TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/29 94/16/0004

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Veröffentlicht am 29.01.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
32/06 Verkehrsteuern;
98/01 Wohnbauförderung;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3 lita;
StGG Art2;
WFG 1968 §2 Abs1 Z3;
WFG 1984 §2 Z3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/16/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S F und des F F in W, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. November 1993, Zlen. GA 11-259/13/93 (hg. Zl. 94/16/0004) und GA 11-259/12/93 (hg. Zl. 94/16/0005), je betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 8.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer erwarben von Dr. W. am 25. April 1986 zusammen 2.108/10.000 Anteile an der Liegenschaft EZ 1218, KG G, mit der Absicht, mit anderen Erwerbern ein Mehrwohnungshaus (Eigentumswohnungen) zu errichten. Die Berufungsbescheide vom 7. Februar 1992, mit denen die belangte Behörde den Beschwerdeführern die Bauherreneigenschaft absprach, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/16/0050, 0051, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. In der Begründung dieses Erkenntnisses wurde auf ein einen anderen Erwerber betreffendes Erkenntnis verwiesen (Zl. 92/16/0047) und wörtlich ausgeführt:

"Durch dieses Erkenntnis sind auch die in den vorliegenden - eine Behauptung der Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf besondere Ausnahme ihrer Erwerbsvorgänge von der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 (im Hinblick auf die Nutzfläche ihrer Wohnung von mehr als 130 m2 zutreffend) nicht beinhaltenden - Beschwerdefällen, die der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres engen persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden hat, zu lösenden wesentlichen Fragen bereits beantwortet worden."

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde unter Anerkennung der Bauherreneigenschaft der Beschwerdeführer den Berufungen teilweise Folge, schied die Baukosten aus der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer aus und setzte die Grunderwerbsteuer nur mehr auf der Basis der Grundkosten fest. Allerdings folgte die belangte Behörde nicht dem Standpunkt der Beschwerdeführer, es stehe ihnen die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG zu. Eine Arbeiterwohnstätte dürfe nämlich die Nutzfläche von 130 m2 nicht übersteigen. Die den Beschwerdeführern zugewiesene Eigentumswohnung hätte eine Nutzfläche von 158,87 m2, sodaß keine Arbeiterwohnstätte gegeben sei.

In ihren dagegen erhobenen Beschwerden erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerfreiheit für den Grundstückskauf infolge Errichtung einer Arbeiterwohnstätte, auf Gleichbehandlung mit den übrigen Erwerbern, deren Berufung zur Gänze Folge gegeben worden sei, und auf ein mängelfreies Ermittlungs- und Berufungsverfahren verletzt. Sie beantragen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschriften der belangten Behörde vor. Die belangte Behörde verwies in den Gegenschriften insbesondere darauf, daß sie gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet war, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen; selbst der Verwaltungsgerichtshof sei im fortgesetzten Verfahren an seine Rechtsanschauung gebunden und könne davon auch nicht durch einen verstärkten Senat abgehen. Mit der eingangs wiedergegebenen Begründung habe der Verwaltungsgerichtshof seine konkrete Rechtsmeinung zur Frage der Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG geäußert.

Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Vorerkenntnis konkret seine Rechtsauffassung zum Vorliegen des Ausnahmstatbestandes des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 dargetan; zur Aufhebung führte der Umstand, daß die belangte Behörde Tatfragen zu Klärung der Bauherreneigenschaft nicht hinreichend aufgeklärt hatte. Eines Eingehens auf die Bindungsproblematik gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bedarf es aber schon deshalb nicht, weil selbst dann, wenn im in der Sache ergangenen Vorerkenntnis diese Rechtsauffassung nicht kundgetan worden wäre, der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung der nunmehr anstehenden Rechtsfrage aus nachstehenden Erwägungen zu keinem anderen Ergebnis gelangte wäre:

Nach § 12 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 (im folgenden: GrEStG) ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Steuerfrei ist der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung eines Wohnhauses mit mehreren Wohnungen, wenn der Erwerber allein das Wohnhaus schafft; steuerfrei ist auch der Erwerb eines Grundstücksanteiles, wenn das Wohnhaus von mehreren Miteigentümern geschaffen wird. Wird im letzteren Fall das Grundstück durch die Miteigentümer von einer Vereinigung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a GrEStG erworben, um Wohnungseigentum zu begründen, so ist die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a anwendbar; ist der Verkäufer keine begünstigte Vereinigung, so kann der Erwerb der Miteigentümer nach Z. 2 lit. a steuerfrei sein (Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz II, September 1986, Randzahl 83 zu § 4 GrEStG).

