TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/26 W284 2241236-6

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Veröffentlicht am 26.08.2021
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Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W284 2241236-6/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Wagner-Samek, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1085181009-201279642, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nigeria, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 01.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 12.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt, gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Weiters wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.11.2019 als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und das Bundesamt leitete am 10.12.2019 bei der nigerianischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer ein.

3. Am 19.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, welchen er in weiterer Folge wieder zurückzog.

4. Seit 15.01.2020 verfügt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine Meldeadresse, er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar. Das Bundesamt erließ in weiterer Folge einen Festnahmeauftrag.

5. Am 18.12.2020 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer polizeilichen Zufallskontrolle von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

6. Am 18.12.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF zusammengefasst an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe und dass er nicht gewusst habe, dass er Österreich verlassen müsse. Ihm sei gesagt worden, dass man sich immer wieder beschweren müsse und er so in Österreich bleiben könne. Aus diesem Grund habe er auch seinen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zurückgezogen. Zu seiner Wohnadresse befragt gab der Beschwerdeführer an, diese nicht genau zu kennen. Er könne nur die Stadt angeben, wo er wohne. Auf Vorhalt des Bundesamtes, warum er dann in Wien aufgegriffen worden sei, gab er an, dass er hier als Zeitungsverkäufer arbeite. Er besitze keinen Reisepass und wolle Österreich nicht verlassen. In Österreich verfüge er über keine Familienmitglieder. Ein Kind von ihm lebe in Italien. Er habe Bargeld in Höhe von EUR 140.

7. Mit Bescheid vom 18.12.2020 ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG über den Beschwerdeführer Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18.12.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt, seit diesem Tag wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten. Gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft wurde vom Beschwerdeführer in weiterer Folge keine Beschwerde erhoben.

8. Mit Eingabe vom 30.12.2020 teilte der Beschwerdeführer mit, dass seine Ehefrau und sein Sohn in Italien leben würden.

9. Am 11.02.2021 wurde der Beschwerdeführer einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt und als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Zudem wurde von der nigerianischen Botschaft der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zugestimmt.

10. Die für den 16.03.2021 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria musste aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie aufgrund einer fehlenden Landegenehmigung storniert werden.

11. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2021, 11.05.2021, 04.06.2021, 02.07.2021 und zuletzt am 29.07.2021 wurde jeweils gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen und die Anhaltung verhältnismäßig sei.

12. Die Verwaltungsbehörde übermittelte - unter Anschluss einer Stellungnahme - am 19.08.2021 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten, womit die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt und führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 25.05.2021, am 21.06.2021 sowie am 27.07.2021 mittels Charter nach Nigeria hätte abgeschoben werden können, jedoch habe er jeweils die erforderlichen PCR-Tests verweigert. Eine negative PCR-Testung sei immer noch Voraussetzung für einen Flug nach Nigeria, weshalb der Beschwerdeführer durch Verweigerung der Testung seine Abschiebung jedes Mal verhindern habe können. Der Beschwerdeführer sei nunmehr für den Charterflug am 24.08.2021 geplant. Die Ausstellung des Heimreisezertifikates erfolge kurz vor dem Charterflug und werde zudem über die nigerianischen Behörden dahin gewirkt, dass PCR-Test-Verweigerer dennoch fliegen können.

13. Dem Beschwerdeführer wurde mittels Parteiengehör die Möglichkeit der Stellungnahme bis einschließlich 23.08.2021 gewährt, von der er binnen aufgetragener Frist jedoch keinen Gebrauch machte.

14. Am 23.08.2021 verweigerte der Beschwerdeführer die amtsärztliche Untersuchung.

15. Auch am 24.08.2021 befand sich der Beschwerdeführer nicht auf dem Charterflug nach Nigeria und teilte die Behörde nach telefonischer Rückfrage seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit, dass der Beschwerdeführer auch diesmal die Vornahme des PCR-Tests verweigert habe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der BF wird seit 18.12.2020 in Schubhaft angehalten. Die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet mit dem heutigen Tag, am 26.08.2021.

Der BF ist gesund und haftfähig.

Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.05.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.11.2019 als unbegründet abgewiesen.

