Entscheidungsdatum
18.08.2021Norm
ASVG §18aSpruch
W164 2228134-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 29.08.2019, GZ HVBA / XXXX , mit dem das Ende der Berechtigung zur Selbstversicherung nach § 18a ASVG in der Pensionsversicherung per 31.12.2018 ausgesprochen und eine Berechtigung zur Selbstversicherung ab 01.01.2019 implizit verneint wurde, nach einer Beschwerdevorentscheidung vom 15.05.2020 beschlossen:
A)
Das Verfahren wird gem. § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) aus, dass die Berechtigung der Beschwerdeführerin (im folgenden BF) zur Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG mit 31.12.2018 ende. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Arbeitskraft der BF werde seit dem genannten Datum nicht mehr überwiegend für die Pflege des behinderten Kindes beansprucht, da das Kind in einem Internat betreut werde.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, sie müsse sich nach wie vor hauptverantwortlich um das Wohlergehen des mehrfach behinderten Sohnes XXXX kümmern. Dieser erkenne aufgrund seiner inkompletten Querschnittlähmung und seiner kognitiven Schwäche Verletzungen und Erkrankungen nicht. Ärzte hätten vor Nierenfunktionsverlust gewarnt. Im Sinne einer höchstmöglichen Persönlichkeitsentwicklung sei der Sohn nun für drei Jahre bei XXXX in der Anlehre. Er sei von Sonntagabend bis Freitagnachmittag im angeschlossenen Internat untergebracht. Dies sei Teil seiner beruflichen Persönlichkeitsentwicklung. Nach Ablauf dieser drei Jahre werde der Sohn wieder zu Hause wohnen und von dort aus eine beruflichen Tätigkeit anstreben. Von Freitagmittag bis Sonntag betreue sie ihn daheim wie bisher.
Die PVA legte den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und beantragte zunächst die Abweisung der Beschwerde.
Mit Schreiben vom 31.07.2020 gab die PVA bekannt, dass die BF klaglos gestellt worden sei: Ihr sei mit einem nachfolgenden Bescheid, der Rechtskraft erlangte, auch für die hier gegenständliche Zeit die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung zuerkannt worden. Die PVA legte dazu einen als Beschwerdevorentscheidung bezeichneten Bescheid vom 15.05.2020 vor, mit dem dem Antrag der BF vom 21.10.2004 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeit ab 01.11.2004 bis laufend stattgegeben wurde und gleichzeitig die Beiträge zur Selbstversicherung für die Jahre 2004 bis 2020 festgestellt wurden.
Das Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführerin die diesbezüglichen Dokumente im Sinne eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis und bot ihr die Möglichkeit der Stellungnahme. Die BF brachte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Hinsichtlich der Feststellungen des Sachverhaltes wird auf die in Punkt I. (Verfahrensgang) gemachten Ausführungen verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Einsichtnahme in das Schreiben der PVA vom 31.07.2020 samt angeschlossener Beschwerdevorentscheidung sowie durch Einräumung des schriftlichen Parteiengehörs an die BF. Da die BF keine Stellungnahme eingebracht hat, kann davon ausgegangen werden, dass ihr die genannte Beschwerdevorentscheidung vom 15.05.2020 bekannt ist und sie den Vorbringen der PVA vom 31.07.2020 bezüglich der Rechtskraft dieser Beschwerdevorentscheidung nichts entgegenzusetzen hat. Der Sachverhalt ist daher soweit hier wesentlich unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Gegenständlich wurde kein Antrag auf eine Senatsentscheidung gestellt; es liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
§ 14 VwGVG lautet:
(1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Die Beschwerdevorentscheidung derogiert dem Ausgangsbescheid endgültig (vgl. VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185).
Eine nach Ablauf der sich aus § 14 ergebenden Frist ergangene Beschwerdevorentscheidung ist infolge Unzuständigkeit der Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet, sodass sie im Fall der Erhebung eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu beheben ist und über die Beschwerde zu entscheiden ist (vgl. Eder/Marschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, RZ K7 zu § 14 VwGVG).