Grundvoraussetzung dieser Befreiung ist allerdings, daß eine ARBEITERWOHNSTÄTTE geschaffen wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Arbeiterwohnstätte eine Wohnstätte zu verstehen, die nach ihrer Größe und Ausstattung so beschaffen sein muß, daß sie einerseits geeignet ist, das Wohnbedürfnis eines Durchschnittsarbeiters zu befriedigen und andererseits für die Erwerbung nur einen für einen Durchschnittsarbeiter erschwinglichen Kostenaufwand erfordert (siehe die Nachweise bei Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuer II/3 zu § 4 GrEStG, Ergänzung E aus Jänner 1986, 6/2 E). Auch eine Eigentumswohnung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Arbeiterwohnstätte sein (Fellner a.a.O, Ergänzung H aus Jänner 1987, 6/7 H). Die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist auf objektive Merkmale abgestellt; es kommt allein auf die Beschaffenheit der Wohnstätte, nicht hingegen auf subjektive, beispielsweise in der Person des Erwerbers liegende Voraussetzungen an (Fellner a.a.O, 7 H). Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß bei einer Arbeiterwohnstätte die Nutzfläche 130 m2 nicht übersteigen darf (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 95/16/0251 mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem einen anderen Miteigentümer betreffenden Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/16/0047 unter Zitierung seiner Vorjudikatur ausgeführt hat, scheitert die Anwendung der Befreiungsbestimmung bei einer Wohnungsgröße von über 130 m2 in gleicher Weise, wie wenn statt einer Wohnstätte ein Geschäftslokal hätte geschaffen werden sollen. Im Falle des Erkenntnisses vom 23. Juni 1983, Zl. 83/16/0066, 0067, ging es um ein Geschäftslokal in einem Haus mit Arbeiterwohnstätten, deren Ausmaß nach den Beschwerdebehauptungen überwogen haben. Der Verwaltungsgerichtshof stellte aber ausdrücklich auf das Vorliegen des rechtserheblichen Tatbestandsmerkmales "Arbeiterwohnstätte" ab und führte aus, daß die Befreiungsvorschrift auf den Erwerb eines Grundstücksanteiles ausschließlich zum Zwecke des Begründung des Wohnungseigentums an einem Geschäftslokal keine Anwendung finde (ebenso:

Erkenntnis vom 31. Oktober 1979, Zl. 2527/77, Slg. Nr. 5421/F.). Vielmehr wirkt sich jede Überschreitung der spezifischen Zweckbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a befreiungsschädlich aus (hg. Erkenntnis vom 16. September 1982, Zl. 81/16/0240). Die gegenständliche Eigentumswohnung mit einer Nutzfläche von 158,87 m2 erfüllt somit die Tatbestandsvoraussetzung "Arbeiterwohnstätte" nicht.

Die Beschwerdeführer verweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, daß ein Erwerbsvorgang nicht in einen steuerbefreiten und in einen steuerpflichtigen Teil aufgespalten werden dürfe, weil tatbestandsmäßige Voraussetzung der jeweiligen Ausnahmebestimmung eine spezifische Zweckbestimmung - also etwa ZUR Schaffung von Arbeiterwohnstätten - ist und sich jede überschreitung der spezifischen Zweckbestimmung befreiungsschädlich auswirkt (siehe beispielsweise das ausführlich begründete Erkenntis vom 11. Februar 1982, Zl. 81/16/0008, Slg. 5.655/F). Im zitierten Fall wurde der Zubau an einem Gebäude, das zwei Nichtarbeiterwohnstätten enthielt, mit einer größenmäßig grundsätzlich geeigneten Wohnung als im Widerspruch zur spezifischen Zweckbestimmung befreiungsschädlich angesehen.

Wird somit der Befreiungszweck insgesamt nicht erreicht, kann es nicht zu einer Aufspaltung kommen; der Befreiungszweck kann nicht erreicht werden, wenn Nichtarbeiterwohnstätten (das können beispielsweise auch Betriebe oder Geschäfte sein) überwiegen.

Beim vorliegenden Erwerbsvorgang stellt sich die Frage des Überwiegens der Nutzflächen für Arbeiterwohnstätten aber nicht, weil die Erwerber nicht beabsichtigt haben, eine Arbeiterwohnstätte zu errichten. Auch die Beschwerdeführerin kann kein Beispiel aus der Vorjudikatur anführen, wonach einer 130 m2 übersteigenden Wohnung Arbeiterwohnstättencharakter zuerkannt worden wäre, weil im Haus überwiegend Arbeiterwohnstätten errichtet wurden. Nur wenn flächenmäßig zur Begünstigung geeignete Wohnungen errichtet werden, ist das Haus als Ganzes in die Betrachtung einzubeziehen und kommt es auf ein Überwiegen an. Der Erwerb eines Grundstücksanteiles zur Errichtung einer wegen der Größe keinesfalls als Arbeiterwohnstätte zu qualifizierenden Wohnung ist ebensowenig wie die Errichtung eines Geschäftslokales befreit, weil der Gesetzeswortlaut ausdrücklich auf Arbeiterwohnstätten abstellt und eben nur diese Wohnungstype befreien will. Es ist schließlich keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, weshalb die Errichtung einer Luxuswohnung (z.B. ein Gesamtdachgeschoß) in einem Haus mit einer Vielzahl anderer Eigentumswohnungen von weniger als 130 m2 Nutzfläche genauso befreit sein soll wie die übrigen Klein- und Mittelwohnungen.

Das von den Beschwerdeführern herangezogene Erkenntnis vom 2. Mai 1961, Zl. 1930/60, Slg. Nr. 2.432/F., ist deshalb nicht vergleichbar, weil es dort um die Ausnahmsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a GrEStG ging; der gemeinnützige Bauträger konnte (für die ganze Liegenschaft bzw. für das ganze zu errichtende Gebäude) die Befreiung in Anspruch nehmen, weil die auch zu errichtenden Geschäftsräume und Garagen die Kleinwohnungen nicht überwogen haben. Hier geht es aber um den Erwerb eines ideellen Anteiles, der AUSSCHLIEßLICH für die Verwirklichung eines vom Gesetz nicht geförderten Zweckes erworben wird. Die von den Beschwerdeführern zitierte Belegstelle aus dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1988, Zlen. 88/16/0056 bis 0059 betraf Ausführungen zur Bauherreneigenschaft, aber nicht zum Befreiungstatbestand für den Arbeiterwohnstättenbau.

Die belangte Behörde ist somit völlig zu Recht davon ausgegangen, daß die gegenständlichen Erwerbsvorgänge den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG nicht erfüllt haben, weshalb sich die Beschwerden insgesamt als unbegründet erwiesen haben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994160004.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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