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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2021, W228 2194782-2/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 23. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), welcher vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2019 im Beschwerdeverfahren vollinhaltlich abgewiesen wurde. Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2019, Ra 2019/18/0471, als unzulässig zurückgewiesen.
2 Am 28. Oktober 2020 stellte der Revisionswerber - nach einer Überstellung von Frankreich nach Österreich - den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005.
3 Mit Bescheid vom 12. April 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß § 68 AVG zur Gänze wegen entschiedener Sache zurück.
4 Mit Erkenntnis vom 29. April 2021 wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Mit Beschluss vom 25. Juni 2021, E 2069/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 In der Folge brachte der Revisionswerber die gegenständliche Revision ein.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG, soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt, das angefochtene Erkenntnis oder den angefochtenen Beschluss auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte bzw. der Erklärung über den Umfang der Anfechtung zu überprüfen. Somit sind Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben und daher vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt werden konnten, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren entzogen.
11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es nur unzureichende Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan aufgrund der Covid-19-Pandemie getroffen habe, und sei weiters zu Unrecht von der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen.
12 Werden Verfahrensmängel - wie hier Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2021/14/0057, mwN). Eine diesen Anforderungen entsprechende Relevanzdarlegung lässt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen, das BVwG habe lediglich Berichte zur medizinischen Versorgung eingeholt und keine Feststellungen zum Arbeits- und Wohnungsmarkt getroffen, vermissen.
13 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt sind (vgl. VwGH 4.5.2021, Ra 2021/14/0136, mwN).
14 Diese Grundsätze zur Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen ist, gelten auch für Sachverhaltsänderungen, die auf das Auftreten des SARS-CoV-2-Virus und auf Auswirkungen von Maßnahmen, die zur Eindämmung seiner Verbreitung gesetzt wurden, zurückzuführen sind (vgl. erneut VwGH 4.5.2021, Ra 2021/14/0136, mwN).
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen. Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, kommt es nicht darauf an, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. erneut VwGH 4.5.2021, Ra 2021/14/0136). Das gilt auch für die Beurteilung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht (vgl. VwGH 9.11.2020, Ra 2020/20/0373, mwN).
16 Das BVwG traf - entgegen dem Vorbringen in der Revision - Feststellungen zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die allgemeine Situation in Afghanistan, setzte sich - im Speziellen - mit der medizinischen Versorgung, den getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, den sozioökonomische Auswirkungen sowie mit der Arbeitsmarktsituation - auseinander und hielt zum Revisionswerber fest, er sei jung, im Wesentlichen gesund, arbeitsfähig, gehöre keiner Covid-19-Risikogruppe an, habe für zwölf Jahre die Schule besucht und Arbeitserfahrung im elterlichen Betrieb, einer Tankstelle in Mazar-e Sharif und einem Büro in Kabul, gesammelt. Das BVwG kam sodann unter Einbeziehung all dieser Aspekte zu dem Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung der Pandemie und deren Auswirkungen ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr des Revisionswerbers nicht erkennbar sei, sodass der der Entscheidung zu Grunde zu legende Sachverhalt insofern keine relevante Änderung erfahren habe. Dem Revisionswerber stehe somit weiterhin eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif und Herat offen.
17 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es der Revision mit ihrem pauschal gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen nicht darzulegen, dass nunmehr derartige exzeptionelle Umstände bestünden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung des Revisionswerbers befürchten ließen, und daher in Bezug auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine relevante Sachverhaltsänderung seit der Vorentscheidung eingetreten wäre.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140252.L00Im RIS seit
24.09.2021Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021