Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lampret als Schriftführer in der Strafsache gegen D***** S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 13. Jänner 2021, GZ 22 Hv 60/20v-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde D***** S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (A./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (B./) und des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in G***** und andernorts
A./ am 22. Dezember 2018 L***** A***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Handgelenken packte und rücklings auf das Bett warf, sich auf sie setzte, ihre Hände über ihrem Kopf fixierte, ihr zumindest einen Schlag auf den Kopf versetzte, ihre Beine wiederholt auseinanderriss und mit seinem Körpergewicht fixierte, während er den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde und an sich schwere Gesundheitsschädigung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatte;
B./ nach der zu A./ beschriebenen Tat durch das Versetzen von Faustschlägen gegen ihren Kopf vorsätzlich (US 13) eine an sich schwere Gesundheitsschädigung der Genannten, nämlich eine drei Stunden andauernde Bewusstlosigkeit, herbeigeführt;
C./ von zumindest Juli 2016 bis 13. Juli 2020 gegen L***** A***** dadurch auf im Urteil näher beschriebene Weise Gewalt ausgeübt, dass er sie durchschnittlich einmal wöchentlich am Körper misshandelte oder verletzte (I./), sie, ihre minderjährige Tochter, ihre Schwester sowie ihre Eltern wiederholt mit einer Verletzung am Körper oder an der Freiheit bedrohte, um L***** A***** in Furcht und Unruhe zu versetzen (II./) und sie mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu Handlungen nötigte und dies versuchte (III./).
Rechtliche Beurteilung
[3] Die gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) ist das durch den Vortrag der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung am 13. Jänner 2021 (ON 42 S 75) erfolgte Vorkommen der im Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. C***** R*****, LL.M., enthaltenen Angaben der Zeugin L***** A*****, wonach sie der Angeklagte nach den Vorfällen vom 22. Juli 2018 etwa eine Woche eingesperrt habe (ON 31 S 14), unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 3 StPO unbeachtlich, weil § 252 Abs 1 und 2a StPO auf den Vortrag amtlicher Schriftstücke abstellt (vgl RIS-Justiz RS0120787; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 28 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 236 und 365).
[5] Die Kritik, dem Beschwerdeführer wäre „betreffend den von der kontradiktorischen Einvernahme abweichenden Angaben der Zeugin in der Befundaufnahme gegenüber dem Sachverständigen die Ausübung des Fragerechts verwehrt“ worden, übersieht, dass der Angeklagte einen (unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO allenfalls relevanten) Antrag auf ergänzende Befragung dieser Zeugin (RIS-Justiz RS0132807) nicht gestellt hat.
[6] Der gegen Schuldspruch A./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellung, L***** A***** habe durch die Vergewaltigung eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung erlitten, wobei sowohl die Vergewaltigung als auch die sonstigen Gewalthandlungen kausal für das Entstehen dieser schweren psychischen Erkrankung gewesen seien (US 12), aus dem von den Tatrichtern für nachvollziehbar und schlüssig erachteten (US 20) Gutachten des oben genannten Sachverständigen (ON 31 und ON 42 S 23 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Weshalb die Ausführungen des Sachverständigen unschlüssig sein sollten (RIS-Justiz RS0119301 [T9]), wird nicht deutlich. Soweit der Angeklagte den Annahmen der Tatrichter eigenständige Erwägungen zu den Ursachen der posttraumatischen Belastungsstörung gegenüberstellt und für seinen Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen im Tatsächlichen reklamiert, beschränkt er sich darauf, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen.
[7] Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) legt nicht dar, weshalb Mitkausalität für die Zurechnung der schweren Tatfolge nicht genügen sollte (vgl RIS-Justiz RS0089343 [T1], RS0091997 [T2]).
[8] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E132689European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00064.21G.0915.000Im RIS seit
24.09.2021Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021