TE Bvwg Beschluss 2021/8/26 W164 2192453-1

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Veröffentlicht am 26.08.2021
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Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33
VwGVG §8a Abs1

Spruch


W164 2192453-1/10Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geb. XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vom 19.08.2021 im Verfahren über ihre Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 07.03.2018, Zl. 2017-566-9-002050, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung und Zurückweisung des Vorlageantrages vom 23.01.2018 als verspätet, beschlossen:

A)

Dem Antrag wird gemäß § 8a Abs 1 VwGVG keine Folge gegeben und die Verfahrenshilfe nicht bewilligt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 19.09.2017 sprach das Arbeitsmarktservice 966-Wien Hietzinger Kai (im Folgenden: AMS) aus, dass die Notstandshilfe der nunmehrigen Antragstellerin (im Folgenden: AS) mangels Arbeitsfähigkeit ab 13.07.2017 eingestellt werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die nunmehrige AS fristgerecht Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.12.2017 wurde die Beschwerde abgewiesen. Dieser Bescheid wurde der AS am 22.12.2017 durch Hinterlegung nachweislich zugestellt.

Mit 23.01.2018, somit nach Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Erhebung eines Vorlageantrages, erhob die AS einen Vorlageantrag und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat das AMS den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und den Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die AS fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Schreiben vom 07.07.2021, der AS nachweislich durch Hinterlegung am 13.07.2021 zugestellt, wurde die AS zu einer mündlichen Verhandlung geladen.

Mit Einlangensdatum 19.08.2021 beantragte die AS Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung. Sie begründete den Antrag damit, dass sie aufgrund ihrer Blindheit für Antragstellungen und dergleichen auf Assistenz angewiesen sei. Daher wäre ihr auch bei der Anhörung mit anwaltlicher Unterstützung geholfen. Die AS legte ein Vermögensbekenntnis vor und beantragte Gebührenbefreiung und die Beigebung eines Rechtsanwaltes.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Hinsichtlich der Feststellungen wird auf die unter Punkt 1., Verfahrensgang gemachten Ausführungen verwiesen.

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und den von der AS eingebrachten Verfahrenshilfeantrag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der/die Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der/die Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschlusses erlassen darf. Die vorliegende Entscheidung unterliegt somit Einzelrichterzuständigkeit.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.

Maßgeblich sind die Vermögensverhältnisse der Partei, ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden, weiters ihre Erfolgsaussichten und die Komplexität des Falles bzw. die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Verfahrenshilfe gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist nur dann vorgesehen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die Verfahrenshilfe im konkreten Verfahren geboten ist.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Soweit die AS die Befreiung von Gebühren beantragt ist dem entgegenzuhalten, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichts für das gegenständliche Verfahren keine Gebühren eingehoben werden. Der Antrag geht daher insoweit ins Leere.

Soweit sich der vorliegende Antrag auf die Beigebung eines Rechtsanwaltes richtet, muss dem Folgendes entgegengehalten werden:

In dem von der AS angestrebten Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht besteht keine Anwaltspflicht. Die Beigebung eines Rechtsanwalts käme daher unter Berücksichtigung der oben zusammengefassten höchstgerichtlichen Judikatur nur ausnahmsweise in Betracht. Die Antragstellerin ist blind. Sie macht aber keine geistige oder psychische Einschränkung geltend. Auch im Beschwerdeakt finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die AS im Rahmen der geplanten mündlichen Verhandlung nicht in der Lage sein würde, Ihren Standpunkt zu vertreten und Aussagen zum Sachverhalt zu machen. Die vorliegende Rechtssache ist auch nicht außergewöhnlich komplex sodass die Beigebung eines Rechtsbeistandes nicht erforderlich erscheint.

Die von AS beantragte Verfahrenshilfe ist im vorliegenden Verfahren daher nicht geboten.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gebührenbefreiung Rechtsvertreter Verfahrenshilfeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2192453.1.00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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