Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Veith, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und Mag. Painsi als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der Antragstellerin (schiedsbeklagte Partei) M***** GmbH, *****, gegen die Antragsgegnerin (schiedsklagende Partei) N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wegen Ablehnung der Schiedsrichter Mag. M*****, Dr. E***** und Univ.-Prof. Dr. M***** (§ 589 Abs 3 ZPO), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Ablehnung der Schiedsrichter Mag. M*****, Dr. E***** und Univ.-Prof. Dr. M***** wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Zwischen den Streitteilen ist seit Juni 2019 ein Schiedsverfahren anhängig, wobei der Senat gemäß § 587 ZPO mit Beschluss vom 20. Dezember 2019 zu 18 ONc 3/19i-5 Univ.-Prof. Dr. M***** zum Schiedsrichter bestellte. Daneben besteht das Schiedsgericht aus Mag. M***** als Vorsitzendem und Dr. E***** als weiterer Schiedsrichterin.
[2] Die anwaltlich nicht vertretene Schiedsbeklagte brachte im Jahr 2020 mit mehreren Eingaben Ablehnungsanträge gegen das gesamte Schiedsgericht ein. Sie stützte ihre Anträge zusammengefasst auf verfahrensrechtliche Fehlleistungen des Schiedsgerichts hinsichtlich Fragen zur Zustellung, Anleitung und zur formellen Verfahrensführung. Zudem sei die Vertreterin der Beklagten aufgrund der Geburt ihres Kindes faktisch verhindert, am Verfahren selbst teilzunehmen; dessen ungeachtet habe das Schiedsgericht im Juni 2020 eine Telefonkonferenz nicht abberaumt.
[3] Mit Beschluss vom 12. November 2020 wies das Schiedsgericht die Ablehnungsanträge ab. Es verneinte mit näherer Begründung das Vorliegen von Verfahrensverstößen und auch eine Bevorzugung oder Benachteiligung einer der Parteien.
[4] Mit dem am 10. Dezember 2020 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Ablehnungsantrag begehrt die Schiedsbeklagte als (fortan so bezeichnete) Antragstellerin, die drei Schiedsrichter für die Fortführung des Verfahrens für befangen zu erklären. Die Antragstellerin wiederholte dabei im Wesentlichen die bisher geltend gemachten Ablehnungsgründe.
Rechtliche Beurteilung
[5] Dazu wurde erwogen:
[6] 1. Die geltend gemachten Ablehnungsgründe können die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter schon abstrakt nicht begründen. Wegen der Unbegründetheit des Antrags sind weitere Verfahrensschritte (Einholung von Äußerungen, sonstige Erhebungen) durch den Senat nicht erforderlich. Auch wenn man (wie im Folgenden) die Richtigkeit der Vorwürfe unterstellt, wäre daraus noch keine Befangenheit des Schiedsgerichts abzuleiten (in diesem Sinn jüngst 18 ONc 3/20s).
[7] 2. Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt (§ 588 Abs 2 ZPO).
[8] 2.1 Der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 verweist zwar – anders als die Bestimmung des früheren § 586 ZPO – nicht mehr auf die Regeln über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern staatlicher Gerichte (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter – unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit – weiterhin als Richtlinien heranzuziehen (18 ONc 1/19w mwN; 18 ONc 3/20s).
[9] 2.2 Nach der Rechtsprechung zur Befangenheit und Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) sollen Ablehnungsregeln den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RIS-Justiz RS0046087; RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949; RS0109379; RS0046052 [T12]). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T4, T7]; RS0046052 [T10]).
[10] 2.3 Eine unsachgemäße Prozessleitung und prozessuale Fehler begründen aber für sich nicht den Anschein der Voreingenommenheit (18 ONc 2/19t; 18 ONc 3/20s je mwN). Selbst wenn die vom Ablehnungswerber thematisierten prozessualen Entscheidungen oder Anordnungen des Schiedsgerichts tatsächlich als falsch und/oder ihre Prozessleitung als unsachgemäß anzusehen wären, würde dieser Umstand daher (für sich genommen) noch keine Ablehnung rechtfertigen. Anderes könnte nur für schwerwiegende Verfahrensverstöße (18 ONc 3/14g; 18 ONc 2/19t mwN) oder eine (dauerhafte und wesentliche) Bevorzugung bzw Benachteiligung einer der Parteien gelten (18 ONc 3/20s mwN).
[11] 2.4 Bei der Verfahrensführung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Schiedsgericht mangels einer gegenteiligen Vereinbarung der Parteien das Verfahren innerhalb der Grenzen des § 594 Abs 2 ZPO und unter Beachtung zwingender Vorschriften der lex arbitri nach freiem Ermessen bestimmen kann (§ 594 Abs 1 Satz 3 ZPO; Rechberger/Höfstätter in Rechberger/Klicka5 § 594 ZPO Rz 4; Hausmaninger in Fasching/Konecny³ IV/2 § 594 Rz 93 ff).
[12] 3. Mit den behaupteten Ablehnungsgründen werden weder schwerwiegende Verfahrensverstöße noch eine dauerhafte und wesentliche Benachteiligung der Antragstellerin aufgezeigt.
[13] 3.1 Die Antragstellerin macht als Ablehnungsgrund geltend, dass das Schiedsgericht mit ihr nicht ausschließlich per Post oder Fax, sondern (zusätzlich auch) per E-Mail kommuniziert habe und dass ihr das Schiedsgericht Eingaben mittels Fax untersagt habe.
[14] 3.1.1 Die Aufforderung des Schiedsgerichts, Eingaben nicht per Fax einzubringen, wirft ebenso wenig Zweifel an der Unbefangenheit des Schiedsgerichts auf wie der Umstand, dass das Schiedsgericht mit der Antragstellerin auch per E-Mail kommunizierte. Damit hat das Schiedsgericht den oben beschriebenen Spielraum bei der Gestaltung des Verfahrensablaufs jedenfalls nicht überschritten. Eine dieser Anordnung widerstreitende Parteienvereinbarung wurde von der Antragstellerin nicht behauptet.
[15] 3.1.2 Von der Antragstellerin wird nicht behauptet, dass sie durch die Zustellungen (auch) per E-Mail von Mitteilungen des Schiedsgerichts ausgeschlossen war. Auch der Vorwurf, dass das Schiedsgericht vertrauliche Schreiben an die E-Mail-Adresse versandte, kann die Befangenheit nicht begründen, musste das Schiedsgericht bei einer offiziellen E-Mail-Adresse, die mit „Inhabung“ beginnt, nicht davon ausgehen, dass die Nachricht an „unzuständige“ Personen geht.
[16] 3.2 Der Vorwurf, dass das Schiedsgericht die organisatorische Telefonkonferenz am 29. Juni 2020 ungeachtet der kurz zuvor erfolgten Niederkunft der Geschäftsführerin nicht abberaumte, kann die Befangenheit nicht begründen. Gegenstand der Telefonkonferenz waren (nur) organisatorische Fragen; eine Beweisaufnahme war nicht geplant und ist auch nicht erfolgt. Die Antragstellerin musste sich bei dieser Telefonkonferenz nicht zwingend durch ihre Geschäftsführerin vertreten lassen. Die Antragstellerin hatte vielmehr die Möglichkeit, sich durch jede andere Person ihrer Wahl vertreten zu lassen (vgl § 594 Abs 3 ZPO), was der Geschäftsführerin auch durch das Einschreiten ihres (anwaltlichen) Vertreters im Verfahren 18 ONc 3/19i bewusst sein musste.
[17] 3.3 Auch soweit sich die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Telefonkonferenz auf die Entscheidung 18 ONc 3/20s beruft, ist ihr Antrag nicht berechtigt. Der Senat hat in dieser Entscheidung allerdings klargestellt, dass der (pandemiebedingte) Einsatz der Videokonferenztechnologie bei Beweisaufnahmen auch dann nicht gegen Art 6 EMRK verstößt, wenn eine der Parteien mit einer solcher Verhandlung nicht einverstanden ist. Wendet man diese Wertungen auf die hier zu beurteilende Konstellation an, ist für die Antragstellerin nichts zu gewinnen. Auch eine Telefonkonferenz zur Klärung von bloß organisatorischen Fragen kann jedenfalls in Zeiten einer Pandemie die Befangenheit auch dann nicht begründen, wenn sich eine der Parteien dagegen ausspricht.
[18] 3.4 Schließlich können auch die (schwer verständlichen) Ausführungen der Antragstellerin zur Anleitung und Mündlichkeit des Verfahrens den Antrag nicht stützen. Die Antragstellerin vermisst hier erkennbar die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zum Zwecke ihrer Anleitung. Allein der Umstand, dass das Schiedsverfahren zum Teil auch im schriftlichen Weg geführt wurde, spricht nicht für die Befangenheit der Schiedsrichter. Wie bereits das Schiedsgericht in seiner Entscheidung vom 12. November 2020 erklärte, wird auch das staatliche Gerichtsverfahren zum Teil schriftlich geführt. Das umfasst auch die Anleitung, Belehrung und Aufklärung unvertretener Parteien (vgl zB § 85 Abs 1, § 432 Abs 3, § 435 Abs 1 und Abs 2, §§ 437, 438 ZPO). Mit der Durchführung einer Telefonkonferenz zur Klärung organisatorischer Fragen hat das Schiedsgericht auch unter dem aufgeworfenen Aspekt der Mündlichkeit und der Anleitung kein Verhalten gesetzt, das an seiner Unbefangenheit zweifeln lässt.
[19] 3.5 Die Antragstellerin wirft dem Schiedsgericht schließlich vor, dass über ihre (vier) Ablehnungsanträge und ihren Antrag auf Akteneinsicht mehrere Wochen nicht entschieden wurde. Die Vorwürfe der Antragstellerin lassen auch hier keinen Verstoß gegen eine faire Verfahrensführung erkennen. Das Schiedsgericht hat bei der gebotenen fairen Behandlung der Parteien die Grundsätze des Art 6 EMRK zu beachten (Hausmaninger in Fasching/Konecny³ IV/2 § 594 Rz 98), damit auch das Gebot der Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist. Das Schiedsgericht führte dazu unter anderem aus, dass den Eingaben das Vertretungsverhältnis des jeweiligen Einschreiters unklar gewesen sei, was von der Antragstellerin nicht schlüssig entkräftet wird. Auch davon abgesehen können die monierten Verzögerungen keine Befangenheit begründen.
[20] 4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Ablehnungsgründe nicht vorliegen. Der Ablehnungsantrag ist daher zurückzuweisen.
Textnummer
E132679European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:018ONC00004.20P.0119.000Im RIS seit
24.09.2021Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021