TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/16 W154 2241995-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W154 2241995-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 619334106-210505501 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 13.01.2013 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2013 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der BF aus Österreich ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.07.2013 als unbegründet abgewiesen.

2. Am 21.07.2014 wurde dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt und am 02.05.2015 eine „Rot-weiß-rot-Karte plus“ ausgestellt.

3. In weiterer Folge wurde der BF mehrfach straffällig.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 30.11.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2019 als verspätet zurückgewiesen.

5. Am 20.04.2020 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.06.2020 vollinhaltlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.10.2020 als unbegründet abgewiesen.

6. Am 13.01.2021 stellte der BF einen weiteren Asyl-Folgeantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.02.2021 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben, mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.03.2021 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29.04.2021 ab.

7. Das Bundesamt erließ am 08.04.2021 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG einen den BF betreffenden Festnahmeauftrag. Am 15.04.2021 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und festgenommen. Am 16.04.2021 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er nicht in seinen Herkunftsstaat einreisen könne, da er im Internet schlechte Sachen über den Präsidenten geschrieben habe. Er leide an psychischen Problemen und befinde sich in einem Substitutionsprogramm. Er wohne an seinem gemeldeten Hauptwohnsitz gemeinsam mit seinen Eltern, vier Brüdern und einer Schwester. Eine seiner Schwestern wohne nicht an dieser Adresse, sie habe eine andere Wohnung. Er besitze EUR 2.600,-- und könne von seinen Eltern Geld ausleihen. Bei seiner Entlassung aus der Anhaltung werde er bei seinen Eltern wohnen. Er wisse nichts über die Abschiebepapiere, da er ansonsten Beschwerde dagegen eingereicht hätte.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.04.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Das Bundesamt führte dabei im Wesentlichen aus, dass gegen den BF auf Grund wiederholter Straffälligkeit eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei. Der BF halte sich illegal in Österreich auf und habe bereits zwei Abschiebungen vereitelt, da er untergetaucht und an seiner Meldeadresse für die Behörde nicht erreichbar sei. Obwohl der BF gesetzlich zur Ausreise verpflichtet gewesen sei, habe er die Ausreise verweigert und stattdessen neuerlich einen Asylantrag gestellt. Auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 4, 5 und 9 FPG liege im Fall des BF Fluchtgefahr vor. Der BF verfüge zwar über eine Meldeadresse sowie über Familienangehörige in Österreich, doch habe sein bisheriges Verhalten gezeigt, dass er für die Behörde nicht greifbar sei. Durch die russische Vertretungsbehörde sei bereits ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt worden. Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Da der BF bereits zwei geplante Abschiebungen vereitelt habe, indem er für die Behörden nicht greifbar gewesen sei und Zustellversuche durch die Polizei das dritte Asylverfahren betreffend erfolglos geblieben seien, komme die Anwendung eines gelinderen Mittels im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 16.04.2021 zugestellt, wobei der BF die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides verweigerte.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2021, W250 2241995-1/11E, wurde eine Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft abgewiesen und ein Fortsetzungsausspruch erlassen.

10. Am 09.08.2021 erfolgte seitens des Bundesamtes die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Der Aktenvorlage wurde die seitens des Bundesamtes erstattete Stellungnahme vom 06.08.2021 zugrunde gelegt. Darin wies das Bundesamt im Wesentlichen darauf hin, dass bereits ein Abschiebetermin für 20.08.2021 feststehe und auch die Zustimmung für ein HRZ vorliege, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass eine Abschiebung zeitnah erfolgen werde.

11. Dem BF wurde die Stellungnahme am 03.08.2021 zum Parteiengehör übermittelt. Der BF sah von der Erstattung einer Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung vom 19.05.2021, W250 2241995-1/11E, werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die Stellungnahme des BFA vom 06.08.2021.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Festgestellt wird, dass das Bundesamt angemessene Anstrengungen zur Erlangung eines HRZ für den Beschwerdeführer unternommen hat. Die Ausstellung eines HRZ für den BF sowie dessen zeitnahe Außerlandesbringung ist im höchsten Maße wahrscheinlich.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidung.

Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates ergeben sich aus der Stellungnahme des BFA anlässlich der Aktenvorlage. Daraus ist ersichtlich, dass die Abschiebung des BF für den 20.08.2021 fixiert ist und auch die Zustimmung für ein Heimreisezertifikat vorliegt.

Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, der keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen seit der letzten Überprüfung zu entnehmen ist. Gegenteiliges wurde vom BF auch nicht vorgebacht.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

§§ 76, 77 und 80 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:

Schubhaft (FPG)

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Dauer der Schubhaft (FPG)

„§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt – ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG – einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakten rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Der BF befindet sich seit 16.04.2021 in Schubhaft, die gegenständliche viermonatige Frist ist ab diesem Zeitpunkt zu berechnen und endet daher am 16.08.2021.

3.1.4. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung vor.

3.1.5. Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF war für das Bundesamt an seiner Meldeadresse nicht greifbar. Spätestens seit Ende November 2020 hielt er sich nicht mehr an seiner Meldeadresse auf und erschwerte dadurch seine Abschiebung. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist daher erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG zu berücksichtigen ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde, gemäß § 76 Abs. 3 Z. 4 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt.

