Entscheidungsdatum
17.06.2021Norm
AVG §13 Abs3Spruch
W249 2236418-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom XXXX , GZ. XXXX , Teilnehmernummer XXXX , zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Am XXXX übermittelte XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführerin“) ein E-Mail an die GIS Gebühren Info Service GmbH (im Folgenden: „belangte Behörde“), in dem sie bat, sie „ XXXX “ Dem E-Mail waren keine Unterlagen oder Nachweise angeschlossen.
2. Am XXXX richtete die belangte Behörde ein E-Mail an die Beschwerdeführerin und teilte ihr mit, dass für die Befreiung von den „Gebühren für Radio und Fernsehen“ ein formaler Antrag benötigt werde. Eine Frist für die Einreichung desselben und weiterer erforderlicher Unterlagen wurde nicht gesetzt.
3. Mit am XXXX bei der belangten Behörde eingelangtem E-Mail übermittelte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernsehempfangseinrichtungen. Im dabei verwendeten Antragsformular kreuzte sie unter der Rubrik „Wenn Sie eine der nachstehenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, kreuzen Sie bitte das entsprechende Feld an“ keine der Auswahlmöglichkeiten an. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, dass an antragsgegenständlicher Adresse XXXX Personen wohnhaft seien.
Dem Antragsformular war folgender Nachweis angeschlossen:
? eine Meldebetätigung der Beschwerdeführerin
4. Am XXXX richtete die belangte Behörde an die Beschwerdeführerin folgendes Schreiben:
„[…] danke für Ihren Antrag vom XXXX auf
? Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen
? Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radioempfangseinrichtungen
Für die weitere Bearbeitung benötigen wir von Ihnen noch folgende Angaben bzw. Unterlagen:
? Kopie des Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand).
? Nachweis über alle Bezüge des/der Antragsteller/in bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben.
Dies können beispielsweise sein - bitte immer in Kopie:
? bei Berufstätigen die aktuelle Lohnbestätigung oder der letzte Einkommenssteuerbescheid
? bei Pensionisten die aktuelle Bestätigung über die Pensionsbezüge
? bei Auszubildenden die Bestätigung der Lehrlingsentschädigung
? bei Schülern und Studenten die Bescheide über Schüler- und Studienbeihilfen sowie Angabe der sonstigen Zuwendungen (Unterhaltszahlungen der Eltern) und Einkünfte (geringfügige Beschäftigung)
? bei Personen, die in der Landwirtschaft tätig sind, die Einheitswertbescheide
? sowie gegebenenfalls Bezüge von Alimenten bzw. sonstigen Unterhaltszahlungen
Anspruch wie z.B.(Ams,Mindestsicherung,etc.) aktuelle Bezüge von XXXX bitte nachreichen.
Wir bitten Sie, die noch fehlenden Unterlagen innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens nachzureichen. Bitte legen Sie Ihren Unterlagen unbedingt das beiliegende Formular „Deckblatt zur Nachreichung von Unterlagen“ bei. Auf diese Weise ist eine rasche Bearbeitung Ihres Antrages möglich.
[…]
Sollten uns bis zum Stichtag die benötigten Informationen und Unterlagen nicht vorliegen, müssen wir Ihren Antrag leider zurückweisen.“
5. Die Beschwerdeführerin übermittelte daraufhin am XXXX per E-Mail folgenden Nachweis an die belangte Behörde:
? eine ihrer Lohn-/Gehaltsabrechnungen (auf der sich allerdings keine Angabe des betreffenden Monats bzw. des Abrechnungszeitraumes befindet)
6. Mit dem bekämpften Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zurück und führte begründend aus, dass die Beschwerdeführerin schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen, nämlich eine Kopie eines Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage nachzureichen, diesen Nachweis aber nicht erbracht habe: „Anspruchsgrundlage (zB Rezeptgebührenbefreiung) von XXXX wurde nicht nachgereicht.“
7. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende, per E-Mail übermittelte, Beschwerde vom XXXX , in der die Beschwerdeführerin u.a. ausführte, sie habe bereits am XXXX einen Gehaltszettel übermittelt, sie lebe alleine und bitte, die Angelegenheit nochmals zu überprüfen.
8. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom XXXX und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX ein. Im Vorlageschreiben wies die belangte Behörde ergänzend darauf hin, dass eine Rundfunkgebührenbefreiung bis XXXX bestanden habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Die Beschwerdeführerin brachte am XXXX ein formloses E-Mail mit einem Antrag auf Befreiung von den Rundfunkgebühren ein. Dem E-Mail waren keine Unterlagen angeschlossen.
Nach entsprechender Aufforderung der belangten Behörde vom XXXX (ohne Setzung einer Frist) übermittelte die Beschwerdeführerin am XXXX ein ausgefülltes Antragsformular und beantragte die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernsehempfangseinrichtungen. Hinsichtlich ihrer Anspruchsvoraussetzung machte sie keine Angaben. Weiters gab sie an, dass an antragsgegenständlicher Adresse XXXX Personen wohnhaft seien.
Dem Antrag war eine Meldebestätigung der Beschwerdeführerin angeschlossen.
2. Mit Schreiben vom XXXX wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf das Fehlen von Unterlagen, insbesondere von Nachweisen ihrer Anspruchsberechtigung und der Bezüge aller im gemeinsamen Haushalt lebender Personen, hin und forderte diese wörtlich auf: „Anspruch wie z.B.(Ams,Mindestsicherung,etc.) aktuelle Bezüge von XXXX bitte nachreichen.“
Für die Nachreichung der fehlenden Unterlagen wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens gesetzt. Weiters wurde angemerkt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen werden müsse, wenn „bis zum Stichtag die benötigten Informationen und Unterlagen nicht vorliegen“.
3. Die Beschwerdeführerin übermittelte hierauf am XXXX per E-Mail eine Lohn-/Gehaltsabrechnung an die belangte Behörde (aus welcher der betreffende Abrechnungsmonat jedoch nicht ersichtlich ist).
4. Mit dem bekämpften Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zurück und führte begründend aus, dass die Beschwerdeführerin schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen, nämlich einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage, nachzureichen, diesen Nachweis aber nicht erbracht habe. Wörtlich heißt es darin: „Anspruchsgrundlage (zB Rezeptgebührenbefreiung) von XXXX wurde nicht nachgereicht.“
5. Im Rahmen der Beschwerde vom XXXX brachte die Beschwerdeführer u.a. vor, sie habe bereits am XXXX ihren Gehaltszettel übermittelt und bat, die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf den von der belangten Behörde und von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Für den Beschwerdefall sind die folgenden Bestimmungen maßgeblich:
3.1.1. § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008, lautet:
„§ 13. […] (3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“
3.1.2. § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden: VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 138/2017, regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
[…]“
3.1.3. Das Bundesgesetz betreffend die Einhebung von Rundfunkgebühren (Rundfunkgebührengesetz – RGG), BGBl. I Nr. 159/1999 idF BGBl. I Nr. 70/2016, lautet auszugsweise:
„Rundfunkgebühren
§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu entrichten und betragen für
Radio-Empfangseinrichtungen ..................................0,36 Euro
Fernseh-Empfangseinrichtungen ...............................1,16 Euro
monatlich
[…]
(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.
[…]
Verfahren
§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt der Gesellschaft; gegen von der Gesellschaft erlassene Bescheide ist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Das AVG ist anzuwenden.
(2) Im Verfahren über Befreiungen sind die §§ 50, 51 und 53 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, anzuwenden.
[…]“
3.1.4. Die §§ 47 bis 51 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 idF BGBl. I Nr. 70/2016, lauten auszugsweise:
„Befreiungsbestimmungen
§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung
– der Rundfunkgebühr für Radio-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 1. Untersatz RGG),
– der Rundfunkgebühr für Fernseh-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 2. Untersatz RGG)
zu befreien:
1. Bezieher von Pflegegeld oder einer vergleichbaren Leistung;
2. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994;
3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art der öffentlichen Hand,
4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,
5. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz,
6. Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1992,
7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.
