Entscheidungsdatum
29.07.2021Norm
BBG §40Spruch
W133 2241972-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landstelle Niederösterreich, vom 15.04.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 02.12.2020 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag wurde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen beigelegt.
Am 14.12.2020 brachte der Beschwerdeführer den Antrag erneut ein und legte einen Meldezettel bei.
Das Sozialministeriumservice holte in der Folge Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Neurologie vom 14.01.2021 und Augenheilkunde vom 08.03.2021 sowie eine, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.03.2021 ein.
Im eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 14.01.2021 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Minor Stroke im Hirnstamm rechts 12/2017
Im oberen Rahmensatz bei Schwindel
04.01.01
20
2
Hypertonie
Fixer Rahmensatz
05.01.01
10
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht werde.
Im eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde vom 08.03.2021 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkung der Leidensposition
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
degenerative Veränderung der Netzhautmitte beidseits, Zust. nach Abducensparese rechts, prakt. Blindheit rechts infolge Sehverminderung auf 1/36 mit Doppelbildern, normales Sehvermögen links
Tabelle Kolonne 9 Zeile 1
11.02.01
30
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt.
In der Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.03.2021 wurden auf Grundlage der Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Neurologie vom 14.01.2021 und Augenheilkunde vom 08.03.2021 die Funktionseinschränkungen zusammengefasst den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
degenerative Veränderung der Netzhautmitte beidseits, Zust. nach Abducensparese rechts, prakt. Blindheit rechts infolge Sehverminderung auf 1/36 mit Doppelbildern, normales Sehvermögen links
Tabelle Kolonne 9 Zeile 1
11.02.01
30
2
Minor Stroke im Hirnstamm rechts 12/2017
Im oberen Rahmensatz bei Schwindel
04.01.01
20
3
Hypertonie
Fixer Rahmensatz
05.01.01
10
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht werde.
Mit Schreiben vom 09.03.2021 räumte das Sozialministeriumservice, Landstelle Niederösterreich (in der Folge auch als „belangte Behörde“ bezeichnet), dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die Gutachten vom 14.01.2021 (Neurologie), 08.03.2021 (Augenheilkunde) und 09.03.2021 (Gesamtbeurteilung) wurden dem Beschwerdeführer als Beilagen übermittelt.
Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.
Mit Bescheid vom 15.04.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 02.12.2020 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, da er mit einem Grad der Behinderung von 30% nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten, wonach der Grad der Behinderung 30% betrage, sowie auf die vom Beschwerdeführer nicht genützte Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen.
Mit E-Mail vom 26.04.2021 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht eine als „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.04.2021 bei der belangten Behörde ein. Darin führt er im Wesentlichen aus, dass er seit mehr als drei Jahren monatlich eine Spritze bekomme, was eine Herausforderung und mittlerweile auch eine psychische Belastung darstelle, da er nicht selbst mit dem Auto fahren könne und deshalb immer von Angehörigen zur Behandlung gefahren werden müsse. Öffentliche Verkehrsmittel seien aufgrund der Fahrzeit nicht zumutbar und ein Taxi sei zu teuer. Mit einem Behindertenpass hätte er allerdings die Möglichkeit, finanzielle Hilfe beim Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung zu beantragen sowie einen Antrag auf Reise(Fahrt)kostenrückerstattung bei der Österreichischen Gesundheitskasse zu stellen. Darüber hinaus sei die Ablehnung seines Antrages nicht nachvollziehbar, da als Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses unter anderem der Punkt „Bezieherinnen/Bezieher einer Geldleistung wegen Invalidität oder Berufsunfähigkeit“ angeführt sei und er seit 2018 Rehageld wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit beziehe. Schließlich leide er aufgrund eines sehr hohen Blutdruckes regelmäßig an Schwindelanfällen und Koordinationsschwierigkeiten, weshalb er bei alltäglichen Erledigungen eingeschränkt sei. Außerdem sei er neurologischer Patient und fahre jährlich auf Reha. Mit einem Behindertenpass könne er zudem eine Freistellung von der Rezeptgebühr beantragen, wodurch sich für ihn ebenfalls eine finanzielle Entlastung ergeben würde. Aus diesen Gründen bitte er um eine neuerliche Überprüfung. Der Beschwerde legte er mehrere Terminkarten für intravitreale Injektionen eines näher genannten Krankenhauses bei.
Die belangte Behörde legte am 28.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 02.12.2020 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein.
Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Degenerative Veränderung der Netzhautmitte beidseits, Zustand nach Abducensparese rechts, praktisch Blindheit rechts infolge Sehverminderung auf 1/36 mit Doppelbildern, normales Sehvermögen links;
2. Minor Stroke im Hirnstamm rechts 12/2017, bei Schwindel;
3. Hypertonie.
Beim Beschwerdeführer liegt zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von 50 v.H. vor.
Das Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Neurologie vom 14.01.2021 und Augenheilkunde vom 08.03.2021 sowie in der, diese beiden Gutachten zusammenfassenden Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.03.2021, der Entscheidung zu Grund gelegt.
Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich. Diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vorliegt, basiert auf den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten der Fachrichtungen Neurologie vom 14.01.2021 und Augenheilkunde vom 08.03.2021 sowie auf der, diese beiden Gutachten zusammenfassenden Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.03.2021. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen von persönlichen Untersuchungen erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen). Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von den medizinischen Sachverständigen in ihren Gutachten vom 14.01.2021, 08.03.2021 und 09.03.2021 vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten schlüsseln konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.
Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist eine beidseitige degenerative Veränderung der Netzhautmitte und der Zustand nach Abducensparese rechts mit praktischer Blindheit rechts infolge Sehverminderung auf 1/36 mit Doppelbildern bei normalen Sehvermögen links. Die sachverständige Fachärztin für Augenheilkunde ordnete dieses Leiden zutreffend der Positionsnummer 11.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche Störungen des zentralen Sehens betrifft. Auch die Zuordnung in der Kolonne 9 Zeile 1 der Tabelle mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. erweist sich unter Berücksichtigung der Sehminderung rechts auf 1/36 mit Doppelbildern bei normalen Sehvermögen links als nachvollziehbar und richtig. Die von der belangten Behörde beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin übernahm die von der Fachärztin für Augenheilkunde getroffene Einschätzung in die Gesamtbeurteilung vom 09.03.2021.
Auch die Einschätzung der weiteren vorliegenden Leiden (Minor Stroke im Hirnstamm rechts 12/2017 / Hypertonie) ist durch die beigezogene Fachärztin für Neurologie im Rahmen der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt erfolgt und wurden von der Ärztin für Allgemeinmedizin gleichlautend in die Gesamtbeurteilung vom 09.03.2021 übernommen. Diese Einstufungen wurden vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde nicht substantiiert bestritten.
Die Feststellung der beigezogenen Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrem Gutachten vom 09.03.2021, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht wird, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung von ihr insgesamt mit 30 v.H. angenommen wurde, ist ebenfalls nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, dass er einen Behindertenpass benötige, um finanzielle Unterstützungen, Rückerstattungen und eine Befreiung von der Rezeptgebühr geltend machen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 40 Abs. 1 BBG nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt, wonach ein Behindertenpass bei einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auszustellen ist. Das erkennende Gericht verkennt dabei zwar nicht, dass für den Beschwerdeführer durch die monatlich notwendigen Behandlungen und die verschriebenen Medikamente eine auch finanzielle Belastung gegeben ist. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass beim Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vorliegt; dies wurde im Übrigen vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers, dass er mit einem Behindertenpass Vergünstigungen geltend machen könne und dadurch finanziell entlastet werde, gehen aus diesem Grund ins Leere.
Insofern der Beschwerdeführer in der Beschwerde anführt, dass die Ablehnung seines Antrages nicht nachvollziehbar sei, da er seit 2018 Rehageld aufgrund vorübergehender Berufsunfähigkeit beziehe und dies eine Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses sei, ist auf den Wortlaut des § 40 Abs. 1 BBG zu verweisen, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn sie unter anderem nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen. Die Beziehung von Geldleistungen wegen Invalidität oder Berufsunfähigkeit ist demnach – neben dem Vorliegen eines Grades der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% – nur eine Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Wie oben bereits ausgeführt, liegt beim Beschwerdeführer eben kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor, weshalb auch dieser Einwand des Beschwerdeführers nicht zum Erfolg zu führen vermag.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich in seiner Beschwerde noch vorbringt, dass er unter Schwindelanfällen und Koordinationsschwierigkeiten aufgrund seines hohen Blutdruckes leide und dadurch im Alltag eingeschränkt sei, wird darauf hingewiesen, dass sowohl die Hypertonie als auch der Schwindel im Rahmen der Gutachtenserstellungen berücksichtigt wurden und entsprechend den im Zuge der persönlichen Untersuchungen objektivierten Funktionseinschränkungen nach der Anlage der Einschätzungsverordnung eingeschätzt wurden. Darüber hinaus wurde in den vorliegenden Gutachten auch berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer neurologischer Patient ist und diesbezüglich Rehabilitationsaufenthalte absolviert; der Befund seines letzten Rehabilitationsaufenthaltes vom 02.12.2020 fand in den vorliegenden Gutachten ebenfalls Eingang.
Die dokumentierten Funktionseinschränkungen sind in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchungen erhobenen Status somit vollumfänglich – soweit ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt – berücksichtigt worden. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung nicht möglich. Der Beschwerdeführer legte im Rahmen seiner Beschwerde auch keine weiteren Beweismittel vor, die den Gutachtensergebnissen widersprechen würden.
Der Beschwerdeführer ist schließlich den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 14.01.2021 (Neurologie), 08.03.2021 (Augenheilkunde) und 09.03.2021 (Gesamtbeurteilung). Diese Gutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:
"Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Neurologie vom 14.01.2021 und Augenheilkunde vom 08.03.2021 sowie die, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.03.2021 zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. vorliegt. Die vorliegenden Gutachten sind – wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde – widerspruchsfrei, vollständig und schlüssig. Die Funktionseinschränkungen wurden auch nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft. Die Beschwerdeeinwendungen wurden im Beschwerdeverfahren ordnungsgemäß und nachvollziehbar berücksichtigt, jedoch waren die erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften. Auch wurden vom Beschwerdeführer keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, die Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.
Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung daher korrekt mit 30 v.H. angenommen wurde.
Beim Beschwerdeführer liegt daher aktuell kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus weder von der belangten Behörde, noch vom Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W133.2241972.1.00Im RIS seit
17.09.2021Zuletzt aktualisiert am
17.09.2021