TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2021/20/0251

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des F A in L, vertreten durch Maga. Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2021, I413 2201496-1/25E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der aus dem Irak stammende Revisionswerber stellte am 29. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Juni 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung „nach Herkunftsland“ zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit Erkenntnis vom 5. März 2021 - mit einer hier nicht relevanten Spruchkorrektur - als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 29. April 2021, E 1316/2021-6, ab und trat diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 2. Juni 2021, E 1316/2021-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei seiner Ermittlungs- und Begründungspflicht betreffend die Situation von Christen im Irak sowie die dortige Sicherheits- und Versorgungslage nicht nachgekommen.

9        Werden - wie hier - Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 29.4.2021, Ra 2021/20/0126, mwN).

10       Der Revisionswerber legt seinen Ausführungen zunächst den von ihm geltend gemachten Fluchtgrund zugrunde. Dabei übergeht er aber die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach seine Ausreise wirtschaftlich motiviert gewesen sei. Dem auf der eigenen Prämisse beruhenden Revisionsvorbringen ist somit der Boden entzogen.

11       Im Übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit der Situation von Christen im Irak und mit der Frage einer individuellen Bedrohungssituation des Revisionswerbers auf Grund seines christlichen Glaubens - auch vor dem Hintergrund zum Entscheidungspunkt aktueller, von EASO und UNHCR herausgegebener Berichte - auseinandergesetzt.

12       Soweit sich die Revision gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wendet, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen.

13       Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen.

14       Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, kommt es auch nicht darauf an, ob sich infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Herkunftsland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. zum Ganzen VwGH 26.4.2021, Ra 2021/20/0006, mwN).

15       Das Bundesverwaltungsgericht traf im angefochtenen Erkenntnis sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Situation zur Sicherheits- und Versorgungslage und die Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen. Wenn in der Revision vorgebracht wird, die für die Feststellungen herangezogenen Berichte seien nicht hinreichend aktuell, weil sie fast ausschließlich aus dem Jahr 2018 stammten, so ist dem entgegenzuhalten, dass dies nach dem Inhalt des angefochtenen Erkenntnisses nicht zutrifft.

16       Soweit sich der Revisionswerber gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 4.6.2021, Ra 2021/20/0177, mwN).

17       Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Beurteilung die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände berücksichtigt. Dass ihm dabei ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Insbesondere stellt sich für die Gewichtung als nur von untergeordneter Bedeutung dar, ob die Tätigkeit des Revisionswerbers (Montage von Möbel) arbeitsrechtlich als selbständige oder unselbständige Tätigkeit - von letzterem ging das Bundesverwaltungsgericht aus - zu qualifizieren wäre. Entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Ansicht ist nicht zu sehen, dass der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit ein solches Gewicht hätte beigemessen werden müssen, dass sich die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme als unverhältnismäßig dargestellt hätte.

18       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200251.L00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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