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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §863;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Dr. IL in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Jänner 1996, Zl. GA 9-80/96, betreffend Aufhebung einer Berufungsvorentscheidung in einer Schenkungssteuerangelegenheit im Aufsichtsweg gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach Punkt I einer als "Schenkungsvertrag" bezeichneten Urkunde vom 25. Februar 1991 "schenkt und übergibt" F.L. sen., seinerzeit Schwiegervater der Beschwerdeführerin, an diese
6.719 Stück Aktien der S. Vermögens- und Anlageberatungs AG. Die Urkunde war von Geschenkgeber und Geschenknehmerin eigenhändig unterfertigt.
Auf eine entsprechende Aufforderung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien brachte die Beschwerdeführerin am 15. Juli 1991 (mittels eines amtlichen Vordruckes) eine von ihr eigenhändig unterfertigte "Abgabenerklärung S." ein, wonach die Zuwendung aus 6.719 Aktien der S. Vermögens- und Anlageberatungs AG im Nominale von S 671.900,-- bestanden habe.
Mit vorläufigem Bescheid vom 3. März 1994 schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin Schenkungssteuer vor, wobei als Bemessungsgrundlage der Nominalbetrag der erworbenen Aktien angesetzt wurde.
In der Berufung gegen diesen Bescheid gab die Beschwerdeführerin an, sie könne sich an einen Schenkungsvertrag vom 25. Februar 1991 nicht erinnern. Die Ehe mit F.L. jun. sei erstinstanzlich am 30.12.1993 (nicht rechtskräftig) geschieden worden. Aus dem Schenkungsvertrag sei zu ersehen, daß es sich um keinen Notariatsakt gehandelt habe. Im Vertrag selbst werde "die Schenkung als nicht bereits durchgeführt erklärt", sondern es werde die Schenkung nur angeführt, "ohne die Übergabe der Aktien als bereits erfolgt festzuhalten." Seien aber die Aktien nicht übergeben worden, wäre der Schenkungsvertrag nur rechtsverbindlich, wenn er in Notariatsaktsform abgeschlossen worden wäre.
In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 27. Mai 1994 führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei zusammen mit ihrem in Scheidung lebenden Ehegatten Miteigentümerin von Liegenschaften gewesen und habe des öfteren von ihrem Ehemann Schriftstücke zur Unterzeichnung oder Mitunterzeichnung vorgelegt erhalten. Da sie in diesen Fällen immer in großer Zeitnot gewesen sei, hätten sich diese Unterschriftsleistungen sehr rasch und ohne nähere Erklärung und sehr oft in Form von Unterschriften unter mehrere Stücke Papier abgespielt. Der Beschwerdeführerin sei eine Unterzeichnung des gegenständlichen Schenkungsvertrages nicht mehr erinnerlich. Sie habe auch die gegenständlichen Aktien nie übergeben erhalten.
Mit einer Berufungsvorentscheidung vom 18. Jänner 1995 wurde der Berufung stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Nach einem entsprechenden Vorhalt des Finanzamtes gab F.L. sen. mit einem Schreiben vom 22. Dezember 1995 bekannt, bei der S. AG hätten keine ausgedruckten Aktien, sondern lediglich Zwischenscheine existiert. Die Zwischenscheine seien bei der Schenkung vom 25. Februar 1991 nicht körperlich übergeben worden, sondern treuhändig bei Rechtsanwalt Dr. E. verwahrt worden. Ab 25. Februar 1991 seien die Beschwerdeführerin und F.L. jun. Treugeber gewesen.
Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Jänner 1996 wurde die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 18. Jänner 1995 gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehoben. In der Begründung verwies die belangte Behörde darauf, daß nach der Mitteilung des Geschenkgebers vom 22. Dezember 1995 eine Zuwendung an die Beschwerdeführerin erfolgt sei. Dies habe auch F.L. jun. am 16. Jänner 1996 telefonisch bestätigt.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Beschwerdeführerin replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Das Finanzamt gab mit der von der belangten Behörde aufgehobenen Berufungsvorentscheidung der Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie im wesentlichen vorgebracht hat, im Vertrag sei die Schenkung "nicht als bereits durchgeführt erklärt" worden statt. Mit diesem Vorbringen hat sich die Beschwerdeführerin zwar über den eindeutigen Urkundeninhalt hinweggesetzt, in der ausdrücklich ausgeführt worden ist, daß
6.719 Stück Aktien der S. AG an die Beschwerdeführerin übergeben worden sind. Andererseits hat die Beschwerdeführerin in der die Berufung ergänzenden Eingabe vom 27. Mai 1994 ausdrücklich in Abrede gestellt, daß sie derartige Aktien erhalten hätte. Im gegebenen Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß bei der Beurteilung eines der Schenkungssteuer unterliegenden Erwerbsvorganges keineswegs allein vom Urkundeninhalt auszugehen ist; vielmehr ist von der Abgabenbehörde der tatsächliche Inhalt des Erwerbsvorganges zu erforschen (vgl. das Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 94/16/0254).
Der äußerst knappen Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde den Sachverhalt auf Grund des Schreibens des F.L. sen. vom 22. Dezember 1995, wonach Zwischenscheine (und nicht Aktien) an einen Treuhänder der Beschwerdeführerin übergeben worden seien, als ausreichend geklärt erachtet hat. Zu Recht rügt dabei jedoch die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde ihr dieses Ermittlungsergebnis hätte bekanntgeben müssen. Wenn die Behörde nämlich neue Beweise aufnimmt oder von einem geänderten Sachverhalt ausgeht, so ist sie bei einer Bescheidaufhebung im Aufsichtswege zur Gewährung von Parteiengehör verpflichtet (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1993, Zl. 89/13/0104). Überdies ist der belangten Behörde vorzuwerfen, daß durch die zwischen Erlassung der Berufungsvorentscheidung und des angefochtenen Bescheides gepflogenen Ermittlungen der Sachverhalt keinesfalls geklärt worden ist. Sowohl der Gegenstand der Zuwendung als auch die Umstände des Zustandekommens des Schenkungsvertrages und der Übergabe erscheinen ebenso wie die Begründung einer Treuhandschaft des Dr. E. nach wie vor unaufgeklärt. Die Aufhebung eines Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ist jedoch solange ausgeschlossen, als Unklarheiten im Sachverhalt bestehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1995, Zl. 94/16/0304).
Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Anschluß eines vor dem Bezirksgericht Wiener Neustadt zu 1 F 118/94 aufgenommenen Protokolls diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, sodaß hiefür ein Ersatz des Beilagenstempels nicht in Betracht kam.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996160054.X00Im RIS seit
20.11.2000