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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Keine unsachliche oder gesetzwidrige Rückwidmung von Baugrundstückenals "Grünland"; ausreichend sachliche raumordnungsrechtlicheBegründung und Bezugnahme auf raumordnungsrechtliche Grundsätze sowieGrundlagenforschung und InteressenabwägungSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer ua. der aneinander angrenzenden Grundstücke Nr. 668/4, 668/5 und 672/3, KG Holzheim, in der Stadtgemeinde Leonding/OÖ. Aufgrund seiner zu B573/02 protokollierten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit der damaligen Widmung des Grundstücks Nr. 668/4 im Flächenwidmungsplan F4 als "Grünland (Landwirtschaft, Ödland)" geprüft und diese mit dem Erkenntnis VfSlg. 17.223/2004 vom 18. Juni 2004 als gesetzwidrig aufgehoben.
Mit Eingabe vom 3. August 2004 beantragte der Beschwerdeführer auch für die Grundstücke Nr. 668/5 und 672/3 die Bewilligung von Bauplätzen. Diesem Antrag gab zunächst der im Devolutionsweg zuständig gewordene Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding wegen der Grünlandwidmung der beiden Grundstücke nicht statt; der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde keine Folge.
2. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die ausschließlich die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des Flächenwidmungsplanes Nr. F4 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 30. März und 6. Juli 2000, behauptet.
Dies begründet der Beschwerdeführer exakt wie in seiner zu B573/02 protokollierten Beschwerde und zusätzlich wie folgt:
"Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem die Umwidmung des Grundstückes Nr. 668/4 der KG Holzheim betreffenden Erkenntnis [VfSlg. 17.223/2004] darauf verwiesen, dass eine Umwidmung nur dann gesetzeskonform ist, wenn alle für die Widmung maßgebenden Planungsgrundlagen dargetan und erkennbar gegeneinander abgewogen worden sind. Dies ist auch hinsichtlich der gegenständlichen Grundstücke nicht geschehen. Es bildet, wie im genannten Verfassungsgerichtshoferkenntnis zum Ausdruck gebracht wurde, keinen sachlich zureichenden Grund für die Widmungsänderung, wenn von der Gemeinde ohne nähere Begründung als Argument für die Rückwidmung der Grundstücke darauf hingewiesen wird, dass dem Eigentümer 'genügend Baulandreserve für den Eigenbedarf' verbleibt, wie es im gegenständlichen Fall geschah. Im Zug der Interessenabwägung muss nämlich stets bedacht werden, dass gegen die Zulässigkeit jeder Rückwidmung der Schutz des Vertrauens in die verbindliche Festlegung einer Widmung spricht (so auch VfSlg. 11.374/1987, 11.743/1988) und dies entsprechend mitzuberücksichtigen ist. Dieser Vertrauensschutz kann durch den bloßen Hinweis auf anderweitige Grundstücksreserven meinerseits nicht entkräftet werden. Die Gemeinde hat offenkundig auch keine Überlegungen darüber angestellt, ob und inwiefern ich aufgrund der Rückwidmung meiner Grundstücke einen Entschädigungsanspruch besitze."
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie führt aus, dass ein Unterschied zum mit dem Erkenntnis VfSlg. 17.223/2004 entschiedenen Verfahren darin bestehe, dass das Grundstück Nr. 672/3 als "Grünland Grünzug" [und nicht als Grünland Land- und Forstwirtschaft, Ödland] gewidmet und "den raumordnerischen öffentlichen Interessen in Hinblick auf die Abgrenzung des Baulandes zum überörtlichen Grünzug ein besonderes Gewicht beizumessen" sei.
4. Die Stadtgemeinde Leonding legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie auszugsweise ausführt:
"Der Stadtgemeinde Leonding gelang es im [dem Erkenntnis VfSlg. 17.223/2004 vorangegangenen] Verfahren nicht, die stattgefundenen Abwägungsprozesse als hinreichend darzulegen. In diesem Zusammenhang war es vorwiegend problematisch, dass Aufzeichnungen von Bereisungen und Besprechungsprotokolle fehlten. Die Rechtswidrigkeit [der] Widmung 'Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)' [des Grundstücks Nr. 668/4] war somit aus formalen Gründen gegeben. [...]
[Das Erkenntnis VfSlg. 17.223/2004] machte es für die Gemeinde erforderlich, sich erneut mit der Widmung des gegenständlichen Grundstückes auseinanderzusetzen. Aufgrund der vorliegenden fachlichen Stellungnahme der Ortsplanerin [...] wurde eine Neuplanungsgebietsverordnung für [das Grundstück Nr. 668/4] gemäß §45 Oö. Bauordnung erlassen, welche als Planungsabsicht der Gemeinde die Widmung 'Grünland' festlegte. [...]
Derzeit befindet sich der Flächenwidmungsplan F4 der Stadtgemeinde Leonding in Überarbeitung. [...]
Hinsichtlich der Grundstücke Nr. 668/5 und 672/3, KG Holzheim, ist zu erwarten, dass die Interessensabwägung im [damaligen] Umwidmungsverfahren als mangelhaft betrachtet werden wird, da die Grundstücke Nr. 668/4, 668/5 und 672/3 aufgrund ihrer Gleichartigkeit hinsichtlich ihrer Beurteilung bei der Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes F3 der Stadtgemeinde Leonding gemeinsam behandelt wurden. [...]"
5. Der Beschwerdeführer erstattete eine weitere Äußerung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. In seinem Erkenntnis VfSlg. 17.223/2004 hat der Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Widmung "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" des Grundstücks Nr. 668/4 im Flächenwidmungsplan F4 aus dem Jahr 2000 damit begründet, es bilde keinen sachlichen Grund für die Widmungsänderung, wenn die Gemeinde Leonding ohne nähere Begründung als Argument für die Rückwidmung der Parzelle Nr. 668/4 darauf hingewiesen habe, dass dem Eigentümer "genügend Baulandreserve für den Eigenbedarf" verbleibe; der Schutz des Vertrauens in die verbindliche Festlegung einer Widmung könne durch den bloßen Hinweis auf anderweitige Grundstücksreserven des Eigentümers der umgewidmeten Liegenschaft nicht entkräftet werden. Insgesamt habe das Planungsgeschehen gezeigt, dass die Gemeinde Leonding bei Rückwidmung der Bauparzelle Nr. 668/4 in "Grünland" von keiner zureichenden Interessenabwägung ausgegangen und ihrer Begründungspflicht nur ungenügend nachgekommen sei. Insbesondere sei es ihr verwehrt gewesen, "im Verordnungsprüfungsverfahren durch Nachschieben der Planungsgrundsätze 'Vermeidung von Baulandsplittern' sowie 'Erhaltung des typischen Orts- und Landschaftsbildes' die ihr kraft §36 Abs6 OÖ ROG 1994 obliegende Interessenabwägungs- und Begründungspflicht gemäß §39 Abs3 OÖ ROG 1994 zu supplieren".
2. Der Verfassungsgerichtshof hat also in diesem Erkenntnis die Rechtswidrigkeit der Rückwidmung des Grundstücks Nr. 668/4 darin gesehen, dass die verordnungserlassende Behörde die Grünlandwidmung nicht ausreichend durch eine Bezugnahme auf öffentliche Interessen der Raumordnung begründet und demzufolge die Beeinträchtigung der Interessen des Grundstückseigentümers nicht ausreichend erkennbar gegen solche öffentliche Interessen abgewogen hatte. Denn die verordnungserlassende Behörde hatte im Planungsprozess keine konkret auf das Grundstück Nr. 668/4 zu beziehenden raumordnungsrechtlichen Interessen als Argumente für dessen Grünlandwidmung genannt.
3. Anders als damals für das Grundstück Nr. 668/4 trifft es jedoch für die hier in Rede stehenden Grundstücke Nr. 672/3 und 668/5 nicht zu, dass die Rückwidmung - abgesehen von dem Hinweis auf anderweitige Grundstücksreserven des Beschwerdeführers - "ohne nähere Begründung" erfolgt ist. Dies zeigen die im Folgenden dargestellten Teile des Verordnungsaktes (Punkt 3.1.) für die beiden Grundstücke (Punkte 3.2. und 3.3.).
3.1. Die "Zusammenfassung der Stellungnahmen nach §33 Abs3 OÖ ROG" der Ortsplanerin vom 9. September 1999 vermerkt - als Reaktion auf die Einwendung des Beschwerdeführers gegen die geplante Rückwidmung - für die drei nebeneinander liegenden rückgewidmeten Grundstücke Folgendes:
"Siedlungsrandlage; Böschung sollte als Gz [Grünzug] erhalten werden, für die beiden Parzellen 668/4 u. 5 ist bei Belassung der Widmung eine Bepflanzung am westlichen Siedlungsrand zur Einbindung in das Landschaftsbild sowie ein Waldperimeter im Norden vorzusehen."
Wie die in den Akten befindlichen Luftbilder eindeutig erkennen lassen, ist mit "Böschung" das dicht bewachsene Grundstück Nr. 672/3 angesprochen.
Auf dieser Grundlage beriet der Ausschuss für örtliche Raumplanung und Baurecht des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding über die Einwendung des Beschwerdeführers gegen die beabsichtigte Widmung seiner Grundstücke in der Sitzung vom 16. November 1999 in folgender Weise:
"Abt.-L. Ing. S.: Der Einschreiter ist derzeit Eigentümer [dieser und weiterer] Grundstücke und will diese für seine Kinder im Bauland belassen. Die Gesamtfläche beträgt 16.000 m²; davon würden 3 Parzellen herausgenommen.
VBM B.: Beim Grünzug steht für mich die Rückwidmung außer Zweifel.
[Ortsplanerin]: Wenn es sich um einen Besitzer handelt, bleibt genügend Baulandreserve für den Eigenbedarf übrig. Da die für die Rückwidmung vorgesehenen Flächen an den Wald angrenzen, müsste, wenn die Baulandwidmung bleiben würde, ein Schutzstreifen zum Wald vorgesehen werden.
Der Planungsausschuß lehnt diesen Einwand ab und spricht sich für Grünlandwidmung aus - bei 1 Stimmenthaltung (GR Ing. V.)."
3.2. Zum Grundstück Nr. 672/3:
Die Widmung dieses Grundstücks, das die Ortsplanerin als "Böschung" bezeichnete, als "Grünzug - Funktion: Naherholung und/oder Siedlungsgliederung" lässt - anders als das für das unmittelbar nördlich angrenzende Grundstück Nr. 668/4 der Fall war (vgl. VfSlg. 17.223/2004) - die Verfolgung eines bestimmten Raumordnungszieles erkennen. Das lang gestreckte, den im Akt befindlichen Luftaufnahmen zufolge dicht bewachsene Grundstück schließt unmittelbar an den die gesamte Gemeinde durchziehenden "Grünzug - engerer Turmlinienbereich" an, der dieselbe Widmung wie das in Rede stehende Grundstück aufweist. Vor diesem Hintergrund nimmt die zum Ausdruck gebrachte Absicht der Erhaltung dieser Fläche als Grünzug mit der Funktion insb. der Siedlungsgliederung ausreichend deutlich auf das Raumordnungsziel "Erhaltung und Gestaltung des Stadt- und Ortsbildes [...] sowie die Erhaltung des typischen Orts- und Landschaftsbildes" (§2 Abs1 Z10 OÖ ROG) Bezug. Diese Bezugnahme hat die verordnungserlassende Behörde auch nicht erst nach Beschlussfassung "nachgeschoben".
3.3. Zum Grundstück Nr. 668/5:
Die sachliche Begründung für die Widmung dieses Grundstücks als "Land- und Forstwirtschaft, Ödland" liegt darin, dass es - wie die Luftbilder eindeutig erkennen lassen - in seinem nördlichen Teil bewaldet ist und der südliche Teil einen "Schutzstreifen zum Wald" darstellt bzw. ein "Waldperimeter im Norden [...] zur Einbindung in das Landschaftsbild" erforderlich ist. Denn nach der im Zuge der Grundlagenforschung eingeholten Stellungnahme der Bezirksforstinspektion vom 16. April 1999 ist
"[b]ei Wohngebietswidmungen ... grundsätzlich ein Abstand zum Waldrand von 30 m einzuhalten, um einerseits eine Gefährdung der Baulichkeiten auszuschließen und andererseits eine problemlose Bewirtschaftung der Waldbestände zu gewährleisten. Auch aus Gründen der Landschaftsästhetik und der ökologischen Funktionsfähigkeit des Waldrandes samt seiner artspezifischen Waldrandökologie ist dieser Waldrandabstand notwendig".
4. Somit liegt für die Rückwidmung der hier in Rede stehenden Grundstücke - anders als für das Grundstück Nr. 668/4 (vgl. VfSlg. 17.223/2004) - jeweils eine sachliche raumordnungsrechtliche Begründung iSd §36 Abs6 erster Halbsatz OÖ ROG vor. Auch die erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung (zweiter Halbsatz leg. cit.) wurde hier durchgeführt.
Insgesamt zeigt sich, dass die verordnungserlassende Behörde für die hier in Rede stehenden Grundstücke den Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof für die Rechtmäßigkeit von Rückwidmungen bei - hier unstrittig vorliegendem - Baulandüberhang entwickelt hat (vgl. zB VfSlg. 9975/1984, 10.277/1984, 16.201/2001), gerecht geworden ist; sie hat die Auswahl der für die Rückwidmung in Betracht kommenden Liegenschaften nach sachlichen Kriterien und gestützt auf eine entsprechende Grundlagenforschung und eine die Interessen der bisherigen Baulandeigentümer mitberücksichtigende Interessenabwägung getroffen.
5. Da der Beschwerdeführer nur die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (zB VfSlg. 15.432/1999, 16.553/2002).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B3265.2005Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009