TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/23 W284 2245506-1

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Veröffentlicht am 23.08.2021
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Entscheidungsdatum

23.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs1
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
VwGVG §35

Spruch


W284 2245506-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Klammer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2021, Zl. 1280631507/210943835, sowie die Anhaltung in Schubhaft ab 14.07.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Art 28 Abs. 1 und 2 Dubin-III VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 12.07.2021 in Österreich ein und stellte im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 13.07.2021 wurde der Beschwerdeführer in Österreich erstbefragt im Sinne des Asylgesetzes. Seine erkennungsdienstliche Behandlung ergab weitere EURODAC-Treffer zu Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Belgien und wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung mit diesen Ländern führe.

3. Am 13.07.2021 wurde gegen den Beschwerdeführer seitens des BFA ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG erlassen.

4. Mit gegenständlich angefochtenen Mandatsbescheid des BFA vom 14.07.2021 wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens - nach Belgien (und nicht zur Abschiebung nach Afghanistan) - angeordnet.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Bundesamt aufgrund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers das Vorliegen von erheblichem Sicherungsbedarf annehme. Der Beschwerdeführer erfülle die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1, 6 a und Z 9 FPG und könne weder mit angeordneter Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten noch mit periodischen Meldeverpflichtungen, d.h. mit einem gelinderen Mittel, das Auslangen gefunden werden. Einem geordneten Fremdenwesen komme in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es bestehe die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben gemäß, als auch aufgrund der Verpflichtung, den eigenen Staatsbürgern gegenüber, den geltenden rechtlichen Normen zum Durchbruch zu verhelfen. Im vorliegenden Fall habe die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft ergeben, dass die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers den Interessen des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanstünden. Aufgrund des vorliegenden dringenden Sicherungsbedarfs in Zusammenschau mit der Verhältnismäßigkeit der verhängten Maßnahme sei daher die Schubhaft zu verhängen gewesen.

5. Belgien akzeptierte das von Österreich gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers am 04.08.2021.

6. Mit Bescheid vom 16.08.2021, zugestellt am selben Tag, wurde der in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuständigkeit Belgiens gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Außerlandesbringung angeordnet und seine Abschiebung nach Belgien demzufolge für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführer könne binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben. Der Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu.

7. Mit Schriftsatz vom 17.08.2021 erhob der Beschwerdeführer, rechtsfreundlich vertreten durch RA Dr. Klammer, Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG gegen den Mandatsbescheid vom 14.07.2021.

Die Schubhaftbeschwerde richtet sich - ausschließlich - gegen eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan. Verfahrensgegenständlich ist jedoch eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Belgien, weshalb auf die Wiedergabe der in der Schubhaftbeschwerde dargelegten Beschwerdegründe in Bezug auf Afghanistan – mangels Relevanz – verzichtet werden darf.

Eine Zurückziehung der Beschwerde erfolgte bis zum heutigen Entscheidungszeitpunkt nicht.

8. Stellungnahme vom 19.08.2021 verwies das BFA darauf, dass gegen den Beschwerdeführer eine Anordnung zur Außerlandesbringung ergangen und die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Belgien zulässig sei. Sobald das Verfahren nach Ablauf der Rechtmittelfrist durchführbar sei, werde der Beschwerdeführer nach Belgien abgeschoben werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

1.1. Der BF ist in Österreich unter der Identität XXXX bekannt. Seine Identität und Staatsangehörigkeit stehen nicht fest; er behauptet, Afghane zu sein. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er reiste spätestens am 12.07.2021 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, für dessen Behandlung Belgien, welches das von Österreich unverzüglich gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers am 04.08.2021 akzeptierte, (inhaltlich) zuständig ist. Es finden auch – trotz der COVID-Einschränkungen – regelmäßig Rückführungen nach Belgien statt.

Verfahrensgegenständlich ist demnach die Überstellung des Beschwerdeführers nach Belgien und nicht, wie mit Erhebung der Beschwerde moniert, die Abschiebung nach Afghanistan.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte nicht nur in Österreich, sondern auch in zahlreichen weiteren EU-Staaten Anträge auf internationalen Schutz.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.07.2021 wurde der Beschwerdeführer zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III VO) in Schubhaft genommen und wird seit diesem Datum, d.h. noch keine sechs Wochen, in Schubhaft angehalten.

1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 16.08.2021 als unzulässig zurück und ordnete die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Belgien an. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist gegen diesen Bescheid ist noch nicht verstrichen und endet am 30.08.2021. Bislang erhob der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine aufrechte Wohnsitzmeldung. Er ist mittellos und geht im Bundesgebiet keiner legalen Beschäftigung nach.

1.6. In Österreich befinden sich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers. Er ist weder beruflich noch sozial integriert. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.

1.7. Der Beschwerdeführer ist mit Blick auf seine zahlreichen Asylantragstellungen in den diversen EU-Staaten vertrauensunwürdig und würde im Falle der Entlassung aus der Schubhaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (wieder) im Ausland untertauchen. Beim Beschwerdeführer bestehen Fluchtgefahr bzw. Sicherungsbedarf.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu der in Österreich geführten Identität des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem Zentralen Fremdenregister und der Anhaltedatei des Bundesministeriums. Seine Identität steht mangels Vorlage entsprechender Dokumente nicht zweifelsfrei fest.