[…]
§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12% übersteigt.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden auf die nach § 47 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit. b anspruchsberechtigte Personengruppe keine Anwendung.
(3) Nettoeinkommen im Sinne des Abs. 1 ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge.
(4) Bei Ermittlung des Nettoeinkommens sind Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen. Nicht anzurechnen sind außerdem die Einkünfte der am Standort einer zu pflegenden Person lebenden Pflegeperson, die aus den Einkünften anderer im Haushalt lebender Personen bestritten werden.
(5) Übersteigt das Nettoeinkommen die für eine Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze nach Abs. 1, kann der Befreiungswerber als abzugsfähige Ausgaben geltend machen:
1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes, des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und anderer vergleichbarer mieterschützender Gesetze, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist; besteht kein Rechtsverhältnis nach dem Mietrechtsgesetz, dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder anderen vergleichbaren mieterschützenden Gesetzen, so ist ein monatlicher Pauschalbetrag in der Höhe von 140,00 Euro als Wohnaufwand anzurechnen,
2. anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988, Ausgaben im Zusammenhang mit einer 24-Stunden-Betreuung können auch geltend gemacht werden, wenn der Bezug eines Zuschusses des Sozialministeriumservice zur Unterstützung der 24-Stunden Betreuung nachgewiesen wird.
§ 49. Eine Gebührenbefreiung setzt ferner voraus:
1. Der Antragsteller muss an dem Standort, für welchen er die Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragt, seinen Hauptwohnsitz haben,
2. der Antragsteller muss volljährig sein,
3. der Antragsteller darf nicht von anderen Personen zur Erlangung der Gebührenbefreiung vorgeschoben sein,
4. eine Befreiung darf nur für die Wohnung des Antragstellers ausgesprochen werden. In Heimen oder Vereinen nach § 47 Abs. 2 eingerichteten Gemeinschaftsräumen gelten für Zwecke der Befreiung als Wohnung.
§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom Antragsteller nachzuweisen, und zwar:
1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer der dort genannten Leistungen,
[…]
(4) Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist berechtigt, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern.
[…]
§ 51. (1) Befreiungsanträge sind unter Verwendung des hiefür aufgelegten Formulars bei der GIS Gebühren Info Service GmbH einzubringen. Dem Antrag sind die gemäß § 50 erforderlichen Nachweise anzuschließen.
[…]“
3.2. Nicht jede inhaltlich an eine Behörde gerichtete Äußerung ist beachtlich und löst schon die Verbesserungspflicht der Behörde aus, ein (verbesserungsfähiges) Substrat iSd § 13 Abs. 3 AVG liegt erst vor, wenn ein Anbringen tatsächlich bei der Behörde eingelangt ist (vgl. VwSlg. 17.177 A/2007). Grundsätzlich spielt es für die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3 AVG keine Rolle, ob ein Anbringen in konventioneller oder technischer Weise eingebracht wird, d.h. auch elektronisch eingebrachte, mangelhafte Anbringen sind grundsätzlich beachtlich und verbesserungsfähig (vgl. VwSlg. 17.177 A/2007). Es reicht darüber hinaus – „bei aller Verbesserungsfreundlichkeit des Gesetzgebers“ – aber auch nicht hin, dass irgendein (Teil eines) Dokument(s) bei der Behörde eingelangt ist. Ist das bei der Behörde eingehende Dokument von vornherein sehr knapp gehalten (vgl VwGH 14.02.2003, 2001/01/0229) oder unvollständig (weil zB nur einzelne Seiten eines Schriftsatzes übermittelt wurden), so kommt es darauf an, ob das eingelangte Dokument sich zumindest auf eine bestimmte Angelegenheit bezieht (vgl. § 13 Abs. 6 AVG). Nur wenn erkennbar ist, worauf die Eingabe gerichtet ist (als welches Anbringen sie intendiert ist), kann ein Abweichen von den für ein solches Anbringen normierten Anforderungen bzw. die Notwendigkeit von bestimmten „Verbesserungen“ iSd § 13 Abs. 3 AVG (vgl. auch VwGH 10.11.2009, 2008/22/0939) festgestellt werden (vgl. VwGH 14.01.2003, 2001/01/0229, 27.02.2006, 2002/10/0072). Andernfalls ist (noch) kein Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG durchzuführen bzw. eine Zurückweisung auf Grund dieser Bestimmung unzulässig (vgl. VwGH 10.11.2009, 2008/22/0939; zu alldem: Hengstschläger/Leeb, § 13 AVG Rz 26/1).
