TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/23 G303 2226083-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2021
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Entscheidungsdatum

23.08.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G303 2226083-1/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 07.01.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 31.10.2019, Zl. OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, in den Behindertenpass, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07.01.2021, zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 28.06.2019 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 (Parkausweis) ein. Dieser Antrag gilt entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass. Dem Antrag war ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Innere Medizin, vom 13.09.2019 wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 12.09.2019, zur beantragten Zusatzeintragung im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Im Vergleich zum Vorgutachten habe der BF einen Herzinfarkt ohne EKG Veränderungen, eine tiefe Venenthrombose im linken Bein, jeweils mit medikamentöser Behandlung, sowie Stenting der Herzkranzgefäße erlitten. Dem vorliegenden Reha-Befund vom August 2019 in XXXX könne eine gute Pumpfunktion des Herzens und auch eine gute Belastbarkeit des BF entnommen werden. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel seien zumutbar.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.09.2019 wurde dem BF zum oben angeführten Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme ein schriftliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG gewährt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

4. Mit Schreiben vom 14.10.2019 teilte der BF im Rahmen seines Parteiengehörs mit, dass er im Mai dieses Jahres eine tiefe Beinvenenthrombose im linken unteren Bein und einen Myokardinfarkt (STEMI) erlitten habe. Es sei eine Koronarangiographie durchgeführt worden, wobei in zwei Sitzungen eine perkutane koronare Intervention und die Implantation von fünf DE Stents vorgenommen worden seien. Der BF müsse seither regelmäßig engmaschige Kontrollen in der Gerinnungsambulanz wahrnehmen, die Medikation werde jeweils an die angiologische Indikation angepasst. Im Juli und August 2019 habe sich der BF im Rehabilitationszentrum für Herz- und Kreislauferkrankungen in XXXX befunden.

Am 02.10.2019 sei der BF aufgrund starker Schmerzen und eines Brennens in der Brust und im Hals erneut mit dem Notarzt in das Krankenhaus eingeliefert worden. Es sei eine Schmalkomplextachykardie mit einer Herzfrequenz von 170 – 200 pro Minute festgestellt worden.

Dem BF gehe es körperlich trotz der intensiven Behandlung nicht gut. Er leide unter Schwindel und allgemeinem Unwohlsein mit immer wieder auftretenden Schmerzen im Brustkorb. Dem BF werde wiederholt schwarz vor den Augen und es trete immer wieder Übelkeit auf. Der BF leide unter starker Atemnot. Das Gehen strenge den BF sehr an, er müsse pausieren, Bergaufgehen sei nicht möglich. Eine Wegstrecke von 300 Metern schaffe der BF nicht.

Aufgrund der cardiopulmonalen Erkrankung bestehe beim BF eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Der BF könne Wegstrecken aus eigener Kraft nur mit großer Mühe und sehr langsam zurücklegen und müsse Pausen einlegen. Der BF könne Niveauunterschiede nur mit größter Mühe überwinden. Auch könne der BF aufgrund der Anstrengung und des Schwindels nicht in einem öffentlichen Verkehrsmittel stehen.

5. Die belangte Behörde ersuchte aufgrund der im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Einwendungen des BF die ärztliche Sachverständige Dr. XXXX um eine ergänzende medizinische Stellungnahme.

