Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §250 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision 1. der T A und 2. des Ing. J A, beide in F, beide vertreten durch Mag. Stephan Potz in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. November 2018, Zl. LVwG-450358/2/MB/HEK - 450359/2, betreffend die Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Vorschreibung einer Ergänzungsgebühr zur Kanalanschlussgebühr (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde Frankenburg am Hausruck; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Marktgemeinde Frankenburg am Hausruck hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Der Antrag der Oberösterreichischen Landesregierung auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 setzte der Bürgermeister der Marktgemeinde F gegenüber den Revisionswerbern eine Ergänzungsgebühr zur Kanalanschlussgebühr in Höhe von 4.502,22 € fest.
2 In der dagegen erhobenen Berufung vom 23. Jänner 2018 begehrten die Revisionswerber die Aufhebung des Bescheids, weil die für die Berechnung der Kanalanschlussgebühr maßgebliche Fläche im Zuge des von ihnen durchgeführten Umbaus verkleinert worden sei und somit keine Ergänzungsgebühr anfallen könne. Im Übrigen sei bereits Verjährung eingetreten.
3 Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 wies der Gemeinderat der Marktgemeinde F die Berufung der Revisionswerber mit näherer Begründung ab.
4 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber mit Schriftsatz vom 27. Juli 2018 „Beschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 iVm 132 Abs 1 Z 1 B-VG“ und stellten nach Ausführungen zur „Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit“ sowie nach näherer Darlegung der „Beschwerdegründe“ und Ausführungen zur „Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung“ folgende „Anträge“:
„Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge
1. den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz [bzw gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG] aufheben;
in eventu
2. gemäß § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz VwGVG den angefochtenen Bescheid - gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts - abändern;
in eventu
3. den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neues Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen;
4. gemäß § 24 Abs 1 VwGVG erforderlichenfalls zuvor eine mündliche Verhandlung durchführen.
5. gemäß § 22 Abs 3 VwGVG den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde aufheben.“
5 Mit Beschluss vom 5. November 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend wurde hierzu im Wesentlichen ausgeführt, im gegenständlichen Fall stehe außer Frage, dass eine etwaig festzusetzende ergänzende Kanalanschlussgebühr eine Abgabe im Sinne des § 1 BAO sei und folglich nach § 2a BAO (auch) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Verfahrensregime der BAO und nicht jenes des VwGVG zur Anwendung gelange. Die von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde stütze sich jedoch ausdrücklich auf § 28 VwGVG und es werde eine Vorgangsweise nach dieser Bestimmung beantragt. Aufgrund dieser expliziten Bezugnahme auf § 28 VwGVG sei eine Umdeutung in eine Beschwerde nach der BAO nicht möglich. Die von den Revisionswerbern gestellten Beschwerdeanträge seien unzulässig und die Beschwerde zurückzuweisen.
7 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG). Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete (unaufgefordert) eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich dem Revisionsvorbringen anschloss.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In der Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei Mängeln von Eingaben ein Mängelbehebungsverfahren durchzuführen sei. Selbst wenn - wovon die Revision nicht ausgehe - entsprechend den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich eine Umdeutung der Beschwerde in eine Beschwerde nach der BAO nicht zulässig wäre, wäre jedenfalls die Bezugnahme auf die falsche Rechtsquelle in den Anträgen einem Mängelbehebungsverfahren zugänglich gewesen.
13 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
14 Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig.
15 Die Bescheidbeschwerde hat gemäß § 250 Abs. 1 BAO zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheids, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) eine Begründung.
16 Den Revisionswerbern ist zunächst beizupflichten, dass bei Vorliegen einer Beschwerde, die nicht den in § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, nach § 85 Abs. 2 BAO die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen ist, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Wird einem solchen Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen, ist die Bescheidbeschwerde gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss des Verwaltungsgerichts als zurückgenommen zu erklären (vgl. VwGH 19.12.2017, Ro 2017/16/0011).
17 Im revisionsgegenständlichen Fall war jedoch ein Vorgehen mit Mängelbehebungsauftrag gemäß § 2a iVm § 85 Abs. 2 BAO nicht erforderlich, lässt die Beschwerde der Revisionswerber unter dem Punkt „Anträge“ doch klar erkennen, welche Änderung des bekämpften Bescheids (ersatzlose Aufhebung in eventu Abänderung in eventu Aufhebung und Zurückverweisung) begehrt wird. Damit ist aber auch das in § 250 Abs. 1 lit. c BAO normierte Erfordernis als erfüllt anzusehen.
18 Dass sich die im Beschwerdeschriftsatz der Revisionswerber vom 27. Juli 2018 an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gerichteten Anträge auf Bestimmungen des VwGVG (anstatt auf jene der BAO) stützen, lässt zwar eine gewisse Oberflächlichkeit erkennen, ist jedoch insoweit unschädlich, verlangt § 250 Abs. 1 BAO doch nicht die Angabe jener gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich die gestellten Anträge zu stützen vermögen.
19 Im Übrigen kommt es für die Beurteilung von Anbringen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare Ziel des Parteischrittes an. Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, das heißt es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. die bei Ritz, BAO6 § 85 Tz 1, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
20 Aus dem Schriftsatz der Revisionswerber vom 27. Juli 2018 geht eindeutig hervor, dass sie von ihrem Recht, eine (zulässige) Beschwerde gegen den Bescheid des Gemeinderats der Marktgemeinde F zu erheben, Gebrauch machen wollten. Die bloße Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen des VwGVG anstatt auf jene der BAO vermag daran nichts zu ändern. Die Anführung einer falschen Rechtsquelle in der Beschwerde durch die Revisionswerber berechtigt das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht dazu, die Beschwerde von vornherein als unzulässig zurückzuweisen.
21 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
23 Die Oberösterreichischen Landesregierung bezeichnet sich in ihrer Revisionsbeantwortung als „Mitbeteiligte Partei gemäß § 21 Abs. 1 Ziffer 3 VwGG“. Tatsächlich kommt ihr nicht die Stellung einer mitbeteiligten Partei nach § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG, sondern einer weiteren Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG zu. Anspruch auf Aufwandersatz hätte aber eine mitbeteiligte Partei nach § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG und das auch nur im Falle der Abweisung der Revision (§ 48 Abs. 3 VwGG iVm § 47 Abs. 3 VwGG). Ein Aufwandersatz für die weitere Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der Antrag der Oberösterreichischen Landesregierung auf Zuerkennung von Aufwandersatz war daher zurückzuweisen.
Wien, am 31. August 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019160062.L00Im RIS seit
20.09.2021Zuletzt aktualisiert am
07.10.2021