Entscheidungsdatum
19.05.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W108 2172638-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2017, Zl. 16-1104103108-160161969, wegen insbesondere § 3 AsylG nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 01.02.2016 den Antrag, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).
2.1. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung am 02.02.2016 an, er sei schiitischer Moslem und habe den Iran verlassen, weil er dort psychisch krank geworden sei und seine Existenz verloren hätte.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) am 10.10.2016 (im Zulassungsverfahren) gab der Beschwerdeführer an: Er sei seit ca. 11 Monaten in Österreich und in der Freien Christengemeinde/Pfingstgemeinde XXXX (in der Folge G.), getauft worden. Er helfe in der Kirche und lade die Perser zum Christentum ein. Donnerstags bereite er in der Kirche Essen vor. Er sei Mitglied der Kirchengemeinschaft und habe dort Brüder und Schwestern. Er lerne auch die deutsche Sprache.
Nach Zulassung des Verfahrens erfolgte am 06.03.2017 eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers, bei der der Beschwerdeführer aussagte: Er sei verheiratet und habe keine Kinder. Vor seiner Ausreise habe er im Iran in der Stadt XXXX gelebt. Im Iran habe er vier Jahre lang die Schule besucht und keinen Beruf erlernt, er hätte in einer Schuhfabrik gearbeitet und ca. 15 Jahre lang ein Schuhgeschäft betrieben. Im Iran habe er eine Schwester, acht Onkeln und vier Tanten. In Österreich oder in der EU seien keine Verwandten oder Familienangehörigen aufhältig.
In Österreich besuche er zwei bis drei Mal pro Woche die Kirche in G.
Er sei bereits im Iran zum Christentum konvertiert. Ein Freund namens XXXX (in der Folge R.), ein iranischer Armenier, Christ und Missionar, habe ihn bekehrt und wegen der Religion habe er im Iran Probleme gehabt. Bei der Erstbefragung hätte er angegeben, er sei Christ, diesbezüglich sei er nicht weiter befragt worden. Dass er angegeben habe, er sei Schiit, stimme nicht. Er sei im Iran krank gewesen, er habe viel Alkohol konsumiert. Bereits mit 10 Jahren habe er angefangen Alkohol zu trinken, weil niemand auf ihn aufgepasst hätte und alle in seiner Umgebung Alkohol getrunken hätten. Ein Onkel sei Alkoholiker gewesen. Er habe R. erzählt, dass ihm keiner helfen würde, obwohl er Hilfe gesucht habe. R. sei auf ihn eingegangen, habe mit ihm viel über das Christentum gesprochen und den Weg gezeigt, wo er Hilfe bekommen könnte.
Im Iran habe er ein bis zwei Mal in der Woche eine armenische Freikirche besucht, die gegenüber seiner Arbeitsstelle gewesen sei, dies jedoch nicht am Sonntag beim Gottesdienst, weil es für die Armenier ein Problem gewesen sei, wenn dort ein Moslem anwesend gewesen wäre. Beim fünften Mal sei er erwischt und vom Geheimdienst zu einer Polizeistation gebracht worden. Zwei Wochen lang sei er beim Geheimdienst gewesen und danach habe eine Gerichtsverhandlung stattgefunden, in der er zu 200 Peitschenhieben und zu einer bedingten Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Etwa im August 2014 sei er mit einer Peitsche 200 Mal geschlagen worden. Nach der Entlassung habe er acht Monate lang an keinem Treffen teilgenommen. Etwa ein Jahr nach der Festnahme habe er geheiratet, wobei er nicht gewusst habe, dass er als Christ keine Muslima heiraten dürfe. Ca. vier bis fünf Monate nach der Hochzeit habe er wieder begonnen, an den Treffen teilzunehmen. Seine Frau sei im siebenten Monat schwanger gewesen. Seine religiösen Bücher habe er immer bei seiner Schwester gehabt, jedoch hätte er es einmal nicht geschafft, diese zu seiner Schwester zu bringen. Seine Frau hätte dann die Bücher und auch Fotos von seiner Gruppe gefunden, es sei zu Streit gekommen und das hätte sein ganzes Leben vernichtet. Seine Frau habe ihm vorgeworfen, dass er Christ geworden sei. Die Familie seiner Frau sei strenggläubig muslimisch gewesen und der Schwiegervater habe verlangte, dass ihr Kind, das von einem Christen abstamme, abgetrieben werden müsse. Er wisse nicht, wie es genau dazu gekommen sei, aber seine Frau hätte das Kind verloren. Der Streit habe zugenommen, seine Frau habe überall erzählt, dass er ein Ungläubiger und kein Moslem sei. Die Familie seiner Frau hätte die Scheidung gewollt, was er abgelehnt habe. Daraufhin hätten sie ihn geschlagen und die Sicherheitsbehörden informiert, aber bevor sie angekommen seien, sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Gleich am nächsten Tag in der Früh sei er an der iranisch-türkischen Grenze gewesen.
Im Falle einer Rückkehr in den Iran befürchte er ins Gefängnis gehen zu müssen oder hingerichtet zu werden, zumal er bereits zu bedingter Haftstrafe verurteilt worden sei.
2.2. Zu seinem Vorbringen legte der Beschwerdeführer u.a. folgende Beweismittel vor:
2.2.1. Personalausweis, Führerschein und Identitätsnachweis, lautend auf XXXX (bzw. XXXX ), geboren am XXXX ( XXXX ); der Identitätsnachweis enthält einen Scheidungseintrag vom XXXX betreffend XXXX (geboren am XXXX ; Heirat am XXXX ) und einen Heiratseintrag vom XXXX betreffend XXXX , geboren am XXXX .
2.2.2. Handschriftlicher Brief, gezeichnet mit „Deine Schwester XXXX ", wonach die Schwester des Beschwerdeführers XXXX die Ehefrau des Beschwerdeführers angerufen habe und diese keinen Grund sehe, Unterlagen herzugeben, da der Beschwerdeführer und sie schon getrennt seien. Daraufhin habe die Schwester des Beschwerdeführers jene Unterlagen, die bei ihr zu Hause gewesen wären, dem Beschwerdeführer geschickt und alle Fotos zerrissen, weil sie Angst gehabt hätte, dass diese ihr Probleme machen könnten.
2.2.3. Taufbestätigung, ausgestellt vom Pastor der Freien Christengemeinde/Pfingstgemeinde G., XXXX (in der Folge S.), wonach der Beschwerdeführer am 04.09.2016 in der Freien Christengemeinde G. getauft wurde.
2.2.4. Taufzeugnis (Lebensbericht) des Beschwerdeführers, abgegeben in der Freien Christengemeinde/Pfingstgemeinde G., wonach der Beschwerdeführer im Iran starke Alkoholprobleme gehabt habe und er von einem armenischen Christen erfahren habe, dass er durch den Glauben an Jesus Christus gerettet werden könne, und ihm dieser eine Bibel in Farsi gegeben habe.
2.2.5. Schreiben des Pastors S. vom 09.10.2016 und Bestätigung weiterer Kirchenmitglieder der Freien Christengemeinde/Pfingstgemeinde G., wonach der Pastor den Beschwerdeführer am 14.07.2016 bei Verteilung von Lebensmitteln kennengelernt habe und er gleich beim Jugendwandertag dabei gewesen sei. Seither sei der Beschwerdeführer sehr engagiert und versuche mitzuhelfen, wo es möglich sei. Der Beschwerdeführer habe in den letzten Wochen sieben bis acht Personen zu den wöchentlichen Veranstaltungen der Kirche für Flüchtlinge eingeladen. Obwohl an den wöchentlichen Sonntagsgottesdiensten der Kirche durchschnittlich zehn iranische Asylwerber teilnehmen würden und diese Zahl rasch wachse, sei der Beschwerdeführer erst der zweite Asylwerber gewesen, der in ihrer Kirche getauft worden sei. Der Pastor sei hier sehr vorsichtig, da er sich wünsche, dass jeder Täufling reine christliche Motive für seine Taufe habe. Von den reinen Motiven des Beschwerdeführers sei der Pastor überzeugt, das bestätige auch das Taufzeugnis (der Lebensbericht) des Beschwerdeführers. Sein Vertrauen in den Beschwerdeführer sei in den letzten Wochen schon so gestiegen, dass er die Verteilung von Lebensmitteln unter Asylwerbern selbständig durchführe. Der Beschwerdeführer sei neben dem anderen Getauften zu einer wirklichen Vertrauensperson für ihn geworden. Der Beschwerdeführer fühle sich in der Mitte der Kirchengemeinde sehr wohl, er sei wirklich hilfsbereit und lernfähig und werde von den Kirchenmitgliedern akzeptiert.
3. Über Auftrag der belangten Behörde erging bezüglich der Angaben des Beschwerdeführers, er sei ausgepeitscht worden, die amtsärztliche Stellungnahme vom 10.04.2017, aus welcher sich Folgendes ergibt: Der Beschwerdeführer gebe an, vor ca. drei Jahren 200 Peitschenhiebe auf die Rückseite seines Körpers erhalten zu haben. Er sei während der Misshandlung mit dem Gesicht zur Wand gestanden, habe sich mit den Händen an dieser abgestützt. Mit einer aus Leder angefertigten Peitsche (nach Beschreibung und Zeichnung am ehesten einem Lederriemen entsprechend) sei er 200 Mal geschlagen worden. Die Schläge hätten an den unteren Extremitäten begonnen und dann auch den Rücken bis zum Kopf erfasst. Er sei durch die Schläge nicht bewusstlos geworden, auch nicht gestürzt. Nach der Misshandlung sei er noch kurze Zeit auf einem Sessel sitzen geblieben und dann weggegangen. Die körperliche Untersuchung habe ergeben, dass sich zwischen den Schulterblättern 12 bis 15 längs, streng parallel verlaufende zarte Narben befinden. Sie seien zwischen 10 und 15 cm lang und wiesen teilweise Unterbrechungen auf. An unteren Extremitäten oder sonstigen Körperteilen seien keine Verletzungen erkennbar, die mit der angegebenen Misshandlung in Zusammenhang gebracht werden könnten. Die Narbenzahl korreliere nicht mit den Angaben und würde auch nicht zu festen Peitschenhieben passen.
4. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wies sie den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Ausreisegründe des Beschwerdeführers seien nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer widersprüchliche und gesteigerte Angaben zum vermeintlichen Fluchtgrund gemacht habe. Der von ihm vorgelegte Taufschein sei in der Zusammenschau mit seinem Vorbringen nicht geeignet eine tatsächliche Konversion zum Christentum aus innerer Überzeugung darzutun, es sei von einer Scheinkonversion auszugehen. Das vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahrensverlauf gesetzte Verhalten lasse keinerlei verinnerlichte christliche Einstellung erkennen. Da es sich um eine Scheinkonversion handle, sei nicht davon auszugehen, dass das Bedürfnis bestehe oder die Fähigkeit vorliege, im Rückkehrfall die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder gar missionarisch tätig zu sein. Es sei nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in asylrelevanter Weise gefährdet (gewesen) sei oder dass für ihn aus sonstigen Gründen tatsächlich eine aktuelle und persönliche asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung bestanden habe oder drohe.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG. In dieser wurde (nach Wiederholung des Sachverhaltes) im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei der Erstbefragung habe es offensichtlich Verständigungsprobleme mit dem afghanischen Dolmetscher gegeben, sodass das Religionsbekenntnis in unkorrekter Weise mit Islam protokolliert worden sei. Dazu angehalten, sich beim Fluchtgrund kurz zu halten, habe der Beschwerdeführer dazu befragt angegeben, dass er im Iran keine Zukunft habe, dort psychisch krank geworden sei und seine Existenz verloren habe, ohne jedoch die Gelegenheit bekommen zu haben, näher auf die Ursachen dafür einzugehen. Der weitere Vorwurf, der Beschwerdeführer hätte nicht glaubhaft machen können, dass er grundlegende Prinzipien der christlichen Lehre nicht einmal ansatzweise verinnerlicht hätte, sei nicht nachvollziehbar. So habe er im Verfahren mehrere Unterlagen vorgelegt, die einerseits seine Taufe bescheinigten und andererseits sein Glaubensleben dokumentierten. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, den Pastor der Kirchengemeinde zum Glaubensleben des Beschwerdeführers einzuvernehmen. Dem Umstand Rechnung tragend, dass der Beschwerdeführer im Iran wegen seines Abfalls vom Islam und seines Übertrittes zum Christentum verfolgt werde, lasse für ihn die Definition des Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zutreffen.
6. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
7. Mit Schreiben vom 15.01.2018 teilte der Pastor S. dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Lebensstils, der den biblischen Grundwerten der Freien Christengemeinde G. widerspreche, mit dem genannten Datum aus dieser Kirchengemeinde ausgeschlossen werde.
8. Am 17.12.2018 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig vom Landesgericht XXXX zur GZ 36 Hv 91/18s wegen des Vergehens des Hausfriedensbruches gemäß §§ 15, 109 Abs. 3 Z 2 StGB und wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls gemäß §§ 127, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte. Der Beschwerdeführer brachte eine Bestätigung des römisch-katholischen Pfarramtes XXXX (T.) über die Teilnahme des Beschwerdeführers und seiner Familie an den Sonntagsgottesdiensten in der Pfarrgemeinde T., eine Geburtsurkunde der Tochter des Beschwerdeführers XXXX (S.), einen Mutter-Kind-Pass der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers XXXX (A.), wonach diese Zwillinge erwartet, und weitere Dokumente (insbesondere zur [beruflichen] Integration des Beschwerdeführers) in Vorlage und sagte im Wesentlichen aus:
Sein Geburtsdatum sei der XXXX Seine Frau im Iran habe einen Scheidungsantrag/Eheaberkennungsantrag gestellt. Die Aberkennungsdauer im Iran dauere drei bis vier Jahre. Im Moment sei er noch verheiratet sei, die Ehe werde nach zwei bis drei Monaten als geschieden gelten.
