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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über den Antrag des S in A, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in R, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 23. April 1996, Zl. Fr 240/1996, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.
Begründung
Mit Beschluß vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0540, wurde die Beschwerde gegen den genannten Bescheid für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, nachdem der Beschwerdeführer innerhalb der ihm gesetzten Frist zur Ergänzung der Beschwerde eine weitere Gleichschrift des Beschwerdeschriftsatzes vorgelegt hatte, die jedoch nicht (auch nicht in Ablichtung) die Unterschrift seines Vertreters aufweist.
Der Beschwerdeführer beantragt nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung einer unterschriebenen Beschwerdeausfertigung mit dem bescheinigten Vorbringen, die bis dahin verläßliche Kanzleiangestellte habe aus dem Handakt versehentlich jene Kopie der Beschwerde, die nicht mit einer Unterschrift von Dr. C versehen war, mit den anderen Schriftstücken in das Kuvert gegeben und auch versehentlich die Bundesstempelmarke auf die nicht unterfertigte Kopie der Beschwerde geklebt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter (dessen Verschulden dem der Partei selbst gleichzuhalten ist) darf nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluß vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0407).
Ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darf sich im allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, daß sein Kanzleipersonal einem von ihm diktierten Schriftsatz die aufgetragene Beilage auch tatsächlich anschließt; es ist nicht notwendig, daß sich der Anwalt nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleileiterin in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung, etwa durch nochmalige Vorlage des Handaktes, überzeugt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 658, angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom bescheinigten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, unter Beachtung der oben angeführten Rechtsprechung dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten, die über einen minderen Grad des Versehens hinausginge. Aus diesem Grund war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996211049.X00Im RIS seit
20.11.2000