TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/29 96/16/0084

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Veröffentlicht am 29.01.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
33 Bewertungsrecht;

Norm

BAO §200 Abs2;
BewG 1955 §17 Abs3;
EStG 1988 §7;
EStG 1988 §8;
GebG 1957 §33 TP5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der H GmbH in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Februar 1996, Zl. GA 9-990/95, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Vertrag vom 13. Jänner 1992 verpachtete die "Firma R. u. H.H.", Alleininhaber Rudolf H., dieses Unternehmen an die beschwerdeführende GmbH. Die Vertragsurkunde lautet auszugsweise:

I.

Die Verpächterin betreibt unter ihren eingangs genannten Adressen in L und T ein Unternehmen, welches mit dem Betrieb von Mühlen, sowie der Lagerung von Getreide und dem Handel mit landwirtschaftlichen Produkten befaßt ist. Zum Unternehmen gehören als Aktivum insbesondere Liegenschaften mit darauf errichteten Gebäuden, die entsprechenden Einrichtungen, Maschinen, Fahrzeuge und dergleichen, die betreffenden Anlagegüter sind beiden Vertragsteilen gemäß Anlageverzeichnis der Verpächterin bekannt.

II.

Die Verpächterin verpachtet nun an die Pächterin und diese pachtet von der Verpächterin die Anlagegüter der in I. näher bezeichneten Unternehmungen, wovon jedoch nachstehende Objekte samt darin befindlichen Anlagen und dazugehörigen Einrichtungen ausgenommen sind, deren weiteren Betrieb unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung sich die Verpächterin vorbehält:

a)

drei im Betriebsgelände Lichtenwörth befindliche Getreidesilos, zwei davon aus Beton und ein Silo in Stahlbauausführung und

b)

zwei Betongetreidesilos errichtet im Betriebsgelände Tulbing.

III.

Das Pachtverhältnis beginnt mit 1. (ersten) Februar 1992 (eintausendneunhundertneunzigzwei) und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann von jedem der beiden Vertragsteile unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Kalendermonates Jänner jeden Jahres mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt werden. Zur Rechtzeitigkeit der Aufkündigung genügt die fristgerechte Aufgabe bei einem Postamt in Österreich. Darüber hinaus ist die Verpächterin berechtigt, das Pachtvertragsverhältnis jederzeit ohne Beachtung einer bestimmten Frist oder eines bestimmten Termines für aufgelöst zu erklären, falls die Pächterin die ihr nach diesem Vertrage obliegenden Verpflichtungen, insbesondere betreffend Zahlung des Pachtschillings, trotz Setzung einer Nachfrist von 10 (zehn) Tagen nicht erfüllt haben sollte, oder falls über das Vermögen der Pächterin ein gerichtliches Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgelehnt werden sollte.

IV.

Der Pachtschilling pro Vertragsjahr bemißt sich nach der Summe derjenigen Abschreibungen, welche nach den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen für diejenigen Anlagegüter von der Verpächterin vorzunehmen sind, die der Pächterin gemäß Punkt II. zur Verfügung gestellt sind. Der sich danach ergebende Betrag ist um 3 % (drei Prozent) zu erhöhen und zuzüglich Umsatzsteuer von der Verpächterin der Pächterin jeweils jährlich zum 31. (einunddreißigsten) Jänner jeden Vertragsjahres im nachhinein in Rechnung zu stellen. Die Verpächterin ist aber auch berechtigt, den sich nach vorstehenden Bestimmungen ergebenden Pachtschilling in anteiligen monatlichen Teilbeträgen vorzeitig in Rechnung zu stellen, wobei - falls keine andere einvernehmliche Regelung erfolgt - die ziffernmäßigen Ansätze des jeweils vorausgegangenen Vertragsjahres zu unterstellen sind, für das erste Vertragsjahr in Höhe von monatlich S 150.000,-- (einhundertfünfzigtausend Schilling) zuzüglich erwähnter 3 % und zuzüglich Umsatzsteuer. Im Falle einer derartigen monatlichen Fakturierung ist am Ende eines jeden Vertragsjahres ein sich etwa zugunsten des einen oder anderen Vertragspartners ergebende Differenz prompt in Rechnung zu stellen."

Nach Erlassung eines vorläufigen Bescheides über eine Rechtsgebühr im Sinne des § 33 TP 5 GebG wurde von der Beschwerdeführerin auf eine entsprechende Anfrage des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern mit einer Eingabe vom 21. März 1995 mitgeteilt, daß der Pachtzins für die Zeit vom 1. Februar 1993 bis 31. Jänner 1994 S 21.274.817,24 betragen habe.

Mit endgültigem Gebührenbescheid vom 4. Mai 1995 setzte das Finanzamt die Rechtsgebühr hierauf vom Dreifachen des für die Zeit vom 1.2.1993 bis 31.1.1994 bekanntgegebenen Pachtzinses fest.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, nach dem gegenständlichen Bestandvertrag orientiere sich die Gegenleistung für die Überlassung der betroffenen Wirtschaftsgüter an der beim Verpächter steuerlich geltend gemachten AfA und sei somit stark degressiv. Im vorliegenden Fall sei die Entwicklung der Gegenleistung leicht durchrechenbar, weil diese mit den steuerlichen Buchwerten der verpachteten Gegenstände begrenzt sei. Zusätzlich sei der für die ersten beiden Jahre angefallene Betrag durch von den beiden Vertragsparteien nicht zu beeinflussende Umstände extrem angewachsen. Im verpachteten Anlagevermögen seien sog. "Mühlenkontingente" enthalten gewesen. Die damit verbundenen Rechte seien mit dem Beitritt zur Europäischen Union wertlos geworden und seien zur Gänze abzuschreiben gewesen. In der Berufung wurde folgende Entwicklung des Entgelts für den Bestandvertrag dargestellt:

"Wirtschaftsjahr                  Pachtschilling

1992/93                          17.603.556,05

1993/94                          21.274.817,24

1994/95                          20.034.305,41

1995/96 vorauss.                  2.416.250,00

1996/97 vorauss.                  1.716.475,00

1997/98 vorauss.                  1.394.751,00

1998/99 vorauss.                  1.305.664,00

1999/2000 vorauss.                1.200.000,00

2000/2001 vorauss.                1.100.000,00

2001/2002 vorauss.                1.000.000,00"

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung "teilweise Folge" gegeben und die Gebühr nach dem Durchschnitt der Bestandentgelte für die Wirtschaftsjahre 1992/1993, 1993/1994 und 1994/1995 bemessen (S 19,637.559,56). In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf § 17 Abs. 3 BewG. In der Regel gewährleiste ein dreijähriger Durchschnitt einen Ausgleich allfälliger Schwankungen. Das von der Beschwerdeführerin dargestellte voraussichtliche Pachtentgelt für die Jahre 1995/1996 bis 2001/2002 erlaube "hingegen keine vom Vertragstext abweichende Bewertung nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Bedingung, weil diese weder im Gebührengesetz noch im Bewertungsgesetz Deckung" finde.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht "auf richtige Ausmittlung der Bemessungsgrundlage für die Rechtsgebühr nach § 33 TP 5 GebG und damit in ihrem Recht auf richtige Ausmessung dieser Rechtsgeschäftsgebühr selbst verletzt, im besonderen in (ihrem) Recht auf richtige Ausmittlung des Jahreswertes". Weiters erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, "daß ein endgültiger Bescheid erst nach Beseitigung der Ungewißheit über den Umfang der Abgabepflicht erlassen werden darf".

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß der Jahreswert des vereinbarten Preises im Sinne des § 33 TP 5 GebG nach § 17 Abs. 3 BewG zu bestimmen ist. Nach diesen Bestimmungen ist bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiß sind oder schwanken, als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird.

Durch eine solche Bewertung nach § 17 Abs. 3 BewG, die nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes jedenfalls erst nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld liegende Umstände berücksichtigen soll, sollen soweit als möglich die in Zukunft tatsächlich erzielten Beträge erfaßt werden. Es ist daher rechtlich unbedenklich, wenn bei der Bewertung nach § 17 Abs. 3 BewG die dem Berechtigten nach dem Bewertungsstichtag zugekommenen Nutzungen oder Leistungen Berücksichtigung finden (vgl. das Erkenntnis vom 13. September 1989, Zl. 88/13/0107).

Im Gesetz ist nicht geregelt, welche Anzahl von Jahren für die im § 17 Abs. 3 BewG vorgesehene Ermittlung eines Durchschnitts der Jahresnutzung heranzuziehen ist. Für eine solche Durchschnittsbetrachtung kommt es daher auf die im jeweiligen Einzelfall gegebene Vereinbarung über die Dauer der jeweils zu erbringenden Leistungen an. Daß in der Regel ein dreijähriger Durchschnitt einen Ausgleich allfälliger Schwankungen gewährleistet, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Im Beschwerdefall wurden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eines Mühlenbetreibes verpachtet, wobei sich das Pachtentgelt nach der Höhe der Abschreibungen dieser Wirtschaftsgüter richtet. Wie die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, war somit die Entwicklung des Pachtentgelts vorhersehbar. Dabei kann jedoch insbesondere im Hinblick auf die in den ersten Jahren des Pachtverhältnisses besonders hohen Abschreibungen des Wertes der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit einer Betrachtung von bloß drei Jahren für den durchschnittlichen Jahreswert nicht das Auslangen gefunden werden. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohne Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Streitfalles davon ausgegangen ist, daß bei der nach § 17 Abs. 3 BewG gebotenen Betrachtung das Ergebnis von lediglich drei Jahren einzubeziehen ist, hat sie damit das Gesetz verletzt.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auch in ihrem Recht verletzt erachtet, daß ein endgültiger Bescheid im Sinne des § 200 BAO erst erlassen werden darf, wenn die Ungewißheit hinsichtlich des Umfanges der Abgabepflicht beseitigt ist, ist zur Klarstellung darauf zu verweisen, daß § 17 Abs. 3 BewG als Ausnahmeregelung zur Grundregel des § 200 Abs. 2 BAO verstanden werden kann. Aus den im § 17 Abs. 3 BewG gebrauchten Worten "in Zukunft" und "voraussichtlich" im § 17 Abs. 3 BewG ist nämlich zu erkennen, daß der Jahreswert der Nutzungen oder Leistungen bereits vor Beseitigung der Ungewißheit - und zwar endgültig - zu ermitteln ist.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

W i e n , am 29. Jänner 1997

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996160084.X00

Im RIS seit

14.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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