Bezüglich der 200 Peitschenhiebe habe er die Wahrheit gesagt, auch wenn diese durch die medizinische Untersuchung nicht bestätigt worden seien.
Im Iran habe er eine Freikirche und eine Hauskirche besucht. Als er beim Pastor im Iran zu Besuch gewesen sei, sei er festgenommen und anschließend zu den 200 Peitschenhieben verurteilt worden. Er habe die Bibel gelesen und sein Glaube sei mit der Zeit stärker geworden. Er habe gewusst, es sei die einzige Rettung, wenn er an Jesus Christus glaube. In seinem Kopf sei einzig Jesus Christus gewesen, er habe vor ihm niedergekniet, habe ihn um Hilfe gebeten und er sei als neuer Mensch wiedergeboren. Immer, wenn er das Gefühl gehabt habe, dass er beten möchte, sei er zur Kirche gefahren, er sei jedoch nicht hineingegangen, sondern hätte in der Nähe gebetet. Seine Ehefrau und deren Familie seien sehr religiös muslimisch und er habe versucht, zu ihnen nie die Bibel mitzunehmen. Einmal hätte er jedoch vergessen, die Bibel aus seiner Tasche herauszunehmen und zu seiner Schwester zu bringen, sodass seine Frau die Bibel gefunden hätte. Daraufhin habe sie behauptet, er sei ein Abtrünniger, und habe ihre Eltern davon informiert. Danach seien alle ihm gegenüber sehr feindlich gewesen, hätten ihn bedroht und sogar gemeint, dass sie zur Polizei gehen würden. Drei bis vier Monate lang habe er viele Probleme mit seiner Frau gehabt und sie hätten auch viel gestritten. An jenem Abend, als er den Iran verlassen habe, seien seine Schwiegereltern bei ihm zu Hause gewesen, sein Schwiegervater hätte ihn mit anderen Verwandten zusammengeschlagen und die Polizei gerufen. Er habe gewusst, dass er im Falle einer Festnahme, aufgrund der bereits erfolgten Verurteilung, für drei Jahre ins Gefängnis gehen müsse. Deshalb sei er zu seiner Schwester geflohen, habe Geld von ihr geholt und sei anschließend drei Wochen in der Türkei gewesen. Das Ziel sei Deutschland gewesen, aber er sei schließlich in Österreich gelandet.
In Österreich besuche er jeden Sonntag die Kirche und nehme an der Messe teil. Er bete immer, wenn er in der Früh aufstehe. Er versuche nach den 10 Geboten zu leben und er hätte sogar 40-50 Menschen erfolgreich missioniert. Er habe auf Facebook Fotos von christlichen Aktivitäten veröffentlicht und er sei daher im Iran gefährdet. Er lebe in Österreich zusammen mit seiner Lebensgefährtin A., deren zwei Kindern und der gemeinsamen Tochter S. Einen Deutschkurs habe er vor ca. 2 Jahren besucht, nun sei er mit dem Haushalt und den Kindern beschäftigt. Seine Tochter S. sei ein Jahr alt und in acht Wochen werde die Geburt von Zwillingen erwartet. Dann habe er insgesamt fünf Kinder. Er sei Protestant, interessiere sich aber für den Katholizismus. Seine Lebensgefährtin sei eine orthodoxe Christin und sehr gläubig, sie gehe mit ihm in den katholischen Gottesdienst. Sie würden gerne eine katholische Familie werden, sie strebten die katholische Taufe und Heirat an. Er habe sein Leben geändert und trinke keinen Alkohol mehr.
Zum Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinde G. gab der Beschwerdeführer an, er sei in der Kirchengemeinde G. ein sehr aktives Mitglied von ganzem Herzen gewesen. Dem Pastor sei es jedoch ein Dorn im Auge gewesen, dass er unverheiratet ein Kind mit seiner Lebensgefährtin gehabt hätte. Ihm sei darüber hinaus vorgeworfen worden, eine übertragbare Krankheit zu haben, und der Pastor hätte den anderen Mitgliedern gesagt, dass sie nicht mit ihm sprechen sollten. Daher habe er diese Kirche nicht mehr besucht und er sei in eine andere Kirche gegangen.
