TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/28 95/04/0003

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Veröffentlicht am 28.01.1997
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §13 Abs3;
GewO 1994 §87 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der A in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. November 1994, Zl. IIa-53.033/20-92, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. November 1994 wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Friseur und Perückenmacher" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 entzogen. Zur Begründung wurde - nach Darlegung der wesentlichen Verfahrensergebnisse und der maßgebenden Rechtslage - ausgeführt, mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. April 1992, n1/92, sei ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung seien demnach gegeben. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die Tiroler Gebietskrankenkasse, das Finanzamt Innsbruck und die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft kein Interesse an der weiteren Gewerbeausübung hätten. Das Finanzamt Innsbruck habe in seiner Stellungnahme vom 6. Juli 1994 erklärt, daß sich die aushaftenden Steuerschulden der Beschwerdeführerin trotz ständiger Exekutionsmaßnahmen infolge Nichtbezahlung der laufenden Umsatzsteuern seit der letzten Stellungnahme (27. Dezember 1993) um rund S 65.000,-- erhöht hätten. Der Rückstand der Beschwerdeführerin gegenüber der Tiroler Gebietskrankenkasse habe für die Beiträge Jänner 1994 bis Mai 1994 S 54.480,06 betragen; mit diesem Gläubiger bestehe keine Ratenvereinbarung. Die Beschwerdeführerin habe die mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eingegangene Ratenvereinbarung nicht eingehalten, sodaß laut einem Schreiben dieses Gläubigers vom 7. Juli 1994 ein Beitragsrückstand von S 162.156,94 entstanden sei. Zu dem Schreiben vom 19. August 1994, mit dem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die genannten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zur Stellungnahme - insbesondere auch zum Interesse der Gläubiger an einer weiteren Gewerbeausübung - vorgehalten habe, sei keine Äußerung der Beschwerdeführerin eingelangt. Die Hauptgläubiger hätten in ihren Stellungnahmen ein Interesse an einer weiteren Gewerbeausübung der Beschwerdeführerin verneint.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichtentziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 bei Erfüllung der dort angeführten Tatbestandsvoraussetzungen verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid eine Beweiswürdigung und konkrete Feststellungen unterlassen. Es sei nicht davon auszugehen, daß der Inhalt der (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Gläubigerkorrespondenz die unwiderlegbare Wahrheit darstelle. Auch die Abs. 5 und 6 auf der Seite 8 des angefochtenen Bescheides würden keine Feststellungen darstellen. Vor allem fehle jede Beweiswürdigung. Daß sie aufgrund des Schreibens der belangten Behörde vom 19. August 1994 keine Stellungnahme abgegeben habe, bedeute noch nicht, daß die Gläubigerkorrespondenz inhaltlich richtig sei. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde sei aber im Hinblick auf die fehlende Beweiswürdigung und die unterlassenen Feststellungen nicht überprüfbar. Aus diesem Grunde dürfe eine Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht erfolgen, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 "möglicherweise noch nicht erwiesen sind". Ein subjektives Interesse der Gläubiger an der Entziehung bzw. der Nichtentziehung sei jedenfalls nicht maßgeblich. Auch wenn (nach der hg. Judikatur) die Gewerbeberechtigung zu entziehen sei, wenn fällige Forderungen nicht bezahlt werden könnten, seien die Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend, um diese Frage eindeutig beantworten zu können. Aufgrund der mangelnden Feststellungen könne auch nicht abgeklärt werden, ob allenfalls die Bestimmung des § 87 Abs. 3 GewO 1994 anzuwenden und die Gewerbeberechtigung nur auf eine bestimmte Zeit zu entziehen sei.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361) die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.

Zunächst ist festzuhalten, daß das Vorliegen der Voraussetzung für die Entziehung der Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GewO 1994 in der Beschwerde nicht bestritten wird und sich auch aus dem angefochtenen Bescheid und dem Beschwerdevorbringen kein Anhaltspunkt für die Annahme ergibt, daß dies nicht der Fall wäre. Es geht daher im vorliegenden Beschwerdefall ausschließlich darum, ob die belangte Behörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 anzunehmen gehabt hätte.

Nach der genannten Gesetzesstelle kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist - ausgehend vom normativen Gehalt der zitierten Bestimmung - die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn aufgrund seiner nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon alleine entscheidungsrelevant, daß das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Juli 1996, Zl. 96/04/0098, und vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0178).

Bei der Beurteilung, ob das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist, geht es ausschließlich darum, daß die Zahlungspflichten gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen bei Fälligkeit erfüllt werden. Es muß also die pünktliche Erfüllung aller Zahlungspflichten bei Fälligkeit erwartet werden können. Solange eine solche Erwartung nicht besteht, kommt einer, den Abbau von Schulden in sich schließenden Unternehmensentwicklung keine Relevanz zu. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 leg. cit. ist - wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits wiederholt dargelegt hat - nach objektiven Kriterien zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0074, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß das (von der belangten Behörde) durchgeführte Ermittlungsverfahren aufgrund der eingeholten Stellungnahmen der Gläubiger ergeben hat, daß die Beschwerdeführerin weder hinsichtlich aller gegen sie bestehenden Forderungen Zahlungsvereinbarungen abgeschlossen hat, noch daß sie die getroffenen Zahlungsvereinbarungen (gegenüber allen Gläubigern) pünktlich erfüllt. Dieses Ermittlungsergebnis wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde (mit Schreiben vom 19. August 1994) unter Fristsetzung zur Stellungnahme vorgehalten. Die Beschwerdeführerin hat jedoch keine Stellungnahme abgegeben und ist damit diesem ihr vorgehaltenen Sachverhalt (Ermittlungsergebnis) nicht entgegengetreten. Auch in der Beschwerde wird in dieser Hinsicht weder eine tatsächliche Unrichtigkeit des vorgehaltenen Sachverhaltes auch nur behauptet, noch vermag die Beschwerdeführerin darzulegen, welche Erwägungen die belangte Behörde zu einer anderen Einsicht hätten führen können. Wenn die belangte Behörde angesichts dieser unstrittigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens demnach zu der Einsicht gekommen ist, daß die Erklärungen der Gläubiger in tatsächlicher Hinsicht richtig seien und der sich aus diesen Erklärungen ergebende Sachverhalt dem angefochtenen Bescheid zugrunde zu legen sei, kann diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig erachtet werden. Die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Beschwerdeausführungen zeigen somit weder Mängel der Beweiswürdigung noch relevante Feststellungs- und Begründungsmängel auf.

Ausgehend von dieser Sachlage, wonach die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 (von der Beschwerdeführerin) nicht erwiesen wurden, vermag der Verwaltungsgerichtshof aber die erfolgte Entziehung der Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, daß "allenfalls die Bestimmung des § 87 Abs. 3 GewO" anzuwenden gewesen wäre, ist zu erwidern, daß bei Nichtvorliegen eines vorwiegenden Gläubigerinteresses an der Gewerbeausübung im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1994 keine gesetzliche Handhabe für die Heranziehung der Regelung des § 87 Abs. 3 leg. cit. besteht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 15. Juni 1987, Zl. 86/04/0186, Slg. NF Nr. 12.490/A, und das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/04/0254).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt wurde, zu welchem anderen Ergebnis der Verwaltungsgerichtshof diesfalls in sachverhaltsmäßiger Hinsicht kommen hätte sollen. Auch die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens lassen erkennen, daß eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995040003.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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