Im Rahmen der medizinischen Stellungnahme vom 29.10.2019 wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass für die gutachterliche Einschätzung die Angaben des BF, wonach das Gehen in der Ebene für eine Viertelstunde möglich sei, herangezogen worden seien. Auch sei der Bericht des Reha-Aufenthaltes vom Juli/August 2019 mit dem Befund einer Fahrrad-Ergometrie von etwa 16 Minuten und einer Belastbarkeit von 106 % des Tabellensollwertes herangezogen worden. In der Echokardiographie habe eine gute Linksventrikelfunktion festgestellt werden können. Die zwischenzeitlich aufgetretene Episode einer tachykarden Herzrhythmusstörung vom 29.09.2019 sei medikamentös entsprechend behandelt worden, woraufhin sich anschließend wiederum ein stabiler unauffälliger Herzrhythmus eingestellt habe. Derartige Rhythmusstörungen seien zudem im Mai 2019 beobachtet worden und hätten ebenfalls medikamentös therapiert werden müssen. Eine Anfallshäufigkeit könne somit als selten erachtet werden, da ein Zeitraum von fünf Monaten dazwischenliege. Derartige Herzrhythmusstörungen würden im Anfall naturgemäß zu einer hochgradig eingeschränkten Belastbarkeit führen; nach Erlangen eines unauffälligen Rhythmuses sei jedoch die zuvor vorhandene Belastbarkeit wiederum gegeben. Es ergebe sich somit keine Änderung der Einschätzung der Belastbarkeit des BF und damit auch keine Änderung der Einschätzung bezüglich der Zumutbarkeit des Benützens öffentlicher Verkehrsmittel.

6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31.10.2019, OB: XXXX, wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.

6.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das oben angeführte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX samt ergänzender Stellungnahme wurden dem angefochtenen Bescheid als Beilagen angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert sowie die sonstigen maßgeblichen Kriterien für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung genannt.

7. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die bei der belangten Behörde fristgerecht am 26.11.2019 eingelangte Beschwerde des BF samt Vorlage eines Befundberichtes der Rhythmusambulanz der Universitätsklinik für Innere Medizin vom 31.10.2019.

Beschwerdebegründend führte der BF nach Wiedergabe desselben Vorbringens wie in der unter Punkt I.4. angeführten Stellungnahme ergänzend aus, dass er derzeit zehn Medikamente einnehmen müsse. Entgegen der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. XXXX würden die Herzrhythmusstörungen immer wieder auftreten, erst Mitte November hätte der BF wieder einen Anfall gehabt. Die Beschwerden würden während einer körperlichen Belastung mit und ohne Herzrasen im Sinne von Symptomen CCS III bzw. NYHA III auftreten. Der BF könne nie wissen, wann ein derartiger Anfall auftrete. Körperliche Belastung würde die Beschwerden des BF verstärken. Es wurde um Aufhebung des angefochtenen Bescheides und um Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung in den Behindertenpass ersucht.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) von der belangten Behörde am 04.12.2019 vorgelegt.

9. Mit undatiertem Schreiben, beim BVwG eingelangt am 02.06.2020, brachte der BF weitere medizinische Beweismittel (aktuelle Befunde) in Vorlage.

10. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin und Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung des BF und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

10.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 10.08.2020 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 31.07.2020, zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im zusammengefassten Ergebnis folgendes festgehalten:

Beim BF bestehe eine koronare Herzkrankheit. 2019 und im Mai 2020 habe der BF einen Herzinfarkt gehabt. Seit der letzten Stentimplantation im Mai 2020 würden keine wesentlichen Stenokardien mehr bestehen. Die Echokardiographie zeige eine noch normale Herzleistung. Der „NT-proBNP“-Wert sei grenzwertig. Weiters würden rezidivierende Herzrhythmusstörungen bestehen, laut den letzten Befunden handle es sich um ein intermittierendes Vorhofflimmern. Während der Vorhofflimmern-Phasen, welche mehrmals in der Woche auftreten würden, bestehe eine Belastungsatemnot. Eine kurze Wegstrecke in der Ebene sei dem BF sicherlich zumutbar. Aufgrund des Vorhofflimmerns sei eine Blutverdünnung notwendig. Als Komplikation komme es zu Zahnfleischblutungen. Der Bluthochdruck sei grenzwertig eingestellt. Zudem bestehe eine mäßiggradig eingeschränkte Nierenfunktion.

Von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates hätten nur mäßiggradige Funktionseinschränkungen festgestellt werden können. Eine Wurzelirritation bzw. Gangstörung würde nicht bestehen. Eine Störung der Greif- und Haltefunktion liege nicht vor. Auch psychischerseits würden keine wesentlichen Einschränkungen vorliegen. Es würden trotz der Herzinfarkte und der Herzrhythmusstörungen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestehen. Es liegen auch keine Einschränkungen im Bereich der unteren Extremitäten vor.

Das Ein- und Aussteigen bei einem üblichen Niveauunterschied sei dem BF ohne fremde Hilfe möglich. Der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel sei unter den üblichen Transportbedingungen ebenfalls möglich.

11. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 25.08.2020 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

12. Am 15.10.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Konvolut an weiteren medizinischen Beweismitteln ein.

13. Am 07.01.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF sowie der beigezogene Amtssachverständige Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, persönlich teilnahmen. Seitens der belangten Behörde wurde ein Teilnahmeverzicht abgegeben.

13.1. Das gegenständliche Erkenntnis wurde nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Durchführung einer nicht öffentlichen Beratung des Senates gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG samt den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet und die Rechtsmittelbelehrung erteilt.

14. Der BF beantragte mit am 22.01.2021 (Poststempel: 20.01.2021) beim BVwG eingelangtem Schreiben die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in der Höhe von 60 von Hundert.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

-        Herzrhythmusstörungen, intermittierendes Vorhofflimmern, Zustand nach Ablation 15.06.2020 und dauerhafte Blutverdünnung mit rezidivierendem Zahnfleischbluten

-        Koronare Herzkrankheit mit Hypertonus und Zustand nach zweimaligem Herzinfarkt, bei guter Herzleistung

-        Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit geringen Funktionseinschränkungen und regelmäßigen Schmerzmittelbedarf

-        Mäßiggradige Funktionseinschränkungen beider Hüften und künstliches Kniegelenk links seit 2015

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF steht die koronare Herzkrankheit (Zustand nach zweimaligem Herzinfarkt) sowie die Herzrhythmusstörungen, welche rezidivierend auftreten, aber nicht dauerhaft vorliegen. Dadurch ist der BF in seiner körperlichen Belastbarkeit eingeschränkt, eine erhebliche dauerhafte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist jedoch nicht gegeben.

Von Seiten des Bewegungs- und Stützapparates besteht keine hochgradige Bewegungseinschränkung. Das Gangbild ist unauffällig, eine Störung der Greif- und Haltefunktion besteht nicht.

Der BF ist in der Lage eine kurze Wegstrecke selbständig, allenfalls unter Verwendung eines Gehbehelfs, zurückzulegen. Das Überwinden weniger Niveauunterschiede ist möglich und der sichere Transport des BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist gewährleistet.

Die Funktionen der unteren Extremitäten des BF sind nicht höhergradig eingeschränkt. Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems beim BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum des BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin und Arzt für Allgemeinmedizin, ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus. Die neu vorgebrachten Leiden, chronische Niereninsuffizienz und Gastritis, wurden aufgrund der gesetzlich bestehenden Neuerungsbeschränkung nicht festgestellt. Diesbezüglich wird auf Punkt II.3.2 der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Die gutachterlichen Ausführungen des Amtssachverständigen Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, in der mündlichen Verhandlung am 07.01.2021 stehen mit oben angeführten Sachverständigengutachten im Einklang.

Es konnte dadurch zweifelsfrei festgestellt werden, dass beim BF keine Einschränkungen und Erkrankungen im geforderten Ausmaß (erheblich bzw. hochgradig), welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, insbesondere keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, vorliegen.

Die Feststellung, dass der BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke zurückzulegen, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung, wonach ihm dies unter Verwendung von zwei Stöcken und Pausen möglich ist. Auch ist dem Sachverständigengutachten von Dr. XXXX eindeutig zu entnehmen, dass dem BF eine kurze Wegstrecke in der Ebene zumutbar ist.

Dass es dem BF möglich ist, wenige Niveauunterschiede zu überwinden, konnte anhand der Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt werden, wonach der BF Treppensteigen kann. Dies wurde auch im medizinischen Gutachten von Dr. XXXX festgestellt, wonach es dem BF möglich ist, in ein öffentliches Verkehrsmittel bei einem üblichen Niveauunterschied ein- und auszusteigen.

Es konnten seitens des erkennenden Gerichtes auch keine Anhaltspunkte festgestellt werden, dass der sichere Transport des BF im öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet wäre.

Insgesamt ergibt sich, auch unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Beweismittel und der Vorgutachten aus dem Jahr 2019, welche seitens der belangten Behörde eingeholt wurden, dass der BF die konkrete Fähigkeit besitzt, öffentliche Verkehrsmittel sicher zu benützen.

Zum Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach der BF zwei bis dreimal täglich ein schmerzhaftes Herzrasen bzw. Stechen im Brustbereich habe, wurde seitens Dr. XXXX gutachterlich ausgeführt, dass es sich dabei um phasenweise auftretende Herzrhythmusstörungen handelt. Insgesamt ist nur eine leichte Einschränkung der Herzpumpfunktion gegeben, welche nicht zu den relevanten schweren Herzfunktions- oder Belastungsminderungen zählt. Auch geht aus dem vorgelegten Reha-Befund XXXX vom 26.08.2020 bis 23.09.2020 hervor, dass beim BF nur eine mäßig eingeschränkte Belastbarkeit bei einer adäquaten Blutdruck- und Herzfrequenzregulation gegeben ist. Zusammengefasst ergibt sich, dass die auftretenden Herzrhythmusstörungen des BF nicht die geforderte Schwere und Dauerhaftigkeit erreichen, damit eine dauerhafte und erhebliche Mobilitätseinschränkung festgestellt werden konnte.

Dass keine Einschränkung der Greif- und Haltefunktion gegeben ist, ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. XXXX. Durch den vorliegenden Tremor im Bereich der Hände besteht keine diesbezüglich relevante Einschränkung dieser Funktionen. Der BF gab selbst vor dem erkennenden Gericht an, dass ihm das Anhalten möglich ist.

Des Weiteren ergibt sich durch die gutachterlichen Ausführungen von Dr. XXXX in der mündlichen Verhandlung, dass sich durch die erlittene Thrombose im linken unteren Bein keine Einschränkung ergebe und Bewegung diesbezüglich gut ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller   Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF steht die koronare Herzkrankheit sowie die Herzrhythmusstörungen. Aufgrund dessen ist der BF in seiner körperlichen Belastbarkeit zwar eingeschränkt, eine erhebliche dauerhafte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen liegt jedoch nicht vor.

Auch besteht von Seiten des Bewegungs- und Stützapparates keine hochgradige Bewegungseinschränkung.

Der BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für den BF selbstständig, allenfalls mit einer Gehhilfe, möglich ist. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden und der Transport im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen sicher möglich.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen daher beim BF nicht vor.

Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als Neuerungsbeschränkung bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 dritter Satz BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. Daher konnten die neu vorgebrachten Leiden „chronische Niereninsuffizienz“ und „Gastritis“ im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung nicht berücksichtigt werden.

Was schließlich den Antrag des BF betrifft, ihm einen Parkausweis nach § 29b StVO auszustellen, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass die belangte Behörde über diesen Antrag ausdrücklich bescheidmäßig nicht abgesprochen hat.

Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Daher ist der Antrag des BF auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich. Vollständigkeitshalber ist jedoch anzumerken, dass, gegenständlich die grundsätzliche Voraussetzung dafür, nämlich der Besitz eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, der über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, fehlt.

Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für Zusatzeintragungen in den Behindertenpass gegeben sind, stellt stets eine Einzelfallentscheidung dar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten schriftliche Ausfertigung Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G303.2226083.1.00

Im RIS seit

20.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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