TE Vwgh Beschluss 2021/9/1 Ra 2021/03/0145

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Veröffentlicht am 01.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
WaffG 1996 §25 Abs3
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des M R in W, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7/63, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. Juni 2021, VGW-103/040/18/2021-9, betreffend die Entziehung einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis entzog das Verwaltungsgericht Wien dem Revisionswerber - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der Landespolizeidirektion Wien vom 5. Dezember 2020 - die Waffenbesitzkarte gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG und erklärte die Revision für nicht zulässig.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei seit Juli 2019 Inhaber einer Waffenbesitzkarte. Zu einem näher angegebenen Zeitpunkt im Juni 2020 habe er in seiner Wohnung im Beisein mehrerer Freunde im alkoholisierten Zustand mit einer ungeladenen Faustfeuerwaffe (Glock 17) hantiert, sie mehrfach repetiert und seinen anwesenden, ebenfalls alkoholisierten Freunden gezeigt. Neben dieser Faustfeuerwaffe habe der Revisionswerber auch eine Langwaffe samt Magazinen und Munition. Beide Waffen sowie die Munition bewahre er in unversperrten Laden in seinem Schlafzimmer bzw. einem angrenzenden Schrankraum auf. Zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle sei die Schlafzimmertür, welche die beiden Räume vor dem Betreten durch Dritte sichern sollte, unversperrt und damit sowohl die Langwaffe als auch die Munition vor fremdem Zugriff ungesichert gewesen. Der Revisionswerber habe keinen Waffenschrank oder sonstiges versperrbares Behältnis für seine Schusswaffen. Beim Öffnen der Wohnungstür nach Aufforderung durch die Exekutive habe der Revisionswerber die Glock 17 im Hosenbund am Rücken getragen. Die Exekutivbeamten hätten die Waffe bemerkt und den Revisionswerber aufgefordert, die Arme nach vorne zu strecken und in den Gang der Wohnung zu treten. Entgegen dieser Aufforderung habe der Revisionswerber mit einer Hand zur Waffe gegriffen, um diese aus dem Hosenbund zu ziehen.

3        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass dem Revisionswerber bei einer Gesamtbetrachtung der festgestellten Umstände die waffenrechtliche Verlässlichkeit fehle. Sowohl der Umgang des Revisionswerbers mit seiner Faustfeuerwaffe vor und während des geschilderten Polizeieinsatzes als auch der Umstand der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung seiner Waffen begründe diese Annahme.

4        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, die Rechtsfrage, inwieweit Alkoholisierung mit dem Führen bzw. Hantieren von Schusswaffen vereinbar sei, sei vom Verwaltungsgerichthof noch nicht abschließend geklärt worden. Auch habe die Rechtsfrage, wie ein anwesender Waffenbesitzer seine Schusswaffe vor dem Zugriff von Besuchern schützen müsse, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die vielen Waffenbesitzer benötigten eine höchstgerichtliche Entscheidung, um zu wissen, welche anderen Formen der sicheren Verwahrung von Schusswaffen - außer dem „Wegsperren“ - zulässig seien. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auch uneinheitlich, zumal das Höchstgericht auch schon entschieden habe, dass die zeitweilige Verwahrung der Waffe in einem versperrten Barschrank im Wohnzimmer und in einem Versteck im Büroraum den Rückschluss auf eine mangelnde Verlässlichkeit des Waffenkarteninhabers nicht zulasse (Hinweis auf VwGH 18.9.1991, 91/01/0081). Allein diese Entscheidung zeige, dass eine uneinheitliche höchstgerichtliche Judikatur vorliege. Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie weit ein Waffenbesitzer bei Anwesenheit von Personen ohne waffenrechtliche Genehmigung Maßnahmen treffen müsse, um einen möglichen Zugriff dieser Personen auf seine Faustfeuerwaffe zu verhindern.

5        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7        Gemäß § 25 Abs. 3 WaffG sind waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich aus Anlass einer Überprüfung der Verlässlichkeit gemäß § 25 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG ergibt, dass die berechtigte Person nicht mehr verlässlich ist. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist allerdings abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.

8        Verlässlich ist ein Mensch gemäß § 8 Abs. 1 WaffG u.a. nur dann, wenn keine Tatsache die Annahme rechtfertigt, dass er Waffen nicht sorgfältig verwahren wird (§ 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall WaffG). Gemäß § 3 Abs. 1 der 2. WaffV ist eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn der Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt. Für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition sind insbesondere die in § 3 Abs. 2 der 2. WaffV genannten Umstände betreffend den Schutz von Waffen und Munition maßgeblich.