Es liegt daher gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nach. Seinen kurz nach Erhalt der durch Bestätigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.11.2019 rechtskräftig gewordene aufenthaltsbeendende Maßnahme gestellten Antrag auf freiwillige Rückkehr nach Nigeria zog er – obwohl seitens der Behörde die Übernahme der Heim- und Ausreisekosten für den Beschwerdeführer erklärt wurde und ihm zudem eine finanzielle Starthilfe zugesagt wurde – am 08.01.2020 wieder zurück. Schließlich meldete er sich am 15.01.2020 auch noch von seiner Meldeadresse ab und hielt sich bis zur Inschubhaftnahme im Verborgenen auf, wodurch er seine Abschiebung zumindest erschwert hat.

Der BF ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten nicht vertrauenswürdig. Er hat seine Ausreiseverpflichtung missachtet und seine Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen verhindert. Er hat sohin gegen verwaltungsrechtliche Normen verstoßen bzw. Handlungen gesetzt, um sich weiter illegal in Österreich aufzuhalten. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit, mit den Behörden zu kooperieren. Vielmehr vereitelte er seine Abschiebung mehrmals, indem er am 25.05.2021, am 21.06.2021, am 27.07.2021 und jüngst für den Charterflug am 24.08.2021 die Vornahme eines PCR-Tests, welcher Voraussetzung ist, um den jeweils für den Beschwerdeführer geplanten Charterflug auch durchführen zu können, verweigerte. Auch dir für den 23.08.2021 angesetzte ärztliche Untersuchung lehnte der Beschwerdeführer ab.

Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Kontakte. Im Zeitraum vom 01.11.2018 bis zum 21.02.2019 ging er einer geringfügigen Beschäftigung als Arbeiter nach. Weiters arbeitete er als Zeitungsverkäufer und verfügte so in der Vergangenheit über geringe finanzielle Mittel zur Existenzsicherung. Abgesehen von diesen Tätigkeiten ging er in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt zum aktuellen Zeitpunkt über kein Vermögen bzw. Barmittel. Der BF ist daher mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen und hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde am 11.02.2021 einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt und als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer wurde von der nigerianischen Botschaft zugestimmt. Aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie musste die bereits für 16.03.2021 organisierte Charterabschiebung des Beschwerdeführers aufgrund fehlender Landegenehmigung storniert werden. Vier organisierte Charter-Abschiebungen (zuletzt am 24.08.2021) vereitelte der Beschwerdeführer durch Verweigerung der Durchführung des erforderlichen PCR-Tests. Der nächste Flieger nach Nigeria ist für Ende September avisiert.

Da die nigerianische Botschaft bereits mehrmals der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zugestimmt hat, die Behörde nach wie vor alles daransetzt, die Abschiebung des Beschwerdeführers zu gewährleisten und ein weiterer Charterabschiebetermin feststeht, erscheint die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der Schubhafthöchstdauer nach wie vor möglich und ist hinreichend wahrscheinlich.

Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu Gunsten des Beschwerdeführers hat sich seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit im Verfahren nicht ergeben. Hinzugekommen sind lediglich weitere Versuche des Beschwerdeführers, seine Abschiebung zu verhindern (die weitere – nunmehr zum vierten Mal – Verweigerung des erforderlichen PCR-Tests; Verweigerung der amtsärztlichen Untersuchung).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das asyl- und fremdenrechtliche Verfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf seinen Angaben in seinen bisherigen Verfahren, dass er nigerianischer Staatsangehöriger ist steht überdies insofern fest, als von der nigerianischen Vertretungsbehörde seine Staatsangehörigkeit bestätigt und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da sein Asylantrag rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurde, handelt es sich beim Beschwerdeführer weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten. Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister.

Der Zeitpunkt, seit dem der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei. Da die letzte Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft am 29.07.2021 erfolgte, endet die vierwöchige Frist zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit am 26.08.2021.

Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich keine Einträge finden, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Der Beschwerdeführer hat dem Gericht eine solche auch im Zuge des Parteiengehörs nicht angezeigt. Zudem hat der Beschwerdeführer in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Obwohl der Beschwerdeführer seine amtsärztliche Untersuchung am 23.08.2021 verweigerte, konnte der zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers befragte „Stockwerksbeamte“ angeben, dass es dem Beschwerdeführer gut gehe, weshalb auch die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers mit Befund und Gutachten von diesem Tag bescheinigt werden konnten. Das Bundesverwaltungsgericht darf daher zu Recht davon ausgehen, dass auch weiterhin keine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegt.

Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

Das Bestehen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung) gegen den Beschwerdeführer ergibt sich unzweifelhaft aus dem hg. nach Durchführung einer Verhandlung am 26.11.2019 unter Zl. 1409 2127441-1/27Z mündlich verkündetem Erkenntnis, welches von der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung eingesehen wurde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung untergetaucht ist und bis 11.05.2021 nicht mehr aufrecht gemeldet war, ergibt sich eindeutig aus dem Akteninhalt, insbesondere aus einem im Akt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Somit war auch die Feststellung zu treffen, dass sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Inschubhaftnahme dem Zugriff der Behörden entzogen und dadurch seine Abschiebung zumindest erschwert hat. Auch wenn der Beschwerdeführer, wie die Einsichtnahme in das ZMR aufzeigt, seit 11.05.2021 offenbar wieder über eine Meldeadresse verfügt, handelt es sich dabei nicht um einen gesicherten Wohnsitz, zumal sich der Beschwerdeführer seit 18.12.2020 durchgehend in Schubhaft befindet. Zu dieser Wohnsitzmeldung ist weiters festzuhalten, dass er, als er noch vor Inschubhaftnahme ebendort gemeldet war, bei seiner Einvernahme am 18.12.2020 aussagte, seine Adresse gar nicht genau zu kennen und lediglich die Stadt wisse, in der er wohne. Daraus geht klar hervor, dass diese Meldeadresse bereits zuvor offenbar nur auf dem Papier bestand und steht damit auch in Einklang, dass der Beschwerdeführer in Wien aufgegriffen wurde, während sich die in Rede stehende Meldeadresse dagegen auf einen Ort in einem anderen Bundesland bezieht. In ihrer Gesamtheit tragen diese Ausführung die Feststellung, dass der Beschwerdeführer, welcher sich zum Entscheidungszeitpunkt seit über acht Monaten im Polizeianhaltezentrum befindet, über keinen gesicherten Wohnsitz verfügt.

Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus seinem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten, insbesondere der Missachtung der Ausreiseverpflichtung, des Widerrufes seines gestellten Antrages auf unterstützte freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat Nigeria, der Verhinderung seiner Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, die mehrmalige Vereitelung der Abschiebung durch Verweigerung der Durchführung der erforderlichen PCR-Tests sowie die Verweigerung der Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung am 23.08.2021. Dass der Beschwerdeführer kooperationsunwillig ist, zeigt sich auch daran, dass er im Zuge der Mitteilung der bevorstehenden Abschiebetermine seine Unterschriften jeweils nicht leistetes; letzteres ergab sich aus der Stellungnahme der Behörde mit Vorlage des Verwaltungsaktes zwecks Haftüberprüfung. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird, haben sich demnach keine ergeben. Die erst kürzlich, am 23.08.2021, erfolgte Verweigerung der Untersuchung durch den Amtsarzt zeigt vielmehr auf, dass der Beschwerdeführer sein unkooperatives Verhalten fortzusetzen geneigt ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher weiter davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. Er ist nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist und bestehen aktuell Fluchtgefahr sowie Sicherungsbedarf. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels aktuell nicht vor.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer über keine familiären Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage und seinen eigenen Angaben. So hat er in seiner Einvernahme durch das Bundesamt zur Anordnung der Schubhaft angegeben, dass in Österreich keine familiären Kontakte bestünden und er lediglich über Barmittel in Höhe von ca. € 140 verfügt. Ergänzend gab er mit Eingabe vom 30.12.2020 bekannt, dass seine Ehefrau und sein Sohn in Italien leben würden. Aus einem Auszug aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres geht hervor, dass der Beschwerdeführer aktuell über keine Barmittel verfügt. Die Feststellungen, dass der BF im Zeitraum vom 01.11.2018 bis zum 21.02.2019 einer geringfügigen Beschäftigung als Arbeiter nachgegangen ist sowie als Zeitungsverkäufer gearbeitet hat, ergeben sich aus den im Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen. Somit war die Feststellung zu treffen, dass er in der Vergangenheit über geringe finanzielle Mittel zur Existenzsicherung verfügte. Substanzielle soziale Beziehungen im Bundesgebiet können daraus jedoch nicht abgeleitet werden.

Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (AS 327) für den Beschwerdeführer ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes. Aus der Aktenlage ergibt sich außerdem, dass das Bundesamt um die rasche Außerlandesbringung des Beschwerdeführers stets bemüht war. Wie dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, hat die nigerianische Botschaft bereits mehrmals der Ausstellung von Heimreisezertifikaten für den Beschwerdeführer zugestimmt. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, sind für das Bundesverwaltungsgericht keine Gründe ersichtlich, warum seine nach Nigeria nicht durchgeführt werden könnte. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits am 26.05.2021, am 22.06.2021, am 27.07.2021 und unlängst am 24.08.2021 nach Nigeria abgeschoben hätte werden können. Dass es nicht dazu gekommen ist, liegt daran, dass der Beschwerdeführer die hierfür erforderlichen PCR-Tests verweigerte und dadurch seine Abschiebung verhindern konnte.

Es wird nicht verkannt, dass die für 16.03.2021 organisiert gewesene Charterabschiebung des BF nach Nigeria aufgrund fehlender Landegenehmigung aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie wieder storniert werden musste. Aus derzeitiger Sicht ist aber damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie - auch in Hinblick auf die nunmehr weltweit angelaufenen Impfkampagnen - weiter gelockert und Charterabschiebungen nach Nigeria auch weiterhin möglich sein werden. Eine bereits jetzt feststehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich und wurde der Beschwerdeführer seither auch für vier Charterflüge gebucht, die er jedoch allesamt deswegen nicht antreten konnte, weil er die hierfür erforderlichen PCR-Tests infolge seiner Kooperationsunwilligkeit ausschlug. Wie sich aus der Stellungnahme des BFA vom 29.07.2021 ergibt, ist nunmehr nach wiederholter Verweigerung des PCR Tests durch den BF seitens des BFA beabsichtigt, an die Botschaft heranzutreten und um deren Unterstützung anzusuchen, bzw. soll die Möglichkeit einer zeitlich begrenzten „Quarantäne“ erörtert werden. Die nächste Abschiebemöglichkeit mittels Charter ist bereits für Ende September (s. AV v. 25.08.2021, OZ 7)avisiert.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) – Fortsetzungsausspruch:

Schubhaft (FPG)
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.       der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.       der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.       es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1.       in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.       sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

2.       eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Dauer der Schubhaft (FPG)

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,

1.       drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.       sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,

1.       die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.       eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.       der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.       die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.“

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:

a.       mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,

b.       Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Zum konkret vorliegenden Fall:

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die letzte Überprüfung der Verhältnismäßigkeit zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft die Fluchtgefahr nicht vermindert. Im Gegenteil, seit der letzten Haftüberprüfung hat der Beschwerdeführer sogar einen weiteren Abschiebe-Charter infolge Verweigerung der Covid-Testung zu verhindern gewusst. Die Schubhaft ist weiterhin jedenfalls wegen hoher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem Verhalten des Beschwerdeführers mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es besteht daher jedenfalls Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG und ist auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

Zur Verhältnismäßigkeit:

Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist vor dem Hintergrund, dass die Behörde sich laufend um die Abschiebung des Beschwerdeführers bemüht hat, auch verhältnismäßig. Die für den 16.03.2021 organisierte Charterabschiebung nach Nigeria musste zwar auf Grund einer fehlenden Landeerlaubnis storniert werden, doch standen mit 26.05.2021, 22.06.2021, 27.07.2021 und zuletzt mit 24.08.2021 bereits neue Termine für die Abschiebung des Beschwerdeführers fest, die aufgrund seiner Verweigerung, einen erforderlichen PCR-Test durchführen zu lassen, nicht eingehalten werden konnten. Es wird seitens der Behörde darauf hingewirkt, den Beschwerdeführer für den nächsten Charterflug Ende September 2021 zu buchen. Die Behörde hat für den Beschwerdeführer jedes Mal umgehend zeitnah neue Abschiebetermine organisiert. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers - wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt – liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer verfügt über keine nennenswerten familiären Kontakte in Österreich und über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist mittellos.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (insbesondere sein Untertauchen und die mangelnde Kooperationsbereitschaft mit den Fremdenbehörden, wobei sich letztere durch die Verweigerung der PCR-Tests sowie durch die Verweigerung der amtsärztlichen Untersuchung gleichsam ausdrückt), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung seiner Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers weiterhin überwiegt und auch sein einwandfreier Gesundheitszustand seiner weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Der Beschwerdeführer wird seit 18.12.2020 durchgehend in Schubhaft angehalten. Hinsichtlich der Dauer der gegenständlichen Schubhaft ist gegenständlich jedenfalls der Tatbestand der Z. 4 des § 80 Abs. 4 FPG verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Zu prüfen ist zuletzt, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens und angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr seines neuerlichen Untertauchens besteht. Insbesondere ist auf Grund seines bisher gezeigten Verhaltens nicht davon auszugehen, dass er einem angeordneten gelinderen Mittel tatsächlich nachkommen würde. Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

Zu Spruchteil B) – Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W284.2241236.6.00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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