Zu seiner Schwester im Iran habe der Beschwerdeführer noch regelmäßig Kontakt.
Der Pastor S. der Freien Christengemeinde/Pfingstgemeinde G. gab als Zeuge vernommen an: Er habe den Beschwerdeführer am 14.07.2016 in XXXX vor dem XXXX kennengelernt. Nach einer Taufvorbereitung (Bibelgrundkurs, Taufgespräche) habe er den Beschwerdeführer getauft. Er schätze den Beschwerdeführer sehr, er habe ihn getauft, weil er davon überzeugt gewesen sei, dass seine Hinwendung zum Christentum echt sei. Von der echten Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum sei er nach wie vor überzeugt. Der Beschwerdeführer habe mit jedem Menschen über Jesus gesprochen und habe geholfen, wo er nur gekonnt habe, er habe auch an Bibelkursen teilgenommen. Grund für den Ausschluss aus der Freien Christengemeinde/Pfingstgemeinde G. seien Alkoholkonsum und Kontakt mit Drogen gewesen. Er habe befürchtet, dass der Beschwerdeführer andere mit diesem unchristlichen Lebensstil anstecken könnte und hätte somit beschlossen, ihn aus der Kirche auszuschließen. Der Beschwerdeführer sei in dieser Phase schwach gewesen. Das könne jedoch jedem passieren und bedeute nicht, dass der Beschwerdeführer kein Christ aus Überzeugung sei. Er habe mehrmals mit der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers A. telefoniert und den Eindruck gewonnen, dass das Leben des Beschwerdeführers sich sehr zum Positiven geändert habe. Auch nach dem Ausschluss habe der Beschwerdeführer 15 bis 20 Mal, auch gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, die Kirche in G. besucht, auch am Bibelkurs habe er weiter teilgenommen. Seine Kirchengemeinde wolle, dass Mann und Frau verheiratet seien, dies sei aber beim Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin derzeit nicht möglich, weshalb er deren Zusammenleben akzeptiere. Nach seinem Eindruck sei das Leben des Beschwerdeführers wieder in Ordnung und den biblischen Grundwerten entsprechend.
Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers A. gab als Zeugin vernommen an: Seit Jänner 2017 lebe sie mit dem Beschwerdeführer zusammen. Er sei der Vater ihrer Tochter S. und sie erwarteten Zwillinge. Sie besuche mit dem Beschwerdeführer regelmäßig eine katholische Kirche, der Beschwerdeführer sei sehr bemüht mehr über Jesus, die Aposteln und über die Bibel zu lernen. Er lerne eifrig die deutsche Sprache, sei mittlerweile gesund, drogen- und alkoholfrei. Sie sehe ihn als ein Vorbild als Partner, Familienvater und als Mensch. Er gebe sehr viel und sei sehr verantwortungsbewusst und gewissenhaft. Sie praktiziere mit dem Beschwerdeführer das Christentum. Sie besuchten als Familie die katholische Kirche in der Nähe ihres Wohnortes, sie sei orthodox getauft, fühle sich dem katholischen Glauben aber verbundener. Sie liebten Gott.
Zu den in der Beschwerdeverhandlung auf Grundlage von Länderberichten erörterten Verhältnissen im Iran gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:
Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.
Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten. Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen.
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert.
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt.
Schiitische Religionsführer welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt. Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ befanden sich 2019 mindestens 109 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion in Haft.
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Situation für Konvertiten/Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“.
Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden auch 2018 und 2019 viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt.
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden „kontrolliert“, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet. Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen, und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet.
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden, bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen.
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen in dem Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt, Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens der Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der „Katholischen Jerusalem Bibel“ in Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis im Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetze noch im Jahr 2015 den „Katechismus der Katholischen Kirche“ in Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen. Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: „...tötet den, der seine Religion wechselt“ und „Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende. Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2020 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber – unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden. Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen" und „Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.
Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Anzahl verhafteter Konvertierter
Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Familienangehörige Konvertierter
Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).
Soziale Folgen einer Konversion
Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des „Herasat“ (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des „Herasat“ dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.
Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Rückkehr von Konvertiten
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.
Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.
Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine „copy/paste“-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“- Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Menschenrechtslage / Sanktionen
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge. Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Rechtsschutz / Justizwesen
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ [divine knowledge] für schuldig befinden.
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt.
Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden. Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen. Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann also der ursprünglich Verletzte auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar. Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden.
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht.
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat.
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen.
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder