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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §18 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des S R S, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2/4. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2020, L509 2197066-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 26. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der oppositionellen Bangladesh National Party (BNP) von politischen Gegnern bedroht worden. In den vergangenen Jahren seien mehrfach Falschanzeigen gegen ihn erstattet worden.
2 Mit Bescheid vom 3. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Mit Beschluss vom 29. April 2021, E 1144/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die vorliegende Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Beweiswürdigung und bringt dazu zusammengefasst vor, aus den vorgelegten Beweismitteln gehe eindeutig hervor, dass der Revisionswerber aufgrund seiner politischen Tätigkeit mit Falschanzeigen konfrontiert gewesen sei. Es entspreche daher der allgemeinen Lebenserfahrung, dass dem Revisionswerber weitere ungerechtfertigte Gerichtsverfahren aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit für die BNP bevorstünden.
9 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl etwa VwGH 8.7.2021, Ra 2021/19/0151, mwN).
10 Das BVwG sprach dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, die Glaubwürdigkeit ab. Beweiswürdigend stützte es sich dabei auf die widersprüchlichen Angaben des Revisionswerbers, seine mangelnden Detailkenntnisse sowie darauf, dass er die Fluchtgründe nicht chronologisch zusammenhängend wiedergegeben habe. Überdies setzte es sich mit den vom Revisionswerber vorgelegten - in die deutsche Sprache übersetzten - Schriftstücken, insbesondere den als Beweismittel eins bis sechs bezeichneten Zeitungsberichten, Urteilen und Anzeigen, auseinander und führte aus, dass sich aus diesen zahlreiche Ungereimtheiten ergeben würden. Es sei daher - auch unter Verweis auf die Ausführungen in den Länderfeststellungen zur Fälschung von Dokumenten in Bangladesch - davon auszugehen, dass der Revisionswerber die Schriftstücke lediglich zur Untermauerung eines nicht den Tatsachen entsprechenden Fluchtvorbringens beschafft habe.
11 Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass die vorgenommene Beweiswürdigung unvertretbar wäre.
12 In der Revision wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung des Weiteren vorgebracht, das BVwG hätte hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers Erkundigungen im Herkunftsstaat mit Hilfe von Privatpersonen („Vertrauensanwälten“) durchführen müssen. Dazu ist darauf hinzuwiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. etwa VwGH 27.5.2021, Ra 2021/19/0162, mwN). Die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann (nur) dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. nochmals VwGH 27.5.2021, Ra 2021/19/0162, mwN). Die Revision vermag im vorliegenden Fall mit ihrem nicht näher konkretisierten Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG in diesem Sinn sein Verfahren mit einer im Revisionsverfahren aufzugreifenden Mangelhaftigkeit belastet hätte.
13 Da das BVwG eine mündliche Verhandlung durchführte, in welcher es den Revisionswerber zu seinen Fluchtgründen eingehend befragte, ist auch die von der Revision mit dem allgemeinen Vorbringen, das BVwG sei pauschal von der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers ausgegangen, ohne dem Revisionswerber Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, behauptete Verletzung des Rechts auf Parteiengehör auszuschließen.
14 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit des Weiteren vor, das BVwG habe auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens des BFA verwiesen, ohne selbst entsprechende Ermittlungen durchzuführen. Es liege eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dahingehend vor, dass eine antizipierende Beweiswürdigung über ein vermutetes Ergebnis von noch nicht aufgenommenen Beweisen hinsichtlich eines vorgelegten Schriftstücks vorgenommen worden sei. Das BVwG habe zu keinem Zeitpunkt überprüft, ob die vom Revisionswerber vorgebrachte politische Nähe zu einem ranghohen BNP-Politiker bestanden habe oder ob die politische Tätigkeit des Revisionswerbers tatsächlich gegeben gewesen sei und die in den vorgelegten Beweismitteln dargelegten Vorwürfe und Anschuldigungen gegen den Revisionswerber den Tatsachen entsprechen würden.
15 Werden Verfahrensmängel - wie Ermittlungsmängel zur politischen Tätigkeit des Revisionswerbers und damit einhergehend eine antizipierende Beweiswürdigung - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 21.5.2021, Ra 2021/19/0143, mwN). Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. erneut VwGH Ra 2021/19/0143, mwN). Mit den allgemeinen Verweisen auf die vorgelegten Beweismittel und auf Länderberichte ohne konkreten Bezug zum vorliegenden Fall sowie mit dem unsubstantiierten Vorbringen, das BVwG habe in Bezug auf eines der vorgelegten Beweismittel eine antizipierende Beweiswürdigung über ein vermutetes Ergebnis von noch nicht aufgenommenen Beweisen vorgenommen, wird die Relevanz der vorgebrachten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190268.L00Im RIS seit
24.09.2021Zuletzt aktualisiert am
29.09.2021