TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/23 W283 2245505-1

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Veröffentlicht am 23.08.2021
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Entscheidungsdatum

23.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W283 2245505-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER gegen die Anhaltung seit 04.08.2021 zur Zl. 1278752500/210733903, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe XXXX

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, versuchte am 02.06.2021 in einen Zug von Österreich nach Italien einzusteigen und wurde dabei einer Kontrolle durch die Polizei unterzogen. Er hatte keinerlei Dokumente bei sich und wies bei der vorgenommenen Abfrage zwei EURODAC Treffer von Rumänien und Bulgarien auf. Am 18.05.2021 stellte der BF in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz, am 28.01.2021 in Bulgarien. Der BF gab bei einer polizeilichen Befragung an, gesund zu sein, nach Italien zu wollen und in Österreich keinerlei Anbindungen zu haben, sowie über 47 Euro Barmittel zu verfügen.

Über den BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 02.06.2021 Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet. Der BF befindet sich seit 02.06.2021 in Schubhaft. Ein Konsultationsverfahren mit Bulgarien wurde eingeleitet und stimmten die bulgarischen Behörden der Übernahme des BF zu.

Am 07.06.2021 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.06.2021 zurückgewiesen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Bulgarien erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.07.2021 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 17.08.2021 erhob der BF anwaltlich vertreten Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 04.08.2021 und die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft. Begründend wies der BF auf die Sicherheitslage in Afghanistan hin und führte im Wesentlichen aus, dass im Falle der Abschiebung des BF nach Afghanistan aufgrund der Talibanherrschaft sein Leben gefährdet sei. Der Ersatz der Eingabengebühr sowie Aufwandersatz wurden beantragt.

In der dazu ergangenen Stellungnahme des Bundesamtes vom 18.08.2021, führte das Bundesamt aus, dass die Überstellung des BF nach Bulgarien für 03.08.2021 geplant gewesen sei, dieser Flug musste jedoch storniert werden. Die Überstellung des BF nach Bulgarien sei für 30.08.2021 geplant und gebucht. Zu den Beschwerdegründen legt das Bundesamt dar, dass der BF nicht nach Afghanistan abgeschoben werde, sondern seine Überstellung nach Bulgarien im Dublinwege geplant sei. Das Bundesamt begehrte Aufwandersatz.

Dem Rechtsanwalt des BF wurde die Stellungnahme des Bundesamtes als Parteiengehör übermittelt und eine Frist zur Abgabe einer Äußerung gewährt, die bis dato fruchtlos verstrichen ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1 Der BF besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates. Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter (W175 2244357-1/2E; AS 51 ff).

1.1.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung (W175 2244357-1/2E, AS 51 ff, OZ 3).

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung (AS 6; Anhaltedatei).

1.1.4. Mit Bescheid vom 02.06.2021 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahren gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO angeordnet. Der BF wird seit 02.06.2021 in Schubhaft angehalten (AS 37 ff; AS 49; Anhaltedatei).

1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 18.05.2021 in Rumänien und am 28.01.2021 in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.06.2021 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Entsprechend den Bestimmungen der Dublin III-VO ist Bulgarien für das Asylverfahren des BF zuständig (Zentrales Fremdenregister; OZ 3; AS 50).

1.2.2. Der BF entzog sich dadurch, dass er Rumänien spätestens am 02.06.2021 verlassen hat und nach Österreich weitergereist ist, seiner Überstellung nach Bulgarien.

1.2.3. Der BF gab in Österreich einen unterschiedlichen Namen und ein unterschiedliches Geburtsdatum an, um die Behörden über seine Identität zu täuschen und eine Überstellung nach Bulgarien zu verhindern (AS 50).

1.2.4. Der BF ist nicht kooperationsbereit und nicht bereit sich seinem Asylverfahren in Bulgarien zu stellen. Vielmehr beabsichtigt der BF unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen (AS 6 f).

1.2.5. Der BF verfügt in Österreich weder über familiäre noch über soziale Bindungen, er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über existenzsicherndes Vermögen noch über einen gesicherten Wohnsitz (AS 6; Anhaltedatei, Melderegister).

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer

1.3.1. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft (Strafregister).

1.3.2. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer abermals versuchen unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen, um sich einer Überstellung nach Bulgarien zu entziehen.

1.3.3. Die Überstellung des BF nach Bulgarien war für 03.08.2021 geplant, dieser Flug musste jedoch storniert werden, da der BF die Überstellung am Flughafen verweigert hat. Die Überstellung des BF nach Bulgarien ist für 30.08.2021 geplant und gebucht (OZ 3; AS 91 f).

1.3.4. Die Überstellung des BF innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist zum Entscheidungszeitpunkt realistisch (AS 91 f).

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem ordnungsgemäß vorgelegten Akt des Bundesamtes. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, das Zentrale Fremden- und Melderegister sowie in die Anhaltedatei und in den Gerichtsakt betreffend die Anordnung zur Außerlandesbringung (W175 2244357-1/2E; AS 51 ff).

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1 Hinweise für eine österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates sind im Verfahren nicht zu Tage getreten. Dass der BF Staatsangehöriger von Afghanistan und volljährig ist, ergibt sich aufgrund seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Asylantragstellung in Österreich, ebenso wie die Feststellung, dass er keinen Schutzstatus hat, was überdies auf der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht fußt (W175 2244357-1/2E; AS 51 f,f).

2.1.2. Dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung vorliegt, folgt den unbestrittenen Angaben des Bundesamtes in der Stellungnahme vom 18.08.2021 und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.07.2021 (W175 2244357-1/2E; AS 51 ff, OZ 3).

2.1.3. Dass der Beschwerdeführer gesund und haftfähig ist, war festzustellen, da sich aus dem Akt ergeben keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des BF ergeben. Dem Polizeianhaltezentrum obliegt der Vollzug der Anhalteordnung. Bereits aufgrund der gesetzlichen Bestimmung, wonach Personen, deren Haftunfähigkeit festgestellt oder offensichtlich ist, nicht angehalten werden dürfen, war festzustellen, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vorliegen. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung hat, ist unzweifelhaft. Der BF hat überdies im Zuge seiner polizeilichen Befragung am 02.06.2021 angegeben, dass er gesund ist (AS 6; Anhaltedatei).

2.1.4. Dass über den BF mit Bescheid vom 02.06.2021 die Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet wurde und sich der BF seit diesem Tag in Schubhaft befindet, folgt dem im Akt aufliegenden Bescheid und der Übernahmebestätigung und steht zudem mit den Eintragungen in der Anhaltedatei in Einklang (AS 37 ff; AS 49; Anhaltedatei).

2.2. Zu den Feststellungen zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.2.1. Die Feststellungen zu den Asylantragstellungen des BF fußen auf dem Akteninhalt und den Eintragungen im Fremdenregister. Dass Bulgarien für das Asylverfahren des BF zuständig ist, fußt auf den Angaben in der Stellungnahme des Bundesamtes vom 18.08.2021 und steht mit dem Akteninhalt in Einklang, wonach die Zuständigkeit Bulgariens durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts gegeben und durch die bereits vorliegende, erteilte Zustimmung Bulgariens zur Aufnahme des BF belegt ist (Zentrales Fremdenregister; OZ 3; AS 50).

2.2.2. Die Feststellungen zur Weiterreise trotz Asylantragstellung in Rumänien nach Österreich, um eine Überstellung nach Bulgarien zu verhindern, folgen dem Akteninhalt.

2.2.3. Dass der BF in Österreich anderen Identitätsdaten angegeben hat, um die Behörden über seine Identität zu täuschen und eine Überstellung nach Bulgarien zu verhindern, ergibt sich aufgrund des im Akt aufliegenden Schreibens von Bulgarien, aus welchem sich die unterschiedlichen Angaben zum Namen und Geburtsdatum des BF zweifelsfrei ergeben, die Täuschungsabsicht ist offenkundig (AS 50).

2.2.4. Dass der BF nicht kooperationsbereit und nicht bereit ist sich seinem Asylverfahren in Bulgarien zu stellen, ergibt sich aufgrund der aktenkundigen unrechtmäßigen Reisebewegungen des BF innerhalb von Europa in den letzten Monaten. Dass der BF beabsichtigt unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen, folgt dem Akteninhalt, insbesondere der Tatsache, dass der BF beim Versuch nach Italien weiterzureisen festgenommen wurde und er dabei im Besitz eines Zugtickets nach Italiens war und er dies im Zuge seiner Befragung durch die Polizei am 02.06.2021 auch angegeben hat (AS 6 f).

2.2.5. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere aufgrund der eigenen Angaben des BF im Zuge seiner Befragung durch die Polizei am 02.06.2021 (AS 6). Dabei gab der BF auch an, dass er lediglich über 47 Euro Bargeld verfüge, was mit den Eintragungen in der Anhaltedatei in Bezug auf seine Effekten im Einklang steht, wobei der BF das Geld mittlerweile verbraucht hat. Anhaltspunkte dafür, dass der BF über einen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, liegen nicht vor, insbesondere verfügt er im Bundesgebiet über keine Meldeadresse außerhalb des Polizeianhaltezentrums, wie sich aus dem Melderegister ableiten lässt.

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer

2.3.1. Dass der BF in Österreich nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus dem Strafregister.

2.3.2. Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich aus seinem unstrittigen Vorverhalten, seiner Weiterreisen in andere europäische Länder trotz Zuständigkeit von Bulgarien für das Asylverfahren. Auch die Angabe unterschiedlicher Identitäten, um eine Überstellung nach Bulgarien zu verhindern, untermauert das unkooperative und nicht vertrauenswürdige Verhalten des BF, ebenso wie seine Verweigerung an der ersten geplanten Überstellung am 03.08.2021 mitzuwirken. Das Gericht gelangt daher zur Überzeugung, dass der BF in Freiheit belassen abermals versuchen wird, unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen, um seine Überstellung nach Bulgarien zu verhindern.

2.3.3. Dass die Überstellung des BF nach Bulgarien für 03.08.2021 geplant war, dieser Flug jedoch storniert werden musste, da der BF die Überstellung am Flughafen verweigert hat, folgt den Angaben in der Stellungnahme des Bundesamtes vom 18.08.2021 und dem Akteninhalt, insbesondere dem Inhalt des Überstellungsauftrages vom 05.08.2021. Dass die Überstellung des BF nach Bulgarien für 30.08.2021 geplant und gebucht ist, ergibt sich ebenfalls aus der Stellungnahme und steht mit der im Akt aufliegenden Flugbuchung in Einklang (OZ 3; AS 91 f).

2.3.4. Dass die Überstellung des BF nach Bulgarien innerhalb der Schubhafthöchstdauer zum Entscheidungszeitpunkt realistisch ist, fußt aufgrund der Angaben des Bundesamtes, insbesondere der Flugbuchung am 30.08.2021 (AS 91 f).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Maßgebliche Rechtslage

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„Schubhaft

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

„Gelinderes Mittel

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes idgF, lauten:

„Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.3. Art 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) lautet:

„Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vom BFA erstattete Stellungnahmen sind einem Parteiengehör zu unterziehen. Dies kann schriftlich oder auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Jedenfalls ist dem in Schubhaft angehaltenen Fremden Gelegenheit zu geben, sich zu der Stellungnahme und zum maßgeblichen Sachverhalt zu äußern (vgl. VwGH 27.08.2020, Ro 2020/21/0010, mwN).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0024).

Zu Spruchpunkt I. –Anhaltung von 04.08.2021 bis 23.08.2021

3.3. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von erheblicher Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Überstellung des BF angeordnet. Mit einer Überstellung des BF ist insofern zu rechnen, als auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.07.2021 eine aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung vorliegt und Bulgarien einer Übernahme des BF zugestimmt hat.

3.4. Erhebliche Fluchtgefahr

Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 6 lit. a und b sowie Z 9 FPG vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr aus. Darüber hinaus sind auch die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 3 und Z 6 lit. c FPG erfüllt:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat sich in Rumänien der Überstellung nach Bulgarien entzogen, da er unrechtmäßig nach Österreich weitergereist ist, um in weiterer Folge – wiederum unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen. Der BF hat auch durch die Angabe falscher Identitätsdaten versucht, seine Überstellung nach Bulgarien zu verhindern. Damit hat der BF den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt.

Zudem ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich auch daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen hat (vgl. VwGH vom 28.06.2007, 2006/21/0051). Der BF hat sich durch seine illegalen Einreisen nach Österreich und Rumänien seinem Asylverfahren in Bulgarien entzogen und ist von dort unrechtmäßig ausgereist. Im Entscheidungszeitpunkt liegt zudem eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung vor. Dadurch ist überdies der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 6 lit. a FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, auch zu berücksichtigen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin III-VO zuständig ist, insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat. Für das Asylverfahren des BF ist Bulgarien zuständig. Darüber hinaus hat der BF in Rumänien und Österreich Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 6 lit. a FPG erfüllt.

§ 76 Abs. 3 Z 6 lit. b und c FPG nennen als weitere Kriterien der Fluchtgefahr den Versuch des Fremden in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen bzw. wenn es auf Grund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt. In seiner Befragung am 02.06.2021 gab der BF an, dass er nach Italien weiterreisen wolle und wurde er mit einem Zugticket beim Versuch des Einstiegs in einen Zug nach Italien festgenommen, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 6 lit. b FPG erfüllt ist. Da der BF bei seiner Befragung am 02.06.2021 zudem angegeben hat, nach Italien ausreisen zu wollen, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 6 lit. c FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Da der BF in Österreich über keinerlei Anknüpfungspunkte verfügt ist insgesamt auch unter Berücksichtigung der in § 76 Abs. 3 Z 9 FPG genannten Kriterien vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr auszugehen.

Es liegt daher erhebliche Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 6 lit. a, b und c sowie Z 9 FPG vor.

3.5. Sicherungsbedarf

Sicherungsbedarf ist zu bejahen, wenn die Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers gegeben oder wahrscheinlich ist oder ein wesentliches Erschweren der Abschiebung zu erwarten ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist.

Der Beschwerdeführer ist in der Vergangenheit mehrfach unrechtmäßig trotz laufendem Asylverfahren in Bulgarien weitergereist und hat bei seiner Asylantragstellung in Österreich eine falsche Identität angegeben, um seiner Überstellung nach Bulgarien zu entgehen. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er im Hinblick auf die Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren nicht bereit ist, dies zu akzeptieren, zuletzt indem er die Überstellung am 03.08.2021 am Flughafen verweigerte. Es liegt eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung vor und hat Bulgarien der Überstellung zugestimmt. Die Überstellung ist am 30.08.2021 geplant und gebucht. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich befinden sich weder nahe Familienangehörige des Beschwerdeführers noch ist er sonst sozial eng verankert. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.6. Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF ist unrechtmäßig nach Rumänien und Österreich eingereist. Er ist kurz nach seiner Asylantragstellung in Rumänien nach Österreich eingereist und hat sich damit der Zuständigkeit Bulgariens für sein Asylverfahren entzogen. Der BF verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch über soziale Anknüpfungspunkte und ist beruflich nicht verankert. Über eigene Mittel zur Existenzsicherung verfügt er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat durch sein Verhalten in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält, sondern wollte er unrechtmäßig nach Italien weiterreisen. Es überwiegt daher das öffentliche Interesse den BF in jenen Staat zu überstellen, der für sein Asylverfahren zuständig ist.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig scheinen und ergeben sich aus dem Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nicht nachgekommen wäre. Vielmehr hat der BF durch sein unkooperatives Verhalten, indem er am 03.08.2021 am Flughafen seine Überstellung verweigert hat, die Dauer der Schubhaft bis zum nächsten Überstellungstermin am 30.08.2021 verlängert.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.6.1. Dauer der Schubhaft

Gemäß Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, wenn sich eine Person nach diesem Artikel in Haft befindet, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Gemäß § 16 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG kommt einer Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist bzw. eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird, ex-lege keine aufschiebende Wirkung zu. Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten (§ 16 Abs. 4 leg. cit.).

Art. 28 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass auf die mit dieser Bestimmung eingeführte Frist von sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, ab dem derRechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, die Tage, während deren die betreffende Person bereits in Haft war, nachdem ein Mitgliedstaat dem Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat, nicht anzurechnen sind. (vgl. EuGH vom 13.09.2017, Rs. C?60/16).

Im gegenständlichen Fall wurde gegen den die zurückweisende Entscheidung des Bundesamtes samt Anordnung zur Außerlandesbringung vom 24.06.2021 Beschwerde erhoben. Der Verwaltungsakt langte am 14.07.2021 vollständig beim BVwG ein. Die siebentägige bis zur Durchführbarkeit der Überstellung nach Bulgarien endete daher mit Ablauf des 21.07.2021. Das Bundesverwaltungsgericht entschied mit Erkenntnis vom 20.07.2021, zugestellt am 21.07.2021 über die Beschwerde des BF. Die zweite sechswöchige Haftfrist ist daher jedenfalls aktuell noch nicht abgelaufen. Auch der geplante und gebuchte Überstellungstermin am 30.08.2021 liegt innerhalb dieser Frist.

3.7. Gelinderes Mittel

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des Beschwerdeführers nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung des Überstellungsverfahrens führen, da diesfalls die konkrete Gefahr der unrechtmäßigen Weiterreise des Beschwerdeführers nach Italien besteht. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in der Vergangenheit der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren durch unrechtmäßige Weiterreisen in Europa entzogen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beschwerdeführer nach Italien weiterreisen will.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kam daher zu Recht nicht in Betracht.

3.8. Ultima ratio

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Überstellung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Die Beschwerde über die Anhaltung des BF seit 04.08.2021 war daher gemäß Artikel 28 Abs. 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. – Fortsetzungsausspruch

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und „ermächtigt“ das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage „in der Sache“ zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

Der Beschwerdeführer befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Es liegt eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung nach Bulgarien vor. Bulgarien hat der Übernahme des BF zugestimmt. Der BF hat am 03.08.2021 seine Überstellung verweigert. Als Termin für die Überstellung ist der 30.08.2021 geplant und gebucht. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Im Verfahren haben sich keine Hinweise ergeben, die gegen das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr sprechen oder die diese auch nur geringfügig vermindern könnten. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich daher, dass die unter 3.3.5 angeführten Kriterien des § 76 FPG auch im Entscheidungszeitpunkt erfüllt sind.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt die geforderte "Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig (siehe Ausführungen zu 3.3.6 bis 3.3.8.).

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

3.9. Zu Spruchpunkten III. und IV. – Kostenersatz

3.9.1. Die maßgebliche Bestimmung des § 35 VwGVG lautet:

„(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

3.9.2. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.

Im gegenständlichen Verfahren wurde nur die Anhaltung des BF in Schubhaft ab dem 04.08.2021 bekämpft und ein diesbezüglich negativer Fortsetzungsausspruch iSd § 22a Abs. 3 BFA-VG begehrt, wobei sich dieser ebenfalls auf die Anhaltung an sich bezieht. Hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft als einheitlicher Verwaltungsakt ist aber der BF unterlegene Partei. Die die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 04.08.2021 war rechtmäßig und auch die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft ist rechtmäßig. Der Kostenantrag der BF war daher mangels Obsiegen abzuweisen und der Ersatz der Kosten an die Behörde als obsiegende Partei aufzutragen.

3.10. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegan-gene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzu-weisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde ange-fochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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