Die Beschwerdeführerin übermittelte am XXXX ein E-Mail mit der Bitte um Befreiung „von der GIS Gebühr.“ Das formlose Schreiben, das durchaus erkennen lässt, welches Anbringen intendiert ist, ist – wie dargelegt – einer Verbesserung zugänglich. Im E-Mail der belangten Behörde vom XXXX ist demnach ein Verbesserungsauftrag iSd § 13 Abs. 3 AVG zu sehen. Da dieser ohne Setzung einer Frist erteilt wurde, die Beschwerdeführerin diesen jedoch innerhalb einer angemessenen Zeitspanne erfüllt hat, gilt das erste Anbringen (vom XXXX ) als ursprünglich richtig eingebracht.
3.3. In Bezug auf den Beschwerdefall enthält die Fernmeldegebührenordnung eine Verpflichtung des Antragstellers, für die Gewährung der Befreiung von der Entrichtung der Rundfunkgebühr den Befreiungsgrund durch den Bezug einer der in § 47 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung genannten Leistungen nachzuweisen, und berechtigt die belangte Behörde, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern. Die erforderlichen Nachweise sind gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz Fernmeldegebührenordnung dem Antrag anzuschließen.
3.4. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückweist, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. u.a. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/15/0035; 29.01.2020, Ra 2019/09/0118).
Es ist daher allein entscheidungswesentlich, ob die Zurückweisung des Antrags durch die belangte Behörde wegen der Nichterbringung des erforderlichen Nachweises eines Befreiungsgrundes zu Recht erfolgt ist.
3.5. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die von der Behörde gesetzte Frist muss zur Vorlage bereits vorhandener Unterlagen angemessen sein, nicht aber zur Beschaffung dieser Unterlagen (VwGH 26.07.2012, 2008/07/0101; 31.08.1999, 99/05/0143).
§ 13 Abs. 3 AVG dient dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind (vgl. VwGH 13.11.2012, 2012/05/0184; 21.09.2010, 2010/11/0108).
Eine Behörde darf nur dann nach § 13 Abs. 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen „Mangel“ aufweist, also von der Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht. Was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben iSd § 13 AVG zu verstehen ist, muss der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden. Als Mangel ist insbesondere das Fehlen von Belegen anzusehen, wenn die Parteien aufgrund des Gesetzes erkennen konnten, welche Unterlagen erforderlich sind (VwGH 16.09.2009, 2008/05/0206).
§ 13 Abs. 3 AVG gibt der Behörde nicht die uneingeschränkte Ermächtigung, unter allen Umständen alle Unterlagen, die einem Ansuchen nach dem Gesetz anzuschließen sind, zu verlangen, sondern erlaubt nur diejenigen anzufordern, die für die Entscheidung des Parteibegehrens notwendig sind (vgl. zB. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079).
Die Behörde hat im Verbesserungsauftrag konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079; 22.05.2012, 2008/04/0208; 07.09.2009, 2009/04/0153; 30.10.2008; 2007/07/0075; 27.05.2007, 2005/11/0216).
Folglich ist zu prüfen, ob 1.) der verfahrensgegenständliche Antrag im Hinblick auf die Vorlage eines Nachweises der Anspruchsberechtigung (§ 51 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung) mangelhaft und insoweit der erteilte Verbesserungsauftrag erforderlich war, 2.) ob der Verbesserungsauftrag den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG iSd zitierten Judikatur entsprach und 3.) ob ein korrekt erteilter Verbesserungsauftrag von der Beschwerdeführerin nicht befolgt wurde. Erst wenn alle diese drei Prüfungsschritte zu bejahen sind, erweist sich die Zurückweisung als rechtsgemäß.
