Entscheidungsdatum
20.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W116 2234218-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mario DRAGONI über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Heerespersonalamts vom 14.07.2020, Zl. P1540703/2-HPA/2020, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der Behörde behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensgang/Feststellungen:
1. Der Beschwerdeführer leistete seinen ordentlichen Zivildienst vom 01.07.2019 bis 31.03.2020 ab. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur wurde er gemäß § 8a Abs. 6 ZDG zum außerordentlichen Zivildienst zugewiesen und die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes bis 30.06.2020 verlängert. Der Beschwerdeführer beantragte für die Dauer des außerordentlichen Zivildienstes Pauschalentschädigung
2. Mit im Spruch genannten Bescheid wies das Heerespersonalamt den Antrag des Beschwerdeführers ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das ZDG unterscheide zwischen außerordentlichem Zivildienst gemäß § 8a Abs. 6 ZDG unmittelbar nach Abschluss eines ordentlichen Zivildienstes, und dem außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 ZDG. Eine Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie sie dem Wehrpflichtigen zustehe, der gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Wehrgesetz 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leiste, gebühre nach § 34b ZDG jedoch nur Anspruchsberechtigten, die einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 ZDG leisten würden.
3. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 02.09.2020, GZ: W221 2234218-1/2E, als unbegründet ab.
4. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gemäß Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch das angefochtene Erkenntnis.
5. Aus Anlass dieser und weiterer 27 Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs. 1 Z 1 lit b. B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Zeichenfolge „51 Abs. 1,“ in § 34b Abs. 2 ZDG, BGBl. 679/1986(WV), idF BGBl. I 16/2020 ein. Mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 47/2021 ua., hob er die in Prüfung gezogene Zeichenfolge als verfassungswidrig auf. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der im Verfassungsrang stehende § 1 Abs. 5 ZDG, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, nicht nur auf das Verbot beschränken dürfe, Zivildienstleistende zu einer Dienstleistung innerhalb des Bundesheeres heranzuziehen. Der Norm sei – angesichts der vom Verfassungsgesetzgeber angestrebten Entflechtung des Zivildienstes vom Wehrdienst – die Bedeutung zuzumessen, dass grundsätzlich auch die Vollziehung der damit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsaufgaben dem für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesminister entzogen sein müssten. Die Zuständigkeit des Heerespersonalamtes – eines dem Bundesminister für militärische Angelegenheiten organisatorisch untergeordnete Behörde – zur Erlassung von Bescheiden betreffend die Pauschalentschädigung und den Verdienstentgang außerordentlicher Zivildienstleistender stehe mit dem vom Verfassungsgesetzgeber implementierten System nicht in Einklang.
6. Mit Erkenntnis vom 24.06.2021 gab der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde des Beschwerdeführers statt und hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts auf.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG sind vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Dem in Art. 140 Abs. 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren. Im Fall einer Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, der ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (vgl. VfGH 26.11.2018, E3711/2017).
Die gegenständliche Beschwerde ist eine von 28 Beschwerden aus deren Anlass das Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde. Es ist daher die (mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.06.2021 zu G 47-75/2021-8, G184/2021-4, G 194/2021-4) bereinigte Rechtslage anzuwenden.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit der Entscheidung vom 17.06.2021 zu G 47-75/2021-8 u.a. die Zeichenfolge „51 Abs. 1,“ in § 34b Abs. 2 ZDG, BGBl. 679/1986(WV), idF BGBl. I 16/2020 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.08.2021 in Kraft (lt. Berichtigung vom 06.07.2021, G 47/2021-11 ua.).
§ 34 ZDG lautet:
§ 34b.
(1) Der Zivildienstpflichtige, der einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 leistet, hat für die Dauer eines solchen Dienstes Anspruch auf Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie er einem Wehrpflichtigen zusteht, der gemäß § 2 Abs. 1 lit. a WG 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leistet.
(2) Auf die Entschädigung und die Fortzahlung der Dienstbezüge sind die Bestimmung des 6. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen §§ 50, 51 Abs. 1, 54 Abs. 1 bis 5 und 55 anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle der in § 44 Abs. 2 Z 1 HGG 2001 genannten militärischen Dienststelle die Zivildienstserviceagentur.
(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 81 Z 11, BGBl. I Nr. 32/2018)
§ 51 Abs 1 HGG 2001 lautet:
§ 51.
(1) Die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach diesem Bundesgesetz obliegt, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, dem Heerespersonalamt.
Da auf den gegenständlichen Fall die bereinigte Gesetzeslage – wonach der Verweis auf § 51 Abs. 1 HGG 2001 als verfassungswidrig aufgehoben wurde – anzuwenden ist, besteht für die Erlassung von Bescheiden hinsichtlich Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge nach § 34b Abs. 2 ZDG keine Zuständigkeit des Heerespersonalamtes.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Anlassfall außerordentlicher Zivildienst Bescheidbehebung Gesetzesaufhebung Pauschalentschädigung Rechtsanschauung des VfGH unzuständige Behörde verfassungswidrigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W116.2234218.1.00Im RIS seit
24.09.2021Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021