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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §38Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Rechtssache des A H G, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2020, W242 2153602-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 1. Mai 2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, seine Familie sei auf Grund der Tätigkeit seines Vaters für die Regierung von den Taliban bedroht worden. Überdies hätten ihn die Taliban aufgefordert, mit ihnen zu kommen.
2 Mit dem im Rechtszug ergangenen Erkenntnis vom 18. Februar 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag des Revisionswerbers ab.
3 Am 15. Juni 2020 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er halte seine Fluchtgründe aufrecht und ergänze sie um das Vorbringen, dass er zum Christentum konvertiert und getauft worden sei.
4 Mit Bescheid vom 28. August 2020 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - aus, nach den eigenen Angaben des Revisionswerbers habe die behauptete Konversion bereits vor dem Abschluss des Vorverfahrens stattgefunden. Eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage, welche eine andere rechtliche Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lasse, sei daher nicht eingetreten, weswegen entschiedene Sache vorliege.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis eingebrachte (außerordentliche) Revision das Vorverfahren eingeleitet.
8 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 18. Dezember 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?
Falls Frage 1. bejaht wird:
2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?
3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“
9 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Revision ebenfalls Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war (vgl. VwGH 22.6.2021, Ra 2019/19/0538, mwN).
Wien, am 1. September 2021
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190412.L01Im RIS seit
22.09.2021Zuletzt aktualisiert am
04.10.2021