Entscheidungsdatum
21.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W108 2181054-1/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zl. 1088912804 – 151436527, nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 26.09.2015 den Antrag, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).
Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Erstbefragung am 27.11.2015 an, er stamme aus dem iranischen Gebiet XXXX (Provinz XXXX ) und sei vor ca. vier Monaten mit dem Bus illegal aus dem Iran in die Türkei ausgereist und in der Folge über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn zu Fuß über die Grenze nach Österreich gekommen. Sein iranischer Reisepass befinde sich in der Türkei. Er sei zuletzt als Schlosser tätig gewesen. Seine Eltern und Geschwister (zwei Brüder und eine Schwester) lebten noch im Iran. Er sei geschieden, die Scheidung sei vor ca. drei Monaten erfolgt. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer: Er gehöre einer Religion an, die im Iran unerwünscht sei (Mandai/Mandäer.). Er sei im Iran unmenschlich behandelt worden und der Umgang mit der Bevölkerung sowie mit der Behörde sei sehr schwierig gewesen. Sie hätten ihn auch geschlagen und er habe immer Probleme mit ihnen gehabt. Er habe dort keine Zukunft mehr gehabt. Bei einer Rückkehr drohe ihm Gefängnis und unmenschliche Behandlung.
In der Folge legte der Beschwerdeführer seinen iranischen Personalausweis (lautend auf XXXX , geboren am XXXX [entspricht: XXXX ]; eine kriminalpolizeiliche Dokumentenuntersuchung ergab, dass es sich um ein Originaldokument handle), sein Schulzeugnis aus dem Iran, seine Arbeitsbestätigungen aus dem Iran und sein Zertifikat bezüglich einer Ausbildung aus dem Iran vor. Weiter brachte er weitere iranische Urkunden (mit englischer Übersetzung) vor: Seine Taufurkunde, ausgestellt am 25.11.2006 von der Religionsgemeinschaft der Sabäer-Mandäer XXXX (Iran) und eine Bestätigung dieser Religionsgemeinschaft, wonach der Beschwerdeführer der Minderheit der Sabäer-Mandäer angehöre und sein Religionsname XXXX sei.
Weiters wurde das Ergebnis einer Recherche (der Caritas) über die Sabäer-Mandäer übermittelt: In die Mandäische Religionsgemeinschaft würden keine Konvertiten aufgenommen. Von den etwa 40.000 Mandäern spreche nur noch ein Bruchteil die Sprache außerhalb der Religionsausübung. Schätzungen von 2001 gingen von 500 Sprechern im Iran aus. Für die muslimische Mehrheitsbevölkerung würden die Mandäer nicht als eine im Iran erwähnte „Buchreligion“ gelten und daher nicht den Schutz der islamischen Gemeinschaft genießen.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) am 25.07.2017 schilderte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes:
Er sei gesund und nehme keine Medikamente. Ich habe mit vier Jahren eine Augenverletzung am linken Auge erlitten. Seine Netzhaut sei verletzt worden. Er sehe sehr wenig am linken Auge.
Er habe im Verfahren bisher der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht. Bei der Erstbefragung sei aber einiges falsch übersetzt bzw. protokolliert worden: Seine Scheidung sei drei Monate vor seiner Ausreise in die Türkei erfolgt. Sein Vater heiße XXXX . Er habe keine Informationsblätter erhalten. Seine Mutter heiße mit Familiennamen XXXX und sie sei jetzt 48 Jahre alt. Seine Schwester XXXX sei 33 Jahre alt. Und seinen Bruder schreibe man richtigerweise XXXX .
Er sei ein Jahr und vier Monate verheiratet gewesen und nun geschieden. Im Iran habe er eine Scheidungsbestätigung, die er vorlegen werde. Er habe sich scheiden lassen, da sie sich nicht gut verstanden hätten, seine geschiedene Ehefrau sei auch eine Mandäerin. Er habe keine Kinder.
Zuletzt habe er im Iran in der Stadt XXXX (Provinz XXXX ) gelebt. Im Iran habe er 11 Jahre lang die Schule besucht. Mit seinem Abschlusszeugnis könnte er auch eine Universität besuchen. Bereits mit 11 Jahren habe er angefangen in verschiedenen Geschäften zu arbeiten. Es seien Malerarbeiten, der Verkauf von Reifen, Installationstätigkeiten und Arbeiten mit CNC Maschinen gewesen. Bis drei Monate vor seiner Ausreise habe er als Installationstechniker gearbeitet.
Im Iran seien zurzeit seine Eltern, zwei Brüder, eine Schwester aufhältig und zu ihnen habe er auch aufrechten Kontakt. Sein Vater betreibe einen Lebensmittelhandel in ihrem Haus und arbeite zusätzlich woanders. Seine Schwester sei verheiratet, lebe aber getrennt. Einer seiner Brüder habe im Norden des Iran ein Geschäft aufgemacht. Sein anderer Bruder arbeite bei einem Privatunternehmen. Ginge es seiner Familie im Iran gut, wäre er nicht hier. In Österreich oder in der EU habe er keine Verwandten oder Familienangehörigen und er lebe von der Grundversorgung.
Er sei im Iran weder vorbestraft noch sei er dort inhaftiert gewesen und er habe auch keine Probleme mit den Behörden im Iran gehabt. Gegen ihn bestünden keine aktuellen staatlichen Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief. Er sei nicht politisch tätig (gewesen) und kein Mitglied einer politischen Partei (gewesen).
Er habe jedoch aufgrund seines Religionsbekenntnisses und aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt: Die Mandäer seien im Iran unterdrückt. Sie würden nicht arbeiten und an der Universität studieren dürfen. Ihre Religion sei laut den iranischen Behörden nicht anerkannt und die Mandäer hätten keine gesellschaftlichen Rechte. Sie seien als Mandäer immer wieder belästigt und ausgelacht worden. Es sei gesagt worden, dass sie Sternenanbeter und Anbeter von Statuen seien. Er habe sich sehr um Arbeit bemüht, aber wenn festgestellt worden sei, dass er dieser Religion zugehöre, sei er entweder entlassen oder seine Rechte seien reduziert worden. Wenn man auf die Straße gehe, werde man schlecht behandelt. Wegen seiner Verletzung am Auge habe er eine Anzeige gemacht, aber der Richter habe nichts getan, weil er Mandäer gewesen sei. Er habe nicht auf die Universität gehen können und habe keine Arbeit bekommen. Bei seiner letzten Arbeitsstelle sei er überprüft worden und es sei dann festgestellt worden, dass er kein Moslem sei. Anschließend sei er entlassen worden. Nach seiner Scheidung und seiner Entlassung habe er sich entschlossen, ins Ausland zu gehen. Die Mandäer würden ihre Religion sehr ernst nehmen, seien aber nicht anerkannt. Er führe auch zwei Namen im Iran, sein religiöser Name sei XXXX . Diesen Namen müsse er im Iran auch führen. Auf staatlichen Formularen habe er sich als Schiite ausgegeben. Soweit er wisse, würden die Mandäer in Amerika als Minderheit anerkannt. Da er im Iran keine Ausbildung machen könne und auch keine Arbeit habe, könne er dort nicht leben.
Im Iran sei er wegen seiner Religion auch persönlich bedroht worden. Die Mandäer hätten wegen der Religion eine andere Bekleidung. Wenn Bekannte so angezogen zu ihnen gekommen wären und die Nachbarn mitbekommen hätten, dass sie so angezogen waren, hätten sie umziehen müssen. Sie hätten ihre Religion verstecken müssen. Die Schulzeit sei für sie auch sehr schwer gewesen, weil sie gezwungen worden wären, in den Koranunterricht zu gehen. Sie hätten auch auf islamische Art beten müssen. Nach der Schule sei er von anderen Kindern wegen seiner Religion geschlagen worden.
Er habe seit seinem 11. Lebensjahr gearbeitet. Er habe sehr oft die Arbeit gewechselt. Er sei hergekommen, um zu leben. Er möchte ein ruhiges Leben hier führen und heiraten. Er wolle kein Opfer mehr sein. Er wolle ein normales Leben wie alle anderen führen. Er habe in Österreich schon drei Monate mit seinem Heimleiter gearbeitet. In der Türkei habe er auch als Küchengehilfe und als Übersetzer gearbeitet. Er sei ein arbeitstüchtiger Mensch.
Im Iran hätte er auch woanders kein normales Leben führen können. Sie hätten oft ihre Adressen gewechselt, aber man habe sie immer an ihrem Aussehen erkannt. Die Älteren der Gemeinschaft hätten sich immer mit den traditionellen Kleidern gekleidet. Sie zögen sich nur bei den Festen traditionell an. Er sei sonst immer normal gekleidet, so wie heute.
Von klein auf habe er schwere Zeiten und schwere Arbeit hinter sich. In der Türkei sei die Situation auch nicht besser gewesen, da die dortigen Leute auch Moslems seien und die gleiche Einstellung gegenüber seiner Religion hätten. Auch in jenem Heim, in dem er untergebracht worden sei, sei er belästigt worden. Die Afghanen dort würden nicht mit ihm sprechen. Er sei sehr müde von allem. Alles Wahre habe er mitgeteilt. Alle Dokumente habe er vorgelegt. Er sei geschlagen worden, er habe gelitten. Sein Geld habe man ihm nicht bezahlt.
Er habe in Österreich in den ersten sechs Monaten keinen Deutschkurs machen dürfen. Dann habe er einen gemacht. Er habe den Deutschkurs A1 absolviert. Nach den Ferien fange er mit dem A2-Kurs an. Protokolliert wurde, dass der Beschwerdeführer kaum Deutsch spreche.
Er habe im Heim bei der Renovierung des Obergeschosses geholfen und Malerarbeiten gemacht. Er gehe auch ins Fitnessstudio. In Österreich möchte er die Sprache lernen und anschließend arbeiten. Er brauche Geld, er möchte seinen Vater unterstützen. Er möchte wieder mit CNC-Maschinen arbeiten. Er spiele Fußball mit Österreichern und auch mit anderen. Er gehe spazieren. Arbeiten dürfe er noch nicht. Als er ein bisschen Geld gehabt hätte, sei er nach XXXX zu den anderen Mandäern gefahren, um sich mit ihnen auszutauschen. Er sei in keinem Verein aktiv tätig. Er habe sich beim XXXX bezüglich einer ehrenamtlichen Tätigkeit angemeldet, sei aber nicht angerufen worden. Er sei in Österreich nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Am 04.04.2014 sei er aus seinem Herkunftsstaat legal in die Türkei ausgereist. Er sei mit dem Flugzeug von Teheran nach Istanbul geflogen. Am 08.04.2014 habe er um Schutz bei der United Nation in Istanbul angesucht. Sein Reisepass sei in der Türkei gestohlen worden. Er habe alle seine Dokumente in den Iran zu seinem Bruder zwecks Übersetzung gesendet. In ca. zwei Wochen müsste er die Dokumente wieder haben. Er werde die Dokumente dann vorlegen.
Im Falle einer Rückkehr in den Iran würde er wieder beleidigt und belästigt werden und er werde auch keine Arbeit finden können. Er sei nach Österreich gekommen, um ein gutes Leben zu haben.
2. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist (ab Rechtskraft der Rückehrentscheidung) für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Zur Person des Beschwerdeführers: Seine Identität stehe fest. Der Beschwerdeführer sei legal aus dem Iran in die Türkei ausgereist. Dem Beschwerdeführer komme in Österreich kein anderes Aufenthaltsrecht, als ein solches nach dem Asylgesetz zu. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er sich im Iran habe scheiden lassen. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sabäer-Mandäer an. Er sei eine junge, mobile, gesunde, arbeitsfähige Person. Er sei strafrechtlich unbescholten. Seinen Unterhalt bestreite er durch die Grundversorgung. Er sei in Österreich in keinem Verein aktiv tätig und auch nicht ehrenamtlich tätig.
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats: Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer durch die iranischen Behörden oder durch Dritte einer Verfolgung unterliege. Der Beschwerdeführer habe keine individuelle Verfolgung seiner Person glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen, sei nicht politisch tätig gewesen, kein Mitglied einer politischen Partei gewesen und hätte auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, festgestellt werden können. Asylausschluss- und Endigungsgründe lägen nicht vor.
Zur Situation im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers: Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle eine Rückkehr in den Iran einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle Ihrer Rückkehr in den Iran dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde. Der Beschwerdeführer verfüge über eine umfassende Schulausbildung. Bei einer Rückkehr in den Iran könnte er wieder bei seinen Eltern leben. Es handele sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen, mobilen, arbeitsfähigen Mann. Zudem könne seine Familie ihn finanziell unterstützen. Auch könne er die zur Verfügung gestellte Rückkehrhilfe durch die Republik Österreich in Anspruch nehmen. Im Rahmen dieser Rückkehrhilfe könne auch finanzielle Hilfe als Startkapital für die Fortsetzung des Lebens im Iran gewährt werden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Iran in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würden. Es existierten unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche eine Rückkehrgefährdung beinhalten würden.
Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 27.09.2015 in Österreich auf. Ihm komme in Österreich nur ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zu. Er habe keine Familienmitglieder hier in Österreich. Seine sozialen Beziehungen bestünden aus seinen Freunden, mit denen er Fußball spiele. Er sei weder in einem Verein aktiv tätig, noch sei er ehrenamtlich tätig. Seinen Unterhalt bestreite er durch die Grundversorgung. Er verfüge über sehr starke Bindungen zum Heimatland Iran. Seine Familie sei im Iran wohnhaft und gehe einer Beschäftigung nach.
Die belangte Behörde traf auch Feststellungen zur Lage im Iran auf der Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation.
In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde u.a. aus: Die Feststellung der rechtmäßigen Ausreise aus dem Iran und der illegalen Einreise in Österreich ergebe sich aus dem Akteninhalt. Dass er geschieden sei, habe nicht festgestellt werden können. Obwohl er angegeben habe, dass er die Scheidungsurkunde aus dem Iran zuschicken würde, haben er dieses bis dato nicht gemacht. Der Beschwerdeführer habe widersprüchliche Angaben bezüglich seiner Arbeit gemacht. So habe er angegeben, dass er im Iran keine Arbeit gefunden hätte. Jedoch habe er Zertifikate und Arbeitsbestätigungen vorgelegt, welche beweisen würden, dass er im Iran gearbeitet habe. Bezüglich seiner Angabe, er hätte die Universität nicht besuchen dürfen, hab er sich widersprochen, da er auch angegeben habe, dass er mit seinem Maturazeugnis auch die Universität hätte besuchen können. Seine Angabe, dass er keine Ausbildung hätte machen können, habe der Beschwerdeführer selbst widerlegt, indem er ein Zertifikat bezüglich seiner Ausbildung vorgelegt habe. Wenn der Beschwerdeführer eine allgemeine schlechte finanzielle Situation seiner Person angebe, sei angemerkt, dass seine Eltern und seine Geschwister weiterhin im Iran lebten und einer Arbeit nachgingen. Auch der Beschwerdeführer selbst sei in einer staatlichen Zahnklink angestellt gewesen, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass eine Verfolgung seiner Person gegeben sei. Aus der Aussage des Beschwerdeführers, wenn es seiner Familie gut gehen würde, wären er nicht hier, könne geschlossen werden, dass er nur die wirtschaftliche Situation seiner Person und die seiner Eltern vorgebracht habe. Die allgemeine Aussage, dass die Mandäer nicht arbeiten dürften, habe der Beschwerdeführer selbst widerlegt, indem er angegeben habe, er habe im Iran gearbeitet und auch seine Eltern und Geschwister gingen im Iran einer Arbeit nach. Sein Vater habe ein Geschäft sowie auch ein Bruder des Beschwerdeführers. Ein anderer Bruder des Beschwerdeführers würde in einem privaten Unternehmen arbeiten. Wenn der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung bei der Polizei angegeben habe, dass bei einer Rückkehr in den Iran ihm Gefängnis und unmenschliche Behandlung drohen würden, stehe dies im Widerspruch zu seiner Angabe in der Einvernahme vor der belangten Behörde, da er die Frage, ob er Probleme mit den Behörden in seiner Heimat gehabt hätte, explizit verneint habe. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Iran persönlich keiner wie auch immer gearteten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen. Der Wunsch nach einem guten Leben sei nachvollziehbar, könne jedoch nicht zu einer Asylgewährung führen. Insgesamt lasse sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers keine individuelle Verfolgungsgefährdung erkennen. Alleine die Tatsache, dass er Sabäer-Mandäer sei, erfülle nicht die Voraussetzungen einer asylrelevanten Verfolgung, solange keine ihn individuell treffenden Gründe vorlägen. Wenn er angeben habe, dass er seine Augenverletzung bei einem Richter angezeigt hätte und dieser nichts unternommen hätte, hätte diese Augenverletzung stattgefunden, als der Beschwerdeführer vier Jahre alt gewesen sein, womit eine aktuelle Bedrohung nicht gegeben sei. Bezüglich der Situation der Mandäer im Iran sei anzumerken, dass aus den Länderinformationsblättern zum Iran bezüglich der Minderheit der Mandäer keine Gruppenverfolgung zu entnehmen sei. So könne aus den Länderinformationsblättern entnommen werden, dass im Iran keine extreme Gefährdungslage bestehe, dass gleichsam jeder Mandäer, der sich im Iran aufhalte, allein aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit einer Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ausgesetzt sei. Vielmehr könne angeführt werden, dass die Sabäer-Mandäer durch das islamische Recht als Buchreligion anerkannt seien. Die Sabäer-Mandäer zählten 5000 bis zu 10000 Anhäger im Iran. Die Regierung betrachte die Sabäer-Mandäer als Christen und inkludier sie bei den drei anerkannten Religionsminderheiten. Auch wenn sich die Sabäer-Mandäer nicht als Christen sehen würden, so würden sie von der Regierung als solche angesehen. Wenn der Beschwerdeführer angeben habe, dass er gezwungen worden sei, in der Schule den Koran zu lesen und auf islamische Art zu beten, sei dem damit entgegen zu treten, dass der Koran die Sabäer-Mandäer aus der zwangsweisen Konversion zum Islam als Leute des Buches ausnehme. Der iranische Präsident Khamenei habe eine Fatwa erlassen, mit dem Inhalt, dass Mandäer eine monotheistische Religion mit einer heiligen Schrift und einem Propheten seien. Wie auch aus dem US Department oft State Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2016 bezüglich des Iran zu entnehmen sei, sehe die iranische Verfassung die Zoroastrier, die Juden und die Christen als anerkannte religiöse Minderheiten an. Innerhalb der Gesetze hätten diese anerkannten religiösen Minderheiten die Erlaubnis, ihre religiösen Riten und Zeremonien zu vollziehen. Auch werde erwähnt, dass die Sabäer-Mandäer als Christen angesehen würden. Aus diesem Bericht gehe ebenfalls nicht hervor, dass es eine Gruppenverfolgung der Sabäer-Mandäer gegeben habe und gebe. Daher sei eine Verfolgung allein aufgrund der Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit ausgeschlossen.
Rechtlich wurde der Sachverhalt von der belangten Behörde wie folgt beurteilt:
Zu Spruchpunkt I. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten): Es ergebe sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GKF genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet sei. Der Beschwerdeführer habe in seinem gesamten Vorbringen keine konkrete, ihn treffende Verfolgungshandlung im Iran vorgebracht und die angegebenen Probleme in Bezug auf die Religion hätten nicht die Intensität einer individuellen Bedrohung seiner Person überschritten. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass es im Iran zu Spannungen zwischen den einzelnen Religionen sowie zu Diskriminierungen von Mandäern kommen könne, jedoch würde diese nicht so ein solches Ausmaß erreichen, dass die Annahme gerechtfertigt sei, dass im Iran lebende Mandäer wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten.
Zu Spruchpunkt II. (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten): Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu Verfolgungshandlungen im Iran sei nicht glaubwürdig gewesen. Andere Probleme hinsichtlich Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung seien seinem Vorbringen ebenfalls nicht zu entnehmen. Im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestehen würde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen Konflikts ausgesetzt zu sein. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergebe sich somit kein „reales Risiko“, dass es derzeit durch die Rückführung in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention komme.
Zu Spruchpunkt III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG): Das Bundesamt habe gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen werde. Es sei im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 AsylG seit mindestens einem Jahr geduldet sei und die Voraussetzungen für diese Duldung weiter vorlägen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar oder sei wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Eine Erteilung sei auch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitenden Prostitutionshandel, vorgesehen. Die Aufenthaltsberechtigung werde auch an Opfer von Gewalt erteilt, sofern eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen worden sei oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei. Im Fall des Beschwerdeführers treffe keiner der angeführten Gründe zu, ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG sei daher nicht zu erteilen.
Zu Spruchpunkt IV. (Rückkehrentscheidung): Der Beschwerdeführer habe keine Familienangehörigen in Österreich und die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bilde daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Schutz des Familienlebens. Zum Recht auf Achtung des Privatlebens sei festzuhalten, dass die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet als sehr kurz zu bezeichnen sei und weiter dadurch relativiert werde, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei weder aktiv in einem Verein noch ehrenamtlich tätig (gewesen). Er habe Deutschkurse besucht und verfüge einigermaßen über Kenntnisse der deutschen Sprache, jedoch liege sein persönlicher und familiärer Lebensmittelpunkt im Iran, wo auch seine Eltern und seine Geschwister lebten und er über ein soziales Netz verfüge. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht seien nicht erkennbar. Dies ergebe sich vorrangig aus der zum gegebenen Zeitpunkt noch kurzen Aufenthaltsdauer von nicht einmal drei Jahren. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden habe und somit würden nach wie vor Bindungen zum Iran bestehen. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hätte der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG sei daher davon auszugehen, dass seine Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund treten würden. Daher sei die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 - 3 BFA-VG zulässig.