3.6.1. Die Beschwerdeführerin schloss ihrem Antrag weder einen Nachweis einer Anspruchsgrundlage noch einen Einkommensnachweis an. Aus Sicht der belangten Behörde wurden daher im Zeitpunkt der Antragstellung die gemäß § 51 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung erforderlichen Nachweise nicht erbracht.
3.6.2. Die belangte Behörde richtete daher am XXXX an die Beschwerdeführerin ein Schreiben mit der Aufforderung, einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie einen Nachweis über alle Bezüge der Antragstellerin bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, nachzureichen, wörtlich „Anspruch wie z.B.(Ams,Mindestsicherung,etc.) aktuelle Bezüge von XXXX bitte nachreichen.“
3.6.3. Der erteilte Verbesserungsauftrag vom XXXX ist jedoch weder hinreichend konkret noch unmissverständlich:
Die irreführende Setzung der Klammern sowie die fehlende nebenordnende Konjunktion (z.B. „und“ oder „sowie“) bzw. der fehlende Beistrich nach dem Klammerausdruck ist geeignet, bei der Leserin den Eindruck entstehen zu lassen, dass ausschließlich ein Nachweis der „aktuellen Bezüge“ nachzureichen und ein solcher zugleich ein Nachweis ihres „Anspruchs“ sei.
Auch wenn der allgemein gehaltene Teil des Verbesserungsauftrages deutlich darauf hinweist, dass sowohl der Nachweis einer Anspruchsberechtigung als auch ein Einkommensnachweis fehlt, entsteht durch den darunter eingefügten Satz der Eindruck, die Vorlage der „aktuellen Bezüge“ sei jedenfalls ausreichend.
Der erteilte Verbesserungsauftrag vom XXXX entspricht damit nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG iSd oben zitierten Judikatur.
3.6.4. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass eine Formulierung wie: „Anspruch (wie z.B. AMS, Mindestsicherung, etc.), aktuelle Bezüge von XXXX bitte nachreichen.“ oder: „Anspruch (wie z.B. AMS, Mindestsicherung, etc.) sowie aktuelle Bezüge von XXXX bitte nachreichen.“ den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG entsprochen hätte.
3.7. Ausgehend von diesen Erwägungen war somit nach § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid infolge Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrags analog zum bisherigen Verständnis zu § 66 Abs. 4 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG Anm. 17 und 18 mwN).
Als Folge der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist der verfahrensgegenständliche Antrag auf Befreiung von den Rundfunkgebühren wiederum als unerledigt zu betrachten, die belangte Behörde hat erneut über diesen Antrag zu entscheiden.
3.8. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die belangte Behörde wird sohin im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, unter Ermittlung der Anspruchsgrundlage bzw. des Haushalts-Nettoeinkommens, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr iSd §§ 47 ff Fernmeldegebührenordnung erfüllt. Darüber hinaus wird sie vom XXXX als Antragsdatum auszugehen haben.
3.9. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall – auch mangels eines entsprechenden Parteienantrages und angesichts des unbestrittenen Sachverhaltes – gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden.
Zu Spruchpunkt B)
3.10. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung folgt – wie dargelegt – der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
angemessene Frist Begründungsmangel Behebung der Entscheidung Berechnung Bindungswirkung Einkommensnachweis ersatzlose Behebung Kassation konkrete Darlegung Konkretisierung Mängelbehebung mangelhafter Antrag Mangelhaftigkeit Nachreichung von Unterlagen Nachweismangel Nettoeinkommen Rundfunkgebührenbefreiung Verbesserungsauftrag Vorlagepflicht ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W249.2236418.1.00Im RIS seit
17.09.2021Zuletzt aktualisiert am
17.09.2021