Der BF stellte seine Asylfolgeanträge am 20.04.2020 und am 13.01.2021 jeweils zu einem Zeitpunkt, in dem eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, der faktische Abschiebeschutz auf Grund des Asylfolgeantrages vom 13.01.2021 wurde darüber hinaus aberkannt. Es sind daher die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z. 4 und 5 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Der BF hält sich seit seinem 13. Lebensjahr in Österreich auf, seine Kernfamilie und weitere Familienangehörige leben in Österreich. Er hat somit familiäre und freundschaftliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, er ist jedoch nicht selbsterhaltungsfähig. Trotz seines familiären und sozialen Umfeldes ist der BF in Österreich massiv straffällig geworden und konnte seinen tatsächlichen Aufenthaltsort vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und dem Bundesamt verbergen, sodass insgesamt keine Umstände vorliegen, die den BF bisher zu rechtskonformem Verhalten – insbesondere im Hinblick auf seine fremdenrechtlichen Verpflichtungen – bewegen konnten. Im Verfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die es hinkünftig wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der BF nicht neuerlich untertaucht und seine Abschiebung erneut vereitelt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nahmen bei jedem Versuch, den BF an seiner Meldeadresse anzutreffen, Kontakt mit Familienmitgliedern des BF auf. Trotzdem war es faktisch unmöglich, den BF festzunehmen oder dazu zu bewegen, persönlich bei der Polizeiinspektion zu erscheinen.

Es ist daher von keinen Umständen auszugehen, die auf Grund des familiären und sozialen Umfeldes des BF gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen oder die diese auch nur geringfügig vermindern könnten.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG auch zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Der BF hat seinen tatsächlichen Aufenthaltsort vor den Fremdenbehörden verschleiert und dadurch seine Abschiebung behindert. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt ist daher insgesamt auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche – unter Zugrundelegung der Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2021 hinsichtlich der Verheimlichung seines tatsächlichen Aufenthaltsortes - ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist.

Es ist daher auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

In Österreich befindet sich zwar die Kernfamilie des BF, doch wohnt der BF tatsächlich nicht bei seiner Familie und verheimlichte seinen tatsächlichen Aufenthaltsort vor der Fremdenbehörde, wodurch er seine Abschiebung behinderte. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und besitzt keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist insgesamt fünf rechtskräftige Verurteilungen in Österreich auf, wobei er insbesondere acht strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, eine strafbare Handlung gegen die Freiheit, drei strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen und drei strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt begangen hat. Der Zeitraum, in dem der BF die seinen Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen begangen hat, erstreckt sich von 04.05.2014 bis zum 19.01.2019. Bemerkenswert ist dabei, dass er weder durch rechtskräftige Bestrafungen noch durch das Verspüren des Haftübels von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden konnte und überdies wiederholt einschlägige Straftaten beging. Besonders zu berücksichtigen ist hier auch der Umstand, dass der BF wiederholt das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt begangen hat und damit zeigt, dass er keine Scheu hat, Straftaten gegenüber Personen zu verüben, gegenüber denen eine besonders hohe Hemmschwelle vorhanden sein müsste.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Auch der Gesundheitszustand des BF spricht nicht gegen die Aufrechterhaltung der Schubhaft, da bislang keine Umstände hervorgekommen sind, die die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig erscheinen ließen.

Der BF befindet sich seit 4 Monaten in Schubhaft. Gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FPG beträgt die Schubhafthöchstdauer für volljährige Fremde grundsätzlich sechs Monate. Im Falle des Vorliegens eines Tatbestandes der Ziffern 1 bis 4 des § 76 Abs. 3 FPG kann die Schubhaft für höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hat sich das Bundesamt angemessen um die Abschiebung des BF bemüht, diese ist für den 20.08.2021 fixiert und auch die Zustimmung für ein Heimreisezertifikat liegt vor, die zeitnahe Außerlandesbringung des BF ist im höchsten Maße wahrscheinlich.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF ist nicht damit zu rechnen, dass er diesem nachkommen werde.

Der BF gab vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.04.2021 an, dass er nicht in die Russische Föderation zurückkehren könne und bekräftigte diese Angaben auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 05.05.2021. Dass er seit dem Jahr 2018 verpflichtet ist, Österreich zu verlassen, negiert der BF. Er gab im Verfahren mehrfach an, dass er den diesbezüglichen Bescheid nicht kenne, da ihm dieser nicht zugestellt worden sei. Aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich jedoch, dass der BF gegen den diesbezüglichen Bescheid Beschwerde erhoben hat, dass diese jedoch als verspätet zurückgewiesen wurde.

Zusammengefasst ergibt sich daher, dass der BF nicht bereit ist, in seinen Herkunftsstaat auszureisen.

In der mündlichen Verhandlung am 05.05.2021 nach seiner Bereitschaft zur Befolgung eines gelinderen Mittels befragt, gab der BF zwar an, dass er einem gelinderen Mittel nachkommen werde, doch erscheint dies insofern nicht glaubhaft, als er gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angegeben hat, keine Ladung des Bundesamtes bei der Polizei zu beheben, da er der Polizei nicht vertraue. In der mündlichen Verhandlung auf diesen Umstand angesprochen antwortete der BF lediglich ausweichend und konnte nicht den Eindruck vermitteln, dass er tatsächlich zu einer Kooperation mit den Fremdenbehörden bereit ist. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass der BF noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung behauptete, tatsächlich an seiner Meldeadresse aufhältig zu sein. Diesen Angaben kommt jedoch – wie in der Beweiswürdigung des Vorerkenntnisses dargelegt – keine Glaubhaftigkeit zu. Da der BF sogar in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Gericht falsche Angaben zu seinem tatsächlichen Aufenthaltsort gemacht hat, kommt ihm keinerlei Vertrauenswürdigkeit zu, die jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Anordnung eines gelinderen Mittels ist.

Es ist daher auch weiterhin nicht davon auszugehen, dass der BF auf freiem Fuß für die Behörde greifbar sein und einem gelinderen Mittel nachkommen wird.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, die Außerlandesbringung des BF zu sichern.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W154.2241995.2.00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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