9        Die Beurteilung der sorgfältigen Verwahrung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab; eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit einer Revision bekämpfbar (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 9.10.2019, Ra 2019/03/0115, mwN).

10       Im gegenständlichen Fall hat das Verwaltungsgericht die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Revisionswerbers aufgrund des festgestellten Verhaltens in Gegenwart von alkoholisierten Besuchern und der einschreitenden Polizeibeamten verneint. Es hat sich dabei vor allem auf das - unstrittige - Hantieren mit einer (ungeladenen) Faustfeuerwaffe in alkoholisiertem Zustand, auf sein gefährliches Auftreten gegenüber den Polizeibeamten und auf die mangelnde Verwahrung der Waffen (der Revisionswerber verfügt über keinen versperrbaren Waffenschrank oder ein sonstiges versperrbares Behältnis für seine Waffen; er verwahrte seine Langwaffe und seine Faustfeuerwaffe üblicherweise in einem Schrankraum, die Munition in einer nicht versperrbaren Lade im Schlafzimmer auf, keiner dieser Räume war im Zeitpunkt der Kontrolle aber abgesperrt) gestützt.

11       Dass diese Beurteilung in Abweichung von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Judikatur erfolgt wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen:

12       Wenn die Revision Judikatur zur Frage vermisst, inwieweit Alkoholisierung mit dem Führen bzw. Hantieren von Schusswaffen vereinbar sei, ist darauf hinzuweisen, dass ein (Mit)Führen der Waffe in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Regel gegen die waffenrechtliche Verlässlichkeit der betroffenen Person spricht (vgl. etwa VwGH 21.9.2000, 98/20/0139, und VwGH 17.9.2003, 2001/20/0020, mwN). Diese Rechtsprechung lässt sich zwar nicht ohne Weiteres auf den gegenständlichen Fall, somit auf das Hantieren mit einer ungeladenen Faustfeuerwaffe in der eigenen Wohnung (in alkoholisiertem Zustand in Gegenwart von alkoholisierten Freunden) übertragen, das Verwaltungsgericht hat die Annahme mangelnder waffenrechtlicher Verlässlichkeit aber auch nicht nur auf diesen Umstand gestützt, sondern eine Gesamtbetrachtung des damaligen Geschehens vorgenommen.

13       Anders als die Revision vermeint, reicht die bereits vorliegende - auch nicht uneinheitliche - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Verwahrungspflichten des Inhabers von waffenrechtlichen Urkunden aus, um den gegenständlichen Fall zu lösen:

14       Der Revisionswerber hatte zwar angegeben, in der Wohnung allein zu leben und die Waffen üblicherweise in einem Schrankraum getrennt von der Munition, die in einer nicht versperrbaren Lade im Schlafzimmer abgelegt sei, zu verwahren. Diese Räume halte er bei Besuch versperrt. Im Zeitpunkt der gegenständlichen polizeilichen Kontrolle trafen diese Sicherheitsmaßnahmen aber jedenfalls nicht zu. Der Revisionswerber hantierte mit der Faustfeuerwaffe in alkoholisiertem Zustand in Gegenwart seiner ebenfalls alkoholisierten Freunde; die Langwaffe und die Munition zu den Waffen befanden sich in unversperrten Räumen und waren für jedermann zugänglich.

15       Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung von Waffen auch den Alleinbewohner eines Hauses bzw. einer Wohnung trifft. Strengere Maßstäbe sind zwar dann anzulegen, wenn die Wohneinheit mit Mitbewohnern geteilt oder aus anderen Gründen nicht nur ganz vereinzelt von Dritten betreten wird, aber auch der Alleinbewohner einer Wohnung hat Minimalanforderungen an die Verwahrung seiner Waffe zu erfüllen (vgl. VwGH 23.10.2013, 2013/03/0075, mwN). Dass diese Anforderungen vom Revisionswerber erfüllt worden wären, ist nicht zu erkennen. Sein Revisionsvorbringen, er habe die Waffen und die Munition ungeachtet der Anwesenheit seiner Freunde vor fremdem Zugriff sichern können, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sämtliche Personen - nach den unbestrittenen Feststellungen - alkoholisiert waren und das Verhalten des Revisionswerbers gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten (er hielt sich nicht an deren Anweisungen, sondern griff unbesonnen zu seiner Waffe im Hosenbund) Zweifel daran aufkommen lässt, dass er die damalige Situation vernünftig überblicken und entsprechend handeln konnte.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030145.L00

Im RIS seit

23.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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