TE OGH 2021/8/5 2Ob102/21w

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Veröffentlicht am 05.08.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** K*****, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die beklagten Parteien 1. F***** H*****, 2. W***** AG *****, beide vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 7.392,12 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über (richtig) die Revision und den Rekurs der beklagten Parteien (Rechtsmittelinteresse 7.131,59 EUR) gegen das Teilzwischenurteil und den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 10. März 2021, GZ 53 R 211/20s-19, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. Oktober 2020, GZ 31 C 245/20z-13, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 549,33 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 91,55 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]            Aufgrund eines Unfalls standen das Fahrzeug des Klägers und ein weiteres Fahrzeug am Fahrbahnrand. Der Kläger trat zwischen diesen Fahrzeugen auf die Fahrbahn, als das Beklagtenfahrzeug daran mit einem Seitenabstand von 60 bis 70 cm vorbeifuhr. Der Erstbeklagte verminderte deswegen die Geschwindigkeit auf etwa 6 bis 8 km/h. Der Kläger ging in den Zwischenraum zwischen dem ihm gehörenden und dem Beklagtenfahrzeug und öffnete eine Autotür. Dabei verhakte sich diese mit dem Anhänger des Beklagtenfahrzeugs, was zu einer Beschädigung des Fahrzeugs und einer Verletzung des Klägers führte.

[2]            Der Kläger begehrt unter Zugeständnis eines Mitverschuldens von zwei Dritteln die Zahlung von 7.392,12 EUR sA (davon 6.666,67 EUR Schmerzengeld) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für ein Drittel seiner zukünftigen Schäden.

[3]            Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens wegen Alleinverschuldens des Klägers.

[4]            Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Leistungs- und das Feststellungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestünden.

[5]            Das Berufungsgericht nahm an, dass den Kläger ein Mitverschulden von drei Vierteln treffe. Es sprach daher mit Teilzwischenurteil aus, dass das (schon gekürzte) Schmerzengeldbegehren dem Grunde nach im Ausmaß von drei Vierteln (5.000 EUR) – also in Bezug auf das ungekürzte Begehren zu einem Viertel – zurecht bestehe. Das Schmerzengeldmehrbegehren von 1.666,67 EUR, ein weiteres Teilbegehren von 93,66 EUR und ein Zwölftel des auf Feststellung der Haftung zu einem Drittel gerichteten Feststellungsbegehrens wies es mit Teilurteil ab. Im Übrigen hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück, weil die Haftung bei den weiteren Schadenspositionen dem Grunde nach noch nicht feststehe und auch die Berechtigung des Feststellungsbegehrens noch nicht beurteilt werden könne.

[6]            Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ließ es nicht zu.

[7]            Mit ihrem als „Revision“ bezeichneten und mit einem Zulassungsantrag verbundenen Rechtsmittel streben die Beklagten eine vollständige Abweisung des Klagebegehrens an, weil den Kläger das Alleinverschulden am Unfall treffe.

[8]            Der Kläger beantragt in der Rechtsmittelbeantwortung, die „Revision“ mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[9]            Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil der Oberste Gerichtshof noch keine vergleichbare Unfallsituation zu beurteilen gehabt habe und die Annahme eines Verschuldens von einem Viertel eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen an den Erstbeklagten bedeuten könnte.

Rechtliche Beurteilung

[10]           A. Soweit sich das Rechtsmittel mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen, auch gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet, ist es ein Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO. Dieser Rekurs ist unzulässig.

[11]           1. Der Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss ist nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur bei Zulassung durch das Berufungsgericht zulässig. Dabei erstreckt sich die Zulassung einer Revision gegen ein Teilurteil nicht auf den Rekurs gegen einen in derselben Entscheidung gefassten Aufhebungsbeschluss (RS0043898 [T7, T8]). Ein unterlassener Zulassungsausspruch kann auch nicht analog § 508 Abs 1 ZPO nachgeholt werden (RS0043898 [T9]).

[12]           2. Aus diesem Grund ist das Rechtsmittel zurückzuweisen, soweit es sich gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet. Die Beklagten sind insofern nicht zum Ersatz der Kosten der Rechtsmittelbeantwortung verpflichtet, weil der Kläger nicht auf die Unzulässigkeit nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO hingewiesen hat.

[13]           B. Im Übrigen ist das Rechtsmittel eine nachträglich zugelassene ordentliche Revision gegen das Teilzwischenurteil des Berufungsgerichts. Sie ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[14]           1. Bei der Aufteilung des Verschuldens entscheiden vor allem der Grad der Fahrlässigkeit der einzelnen Verkehrsteilnehmer, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen und im konkreten Fall (2 Ob 19/12a mwN; RS0027389, RS0026861). Die Zulässigkeit der Revision können Fragen der Verschuldensteilung als typische Wertungsfragen nur dann begründen, wenn das Berufungsgericht seinen insofern bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat (2 Ob 57/20a mwN; Lovrek in Fasching/Konecny3 § 502 ZPO Rz 51, Rz 89 mwN).

[15]           2. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor: Zwar darf ein Lenker, der beim Vorbeifahren den erforderlichen Sicherheitsabstand einhält, grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Vorbeifahrt nicht durch ein zu weites Öffnen der Wagentür des abgestellten Fahrzeugs beeinträchtigt wird (RS0073299). Der Vertrauensgrundsatz kommt aber demjenigen nicht zugute, der das unrichtige oder zumindest bedenkliche Verhalten eines anderen erkennen kann (RS0073173). Das war hier der Fall, weil sich der Kläger ohne erkennbaren Grund in den schmalen Zwischenraum zwischen dem Klags- und dem Beklagtenfahrzeug begab. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Erstbeklagte bei Wahrnehmen dieses Verhaltens zum Anhalten verpflichtet gewesen sei und ihn wegen des Weiterfahrens ein im Einzelfall nicht ganz zu vernachlässigendes Verschulden treffe, ist vertretbar.

[16]           3. Aus diesem Grund ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Da der Kläger auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen hat, sind die Beklagten insofern zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet. Bemessungsgrundlage ist allerdings nur das Revisionsinteresse von 5.000 EUR (vom Teilzwischenurteil erfasstes Schmerzengeldbegehren).

Textnummer

E132665

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00102.21W.0805.000

Im RIS seit

23.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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