TE Vwgh Beschluss 2021/9/1 Ra 2021/19/0253

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/19/0254

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in den Revisionssachen 1. der P J alias J, und 2. der T S B N alias B, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2021, 1. L512 2183141-1/37E und 2. L512 2183137-1/35E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberinnen sind iranische Staatsangehörige. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweitrevisionswerberin.

2        Die Revisionswerberinnen stellten am 2. Juli 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Begründend brachten sie vor, der Exmann der Erstrevisionswerberin und dessen Familie hätten diese bedroht und misshandelt. Zudem habe sie Probleme gehabt, weil sie als Schiitin einen Sunniten, ihren jetzigen Ehemann, geheiratet habe, insbesondere mit dessen Familie. Im Laufe des Verfahrens brachten die Revisionswerberinnen auch vor, sie seien zum Christentum konvertiert und getauft worden.

3        Mit Bescheiden vom 7. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der Revisionswerberinnen ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei, und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberinnen als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Mit Beschluss vom 29. April 2021, E 1523-1524/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde der Revisionswerberinnen ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe seine Ermittlungspflichten verletzt. Es sei auf das Vorbringen hinsichtlich der Bedrohung der Erstrevisionswerberin durch ihren Exmann nicht ausreichend eingegangen und hätte von Amts wegen Erhebungen im Iran tätigen und prüfen müssen, ob dort ausreichend Schutzmechanismen für alleinstehende Frauen, die Opfer von Gewalt geworden seien, bestünden.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 13.7.2020, Ra 2020/19/0227, mwN).

11       Das BVwG setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit diesem Fluchtvorbringen der Erstrevisionswerberin auseinander und kam zum Ergebnis, die Erstrevisionswerberin habe eine Bedrohung durch ihren Exmann bzw. dessen Familie nicht glaubhaft machen können. Begründend stützte es sich dabei im Wesentlichen auf Widersprüche in ihrem Vorbringen. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

12       Insoweit die Revision das Fehlen von Feststellungen zum Schutz von Frauen vor Gewalt im Iran bemängelt, entfernt sie sich daher vom festgestellten Sachverhalt.

13       Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit weiter geltend, die Beweiswürdigung in Bezug auf die behauptete Konversion sei einseitig ausgefallen. Das BVwG habe, insbesondere im Hinblick auf die vorgelegten Taufbescheinigungen, nicht nachvollziehbar begründet, warum es von einer Scheinkonversion ausgehe.

14       Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2020/19/0122, mwN).

15       Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/19/0227, mwN).

16       Es entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum nicht entscheidend ist, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgt oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0042, mwN).

17       Das BVwG führte eine mündliche Verhandlung durch, in welcher es sich einen persönlichen Eindruck von den Revisionswerberinnen verschaffte und diesen ausführlich Gelegenheit gab, sich zur behaupteten Konversion zu äußern, und vernahm dazu zwei Zeugen. Das BVwG setzte sich mit den für die Beurteilung einer Konversion maßgeblichen Aspekten auseinander und verneinte im Ergebnis einen Glaubenswechsel aus innerer Überzeugung. Begründend führte es auf das Wesentliche zusammengefasst aus, es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Revisionswerberinnen innerhalb der kurzen Zeitspanne tiefgründig mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hätten. Der Beginn der Taufvorbereitung falle mit der negativen Entscheidung des BFA zusammen. Für den Kontakt zum Christentum seien nicht religiöse Erwägungen ausschlaggebend gewesen, sondern die Suche nach sozialen Kontakten. Zwar weise die Erstrevisionswerberin Grundkenntnisse des Christentums auf, sie habe jedoch nicht schlüssig darlegen können, warum sie sich gerade dem katholischen Glauben zugewandt habe. Die Zweitrevisionswerberin habe lediglich auf Initiative der Erstrevisionswerberin Kontakt mit dem Christentum aufgenommen und sich taufen lassen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Revisionswerberinnen im Fall einer Rückkehr den christlichen Glauben ausüben oder missionierend tätig werden würden.

18       Die Revision legt mit ihrem lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen nicht dar, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

19       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190253.L01

Im RIS seit

20.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten