Entscheidungsdatum
28.07.2021Norm
AVG §39 Abs2Spruch
W116 2244051-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 10.05.2021, Grundbuchnummer: XXXX , betreffend Einberufungsbefehl, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit beschwerdegegenständlichen Bescheid des Militärkommandos Wien wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 05.07.2021 zur Leistung des Grundwehrdienstes in der Dauer von sechs Monaten einberufen und festgestellt, er sei ab 00:00 Uhr dieses Tages Soldat. Er wurde aufgefordert sich am 05.07.2021 bis 11:00 Uhr bei der 1. Gardekompanie/Garde in 1130 Wien, MARIA THERESIEN Kaserne, Am Fasangarten 2 einzufinden und es wurde festgestellt, dass der Einberufungsbefehl seine Rechtswirksamkeit verliere, wenn ein rechtliches Einberufungshindernis zum Einberufungstermin vorliege. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mittels Hinterlegung mit 17.05.2021 zugestellt.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 16.06.2021 Beschwerde, er habe Anfand Juni die Matura positiv absolviert steuere die Aufnahmeprüfung für das Studium der Humanmedizin an und habe für Biologie inskribiert.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.06.2021 wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Der Bescheid sei am 17.05.2021 rechtswirksam zugestellt worden, die vierwöchige Beschwerdefrist habe somit am 14.06.2021 geendet, weshalb die am 16.06.2021 eingebrachte Beschwerde verspätet gewesen sei.
4. Mit Schreiben vom 28.06.2021 wurde seitens des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt. Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus er habe eine Gewehr-Phobie entwickelt und leide stark unter seiner Pollenallergie. Weiters beantragte er eine mündliche Verhandlung sowie einen befristeten Aufschub des Einrückungsbefehls auf Oktober 2021.
5. Das Militärkommando Niederösterreich legte mit Schreiben vom 05.07.2021 den Vorlageantrag samt bezugshabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der unter Punkt I. genannte Verfahrensgang steht fest.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und sind soweit unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt nach Z 1 in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.
Der Beginn von Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren (nach "Kalenderzeiträumen") bemessen sind, hat weder im AVG noch im FristenÜb eine ausdrückliche Regelung erfahren. Aus dem AVG geht aber doch hervor, dass auch solche Fristen an dem Tag beginnen, auf den das fristauslösende Ereignis (z.B. die Zustellung des Bescheides (vgl. § 63 Abs. 5 AVG) oder das Einlangen des Antrages fällt (vgl. VwGH vom 17.01.1990, Zl. 89/03/0003; 22.05.1990, Zl. 90/11/0089; Hellbling 217; Hengstschläger RZ 250; Mannlicher/Quell AVG § 32 Anm. 3; Thienel/Schulev-Steindl 141; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger RZ 234; ferner etwa auch VwGH vom 10.09.1998, Zl. 98/20/0347; Art 3 Abs. 1 FristenÜb: "dies a quo"). Dies wird von § 32 Abs. 1 AVG nämlich offenkundig vorausgesetzt und daher darin angeordnet, dass dieser Tag bei einer nach Tagen bestimmten Frist nicht mitzuzählen ist. Dementsprechend hat der VwGH ausgesprochen, dass sich aus dem Zusammenhalt von § 32 Abs. 2 AVG und Art 3 Abs. 1 FristenÜb ergibt, "dass nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen an dem Tag, und zwar um 24:00 Uhr dieses Tages, zu laufen beginnen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat (VwGH vom 17.01.1990, Zl. 89/03/0003 vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I, 2. Ausgabe 2014, § 32 AVG, RZ 12).
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Nach Abs. 2 ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember fällt, der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen. Gemäß Abs. 3 werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet. Gemäß Abs. 4 können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen nicht geändert werden.
Eine nach Wochen bestimmt Frist endet demnach um Mitternacht (24:00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH vom 18.10.1996, Zl. 96/09/0153 mwN).
3.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:
Aus dem Akteninhalt ergibt sich unzweifelhaft, dass der im Spruch genannte Bescheid dem Beschwerdeführer am Montag, den 17.05.2021 durch Hinterlegung zugestellt und sohin rechtswirksam erlassen wurde.
Ausgehend davon endete die vierwöchige Beschwerdefrist sohin mit Ablauf des Montags, den 14.06.2021. Die am 16.06.2021 per E-Mail übermittelte Beschwerde ist daher verspätet eingebracht worden.
Im Vorlageantrag des Beschwerdeführers wird nichts vorgebracht, was Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges bzw. des Beginnes und Ablaufes der Rechtsmittelfrist aufkommen ließe. Der Beschwerdeführer monierte lediglich, dass eine inhaltliche Prüfung seiner Beschwerde nicht erfolgte.
Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde demnach zu Recht mittels Beschwerdevorentscheidung als verspätet zurückgewiesen.
3.3. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten:
Die belangte Behörde war aufgrund von § 14 Abs. 1 VwGVG zur Zurückweisung der verspäteten Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung berechtigt. Die Behörde machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und wies die Beschwerde innerhalb der zweimonatigen Frist (§ 14 Abs. 1 VwGVG) als verspätet zurück. Infolge des vom Beschwerdeführer fristgerecht gestellten Vorlageantrags hatte nunmehr das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde zu entscheiden. Da die Beschwerde verspätet war, hatte sie das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der gegenständliche Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt. Dies hat die Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheids (also des Bescheids vom 18.08.2020) festgestellt wird (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026.)
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist im Verwaltungsverfahren das sogenannte „Überraschungsverbot“ zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Daraus folgert der Verwaltungsgerichtshof, dass der Partei eine Verspätung eines Rechtsbehelfs vorzuhalten ist, und zwar selbst eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung eines Rechtsbehelfs. Die zum „Überraschungsverbot“ entwickelten Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich, weil von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs 3 AVG zu beachten sind (vgl. mwN VwGH 18.06.2020, Ra 2019/10/0080).
Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde anzulasten, dass sie einen derartigen „Verspätungsvorhalt“ unterlassen hat. Dieser Verfahrensmangel konnte jedenfalls durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren saniert werden; (vgl. z. B. VwGH 26.02.2019, Ra 2019/06/0011).
Nach VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069, ist eine Verletzung des Parteiengehörs durch die Verwaltungsbehörde dann als saniert anzusehen, wenn die Partei Gelegenheit gehabt hat, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens im Rechtsmittel gegen den Bescheid Stellung zu nehmen. Dies setzt voraus, dass der Partei unter anderem durch die Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheids Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft wurde, die ihr eigentlich im Rahmen des Parteiengehörs zu vermitteln gewesen wären. Davon ausgehend bedarf es gegenständlich keines „Verspätungsvorhalts“ durch das Bundesverwaltungsgericht, weil die der rechtlichen Würdigung des vorliegenden Beschlusses zugrundeliegenden Sachverhaltselemente auch der – dem Beschwerdeführer zugestellten – Beschwerdevorentscheidung zugrunde lagen, sodass sie ihm bekannt waren. Er hatte zudem in Gestalt des Vorlageantrags die Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Sachverhaltselementen zu äußern, was er auch tat. Der vom Beschwerdeführer erstattete Vorlageantrag enthält inhaltliche Ausführungen (§ 15 VwGVG), mit denen er allerdings nicht aufzuzeigen vermag, dass er rechtzeitig Beschwerde erhoben hätte. Dem Zweck des „Überraschungsverbots“ wurde somit – auch ohne „Verspätungsvorhalt“ durch das Bundesverwaltungsgericht – vollständig entsprochen.
Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – trotz eines entsprechenden Antrages – eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage geklärt erscheint. Zudem ist in § 24 Abs. 2 VwGVG explizit geregelt, dass eine Verhandlung entfallen kann, wenn – wie gegenständlich – die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Hinterlegung Parteiengehör Rechtsmittelfrist Überraschungsverbot Verspätung Verspätungsvorhalt Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W116.2244051.1.00Im RIS seit
22.09.2021Zuletzt aktualisiert am
22.09.2021