Zu Spruchpunkt V. (Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran): Im vorliegenden Fall habe sich keine relevante Gefährdung des Beschwerdeführers ergeben, weshalb die Abschiebung in den Iran zulässig sei.
Zu Spruchpunkt VI. (Frist für die freiwillige Ausreise): Gemäß § 55 FPG sei mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Diese betrage 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer von der belangten Behörde vorzunehmenden Abwägung festgestellt werde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehr Entscheidung geführt hätten, überwiegen. Im Fall des Beschwerdeführers hätten solche Gründe nicht festgestellt werden können. Unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen könne der Beschwerdeführer zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung). Diese Rückkehrentscheidung werde nach ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist oder – im Falle der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde – mit Zustellung eines abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig.
3. Mit Verfahrensanordnung vom 20.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG zur Seite gestellt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen gewählten Rechtsvertreter innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde: Die Mandäer seien von den iranischen Behörden im Gegensatz zu den religiösen Minderheiten der Christen, der Juden und der Zoroastrier, nicht anerkannt, weshalb für sie die gewissen Vorteile, die diese sogenannten Buchreligionen genössen, für sie nicht gelten würden. Das habe zur Konsequenz, dass die Mandäer die Wahl hätten, sich quasi ruhig zu verhalten und so zu tun, als wären sie schiitische Moslems oder man lebe sein Leben als Mandäer offen aus und müsse mit gesellschaftlichen, aber vor allem mit staatlichen strafrechtlichen Sanktionen rechnen, die bis hin zu langen Gefängnisstrafen gehen könnten. Der Beschwerdeführer sei nur aufgrund seiner Religionszugehörigkeit von seinem Arbeitgeber gekündigt worden. Seine Wohnung sei auch gekündigt worden, weil die Nachbarn herausgefunden hätten, dass er ein Mandäer sei. Zudem sei er von Polizisten geschlagen worden. Er sei ein Leben lang diskriminiert, gedemütigt und sogar körperlich angegriffen worden, nur weil er seine innere, religiöse Einstellung nicht ständig habe verbergen und leugnen können. Dem Beschwerdeführer sei es nur deshalb möglich gewesen, die Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu machen und einen Job auszuüben, weil bzw. solange er seine Identität und seine Religionszugehörigkeit geleugnet und vorgespielt habe, ein Moslem zu sein. Er könne aber nicht sein Leben lang etwas vorspielen, was er nicht sei. Da der Beschwerdeführer der Meinung sei, dass es für ihn unzumutbar gewesen wäre, ein Leben gegen seine innere und religiöse Überzeugung und in Lüge zu führen, um nicht bei Zuwiderhandeln mit strengen strafrechtlichen Sanktionen rechnen zu müssen, hätte die Behörde seinen Fall anders beurteilen und zu dem Ergebnis kommen müssen, dass in seinem Fall eine asylrelevante Verfolgung aus religiösen Motiven vorliege und ihm den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen. Zum Nachweis, wie es um die Religionsgemeinschaft der Mandäer bestellt sei, wolle der Beschwerdeführe einen Ausschnitt aus einem Vortrag von Prof. Sabih ALSOHAIRY vor der ezidischen Akademie vorlegen. Aus diesem Bericht gehe hervor, dass viele Mandäer ihre Religion verleugnen müssten, um nicht Opfer von Gewalt und Diskriminierung zu werden. Außerdem gehe daraus hervor, dass die Mandäer im Iran nicht als Angehörige einer im Koran erwähnten Schriftreligion gelten würden. Soweit sich die belangte Behörde bezüglich der Mandäer auf die im angefochtenen Bescheid angeführten Länderinformationen beziehe und davon ausgehe, dass die Mandäer laut Länderinformationsblättern von keiner Gruppenverfolgung betroffen seien, wolle er sagen, dass die belangte Behörde selbst zur Situation der Mandäer keinerlei Informationen eingeholt habe. Die belangte Behörde hätte sich doch eingehender mit der Lage seiner Glaubensgemeinschaft auseinandersetzen müssen. Seine Glaubensrichtung zähle im Iran zu den nicht anerkannten religiösen Minderheiten, die verfolgt und diskriminiert würden. Diese Verfolgung reiche von Festnahmen über Körperstrafen bis hin zu langen Freiheitsstrafen. Aus den Länderinformationen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei offener Ausübung seiner inneren und religiösen Überzeugung mit schwersten Strafen zu rechnen hätte. Aus diesem Grund sei seine Angst vor Verfolgung völlig begründet.
Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wolle der Beschwerdeführer noch erzählen, dass auch hier die belangte Behörde vor falschen Tatsachen ausgegangen sei, wenn etwa behauptet werde, dass er keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgekommen sei. Wie in der Einvernahme gesagt worden sei, habe er in seiner Asylunterkunft bei der Renovierung des oberen Stockwerks geholfen und habe Malerarbeiten durchgeführt. Er spreche inzwischen Deutsch auf A2-Niveau. In den mehr als zwei Jahren seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich habe er schon einige Freundschaften schließen können und er habe sich schon ganz gut in die österreichische Gesellschaft eingefunden.
5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am 08.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Rechtsvertretung persönlich beteiligte.
Er sagte im Wesentlichen aus: Sein bisheriges Vorbringen, dass er wegen der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit der Verfolgung im Iran ausgesetzt gewesen sei oder wäre, treffe nicht zu. Verfolgung drohe ihm deshalb, weil seine Ehefrau ihn betrogen hätte (Ehebruch). Deren Familie habe großen Einfluss gehabt und er habe keinen Konflikt mit der Familie seiner Frau gewollt, er hätte die Schwierigkeiten vermieden. Deshalb habe er sich entschlossen, selbst das Land zu verlassen. Er fürchte, dass er wegen dem Brautgeld oder Ähnlichem bedroht oder bestraft werde. Er habe seiner Frau Geld und ein Auto gelassen, damit sie keine weiteren Ansprüche hätte, denn die Familie seiner Frau habe ihn diesbezüglich bedroht. Der Vater seiner Frau habe großen Einfluss auf die politische Szene und sei bei der Sepah (den Revolutionsgarden). Sein Schwiegervater habe ihm erzählt, dass er jemanden mit einem Schuss getötet hätte. Wenn jemand in der Lage sei, jemanden zu töten, bestehe die Gefahr, dass dieser Mann auch dem Beschwerdeführer gegenüber so etwas tun könnte. Er sei sich sicher, dass er zumindest ins Gefängnis kommen werde. Konkret habe der Vater seiner Ehefrau ihn bedroht und ihre Brüder hätten sein Haus angegriffen, sie hätten die Fenster eingeschlagen. Das sei vor sechs oder sieben Jahren gewesen. Da er nicht gewusst habe, was er tun solle, habe er mit einem Rechtsanwalt gesprochen. Dieser hätte gemeint, es bestehe die Gefahr, dass er ins Gefängnis komme. Zwar habe seine Ehefrau Ehebruch begangen, aber sie hätte irgendwie wegen dem Brautgeld gegen ihn vorgehen können und es sei möglich gewesen, dass er ins Gefängnis komme. Er habe habe Angst vor dem Vater seiner Frau. Vor fünf oder sechs Jahren habe seine Mutter ihm gesagt, dass über ihn eine Strafe verhängt werden würde, sobald er wieder im Iran wäre. Vor sechs Jahren sei wegen dem Brautgeld auch ein Urteil vom Familiengericht oder vom Revolutionsgericht ergangen. Er werde versuchen eine Abschrift davon zu bekommen und diese dann vorlegen. Er habe vermieden über seinen wahren Fluchtgrund, diese familiäre Angelegenheit, zu sprechen. Er habe nicht darüber sprechen wollen. Zudem habe er befürchtet, dass dieses Vorbringen nicht gelten würde oder unglaubwürdig sei und man ihn deshalb in den Iran zurückschicke.
Der Beschwerdeführer gab weiters an, zu den Zeugen Jehovas zu gehören, seit er in Österreich sei. In der Steiermark habe er an mehreren Sitzungen teilgenommen und in XXXX habe er auch über diese Religion Reden gehalten.
Zu den in der Beschwerdeverhandlung auf Grundlage von Länderberichten erörterten Verhältnissen im Iran gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.
In der Beschwerdeverhandlung wurde weiters der Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 18.11.2019 wegen des Verdachtes des Sozialleistungsbetruges gemäß § 146 StGB erörtert und dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen 14 Tagen Unterlagen zum (allfälligen) weiteren Verfahren hierzu vorzulegen.
Auf eine gesonderte bzw. weitere Verhandlung verzichteten der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung ausdrücklich.
7. Mit Verfügung vom 24.06.2021, W108 2181054-1/25Z, welche dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt wurde, gab das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer im Wege des Parteiengehörs Gelegenheit, innerhalb einer Frist von zwei Wochen sein Vorbringen zur Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (insbesondere im Hinblick auf das Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens und den Grad der Integration in Österreich) unter Vorlage entsprechender Nachweise zu aktualisieren und, ebenfalls unter Vorlage entsprechender Nachweise, darzulegen, ob er gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfülle oder er eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübe, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG], BGBl. Nr. 189/1955) erreicht werde sowie zur aktuellen Länderinformation der Staatendokumentation zum Iran (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran, Version 2, mit letzter Änderung vom 28.01.2021) schriftlich Stellung zu nehmen.
Dieses Parteiengehör blieb vom Beschwerdeführer unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:
COVID-19
Letzte Änderung: 28.01.2021
Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist nun auch von einer dritten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind dabei kaum auszumachen, da das Ansteckungsrisiko flächendeckend sehr hoch ist. Städte und Provinzen sind je nach Infektionszahlen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt (rot = kritische Situation, orange = hohes Risiko, gelb = geringes Risiko) (AA 1.12.2020). Die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, und weiter steigenden Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist auch im Steigen begriffen (WKO 28.11.2020). Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 1.12.2020). Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten (WKO 28.11.2020). Die Spitäler kämpfen mit Überlastung (WKO 28.11.2020; vgl. ZDF.de 18.10.2020). Für alle der 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die Situation als sehr besorgniserregend (WKO 28.11.2020).
Personen, die in den Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 96 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 1.12.2020; vgl. AA 1.12.2020). Positiv auf COVID-19 getestete Passagiere werden in ein Krankenhaus in Teheran oder andere Isolationsstationen verbracht (AA 1.12.2020).
Seit 21. November 2020 gilt für alle Provinzhauptstädte und zahlreiche weitere Städte ein zunächst zweiwöchiger Lockdown mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020), obwohl sich die iranische Regierung - aus Angst vor Protesten - lang gegen einen Lockdown gewehrt hat (DW 18.11.2020). Der Reiseverkehr zwischen diesen rot eingestuften Städten ist grundsätzlich untersagt. In Teheran gilt von 21 Uhr bis 4 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020). Ab 22 Uhr gilt dies auch für den öffentlichen Nahverkehr. Taxis verkehren auch nach 22 Uhr (AA 1.12.2020). Es kommt – abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen – ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 1.12.2020). Im Alltag ist derzeit vor allem in orangen und roten Regionen wieder mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vorübergehend werden weitergehende Beschränkungen eingeführt (z.B. Schließungen von Restaurants, Sporteinrichtungen, religiösen Einrichtungen usw.). Einrichtungen für den essentiellen Lebensbedarf wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Davon sind u.a. Teheran sowie der Großteil der Provinzhauptstädte und weitere Großstädte betroffen. In roten Regionen bleiben Touristenziele teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 1.12.2020). Behörden bleiben geöffnet, werden aber nur mit einem Drittel der üblichen Mitarbeiter besetzt (DW 18.11.2020). In allen Schulen und Universitäten wird auf Fernunterricht umgestellt (WKO 28.11.2020; vgl. DW 18.11.2020).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und öffentliche Transportmittel zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr (AA 1.12.2020; vgl. WKO 28.11.2020). Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 1.12.2020).
Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 28.11.2020).
Politische Lage
Letzte Änderung: 28.01.2021
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 9.2020a; vgl. BS 2020).
Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 4.3.2020). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden.
Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 9.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 9.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 9.2020a, FH 4.3.2020, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 9.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 9.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden.
Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 9.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 9.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 9.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen.
Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 28.01.2021
Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 2.12.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 2.12.2020; vgl. AA 2.12.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 2.12.2020b).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 2.12.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.
Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 2.12.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 2.12.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 2.12.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen).
Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 2.12.2020).
Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2020).
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 28.01.2021
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2020). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BS 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (USDOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ [divine knowledge] für schuldig befinden (USDOS 11.3.2020).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die „Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BS 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte: - Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere „Feindschaft zu Gott“ und „Korruption auf Erde“; - Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen; - Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers; - Spionage für fremde Mächte; - Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel; - Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018). Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020).
Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann (ÖB Teheran 10.2020). Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020). Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann also der ursprünglich Verletzte auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen.
Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019). Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidig