TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/27 W249 2235546-1

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Veröffentlicht am 27.04.2021
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Entscheidungsdatum

27.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
TKG 2003 §107 Abs2
TKG 2003 §109 Abs3 Z20
TKG 2003 §113 Abs5a
VStG 1950 §19 Abs1
VStG 1950 §5
VStG 1950 §6
VStG 1950 §64
VStG 1950 §9 Abs1
VStG 1950 §9 Abs7
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §38
VwGVG §44 Abs2
VwGVG §50 Abs1
VwGVG §52 Abs1
VwGVG §52 Abs2
VwGVG §52 Abs6

Spruch


W249 2235546-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros vom XXXX , GZ. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , GZ. XXXX , zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Gemäß § 52 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG hat der Beschwerdeführer XXXX einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens iHv EUR XXXX binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu leisten.

III.    Gemäß § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG haftet die XXXX für die dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt II. auferlegten Kosten des Strafverfahrens im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1.       Mit dem Straferkenntnis vom XXXX , GZ. XXXX , entschied das Fernmeldebüro (im Folgenden: „belangte Behörde“) wie folgt:

„Herr XXXX , geb. am XXXX , hat gem. § 9 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl 52/1991 i.d.g.F., als handelsrechtlicher Geschäftsführer zur Vertretung der Firma XXXX am Standort ‚ XXXX ‘ nach außen berufene Person (Firmenbuch-nummer XXXX ) zu verantworten, dass diese

eine elektronische Post zu Zwecken der Direktwerbung ohne vorherige Einwilligung des Empfängers zugesendet hat, indem

ausgehend von der E-Mail-Adresse XXXX ,

1)

an Herrn XXXX in XXXX an die E-Mail-Adresse XXXX

am XXXX um XXXX Uhr und

2)

an Herrn XXXX in XXXX an die

E-Mail-Adresse XXXX am XXXX um XXXX Uhr

jeweils eine E-Mail-Nachricht mit dem Betreff ‚ XXXX ‘, ua. Informationen betreffend Produkte der XXXX und einen Hinweis auf die Web-Seite XXXX beinhaltend,

zugesendet hat.

Er hat dadurch folgende zum Tatzeitpunkt geltende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 107 Abs 2 Telekommunikationsgesetz, BGBl I 70/2003 idF BGBl I 23/2020 iVm § 9 Abs 1 VStG

Herr XXXX hat dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 109 Abs 3 Z 20 TKG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

Falls diese unein-

bringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

1) XXXX

XXXX

§ 109 Abs 3 Z 20 TKG

2) XXXX

XXXX

§ 109 Abs 3 Z 20 TKG

(insgesamt XXXX )

 

 

Weiters hat Herr XXXX gemäß § 64 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10% der verhängten Strafe, nämlich einen Betrag von XXXX zu bezahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt somit XXXX .

Die Firma XXXX (Firmenbuchnummer XXXX ) haftet für die im Spruch verhängte Strafe und die Kosten im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand.

Rechtsgrundlage: § 9 Abs 7 VStG

1.1.    In der Begründung des Straferkenntnisses führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund der Anzeigen des XXXX vom XXXX und des XXXX vom XXXX (im Folgenden: „Anzeigenleger“) eingeleitet worden sei. Diese hätten angegeben, die im Spruch angeführten unerwünschten Werbemails ohne vorherige Einwilligung erhalten zu haben.

1.2.    Recherchen der belangten Behörde hätten ergaben, dass die Nachrichten von der XXXX (im Folgenden: „mitbeteiligte Partei“) versendet worden seien. Handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführer“).

1.3.    Mit Schreiben vom XXXX sei der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert worden; diesem sei die Aufforderung am XXXX rechtswirksam zugestellt worden. Der Beschwerdeführer sei weder zum vorgesehenen Termin am XXXX bei der belangten Behörde erschienen, noch habe er eine Rechtfertigung übermittelt.

1.4.    Rechtlich führte die belangte Behörde im Straferkenntnis im Wesentlichen aus, dass gemäß § 107 Abs. 2 TKG 2003 die Zusendung von elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig sei, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolge. Wegen der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Zusendung der E-Mails an die Anzeigenleger sei diesem der objektive Tatbestand anzulasten. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer die ihm als Unternehmer zumutbare Sorgfalt bei der Prüfung der Frage des Vorliegens einer Zustimmung für die Versendung von Werbemails außer Acht gelassen habe. Dieser habe sicherstellen müssen, dass eine Zusendung von Werbemails nur an jene Personen erfolge, die ihr Einverständnis dazu erklärt hätten. Es sei dem Beschwerdeführer daher zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse seien bei der Strafbemessung insofern berücksichtigt worden, als von der belangten Behörde mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers eine Einschätzung vorgenommen werden habe müssen. Die Geldstrafe sei ohnehin im untersten Bereich des bis zu einem Betrag iHv EUR 37.000,00 Euro reichenden Strafrahmens verhängt worden. Die Strafe erscheine daher tat- und schuldangemessen und auch bei Vorliegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse keinesfalls als überhöht. Mildernd sei die einschlägige Unbescholtenheit gewertet worden; es würden keine Erschwerungsgründe vorliegen.

2.       Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer am XXXX Beschwerde. Dieser stellte die Anträge, die Vorgehensweise aufgrund von § 6 VStG und der Notlage in Österreich zu entschuldigen, von einer Strafe abzusehen und das Straferkenntnis aufzuheben sowie das Verfahren einzustellen.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass – entgegen der Ausführungen im angefochtenen Bescheid – XXXX im Auftrag des Beschwerdeführers am XXXX um XXXX Uhr eine Rechtfertigung per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt habe. In diesem Schreiben sei ausgeführt worden, dass sich die mitbeteiligte Partei aufgrund der COVID-19-Pandemie ab XXXX und den täglichen Medienberichten, wonach die österreichischen Ärzte und Spitäler zu wenig FFP2-Schutzmasken und Desinfektionsmittel hätten, dazu entschlossen habe, in China Schutzmasken zu kaufen, um in Österreich Leben zu retten. Der Beschwerdeführer berufe sich auf § 6 VStG, der den verfahrensgegenständlichen Newsletter rechtskonform mache; bis heute habe die Bundesregierung den Gesundheitsnotstand nicht für beendet erklärt. Nach Erhalt der Zertifizierung der Masken für medizinische Fachkräfte in Österreich habe die mitbeteiligte Partei Adressen von Ärzten erhalten und den Newsletter sowie die beigefügten Beilagen an Ärzte versandt. Ärzte, die ihre E-Mail-Adressen auf der eigenen Webseite und auf der Homepage der Ärztekammer veröffentlichen würden, hätten konkludent zugestimmt, mit für sie wichtigen Angeboten kontaktiert werden zu wollen.

3.       Mit der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , GZ. XXXX , entschied die belangte Behörde wie folgt:

„Herr XXXX , geb. am XXXX , hat gem. § 9 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl 52/1991 i.d.g.F., als handelsrechtlicher Geschäftsführer zur Vertretung der Firma XXXX am Standort ‚ XXXX ‘ nach außen berufene Person (Firmenbuch-nummer XXXX ) zu verantworten, dass diese

eine elektronische Post zu Zwecken der Direktwerbung ohne vorherige Einwilligung des Empfängers zugesendet hat, indem

ausgehend von der E-Mail-Adresse XXXX ,

1)

an Herrn XXXX in XXXX an die E-Mail-Adresse XXXX

am XXXX um XXXX Uhr und

2)

an Herrn XXXX in XXXX an die

E-Mail-Adresse XXXX am XXXX um XXXX Uhr

jeweils eine E-Mail-Nachricht mit dem Betreff ‚ XXXX ‘, ua. Informationen betreffend Produkte der XXXX und einen Hinweis auf die Web-Seite XXXX beinhaltend,

zugesendet hat.

Er hat dadurch folgende zum Tatzeitpunkt geltende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 107 Abs 2 Telekommunikationsgesetz, BGBl I 70/2003 idF BGBl I 23/2020 iVm § 9 Abs 1 VStG

Herr XXXX hat dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 109 Abs 3 Z 20 TKG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

Falls diese unein-

bringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

1) XXXX

XXXX

§ 109 Abs 3 Z 20 TKG

2) XXXX

XXXX

§ 109 Abs 3 Z 20 TKG

(insgesamt XXXX )

 

 

Weiters hat Herr XXXX gemäß § 64 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10% der verhängten Strafe, nämlich einen Betrag von XXXX zu bezahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt somit XXXX .

Die Firma XXXX (Firmenbuchnummer XXXX ) haftet für die im Spruch verhängte Strafe und die Kosten im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand. Rechtsgrundlage: § 9 Abs 7 VStG

3.1.    In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund der Anzeigen der Anzeigenleger vom XXXX und XXXX eingeleitet worden sei. Diese hätten angegeben, die im Spruch angeführten unerwünschten Werbemails ohne vorherige Einwilligung erhalten zu haben.

3.2.    Recherchen der belangten Behörde hätten ergaben, dass die Nachrichten von der mitbeteiligten Partei versendet worden seien. Handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei der Beschwerdeführer.

3.3.    Mit Schreiben vom XXXX sei der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert worden; die Aufforderung sei diesem am XXXX rechtswirksam zugestellt worden. Der Beschwerdeführer sei weder zum vorgesehenen Termin am XXXX bei der belangten Behörde erschienen, noch habe er eine Rechtfertigung übermittelt.

3.4.    Die belangte Behörde habe daraufhin am XXXX ein Straferkenntnis erlassen.

3.5.    Mit E-Mail vom XXXX habe der Beschwerdeführer Beschwerde gegen das Straferkenntnis erhoben. Die vom Beschwerdeführer dort genannte Rechtfertigung (E-Mail vom XXXX ) sei bei der Bearbeiterin nicht eingelangt. Nachträgliche Recherchen hätten ergeben, dass die Nachricht offenbar im Spam-Ordner gelandet sei.

3.6.    Rechtlich führte die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung im Wesentlichen aus, dass gemäß § 107 Abs. 2 TKG 2003 die Zusendung von elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig sei, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolge. Wegen der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Zusendung der E-Mails an die Anzeigenleger sei ihm der objektive Tatbestand anzulasten. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer die ihm als Unternehmer zumutbare Sorgfalt bei der Prüfung der Frage des Vorliegens einer Zustimmung für die Versendung von Werbemails außer Acht gelassen habe. Dieser habe sicherstellen müssen, dass eine Zusendung von Werbemails nur an jene Personen erfolge, die ihr Einverständnis dazu erklärt hätten. Der Beschwerdeführer habe nicht schon aufgrund der Tatsache, dass die E-Mail-Adressen der Anzeigenleger auf den Webseiten der Ärztekammern angeführt seien, davon ausgehen können, dass diese bereits vorab ihre Zustimmung dazu erteilt hätten, über allfällige Informationen und Angebote von Wirtschaftstreibenden informiert zu werden. Vielmehr diene das Veröffentlichen der E-Mail-Adressen in erster Linie dazu, dass Patienten bzw. potentielle Patienten diese nützen könnten; es seien damit keine konkludenten Einwilligungen der Anzeigenleger vorgelegen. Es sei dem Beschwerdeführer daher zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Das vom Beschwerdeführer angeführte Motiv, für die Versorgung mit Schutzmasken zu sorgen, um in Österreich Leben zu retten, vermöge ein Verschulden nicht auszuschließen, zumal die Information betreffend das Angebot an Schutzmasken auch per Post zeitnah übermittelt werden hätte können, da die Versendung der E-Mails ohnehin erst im XXXX erfolgt sei und zu diesem Zeitpunkt bereits eine ausreichende Versorgung mit Schutzmasken in Österreich sichergestellt gewesen sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in erster Linie ein nicht unwesentliches Geschäftsinteresse am Verkauf der Produkte gehabt habe. Ein Notstand im Sinne des § 6 VStG liege sohin nicht vor. Eine Notsituation wäre nämlich dann gegeben, wenn ein bedeutender Nachteil für ein Individualrechtsgut im Zeitpunkt der Handlungsvornahme unmittelbar drohen würde. Die bloße, noch ferne Eintrittsmöglichkeit nachteiliger Folgen genüge demnach nicht.

Die Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse seien bei der Strafbemessung insofern berücksichtigt worden, als von der belangten Behörde mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers eine Einschätzung vorgenommen werden habe müssen. Aufgrund der Corona-bedingten Ausnahmesituation und der damit verbundenen, vom Beschwerdeführer geschilderten Beweggründe werde die Geldstrafe entsprechend herabgesetzt. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Geldstrafe ohnehin im untersten Bereich des bis zu einem Betrag iHv EUR 37.000,00 reichenden Strafrahmens verhängt worden sei. Die Strafe erscheine daher tat- und schuldangemessen und auch bei Vorliegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse keinesfalls als überhöht. Mildernd sei die einschlägige Unbescholtenheit gewertet worden; es würden keine Erschwerungsgründe vorliegen.

4. Am XXXX brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag bei der belangten Behörde ein. Dieser stellte zugleich die Anträge, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Beschwerdeführer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe und sich keiner Schuld bewusst sei. Die Schutzmasken seien bereits im XXXX in China bestellt worden; erst im XXXX habe die Bundesregierung ein „Schnellverfahren“ zur Prüfung von Schutzmasken mittels Erlass geschaffen. Dieser Erlass wäre sinnlos und würde es seinem Zweck widersprechen, wenn man die Masken den Ärzten in der Folge nicht auf dem schnellsten Weg anbieten dürfte. Unabhängig davon sei es logisch, dass ein Arzt, der seine E-Mail-Adresse im Internet veröffentliche, damit auch zustimme, dass er – im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit – auch per E-Mail kontaktiert werden wolle. Die Vorgangsweise sei zudem aufgrund von § 6 VStG und der Notlage in Österreich zu entschuldigen.

5.       Am XXXX langte die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom selben Tag unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6.       Das Bundesverwaltungsgericht gab der mitbeteiligten Partei mit Schreiben vom XXXX die Möglichkeit, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung zur Beschwerde und dem Vorlageantrag des Beschwerdeführers zu äußern bzw. eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Es langte bis dato keine Stellungnahme ein.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

1.1.    Der Beschwerdeführer ist und war zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei. Es bestehen keine Strafvormerkungen in Bezug auf § 107 TKG 2003. Dieser machte keine Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie allfälligen Sorgepflichten.

1.2.    Die mitbeteiligte Partei bestellte im XXXX in China FFP2-Atemschutzmasken, nachdem solche im XXXX schwer in Europa erhältlich waren; ihre Bestellung erhielt die mitbeteiligte Partei im XXXX . Die angeschaffte Schutzausrüstung wurde anschließend zur Zertifizierung einem „Schnellverfahren“ auf Grundlage des Erlasses der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Durchführung eines verkürzten Bewertungsverfahrens für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken (CPA) vom XXXX , unterzogen.

1.3.    Die E-Mail-Adresse XXXX ist der mitbeteiligten Partei zugewiesen. Die E-Mail-Adressen XXXX ( XXXX ) und XXXX ( XXXX ) sind den jeweiligen Anzeigenlegern zuzurechnen; diese E-Mail-Adressen waren auf den eigenen bzw. den Websites der jeweiligen Ärztekammern abrufbar.

1.4.    Am XXXX um XXXX Uhr ( XXXX ) bzw. um XXXX Uhr ( XXXX ) erhielten die Anzeigenleger, die zuvor keine Einwilligungen zum Erhalt von Werbemails erteilten, jeweils eine E-Mail der mitbeteiligten Partei mit dem Betreff „ XXXX “. Es wurden darin u.a. Informationen betreffend Produkte der mitbeteiligten Partei und ein Hinweis auf ihre Webseite ( XXXX ) erteilt. Am Ende enthielten die beschwerdegegenständlichen E-Mails noch folgenden Passus: „Möchten Sie weiterhin keine Mails erhalten, dann können Sie sich online unter folgendem Link abmelden: XXXX “.

1.5.    Die Anzeigenleger meldeten die E-Mails am XXXX bzw. XXXX der belangten Behörde, die daraufhin das Straferkenntnis vom XXXX erließ.

1.6.    Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom XXXX darauf hinwies, der belangten Behörde – entgegen ihrer Ausführungen im bekämpften Straferkenntnis – am XXXX eine Rechtfertigung übermittelt zu haben, erließ diese die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX . Am XXXX wurde dagegen vom Beschwerdeführer ein Vorlageantrag eingebracht.

2.       Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den unbestrittenen Unterlagen im Verwaltungsakt.

Dort befinden sich u.a. sämtliche E-Mails, die zwischen XXXX und XXXX bzw. XXXX versendet wurden.

Die Anzeigenleger brachten durch ihre Anzeigen bei der belangten Behörde am XXXX bzw. XXXX klar zum Ausdruck, dass Einwilligungen zum Erhalt von Werbemails nicht erteilt wurden; das Vorliegen ausdrücklicher Einwilligungen wurde zudem vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Zum Nicht-Vorliegen konkludenter Einwilligungen wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen (vgl. Pkt. II.3.3. unten).

Die getroffenen Feststellungen zur bestellten Schutzausrüstung ergeben sich aus der Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom XXXX , seiner Beschwerde und seinem Vorlageantrag.

3.       Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1.    Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß § 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurück- oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Die Beschwerdevorentscheidung derogiert den Ausgangsbescheid endgültig, das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrags die Beschwerde; der Vorlageantrag richtet sich nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird (VwGH 09.09.2019, Ro 2016/08/0009), mag er auch eine (zusätzliche) Begründung enthalten (was aber gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG nur für Vorlageanträge anderer Parteien als des Beschwerdeführers zwingend erforderlich ist).

Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die – außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde – an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (VwGH 09.09.2019, Ro 2016/08/0009).

Die belangte Behörde erließ am XXXX ein Straferkenntnis gegen den Beschwerdeführer.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Beschwerde vom XXXX gab die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom XXXX teilweise Folge, indem sie die verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen herabsetzte (von EUR XXXX auf EUR XXXX pro Tatbestand und von XXXX auf XXXX pro Tatbestand).

Gegen diese Entscheidung brachte der Beschwerdeführer am XXXX einen Vorlageantrag ein.

3.2.    Rechtsgrundlagen

3.2.1.  Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003), BGBl. I Nr. 70/2003 in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:

§ 107 TKG 2003 idF BGBl. I Nr. 78/2018:

„Unerbetene Nachrichten

§ 107. […]

(2) Die Zusendung einer elektronischen Post – einschließlich SMS – ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt.

[…]“

§ 109 TKG 2003 idF BGBl. I Nr. 16/2020:

„Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 109. […]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37 000 Euro zu bestrafen, wer

[…]

20. entgegen § 107 Abs. 2 oder 5 elektronische Post zusendet;

[…]“

3.1.2.  Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF Nr. 58/2018, lauten auszugsweise:

§ 16 VStG:
„Ersatzfreiheitsstrafe

§ 16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.

(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.“

§ 19 VStG:

„Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

§ 33a VStG:

„Beratung

§ 33a. (1) Stellt die Behörde eine Übertretung fest und sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering, so hat ihn die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Beendigung des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu beraten und ihn schriftlich unter Angabe der festgestellten Sachverhalte aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den den Verwaltungsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen.

(2) Wird der schriftlichen Aufforderung innerhalb der von der Behörde festgelegten oder erstreckten Frist entsprochen, dann ist die weitere Verfolgung einer Person wegen jener Übertretungen, betreffend welche der den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechende Zustand hergestellt worden ist, unzulässig.

(3) Die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ist jedenfalls nicht gering, wenn die Übertretung nachteilige Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter bewirkt hat oder das Auftreten solcher Auswirkungen bei auch nur kurzem Andauern des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu erwarten ist.

(4) Die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gilt als gering, wenn geringfügige Abweichungen von technischen Maßen festgestellt wurden und keine der im Abs. 3 genannten Umstände vorliegen.

(5) Abs. 1 und 2 sind jedenfalls nicht anzuwenden auf

1. Übertretungen von Verwaltungsvorschriften, die zur Strafbarkeit vorsätzliches Verhalten erfordern;

2. Übertretungen, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Feststellung der Übertretung bereits Gegenstand einer Beratung und schriftlichen Aufforderung durch die Behörde waren oder zu denen einschlägige noch nicht getilgte Verwaltungsstrafen bei der Behörde aufscheinen;

3. Übertretungen, die Anlass zu in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen einstweiligen Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen geben;

4. Übertretungen, für welche die Verwaltungsvorschriften die Maßnahme der Entziehung von Berechtigungen vorsehen.“

§ 45 VStG:

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

[…]

4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

[…]

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

[…]“

3.3.    Objektiver Tatbestand

Nach § 107 Abs. 2 TKG 2003 ist die Zusendung elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die in den Feststellungen dargestellten E-Mails ausgehend von einer E-Mail-Adresse, die der mitbeteiligten Partei zuzuordnen ist, für die der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt Geschäftsführer war, den Anzeigenlegern zugesendet wurden. Die E-Mails waren werblich gestaltet, was ebenso unbestritten blieb. Der Beschwerdeführer moniert jedoch die Annahme der belangten Behörde, dass keine vorherigen Einwilligungen der Anzeigenleger zum Erhalt der verfahrensgegenständlichen Werbemails vorgelegen seien.

Der Begriff der „Einwilligung“ iSd § 107 Abs. 2 TKG 2003 wird in Anlehnung an die Bedeutung des Begriffes „Einwilligung“ iSd Art. 4 Z 11 DSVGO ausgelegt. Darunter ist demnach „jede freiwillig für den bestimmten Fall in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit dem Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken einverstanden ist“, zu verstehen.

Die Anzeigenleger haben keine ausdrücklichen Einwilligungen für die Zusendung der beschwerdegegenständlichen E-Mails vom XXXX erteilt.

Auch konkludente Zustimmungen der Anzeigenleger zum Empfang der Werbemails lagen im konkreten Fall nicht vor, weil eine konkludente Erklärung nur dann angenommen werden kann, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewillen in einer bestimmten Richtung vorliegt; dass also ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken verstanden werden kann (VwGH 30.07.2018, Ra 2018/03/0070). Die Angabe einer E-Mail-Adresse auf einer Homepage (hier auf den eigenen bzw. den Webseiten der Ärztekammern) kann, wie die belangte Behörde bereits zutreffend festgehalten hat, nicht dahingehend verstanden werden, dass damit zugleich eine Einwilligung zum Erhalt von Werbung erteilt wird. Die Adressen dienen vornehmlich dem Zweck, dass sich Patienten bzw. potentielle Patienten an den jeweiligen Arzt wenden können, und nicht dazu, um von Wirtschaftstreibenden Informationen und Angebote zu erhalten.

Der in den verfahrensgegenständlichen E-Mails beigefügte Passus zur Abmeldemöglichkeit vom Newsletter befreite ebenfalls nicht von der Einholung einer Einwilligung der Anzeigenleger, denn in § 107 Abs. 2 TKG 2003 wird das sogenannte opt-in-Prinzip verankert, d.h. ohne Zustimmung eines Empfängers sind Werbemaßnahmen unzulässig (Riesz in Riesz/Schilchegger, TKG, § 107 TKG 2003, Rz 38). Dass nur derjenige, der eine Zusendung beanstandet, die Möglichkeit hat, sich weiterer Zusendungen zu entziehen, verwirklicht hingegen das opt-out-Prinzip.

Einwilligungen der Anzeigenleger zum Erhalt von E-Mails zu Zwecken der Direktwerbung lagen sohin nicht vor.

Es ist daher das objektive Tatbild des § 107 Abs. 2 iVm § 109 Abs. 3 Z 20 TKG 2003 erfüllt.

3.4.    Subjektiver Tatbestand

Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei und somit nach § 9 Abs. 1 VStG im Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

Bei den vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen des § 107 Abs. 2 TKG 2003 handelt es sich um Ungehorsamsdelikte, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretungen nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört. In einem solchen Fall besteht gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters (VwGH 13.12.1990, 90/09/0141; 12.03.1990, 90/09/0066). Bei einem Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG liegt es daher am Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (VwGH 24.05.2012, 2010/03/0056). Zu einer solchen Glaubhaftmachung ist es erforderlich, dass der Beschuldigte initiativ von sich aus in substantiierter Form alles darlegt, was für seine Entlastung spricht (VwGH 19.01.1994, 93/03/0220; 14.10.1976, 1497/75; 20.05.1968, 0187/67). Dazu gehört u.a. die Darlegung, dass dieser Maßnahmen getroffen und insbesondere ein Kontrollsystem eingeführt habe, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist (VwGH 20.02.2017, Ra 2017/02/0022).

Der Beschwerdeführer brachte nichts vor, was die Vermutung eines Verschuldens hat entkräften können. Dieser legte insbesondere nicht dar, dass eine Zusendung von Werbemails nur an jene Personen erfolgte, die ihr Einverständnis dazu erklärt hatten, und legte keinerlei entsprechendes Kontrollsystem dar.

Damit demonstrierte der Beschwerdeführer nicht, dass im Tatzeitpunkt sämtliche notwendige Maßnahmen getroffen wurden, die aus gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift des § 107 Abs. 2 TKG 2003 hätten erwarten lassen.

Den Beschwerdeführer trifft sohin ein Verschulden in Form des fahrlässigen Verhaltens.

An dieser Beurteilung ändert auch der ins Treffen geführte Einwand nichts, dass die Vorgehensweise aufgrund von § 6 VStG und der Notlage in Österreich zu entschuldigen sei (Rettung von Menschenleben durch die Versorgung mit Schutzmasken).

Nach § 6 VStG ist eine Tat u.a. nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung kann unter dem Schuldausschließungsgrund des Notstandes im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. In der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, kann eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im vorbezeichneten Sinn nicht gesehen werden (VwGH 24.07.2001, 97/21/0622).

Die Zusendung der verfahrensgegenständlichen E-Mails erfolgte erst im XXXX und damit zu einem Zeitpunkt, an dem – auch nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers (kritische Zeit: XXXX ) – bereits eine ausreichende Versorgung mit Schutzmasken in Österreich sichergestellt war. Es drohte damit kein unmittelbar bedeutender Nachteil für ein Individualrechtsgut im Zeitpunkt der Handlungsvornahme. Dass ein allfälliges Geschäftsinteresse der mitbeteiligten Partei am Verkauf der Produkte bestand, war nicht geeignet, die Annahme eines Notstandes zu rechtfertigen.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Kontext noch anmerkte, dass ein „Schnellverfahren“ zur Prüfung von Schutzmasken mittels Erlass von der Bundesregierung geschaffen worden sei und es dem Zweck dieses Erlasses widersprechen würde, wenn man den Ärzten in der Folge diese Masken nicht auf dem schnellsten Weg anbieten dürfe, wird dem entgegengehalten, dass der mitbeteiligten Partei auch eine Information per Post zeitnah offengestanden wäre.

Der subjektive Tatbestand ist damit ebenfalls erfüllt.

3.5.    Strafbemessung

Die Einstellung des Verfahrens bzw. der Ausspruch einer bloßen Ermahnung setzen voraus, dass die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände – geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden – kumulativ vorliegen (VwGH 24.01.2017, Ra 2015/02/0145; zur Ermahnung vgl. auch VwGH 10.01.2017, Ra 2016/02/0269).

Eine Einstellung bzw. Ermahnung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG scheitern daran, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts in Ansehung des Strafrahmens (bis zu EUR 37.000,00) und der Eigenart des geschützten Rechtsguts (Privatsphäre) nicht als gering zu betrachten ist. Auch die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts (Privatsphäre) war nicht bloß gering: Die Anzeigenleger fühlten sich durch die E-Mails offensichtlich belästigt und entschlossen sich zu einer Anzeige. Ferner brachte der Beschwerdeführer auch sonst nichts vor, was sein Verschulden als so gering erscheinen lässt, dass davon gesprochen werden könnte, dass das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben wäre.

Angesichts der identen Voraussetzungen für eine vorgeschaltete Beratung nach § 33a VStG kommt auch eine solche nicht in Betracht. Andere Einstellungsgründe lagen nicht vor.

§ 109 Abs. 3 Z 20 TKG 2003 bestimmt, dass, wer entgegen § 107 Abs. 2 TKG 2003 elektronische Post zusendet, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit einer Geldstrafe bis zu EUR 37.000,00 zu bestrafen ist.

Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (VwGH 05.09.2013, 2013/09/0106):

Wie bereits dargelegt, sind weder das Ausmaß des Verschuldens des Beschwerdeführers, noch die Bedeutung des verwaltungsstrafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität der Beeinträchtigung als nur gering anzusehen.

Ferner berücksichtigte die belangte Behörde die Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers, zu denen dieser keine Angaben machte, in ausreichender Weise dadurch, als von durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen ausgegangen wurde; dieser trat der Einschätzung der belangten Behörde weder in seiner Beschwerde, noch im Vorlageantrag entgegen.

Erschwerungsgründe kamen im Verfahren nicht hervor. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit fand bei der Bemessung der Strafe im Verfahren vor der belangten Behörde ausreichende Berücksichtigung.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt auch die Erwägungen der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, dass die von ihr ursprünglich vorgesehenen Geldstrafen anzupassen waren, um der Corona-bedingten Ausnahmesituation und den damit verbundenen, vom Beschwerdeführer geschilderten Beweggründen ausreichend Rechnung zu tragen.

Die Geldstrafen iHv jeweils EUR XXXX pro Tatbestand sind (auch aus den Gründen der General- und Spezialprävention und unter Berücksichtigung eines bis zu EUR 37.000,00 reichenden Strafrahmens) tat- und schuldangemessen.

Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist gemäß § 16 Abs. 1 VStG zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafen und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nichts anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

Zur Bemessung einer Ersatzfreiheitsstrafe sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Verwaltungsgericht, wenn es in Verwaltungsstrafsachen eine Geldstrafe nicht nur aufgrund der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten herabsetzt, gemäß § 38 VwGVG iVm § 16 Abs. 2 letzter Satz VStG auch die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen hat (VwGH 06.10.2020, Ra 2019/16/0157).

Damit war auch die vorgenommene Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafen in der Beschwerdevorentscheidung auf jeweils XXXX pro Tatbestand nicht zu beanstanden. Die Ersatzfreiheitsstrafen wurden von der belangten Behörde mit Blick auf das Verhältnis der verhängten Geldstrafen zur maximalen Geldstrafe und auf die maximal mögliche Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen angemessen gemindert.

3.6.    Ergebnis

Aus den dargelegten Ausführungen war die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens erfolgte gemäß § 52 Abs. 1, 2 und Abs. 6 VwGVG (20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch EUR 10,00).

Die Entscheidung über die Solidarhaftung der mitbeteiligten Partei gründet auf § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG.

3.7.    Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Das Bundesverwaltungsgericht konnte im vorliegenden Fall von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG absehen, weil vom Beschwerdeführer nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde (Z 2) bzw. im angefochtenen Bescheid eine EUR 500,00 nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (Z 3) und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragte.

Zu B)

3.8.    Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die in A) zitierte höchstgerichtliche Judikatur stützen (insbesondere auf jene zur konkludenten Einwilligung: VwGH 30.07.2018, Ra 2018/03/0070) und waren die anzuwendenden Bestimmungen so klar und unmissverständlich, dass keinerlei Zweifel über deren Auslegung vorliegen kann (VwGH 11.01.2016, Ra 2015/11/0125).

Darüber hinaus hat sich die Beurteilung, ob eine die Strafbarkeit ausschließende Notstandssituation gemäß § 6 VStG vorliegt, am festgestellten Sachverhalt zu orientieren und bildet damit keine über den jeweiligen Fall hinausgehende, grundsätzliche Rechtsfrage (VwGH 07.09.2018, Ra 2018/02/0247).

Schlagworte

Belästigung Beschwerdevorentscheidung Direktwerbung E - Mail Einwilligung des Empfängers Erkundigungspflicht Fahrlässigkeit Geldstrafe Glaubhaftmachung Kontrolle Kontrollsystem Kostenbeitrag Nachweismangel Solidarhaftung Strafbemessung Ungehorsamsdelikt Verschulden Verwaltungsstrafe Verwaltungsstrafverfahren Verwaltungsübertretung vorherige Einwilligung Vorlageantrag Werbemail Werbung Zurechenbarkeit Zustimmungserfordernis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W249.2235546.1.00

Im RIS seit

17.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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