Hengstschläger-Leeb führt zu § 64a AVG – diese Bestimmung ist der hier vorliegenden soweit hier wesentlich vergleichbar – folgendes aus:
Im Zeitpunkt, in dem die Kompetenz zur Erledigung der Berufung(en) infolge Fristablaufs oder Vorlage auf die nächste Instanz übergeht, verliert die Behörde, deren Bescheid angefochten wurde, die Zuständigkeit zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung. Eine dennoch von ihr (verspätet) getroffene Entscheidung stammt von der unzuständigen Behörde, ist aber trotz dieser Rechtswidrigkeit gültig und wirksam. Sie erwächst, wenn sie nicht rechtzeitig mit einem zulässigen Vorlageantrag (Rz 29ff) bekämpft wird, in Rechtskraft und schafft über die (alle) Berufung(en) res iudicata (VwSlg 14.159 A/1994; VwGH 4. 11. 1996, 96/10/0109; vgl auch Hengstschläger3 Rz 507; Mannlicher/Quell, Ergänzungsheft, VStG § 51b Anm 2; Thienel, ÖGZ 1991/2, 7; ders, Verfahren 272; Walter/Mayer Rz 534/4).
Trotz des Übergangs der Zuständigkeit steht die verspätete Berufungsvorentscheidung einer Entscheidung der im Instanzenzug übergeordneten Behörde entgegen. Diese kann über die Berufung nur absprechen, wenn von einer der Parteien des Verfahrens ein entsprechender Vorlageantrag gegen die Berufungsvorentscheidung erhoben wurde (zur Möglichkeit der Nichtigerklärung von Bescheiden unzuständiger Berhörden vgl § 68 Abs 4 Z 1 AVG). Ohne Vorlageantrag wäre ihr Bescheid, weil er von der unzuständigen Behörde stammte, rechtswidrig. Er wäre aber ebenfalls gültig und wirksam und würde, sofern er nicht mit dem jeweils dagegen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel (Beschwerde an den VwGH oder an den VfGH wegen Verletzung von Art 83 Abs 2 B-VG [VfSlg 6744/1972; 10.086/1984, 14.467/1996], eventuell – bei einem dreigliedrigen Instanzenzug – Berufung) bekämpft wird, als „lex posterior“ die Berufungsvorentscheidung verdrängen (Hengstschläger3 Rz 507).Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a (Stand 1.7.2007, rdb.at)
Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Im gegenständlichen Fall hat die PVA nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und überdies nach Ablauf der sich aus § 14 VwGVG ergebenden Frist den als Beschwerdevorentscheidung bezeichneten Bescheid vom 15.05.2020 erlassen mit dem (unter anderem) über die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gem. § 18a bezogen auf den Zeitraum ab 01.01.2019, somit über die Sache dieses Verfahrens, entschieden wurde.
Die Beschwerdevorentscheidung vom 15.05.2020 wurde daher - insoweit darin über die Berechtigung der BF zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gem. § 18a ASVG für die Zeit ab 01.01.2019 entschieden wurde- von einer unzuständigen Behörde erlassen.
In der Rechtsmittelbelehrung der genannten Entscheidung vom 15.05.2020 wurde auf die Möglichkeit eines Vorlageantrages hingewiesen. Ein Vorlageantrag gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erhoben. Der Bescheid vom 15.05.2020 wurde rechtskräftig und steht damit einer Entscheidung des im Instanzenzug übergeordneten Verwaltungsgerichts entgegen. Eine weitere Entscheidung in der gleichen Sache ist nicht mehr möglich.
Daher ist das Verfahren beim Verwaltungsgericht durch Beschluss einzustellen und war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die oben angeführten Judikaturnachweise); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gegenstandslosigkeit VerfahrenseinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2228134.1.00Im RIS seit
24.09.2021Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021