatsanwaltschaft XXXX teilte dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 31.7.2017 mit, dass gegen den Beschwerdeführer Anklage beim Landesgericht XXXX wegen §§ 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3, 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG erhoben worden sei. Der Beschwerdeführer befinde sich derzeit in Untersuchungshaft in der Justizanstalt XXXX .
8. Am 25.8.2017 langte der Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 21.8.2017, Zl. 152 HV 67/17p, bei der belangten Behörde ein. Mit diesem Beschluss stellte das Landesgericht XXXX das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 2a SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, § 27 Abs. 2 SMG zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 50 Stunden binnen sechs Monaten vorläufig ein. Dies begründete das Landesgericht XXXX damit, dass der Sachverhalt durch das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere durch die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers zu § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG, hinreichend geklärt sei. Vom Vorwurf nach § 27 Abs. 2a SMG sei der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom 21.8.2017 rechtskräftig freigesprochen worden. Aufgrund der glaubhaften Bemühungen des Beschwerdeführers um Integration in Österreich sowie des persönlichen Eindrucks des Gerichts in der Hauptverhandlung vom 21.8.2017 erscheine eine Bestrafung des Beschwerdeführers nicht erforderlich, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Schuld des Beschwerdeführers sei auch nicht als schwer anzusehen. Die Staatsanwaltschaft XXXX habe sich nicht gegen ein diversionelles Vorgehen ausgesprochen. Da im konkreten Fall die Erbringung gemeinnütziger Leistungen für den Beschwerdeführer spürbarer und der weiteren Integration in Österreich förderlicher sei als eine bloße Probezeit, sei aus spezialpräventiven Gründen dieser Diversionsform der Vorrang zu geben gewesen.
9. Mit Bescheid vom 15.9.2017, Zl. 1030247608-14924525, gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 23.3.2017 statt und erteilte dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 25.5.2019.
10. Am 31.1.2018 langte eine Meldung der Landespolizeidirektion XXXX , bei der belangten Behörde ein, wonach der Beschwerdeführer das Bundesgebiet am 16.12.2017 verlassen habe und über Dubai nach Pakistan geflogen sei, um seine Schwestern zu besuchen. Seit 29.1.2018 befinde er sich wieder in Österreich.
11. Die Landespolizeidirektion XXXX verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Meldung vom 5.2.2019 von einer Amtshandlung gegen den Beschwerdeführer, nämlich einer Anzeige wegen des Verdachts nach § 83 StGB am 5.2.2019.
12. Mit Meldung vom 17.4.2019 verständigte die Landespolizeidirektion XXXX die belangte Behörde von einer neuerlichen Amtshandlung gegen den Beschwerdeführer, nämlich einer Anzeige wegen des Verdachts nach § 83 StGB am 17.4.2019.
13. Mit Schreiben vom 26.4.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Begründend führte er aus, die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nach wie vor vorliegen. In einem legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor und führte aus, er sei seit August 2018 in der Lehrausbildung zum Platten- und Fliesenleger bei der XXXX . Er werde in Österreich seit vier Jahren von einer Patin betreut und sei in ihre Familie integriert. In seinem Herkunftsland habe er hingegen keine Familienangehörigen mehr.
14. Die Staatsanwaltschaft verständigte das Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.4.2019 von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB.
15. Mit Meldung vom 9.6.2019 verständigte die Landespolizeidirektion XXXX die belangte Behörde von einer neuerlichen Amtshandlung gegen den Beschwerdeführer, nämlich einer Anzeige wegen des Verdachts nach § 27 Abs. 1 SMG.
16. Am 23.6.2019 langte eine weitere Meldung der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.6.2019 bei der belangten Behörde ein, mit welcher diese von einer Amtshandlung gegen den Beschwerdeführer, nämlich einer Anzeige wegen des Verdachts nach § 83 StGB am 16.6.2019, verständigt wurde.
17. Mit Meldung vom 28.6.2019 informierte die Landespolizeidirektion XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über eine Straftat des Beschwerdeführers, wonach der Beschwerdeführer bei einem Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG auf frischer Tat betreten worden sei.
18. Der Beschwerdeführer wurde am 3.7.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich im Beisein einer Vertrauensperson und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari einvernommen. Nach seinem Gesundheitszustand gefragt, gab er eingangs an, es gehe ihm psychisch nicht gut. Er sei beim Arzt gewesen und nehme Medikamente, könne jedoch nicht sagen, um welche Medikamente es sich handle. Zu seinem Lebenslauf gab der Beschwerdeführer hier an, er sei in Afghanistan nie in der Schule gewesen und habe nur sein erstes Lebensjahr in Afghanistan gelebt. Anschließend hätten ihn seine Eltern nach Pakistan gebracht. Zu seinen familiären Verhältnissen führte er aus, seine Eltern seien bereits verstorben. Seine Geschwister seien nach wie vor in Pakistan aufhältig. Er stehe in regelmäßigem Kontakt mit seinen Geschwistern und habe sie einmal in Pakistan besucht. In Afghanistan habe er niemanden. Befragt nach seinem Leben in Österreich, schilderte der Beschwerdeführer, er habe in Österreich die Hauptschule besucht, sei Lehrling im ersten Lehrjahr im Lehrberuf Fliesenleger und gehe in die Berufsschule. Weiter habe er Deutschkurse bis Niveau B1 und einen Vorbereitungskurs für die Schule besucht. Er habe keine Angehörigen in Österreich. Gefragt, wie er seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreite, gab der Beschwerdeführer an, er verdiene rund 800 €. Weiter erhalte er Kinder- und Lehrlingsbeihilfe. In seiner Freizeit treffe sich der Beschwerdeführer oft mit seinen Freunden. Er habe in Österreich auch seit zwei Monaten eine Freundin, mit der er jedoch nicht zusammenlebe. Zu seinen Zukunftsplänen gab der Beschwerdeführer an, er wolle seine Ausbildung fertig machen und anschließend auf einer Baustelle arbeiten und sich selbständig machen. Auf Nachfrage, welche Befürchtungen er für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan habe, führte der Beschwerdeführer aus, er könne nichts dazu sagen, was im Fall seiner Rückkehr passieren werde. Er sei jedoch seit fünf Jahren in Österreich, habe früher schlechte Sachen gemacht und Probleme mit der Polizei gehabt. In Österreich habe er jedoch eine Wohnung, Freunde und eine Freundin. In Afghanistan müsse er von vorne anfangen. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme legte der Beschwerdeführer seine Beschuldigtenvernehmung vom 2.7.2019 vor.
19. Die Landespolizeidirektion XXXX verständigte die belangte Behörde mit Meldung vom 11.7.2019 von einer weiteren Amtshandlung gegen den Beschwerdeführer, nämlich einer Anzeige am 28.6.2019 wegen des Verdachts nach § 83 StGB.
20. Am 17.7.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten bei der belangten Behörde ein, in welcher der Beschwerdeführer auch auf die Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 und des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 Bezug nahm und ausführte, er sei bislang lediglich wegen Vergehen verurteilt worden, weshalb eine Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht in Betracht komme. Weiter stelle er keine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar, zumal auch kein besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstoß vorliege. Auch eine Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 scheide daher aus. Weiter legte der Beschwerdeführer einen fachärztlichen Kurzbefund und zwei Empfehlungsschreiben vor.
21. Die belangte Behörde leitete mit Aktenvermerk vom 25.7.2019 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein, da sich im Zuge der Prüfung hinsichtlich der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Gründe für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht mehr vorliegen. Der Beschwerdeführer habe den subsidiären Schutz aufgrund seiner Minderjährigkeit erhalten. Nunmehr sei er jedoch volljährig und bereits straffällig geworden. Aus den Anzeigen sei zudem ersichtlich, dass er immer wieder mit der Landespolizeidirektion in Kontakt gerate. Insgesamt würden die Voraussetzungen für die Zuerkennung infolge geänderter persönlicher Umstände nicht bzw. nicht mehr vorliegen. Es sei von der Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 auszugehen.
22. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.7.2019, zugestellt am 5.8.2019, wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 25.5.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die mit Bescheid vom 15.9.2017, Zl. 1030247608-14924525, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Der Antrag vom 26.4.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde abgewiesen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristeten Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Dem Beschwerdeführer sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich wegen seiner Minderjährigkeit zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei eine gesunde, volljährige Person im arbeitsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer sei nunmehr volljährig und in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu meistern. Er besuche die Berufsschule, gehe einer Beschäftigung (Lehre) nach und habe Zusatzqualifikationen im Bundesgebiet erworben, die ihm bei der Wiedereingliederung äußerst hilfreich sein könnten. Der Beschwerdeführer verfüge über Familienangehörige in Pakistan, welche ihn im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan aus der Ferne finanziell unterstützen könnten. Es sei keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 bzw. Nr. 13 zur Konvention gegeben. Insgesamt seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr gegeben, weshalb dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen sei.
23. Dagegen richtet sich die am 27.8.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Nach einer Zusammenfassung des Sachverhalts und des bisherigen Verfahrensganges führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei rechtswidrig, da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht darlegen könne, dass sich die Lage in Afghanistan oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert hätte und dadurch der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfüllt wäre. Die Sicherheits- und Versorgungslage habe sich insbesondere auch in den afghanischen Großstädten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat verschlechtert. Auch eine maßgebliche Änderung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers liege nicht vor. Insbesondere sei die Schlussfolgerung der belangten Behörde, wonach die minderjährigen Brüder des Beschwerdeführers in der Lage seien, den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell von Pakistan aus zu unterstützen, nicht nachvollziehbar. Auch sei der belangten Behörde vorzuwerfen, trotz Vorlage medizinischer Unterlagen, wonach der Beschwerdeführer unter rezidivierender Depression und einer Impulskontrollstörung leide und Medikamente einnehme, keine hinreichenden Ermittlungen zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und zu konkreten Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan durchgeführt zu haben. Das Erlangen der Volljährigkeit seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründe für sich genommen zudem keine maßgebliche Veränderung der persönlichen Situation, zumal der Beschwerdeführer nach wie vor über kein soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge und auf keine finanzielle Unterstützung durch Familienmitglieder zurückgreifen könne. Der Beschwerdeführer habe zwar in Österreich einen Pflichtschulabschluss absolviert und nun eine Lehre als Fliesenleger begonnen; er habe jedoch nach wie vor keine abgeschlossene Berufsausbildung und keine Erfahrungen am afghanischen Arbeitsmarkt. Zudem verfüge der Beschwerdeführer weder über die nötigen örtlichen noch über die kulturell-gesellschaftlichen Kenntnisse, um sich in den afghanischen Großstädten zurechtfinden und seine Existent aus eigenem sichern zu können. Insgesamt seien die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht gegeben.
24. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. In einem beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.
25. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 4.11.2019 (rechtskräftig seit 4.11.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 161 Hv 98/19s wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 3 erster Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB in Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB und § 19 Abs. 1 JGG nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 16.8.2019, 18.10 Uhr bis 4.11.2019, 11.35 Uhr angerechnet und gemäß §§ 50, 52 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, sich für den unbedingten Strafteil einer gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen. Gemäß § 53 Abs. 1 und 3 StGB iVm. § 494a Abs. 1 Z 2 und Abs. 6 StPO wurde vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.8.2016 zur Zahl 142 Hv 46/16z gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert. Hingegen wurde der Beschwerdeführer von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 28.6.2019 fremde Sachen, nämlich ein Fahrzeug, beschädigt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
26. Am 14.11.2019 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht eine Verständigung der Fremdenbehörden vom Strafantritt des Beschwerdeführers am 4.11.2019 der Justizanstalt XXXX samt einer Verständigung von der (voraussichtlichen) Entlassung des Beschwerdeführers mit 14.2.2020.
27. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte dem erkennenden Gericht mit Schreiben vom 21.11.2019 eine Verständigung des Landesgerichtes XXXX von der rechtkräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers samt Urteil vom 4.11.2019 zur Zahl 161 Hv 98/19s.
28. Am 10.12.2019 langte eine Vollzugsinformation betreffend den Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach dieser am 16.12.2019 gemäß § 46 Abs. 1 StGB mit Bewährungshilfe bedingt aus der Strafhaft entlassen wurde.
29. Mit Schreiben vom 28.2.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass sich der Beschwerdeführer seit 27.2.2020 in Untersuchungshaft befinde.
30. Am 3.3.2020 langte eine Vollmachtbekanntgabe von Mag. Julia KOLDA, Rechtsanwältin, für den Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein.
31. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 4.6.2020 (rechtskräftig seit 4.6.2020) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 43 Hv 21/20a wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, 15 StGB nach § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 26.2.2019 (gemeint: 26.2.2020), 19.00 Uhr bis 4.6.2020, 12.30 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
32. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht am 19.6.2020 eine Verständigung der Fremdenbehörden vom Strafantritt des Beschwerdeführers am 4.6.2020 der Justizanstalt XXXX samt einer Verständigung von der (voraussichtlichen) Entlassung des Beschwerdeführers mit 25.10.2022.
33. Am 21.7.2020 langte eine Verständigung der Fremdenbehörden von der (voraussichtlichen) Entlassung des Beschwerdeführers am 16.7.2020, Entlassungsgrund § 39 SMG (Unterziehung einer gesundheitsbezogenen Maßnahme), Aufschub bis 15.7.2022 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
34. Mit Schreiben vom 22.7.2020 übermittelte die belangte Behörde dem erkennenden Gericht eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 16.7.2020 von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB.
35. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.2.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der erkennenden Gerichtsabteilung zugewiesen.
36. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte das Landesgericht XXXX mit Schreiben vom 16.3.2021 um Übermittlung einer Kopie der Urteile vom 18.8.2016, Zl. 142 Hv 46/16z und vom 4.6.2020, Zl. 34 Hv 21/20a (gemeint: 43 Hv 21/20a).
37. Das Landesgericht XXXX übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 19.3.2021 die gekürzte Urteilsausfertigung vom 18.8.2016 zur Zahl 142 Hv 46/16z und mit Schreiben vom 30.4.2021 die gekürzte Urteilsausfertigung vom 4.6.2020 zur Zahl 43 Hv 21/20a.
38. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 3.5.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 14.6.2021 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.
39. Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 4.5.2021 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der mündlichen Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, und beantragte die Abweisung der Beschwerde sowie die Übersendung des Verhandlungsprotokolls.
40. Der Beschwerdeführer legte mit Schriftsatz vom 11.6.2021 ein Konvolut an Unterlagen betreffend seinen psychischen Gesundheitszustand, den Erfolg seiner Suchttherapie und seine Integration in Österreich vor. In einem beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme seiner Patin, Frau XXXX , als Zeugin betreffend seine Integration in Österreich, seine Erkrankung und seine Fortschritte.
41. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts am 14.6.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari und Frau XXXX als Zeugin teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der mündlichen Verhandlung fern.
Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sehr gut Deutsch zu sprechen und keine Übersetzung zu benötigen. Die Verhandlung wurde daher in deutscher Sprache geführt. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinem Leben in Österreich, seinen strafrechtlichen Verurteilungen und seinen Familienverhältnissen in Afghanistan bzw. in Pakistan befragt.
Der Beschwerdeführer führte aus, dass er regelmäßig Medikamente nehme und sich in medizinischer Behandlung befinde. Er sei jedoch in der Lage, der Verhandlung zu folgen. Auf seinen Drogenkonsum angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, er habe bereits im Iran zwei bis drei Mal Haschisch geraucht. Als er nach Österreich gekommen sei, habe er nicht schlafen können. Damals habe er in einer Wohngemeinschaft gelebt. Ein Mitbewohner habe ihm gesagt, wenn er Suchtmittel nehme, werde er schlafen können. Er habe in Österreich erstmals zu Weihnachten im Jahr 2015 Drogen konsumiert. Dies habe ihm geholfen, durchzuschlafen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin täglich zwei bis drei Joints geraucht. Im Jahr 2019 sei er auf Kokain umgestiegen, weil Cannabis ihm nicht mehr geholfen habe. Als er im Jahr 2019 festgenommen worden sei, habe er 15 Tabletten täglich als Substitut bekommen, was für ihn schlimmer gewesen sei als die Drogen. Der Beschwerdeführer habe sich in Behandlung bei einer Psychiaterin befunden und mit dieser gesprochen. Er habe in dieser Zeit nicht schlafen können. Aus diesem Grund habe er aufgehört, die Tabletten zu nehmen und nach Weihnachten 2019 wieder begonnen, Cannabis zu konsumieren. Kurz danach sei er wieder auf Kokain umgestiegen. Im Jahr 2020 sei er wieder festgenommen worden und habe sich in Untersuchungshaft befunden. Dort habe der Beschwerdeführer angefangen, eine Therapie zu machen, wobei er lediglich Beruhigungstabletten genommen habe. Diese Entzugstherapie sei sehr schmerzhaft für den Beschwerdeführer gewesen. Schließlich habe er einen stationären Platz beim XXXX bekommen und dort eine sechsmonatige Suchttherapie von August 2020 bis Februar 2021 gemacht. Im Rahmen dieser Therapie sei der Beschwerdeführer schließlich in der Lage gewesen, anzunehmen, dass er krank sei und an Paranoia und Halluzinationen leide. Gefragt, ob er die Haft verbüßt habe, gab die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers an, der Beschwerdeführer habe einen Antrag auf „Therapie statt Strafe“ gestellt, dem stattgegeben worden sei. Der Beschwerdeführer habe seine Therapie abgeschlossen und konsumiere seither keine Drogen mehr. Ab und an nehme er legale CBD-Produkte zu sich. Weiter gab der Beschwerdeführer an, sich nach wie vor in ambulanter Therapie beim XXXX zu befinden. Er sei zudem in psychiatrischer Behandlung bei Dr. XXXX . Für die Zukunft wünsche er sich, gesund zu sein und arbeiten zu gehen.
Gefragt, ob der Beschwerdeführer Alkohol trinke und alkoholsüchtig sei, gab der Beschwerdeführer an, er trinke ab und zu Wein mit Freunden. Der erkennende Richter konfrontierte den Beschwerdeführer damit, warum er wieder Wein trinke, obwohl aus der vorgelegten Diagnose von Dr. XXXX hervorgehe, dass der Beschwerdeführer alkoholabhängig gewesen und derzeit abstinent sei. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass er nicht zu Hause trinke, sondern nur bei seiner Patin. Er konsumierte höchstens ein bis zwei Gläser pro Woche oder pro Monat, um besser über sich sprechen zu können.
Zu seinen Verurteilungen gab der Beschwerdeführer an, er habe Drogen verkauft, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Er habe diese an einen Arbeitskollegen, am XXXX und neben seiner Wohnung verkauft. An Wochenenden habe er fünf bis zehn Abnehmer gehabt. Auf seine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, er habe sich mit einem anderen Jungen in einem Park betrunken. Der Beschwerdeführer habe außerdem Kokain konsumiert. Anschließend seien sie zur U-Bahn-Station gegangen. Der Beschwerdeführer verstehe nach wie vor nicht, was anschließend passiert sei. Die Polizei habe ihn festgenommen und gesagt, dass er jemanden zusammengeschlagen habe. Der Beschwerdeführer könne sich bis heute nicht daran erinnern, dass oder warum er das Opfer zusammengeschlagen habe. Er habe jedoch gestanden, da ihm glaubwürdig versichert worden sei, dass er den Mann zusammengeschlagen habe. Anschließend sei er sechs Monate inhaftiert gewesen.
Zu seinem Leben in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, er habe in Österreich die Hauptschule abgeschlossen und seinen Pflichtschulabschluss gemacht. Weiter habe er eine Deutschprüfung auf Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen abgelegt. Derzeit lebe er als Untermieter in einer Privatwohnung in XXXX im XXXX , welche seine Patin für ihn angemietet habe. Der Beschwerdeführer habe in Österreich eine Lehre zum Fliesenleger begonnen, die Ausbildung jedoch wegen seiner Drogensucht und seiner psychischen Erkrankung nicht beendet und nach zwei Jahren nach einer Festnahme durch die Polizei abgebrochen. Anschließend habe er bis Februar 2021 eine Suchttherapie gemacht und sei seit 21.4.2021 als Hilfsarbeiter bei einer Schlosserei in XXXX beschäftigt. Die Arbeit sei schwer, sie tue ihm jedoch sehr gut. Er habe für diese Arbeit keine Ausbildung. Ihm sei jedoch in Aussicht gestellt worden, dass er nach zwei Jahren einen Schweißer-Kurs absolvieren könne. Außerdem bemühe er sich, bedürftigen Obdachlosen über die gemeinnützige Organisation „ XXXX “ zu helfen. Der Beschwerdeführer schneide dort Zwiebel, putze die Tische, gebe Essen aus und wasche das Geschirr. Seine wichtigste Ansprechpartnerin in Österreich sei seine Patin, die er jederzeit anrufen könne. Außerdem habe er drei gute Freunde, darunter einen österreichischen Freund. In seiner Freizeit gehe er gerne mit einem Freund laufen.
Zu seinem Lebenslauf gab der Beschwerdeführer an, er habe bereits im Iran als Bauhelfer gearbeitet. Er sei dort Hilfsarbeiter gewesen und habe als Maurer und Fliesenleger gearbeitet. Zu seinen Familienverhältnissen führte der Beschwerdeführer aus, er habe zwei jüngere Brüder, die in Pakistan bei einem Freund seiner Mutter leben. Seine Eltern seien bereits verstorben. Die Brüder des Beschwerdeführers würden beide die Schule besuchen und nebenbei arbeiten. Ein Bruder sei Schneider, der andere Teppichknüpfer.
Die vom Beschwerdeführer stellig gemachte Zeugin gab im Wesentlichen zusammengefasst an, den Beschwerdeführer seit Juni 2015 zu kennen. Ihrer Ansicht nach sei der Beschwerdeführer nicht alkoholabhängig. Er trinke nur sehr wenig und sie wisse, dass Alkohol nie ein großes Problem gewesen sei. Gefragt, wie sich die Zeugin erkläre, dass in einem psychiatrischen Arztbrief vom 24.5.2021 als Diagnose auch Alkoholabhängigkeit angegeben werde, führte die Zeugin aus, soweit sie wisse, seien in diesem Befund sämtliche Diagnosen der letzten Jahre gesammelt aufgelistet. Da es auch Vorfälle gegeben habe, bei denen Alkohol im Spiel gewesen sei, nehme sie an, dass aus diesem Grund auch Alkoholabusus angeführt werde. Die letzten Jahre seien sehr intensiv gewesen. Seit einigen Monaten könne der Beschwerdeführer jedoch wieder schlafen. Die stationäre Therapie habe ihm sehr gut getan. Der Beschwerdeführer sei sehr motiviert und wolle unbedingt den richtigen Weg weitergehen. Ihrer Ansicht nach habe der Beschwerdeführer eine Chance verdient.
Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers legte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen Untermietvertrag (Beilage ./1), eine Gehaltsbestätigung (Beilage ./2), eine Therapiebestätigung und eine Stellungnahme des XXXX sowie einen psychiatrischen Arztbrief vom 24.5.2021 (Beilage ./3), ein Konvolut an Integrationsunterlagen (Beilage ./4) und diverse Unterstützungsschreiben (Beilage ./5) vor, welche zum Akt genommen wurden. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist von einer Woche zur allfälligen Nachreichung von Unterlagen gewährt.
42. Am 15.6.2021 langte eine Urkundenvorlage des Beschwerdeführers beim erkennenden Gericht ein, mit welcher dieser ein durch das Landesgericht XXXX eingeholtes klinisch-psychologisches Gutachten von XXXX , klinische und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, vom 25.6.2020, den Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 15.7.2020 zur Zahl 43 Hv 21/20a, mit welchem dem Antrag „Therapie statt Strafe“ stattgeben wurde, und einen psychiatrischen Arztbrief vom 24.5.2021 vorlegte.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs „Deutsch als Zweitsprache – Lesen und Schreiben für Fortgeschrittene“ im Zeitraum 7.1.2015 bis 30.1.2015 vom 13.2.2015;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Deutschkurs „Abendkurs Grundstufe A1.1“ im Zeitraum 8.1.2015 bis 26.2.2015 vom 26.2.2015;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs „Deutsch als Zweitsprache – Deutsch für AnfängerInnen A1“ im Zeitraum 9.2.2015 bis 4.3.2015 vom 17.3.2015;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs „Deutsch als Zweitsprache – Deutsch für AnfängerInnen A1+“ im Zeitraum 9.3.2015 bis 1.4.2015 vom 7.4.2015;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs „Deutsch als Zweitsprache – Deutsch für AnfängerInnen mit geringen Vorkenntnissen A1+_Aufbau“ im Zeitraum 7.4.2015 bis 30.4.2015 vom 18.5.2015;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs „Deutsch als Zweitsprache – Deutsch für leicht Fortgeschrittene A2 (A2.1)“ im Zeitraum 6.7.2015 bis 29.7.2015 vom 15.8.2015;
? ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1 (befriedigend bestanden) vom 4.7.2017;
? Bestätigung des XXXX über Teilnahme an der Deutsch-Prüfungsvorbereitung auf Niveau B1 im Zeitraum 19.4.2021 bis 22.4.2021 vom 6.5.2021;
? Bestätigung der Initiative XXXX über Teilnahme am Basisbildungskurs im Rahmen des Bildungsprojektes XXXX im Zeitraum 4.5.2015 bis 2.7.2015 vom 2.7.2015;
? Bestätigung der Neuen Mittelschule XXXX über Schulbesuch im Zeitraum 16.10.2015 bis 11.12.2015 vom 19.2.2016;
? Bestätigung der Initiative XXXX über Teilnahme am Basisbildungskurs II im Rahmen des Bildungsprojektes XXXX seit Jänner 2016 vom 12.2.2016;
? Schulnachricht der Öffentlichen Polytechnischen Schule XXXX für das Schuljahr 2016/17 vom 3.2.2017;
? Jahres- und Abschlusszeugnis der Öffentlichen Polytechnischen Schule XXXX für das Schuljahr 2016/17 vom 30.6.2017;
? Bestätigung des ÖIF über Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs vom 31.7.2018;
? Bestätigung des Vereins XXXX über ehrenamtliches Engagement als Dolmetscher im Zeitraum August 2016 bis Juli 2018 vom 23.7.2018;
? Bestätigung des Vereins XXXX über freiwilliges Engagement vom 1.6.2021;
? Ausbildungsvertrag vom 28.8.2018, abgeschlossen zwischen der XXXX als Ausbildungsbetrieb und dem Beschwerdeführer als Auszubildendem, Lehrberuf Platten- und Fliesenleger, Lehrzeit 27.8.2018 bis 31.10.2022;
? Bestätigungsschreiben der XXXX über Absolvierung einer Lehrausbildung zum Platten- und Fliesenleger seit 27.8.2018 vom 2.4.2019;
? Bestätigung über die Anmeldung zur Sozialversicherung ab 21.4.2021 (Dienstgeber: XXXX ) vom 21.4.2021;
? Lohn-/Gehaltszettel für April 2021 (Dienstgeber: XXXX );
? Kontoauszug des Beschwerdeführers für Mai und Juni 2021, eingeschränkt auf Einnahmen aus der Tätigkeit für XXXX ;
? pädagogische Berichte der Initiative XXXX vom 11.12.2015 und 19.2.2016;
? fachärztlicher Kurzbefund der „ XXXX “ betreffend Betreuung aufgrund einer Posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1) seit 24.2.2015 vom 2.12.2015;
? Bestätigung des Vereins XXXX über psychosoziale Betreuung des Beschwerdeführers seit 1.12.2015 vom 10.3.2016;
? fachärztlicher Kurzbefund XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 10.7.2019;
? Behandlungsmitteilung des Anstaltsarztes der Justizanstalt XXXX vom 27.8.2019;
? Klinisch-psychologisches Gerichtssachverständigen-Gutachten von XXXX vom 25.6.2020;
? Arztbrief von XXXX vom 11.2.2021;
? Arztbrief der XXXX Gruppenpraxis für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 24.5.2021;
? Stellungnahme von XXXX vom 31.5.2021;
? Untermietvertrag abgeschlossen zwischen XXXX als Vermieterin und dem Beschwerdeführer als Mieter vom 4.6.2019;
? Konvolut an Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben;
? Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 15.7.2020 zur Zahl 43 Hv 21/20a betreffend Gewährung von Strafaufschub gemäß § 39 Abs. 1 SMG bis 15.7.2022.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;
? Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;
? Einsichtnahme in die Informationen der Staatendokumentation (Stand: 1.4.2021, Version 3) und die Informationen der Word Health Organization (WHO) zur aktuell maßgeblichen Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie;
? Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in der afghanischen Provinz Uruzgan geboren. Er ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er kann diese Sprache weder lesen, noch schreiben. Weiter spricht der Beschwerdeführer Urdu, etwas Englisch und Deutsch zumindest auf Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer wurde in der afghanischen Provinz Uruzgan geboren. Die Familie des Beschwerdeführers verließ Afghanistan, als der Beschwerdeführer ungefähr ein Jahr alt war, und zog nach Pakistan. Dort wuchs der Beschwerdeführer im afghanischen Familienverband gemeinsam mit seinen Eltern und zwei jüngeren Brüdern in der pakistanischen Stadt XXXX auf. Der Beschwerdeführer besuchte in Pakistan keine Schule und sorgte gemeinsam mit seinem Vater für den Unterhalt der Familie. Ab seinem achten Lebensjahr arbeitete der Beschwerdeführer in Pakistan als Teppichknüpfer, während sein Vater als Gemüsehändler tätig war. Im Jahr 2012 verließ der Beschwerdeführer Pakistan und reiste illegal zu Fuß in den Iran, wo er sich ungefähr zwei Jahre lang aufhielt. Während seines Aufenthalts im Iran war der Beschwerdeführer als Hilfsarbeiter bzw. Bauhelfer tätig und verrichtete Maurer- und Fliesenlegerarbeiten. Im Frühjahr 2014 verließ der Beschwerdeführer den Iran und reiste weiter Richtung Europa. Der Beschwerdeführer war seit seinem ersten Lebensjahr nicht mehr in seinem Herkunftsstaat Afghanistan.
Der Vater des Beschwerdeführers kam im Jahr 2012 in Pakistan bei einem Selbstmordanschlag ums Leben. Seine Mutter starb Anfang 2016 an einer Krankheit. Die jüngeren Brüder des Beschwerdeführers sind nach wie vor in Pakistan in der Stadt XXXX aufhältig und leben dort bei einem Freund der Familie. Beide Brüder besuchen dort die Schule und arbeiten nebenbei als Schneider bzw. Teppichknüpfer. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seinen Brüdern. Diese sind nicht in der Lage, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan von Pakistan aus finanziell zu unterstützen. Es leben keine weiteren – allenfalls auch entfernten – Verwandten oder sonstige Bezugspersonen des Beschwerdeführers in Pakistan oder in Afghanistan. Er verfügt daher weder in Pakistan, noch in Afghanistan über ein soziales oder familiäres unterstützungsfähiges Netzwerk.
Der Beschwerdeführer stellte am 29.8.2014 seinen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und hält sich – abgesehen von einer Reise nach Pakistan zu seinen Brüdern von 16.12.2017 bis 29.1.2018 – durchgehend in Österreich auf.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.5.2016, Zl. 1030247608-14924525, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 25.5.2017 erteilt. Tragende Gründe für die Gewährung des subsidiären Schutzes waren die seinerzeitige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers, der fehlende familiäre Rückhalt im Herkunftsland, das Aufwachsen des Beschwerdeführers außerhalb Afghanistans und die allgemein angespannte Lage in Afghanistan.
Diese Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.9.2017, Zl. 1030247608-14924525, mit Gültigkeit bis zum 25.5.2019 verlängert.
Der Beschwerdeführer hat seit seiner Einreise an mehreren Deutsch-, Integrations- und Basisbildungskursen sowie am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teilgenommen. Er besuchte im Schuljahr 2015/16 die Neue Mittelschule XXXX und im Schuljahr 2016/17 die Öffentliche Polytechnische Schule XXXX , welche er am 30.6.2017 abschloss. Im Juli 2017 legte der Beschwerdeführer eine Prüfung zu seinen Deutschkenntnissen auf Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfolgreich ab. Von August 2016 bis Juli 2018 engagierte sich der Beschwerdeführer ehrenamtlich als Dolmetscher beim Verein XXXX . Von Februar 2021 bis April 2021 war der Beschwerdeführer ehrenamtlich bei der gemeinnützigen Organisation „ XXXX “ tätig, wo er beim Putzen der Tische, beim Abwaschen des Geschirrs und bei der Essenausgabe mithalf. Weiter unterstützt er den Verein XXXX ehrenamtlich. Ab August 2018 war der Beschwerdeführer ungefähr zwei Jahre lang als Lehrling zum Platten- und Fliesenleger bei der XXXX tätig, ehe er die Lehrausbildung wegen seiner notwendigen Suchttherapie abbrechen musste. Seit 21.4.2021 arbeitet der Beschwerdeführer Vollzeit bei XXXX , Inhaber des unprotokollierten Einzelunternehmens XXXX , als Hilfsarbeiter. Der Beschwerdeführer ist erwerbstätig und bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er lebt in Österreich in XXXX in einer Privatwohnung und hat im Bundesgebiet einige soziale Kontakte – auch zu österreichischen Staatsbürgern – geknüpft. Sein wichtigster Sozialkontakt in Österreich ist seine Patin XXXX welche er über das Projekt „ XXXX “ im Jahr 2015 kennenlernte. In seiner Freizeit trifft sich der Beschwerdeführer gerne mit Freunden und geht laufen.
In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich bescholten.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.8.2016 (rechtskräftig seit 22.8.2016) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 142 Hv 46/16z verurteilt, weil er gemeinsam mit zwei Mittätern am 16.7.2016 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt 11,2 Gramm Cannabiskraut (Wirkstoff: Wirkstoff Delta 9 THC und THCA), gewerbsmäßig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, nämlich auf der XXXX im XXXX , öffentlich anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen (zwei Baggies Cannabiskraut einem verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes XXXX für 20,00 €) bzw. zu überlassen versucht hat (zehn Baggies Cannabiskraut, indem der Beschwerdeführer und die beiden Mittäter diese zum unmittelbaren Weiterverkauf an mehrere Suchtgiftabnehmer an einer szenetypischen Örtlichkeit bereit hielten, wobei es jedoch beim Versuch blieb, weil sie nach Überlassung von zwei Baggies Cannabiskraut an einen verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes angehalten wurden). Dem Beschwerdeführer kam dabei die Aufgabe zu, die Suchtgiftabnehmer vor Abschluss des Suchtgiftgeschäfts einer Personenkontrolle zu unterziehen, während die Mittäter für die Anbahnung des Kontakts zu ausgewählten Suchtgiftabnehmern und die Verwahrung sowie Übergabe des Suchtgifts gegen einen Preis von 10,00 € pro Baggy zuständig waren. Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a und Abs. 3 SMG in Anwendung von § 5 Z 4 JGG nach § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Bei der Strafzumessung wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers mildernd berücksichtigt. Als erschwerend wurde kein Umstand gewertet.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 4.11.2019 (rechtskräftig seit 4.11.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 161 Hv 98/19s verurteilt. Das Landesgericht XXXX stellte fest, dass der Beschwerdeführer und zwei Mittäter schuldig sind. Der Beschwerdeführer hat in XXXX in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain enthaltend 80,87% Cocain, Ecstasy-Tabletten enthaltend den Wirkstoff MDMA in durchschnittlichem Reinheitsgehalt in Straßenqualität und Cannabiskraut enthaltend die Wirkstoffe Delta-9-THC und THCA in durchschnittlichem Reinheitsgehalt in Straßenqualität, anderen überlassen, wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Taten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Bedarf Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu beschaffen. Konkret hat der Beschwerdeführer ab einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2019 bis zum 15.8.2019 einem Abnehmer in fünf Angriffen jeweils 0,8 Gramm Kokain und in einem Angriff 0,7 Gramm Kokain gegen jeweils 80,00 € pro Angriff (somit insgesamt 4,7 Gramm Kokain enthaltend 3,8 Gramm Cocain gegen 480,00 €), im Zeitraum von April 2019 bis zum 15.8.2019 einer Abnehmerin in mehreren Angriffen zumindest 8 Gramm Canabiskraut, im Zeitraum von Mitte Mai 2019 bis zum 16.8.2019 einer weiteren Abnehmerin in fünf Angriffen je 3 Gramm Cannabiskraut gegen 30,00 € (somit gesamt 15 Gramm gegen 150,00 € überlassen), im Zeitraum von Oktober 2018 bis zum 16.8.2019 einem Abnehmer in 15 Angriffen jeweils vier Tabletten Ecstasy gegen 15,00 € pro Tablette (somit gesamt 60 Tabletten gegen 900,00 €), am 5.8.2019 einem Abnehmer ein Gramm Cannabiskraut gegen 10,00 €, ab 16.8.2019 einem Abnehmer 1 Gramm Kokain enthaltend 0,8 Gramm Cocain gegen 100,00 € und im Zeitraum von September 2018 bis 16.8.2019 unbekannten Abnehmern in einer Vielzahl von Angriffen gesamt 64,3 Gramm Kokain enthaltend 51,4 Gramm Cocain gegen zumindest 70,00 € pro Gramm (somit gegen gesamt 4.501,00 €) überlassen. Das Landesgericht XXXX stellte weiter fest, dass der Beschwerdeführer am 16.8.2019 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 7,4 Gramm Kokain enthaltend den Wirkstoff Cocain zum nicht ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen hat.
Zudem hat der Beschwerdeführer am 15.8.2019 eine andere Person vorsätzlich am Körper verletzt, indem er mehrmals mit der Faust gegen deren Körper schlug, wodurch das Opfer drei Blutergüsse über dem linken Beckenkamm erlitt. Am 28.6.2019 verletzte der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter eine Person, indem der Beschwerdeführer und der Mittäter dem Opfer jeweils mit der rechten Faust einen Schlag ins Gesicht versetzten und es zu Boden rissen, wodurch das Opfer aus der Nase blutete, Abschürfungen am linken Ellenbogen und eine Schwellung unterhalb des linken Auges erlitt. Ebenso verletzte der Beschwerdeführer mit einem Mittäter am 28.6.2019 eine weitere Person im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am Körper und führte dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine an sich schwere Verletzung mit einer Gesundheitsschädigung von mehr als 24-tägiger Dauer des Opfers herbei, indem er dem Opfer mit der Faust ins Gesicht schlug, dieses zu Boden stürzte und der Beschwerdeführer und sein Mittäter anschließend mehrmals auf das am Boden liegende Opfer einschlugen und eintraten. Dadurch erlitt das Opfer einen offenen Nasenbeinbruch, eine Schädelprellung mit zahlreichen Hämatomen, Abschürfungen am linken Ellenbogen und eine Knieprellung beidseitig mit Abschürfungen der Kniescheiben. Weiter beschädigte der Beschwerdeführer mit dem Mittäter fremde Sachen des Opfers im Gesamtwert von 204,00 €, nämlich dessen optische Brille, dessen Jogginghose und dessen T-Shirt, indem die Brille durch den Faustschlag sowie die Jogginghose und das T-Shirt durch die oben angeführten Handlungen beschädigt wurden.
Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 3 erster Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB in Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB und § 19 Abs. 1 JGG nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 16.8.2019, 18.10 Uhr bis 4.11.2019, 11.35 Uhr angerechnet. Bei der Strafzumessung wurden das umfassende und reumütige Geständnis des Beschwerdeführers und das Alter unter 21 Jahren mildernd berücksichtigt. Als erschwerend wurden die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen gewertet.
Das Landesgericht XXXX ordnete gemäß §§ 50, 52 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe an. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, sich für den unbedingten Strafteil einer gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen. Gemäß § 53 Abs. 1 und 3 StGB iVm. § 494a Abs. 1 Z 2 und Abs. 6 StPO wurde vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.8.2016 zur Zahl 142 Hv 46/16z gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert. Weiter wurde der Beschwerdeführer von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 28.6.2019 fremde Sachen, nämlich ein Fahrzeug, beschädigt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 4.6.2020 (rechtskräftig seit 4.6.2020) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 43 Hv 21/20a verurteilt, weil er am 26.2.2020 in XXXX gewerbsmäßig vorschriftswidrig in einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlage, nämlich im Bahnhofsgebäude XXXX , für mindestens zehn Personen wahrnehmbar, somit öffentlich, Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (beinhaltend Delta-9-THC und THCA), anderen Personen gegen Entgelt überlassen hat (einem Abnehmer ein Gramm zum Preis von 10,00 €, einem weiteren Abnehmer 2,2 Gramm zum Preis von 20,00 € und einem unbekannten Abnehmer eine nicht festzustellende Menge zu einem nicht festzustellenden Preis) und ein weiteres Gramm zu überlassen versucht hat, indem er es an einer szenetypischen Örtlichkeit abgepackt zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereithielt. Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, 15 StGB nach § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 26.2.2019 (gemeint: 26.2.2020), 19.00 Uhr bis 4.6.2020, 12.30 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Bei der Strafzumessung wurden das reumütige Geständnis und die Sicherstellung des Suchtmittels mildernd berücksichtigt. Als erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von Vergehen, der rasche Rückfall und die Tatbegehung in dreifacher offener Probezeit gewertet. Gemäß § 53 Abs. 1 StGB iVm. § 494a Abs. 1 Z 4 StPO wurde die bedingte Strafnachsicht zu 185 BE 247/19z des Landesgerichtes XXXX vom 28.11.2019 (zwei Monate) und die bedingte Strafnachsicht zu 161 Hv 98/19s des Landesgerichtes XXXX vom 4.11.2019 (zwölf Monate) widerrufen.
Der Beschwerdeführer befand sich von 16.8.2018 bis 16.12.2019 und von 26.2.2020 bis 16.7.2020 in Haft. Zuletzt holte das Landesgericht XXXX zur Zahl 43 Hv 21/20a ein klinisch-psychologisches Gerichtssachverständigen-Gutachten vom 25.6.2020 ein, welches die Erteilung einer Weisung zu einer stationären psychotherapeutischen Behandlung in der Dauer von einem halben Jahr mit einer daran anschließenden ambulanten Behandlung mit wöchentlichen Einzelsitzungen und begleitenden Harnkontrollen empfahl. Auf Basis dieses Gutachtens wurde dem Beschwerdeführer mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 15.7.2020, Zl. 43 Hv 21/20a, gemäß § 39 Abs. 1 SMG Strafaufschub bis 15.7.2022 gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme, und zwar einer ärztlichen Überwachung des Gesundheitszustandes, einer ärztlichen Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung, Psychotherapie und einer klinisch-psychologischen Beratung und Betreuung, zu unterziehen. Der Strafaufschub wurde mit der Maßgabe gewährt, dass sich der Beschwerdeführer einer sechsmonatigen stationären Behandlung unterzieht und die Behandlung anschließend ambulant weitergeführt wird.
Der Beschwerdeführer kam den Weisungen des Landesgerichtes XXXX nach und unterzog sich von 12.8.2020 bis 11.2.2021 einer stationären Suchttherapie bei der Einrichtung XXXX , die er regulär abschloss und erfolgreich beendete. Seit 23.2.2021 befindet sich der Beschwerdeführer in ambulanter Therapie bei der Einrichtung XXXX und ist derzeit psychisch stabil. Seit seiner letzten Entlassung aus der Haft nach Gewährung des Strafaufschubs am 16.7.2020 verhält sich der Beschwerdeführer wohl und hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er unterzieht sich nach wie vor einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, konsumiert keine Drogen mehr und ist clean. Da der Beschwerdeführer seine Drogenabhängigkeit nunmehr im Griff hat, besteht keine Wiederholungsgefahr. Der Beschwerdeführer sieht das Unrecht seiner Taten ein. Er stellt keine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar.
Der Beschwerdeführer leidet unter einer psychischen und Verhaltensstörung durch Cannabinoide (Abhängigkeitssyndrom, F12.2), einer ps