2.2. Aus der erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers und dem Abgleich seiner Daten mit der EURODAC-Datenbank ergibt sich, in welchen weiteren Ländern der Beschwerdeführer ebenso Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat. Die mehrfache Asylantragstellung in gleich mehrere EU-Staaten (vgl. AS 59 „Asyltourist“) sowie die Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung in Österreich, wonach er in keines dieser Länder zurückwolle (AS 37), belegen, dass der Beschwerdeführer keineswegs gewillt ist, mit Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung zu halten. Aus seinem bisherigen Verhalten lässt sich schließen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Entlassung aus der Schubhaft – wie bisher – sofort wieder untertauchen würde, weshalb Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf (1.7.) festzustellen sind.

2.3. Eingesehen wurde weiters sowohl der Mandatsbescheid vom 14.07.2021 (I.3.), mit welchem über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet wurde als auch der zurückweisende Bescheid vom 16.08.2021 (I.4.), mit welchem die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers und Abschiebung des Beschwerdeführers nach Belgien für zulässig erklärt wurde.

2.4. Die Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Anhaltedatei- Vollzugsverwaltung (As 21) des Bundesministeriums.

2.5. Dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich oder einem anderen EU-Staat verfügt, hat er bei der Erstbefragung nach dem AsylG selbst ausgesagt und ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Angaben nicht stimmen sollten. Dass er auch sonst keine relevanten Bindungen zu Österreich, sei es beruflich oder in sozialer Hinsicht, vorweisen kann, erschließt sich schon daraus, dass er erst am 12.07.2021 illegal nach Österreich eingereist ist und umgehend inhaftiert wurde.

2.6. Der Beschwerdeführer machte zu keinem Zeitpunkt gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend, weshalb von seinem ungetrübten Gesundheitszustand auszugehen ist. Damit stimmt auch überein, dass der Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht als haftfähig eingestuft wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. und II. (Schubhaftbescheid und Ausspruch über die Fortsetzung der Schubhaft):

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG):

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Artikel 28 der Verordnung der EU Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (kurz: Dublin-III-VO) lautet:

Haft

„(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.“

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren wird (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich in § 76 Abs. 3 FPG (wie oben wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr zu Recht mit § 76 Abs. 3 Z 1, 6 und 9 FPG. Für das Asylverfahren des Beschwerdeführers ist, wie dessen erkennungsdienstliche Behandlung ergeben hat, Belgien zuständig. Die Erfüllung der Ziffer 6 (Rumpfbestimmung) des § 76 Abs. 3 FPG ist damit zweifelsfrei gegeben – dem wurde auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Auch die mangelnde Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich wurde vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt und liegt, nachdem der Beschwerdeführer erst am 12.07.2021 nach Österreich eingereist ist, auf der Hand. Es ist der Behörde auch nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund des wahllosen Untertauchens des Beschwerdeführers und seiner Stellung zahlreicher Asylanträge in den diversen Mitgliedsstaaten (Belgien, Deutschland, Niederlande, Frankreich und nunmehr Österreich) davon ausgeht, dass er seine Rückkehr in den zuständigen Mitgliedstaat vereiteln wollen wird; seine Angaben in der Erstbefragung in Österreich bestätigen seine Unwilligkeit, nach Belgien zurückzukehren. Zieht man zudem die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sowie die Tatsache, dass er im Bundesgebiet über keine aufrechte Meldung verfügt, heran, so ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein gelinderes Mittel ausreichend sein könnte, ihn davon abzuhalten, neuerlich unterzutauchen.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt zu Recht Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden – hier: erheblichen - Ausmaß angenommen.

Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich die Beschwerdeführerin als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat – was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen der Beschwerdeführerin an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).

Wie oben ausgeführt ist die Schubhaft auch verhältnismäßig. Das Bundesamt hat auf eine möglichst kurze Schubhaftdauer hingewirkt. Das Wiederaufnahmeersuchen an Belgien wurde bereits am 04.08.2021 im Zuge der unverzüglich eingeleiteten Dublin-Konsultationen bestätigt. Die Behörde führt in ihrer Stellungnahme auch zurecht aus, dass mit der Überstellung nach Belgien bis zum Ende der Rechtsmittelfrist des unter Pkt. I.6. genannten Bescheides zuzuwarten ist. Dieses, unter I.6. dargestellte Verfahren, ist – weil einer allfällig erhobenen Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 16 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG) zwar durchsetzbar; die Durchführbarkeit (Überstellung nach Belgien) ist jedoch erst mit Verstreichen der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist, fallbezogen mit Ablauf des 30.08.2021, gegeben. Eine Abschiebung innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer ist auch wahrscheinlich, zumal es eine gute Quote an Rücknahmen nach Belgien gibt.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Durch Einträge in öffentlichen Registern (ZMR, Strafregister, etc.) belegte oder widerlegte Tatsachen beziehungsweise Sachverhaltselemente bedürfen ebenfalls keiner mündlichen Erörterung.

Zum Kostenbegehren:

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Da die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde und festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft auch vorliegen, ist die belangte Behörde die obsiegende Partei. Ihr gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 3 VwGVG Kostenersatz in der Höhe von EUR 57,40 für den Vorlageaufwand (§ 1 Z. 3 VwG-AufwErsV) und Kostenersatz in der Höhe von EUR 368,80 für den Schriftsatzaufwand (§ 1 Z. 4 VwG-AufwErsV), insgesamt sohin EUR 426,20.

Zu Spruchteil B) (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Schlagworte

Außerlandesbringung Dublin III-VO Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Identität illegale Einreise Kostenersatz Mittellosigkeit öffentliche Interessen Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W284.2245506.1.00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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