TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/29 W133 2240428-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.07.2021
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Entscheidungsdatum

29.07.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W133 2240428-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den als Bescheid geltenden Behindertenpass des Sozialministeriumservice, Landstelle Wien, vom 25.02.2021, betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Das Sozialministeriumservice, Landstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), hatte im Zuge eines vormaligen Verfahrens im Jahr 2015 ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde eingeholt. In diesem Gutachten waren die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach Entfernung des linken Lungenoberlappens 06/2015 wegen Adenokarzinom

Unterer Rahmensatz, da rezidivfreier Verlauf und nur mäßiggradige Funktionseinschränkung. Die 5-Jahres-Heilbewährungsfrist wurde noch nicht erreicht.

13.01.03

50

2

degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach

Versteifungsoperation L5/S1

Oberer Rahmensatz, da deutliche funktionelle Einschränkung, jedoch ohne relevante motorische Ausfälle.

02.01.02

40

3

chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD I-II)

Unterer Rahmensatz, da lediglich mäßige obstruktive Ventilationsstörung ohne kardiovaskuläre Folgeerscheinungen.

06.06.02

30

4

Abnützung im Daumensattelgelenk beidseits

Unterer Rahmensatz, da mit Orthesen gut versorgt.

02.06.26

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert (v.H.) eingeschätzt worden. Begründend führte der Gutachter aus, dass das Leiden 1 durch das Leiden 3 im Sinne einer ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung (obstruktive- und restriktive Ventilationsstörung) um eine Stufe erhöht werde. Das Leiden 2 bewirke keine zusätzliche Leidensbeeinflussung oder Potenzierung. Eine Nachuntersuchung wurde für 07/2020 empfohlen, da mit Erreichen der 5-Jahres-Heilungsbewährungsfrist eine Neueinstufung nach rein funktionellen Kriterien erforderlich sei.

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführerin nach neuerlicher fachärztlicher Begutachtung ein bis 31.10.2020 befristeter Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 v.H. ausgestellt. Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Lungenheilkunde vom 15.09.2016. Die Funktionseinschränkungen wurden im damaligen Gutachten den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach Entfernung des linken Lungenoberlappens 6/2015 wegen Adenokarzinom

Unterer Rahmensatz, da rezidivfreier Verlauf und nur mäßiggradige Funktionseinschränkung.

13.01.03

50

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach

Versteifungsoperation L5/S1

Oberer Rahmensatz, da rezidivierendes Schulter-Arm-Syndrom bei deutlicher funktioneller Einschränkung, jedoch ohne relevante motorische Ausfälle.

02.01.02

40

3

Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung

Unterer Rahmensatz, da lediglich mäßige obstruktive Ventilationsstörung, ohne kardiovaskuläre Folgeerscheinungen mit guter Linksventrikelfunktion, medikamentös kompensierbar.

06.06.02

30

4

Endoreaktive Depressio

2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da Kombination mit Angststörung bei laufender fachärztlich-medikamentöser Therapie.

03.06.01

30

5

Diabetes mellitus Typ II

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da befriedigend behandelt mittels oraler Therapie.

09.02.01

20

6

Arterielle Hypertonie

Wahl dieser Position, da Einstellung mittels Kombinationstherapie.

05.01.02

20

7

Abnützung im Daumensattelgelenk beidseits

Unterer Rahmensatz, da mit Orthesen gut versorgt.

02.06.26

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, dass das Leiden 3 mit dem Leiden 1 funktionell zusammenwirke und damit um eine Stufe erhöhe. Das Leiden 4 stelle ein relevantes zusätzliches Leiden dar und erhöhe das Leiden 1 um eine weitere Stufe. Die Leiden 2, 5, 6 und 7 würden mit dem Leiden 1 hingegen nicht maßgeblich funktionell negativ zusammenwirken und es nicht weiter erhöhen. Im Vergleich zum Vorgutachten seien die Leiden 4, 5 und 6 neu aufgenommen worden, wobei durch die Neuaufnahme des Leidens 4 eine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung erfolgt sei.

Aufgrund des nahenden Ablaufes ihres Behindertenpasses stellte die Beschwerdeführerin am 01.10.2020 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses. Dem Antrag legte sie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung ein. In diesem Gutachten vom 30.12.2020 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach Entfernung des linken Lungenoberlappens 06/2015 wegen Adenokarzinom, derzeit rezidivfreier Verlauf mit Erreichen der 5-Jahres-Heilbewährung

Oberer Rahmensatz, da maligne Grunderkrankung in der Vorgeschichte, Entfernung eines gesamten Lappens, mäßiggradige pulmonale Funktionsstörung, wobei mit Erreichen der 5-Jahres-Heilbewährung nach rein funktionellen Kriterien einzustufen ist.

13.01.02

40

2

degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach

Versteifungsoperation L5/S1

Oberer Rahmensatz, da deutliche funktionelle Einschränkung, jedoch ohne relevante motorische Ausfälle.

02.01.02

40

3

chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD I-II)

Unterer Rahmensatz, da lediglich mäßige obstruktive Ventilationsstörung ohne kardiovaskuläre Folgeerscheinungen.

06.06.02

30

4

Diabetes mellitus Typ II

Mittlerer Rahmensatz, da unter medikamentöser Behandlung und unter Kostbeschränkung eine befriedigende Stoffwechsellage erreicht werden kann.

09.02.01

20

5

Abnützung im Daumensattelgelenk beidseits

Unterer Rahmensatz, da mit Orthesen gut versorgt.

02.06.26

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 im Sinne einer ungünstigen wechselseitigen Leidenspotenzierung um eine Stufe erhöht werde. Die übrigen Leiden würden zu keiner weiteren Erhöhung führen. Keinen Grad der Behinderung erreiche ein unter Verlaufskontrolle stehender winziger Rundherd im rechten Lungenoberlappen, ohne eindeutigen Hinweis für ein Rezidiv und ohne funktionelle Auswirkungen, ebenso wie die Fettleber ohne Funktionsstörungen. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2015 sei nunmehr die 5-Jahres-Heilungsbewährung erreicht worden, weshalb das Leiden 1 nach rein funktionellen Kriterien einzustufen sei. Die übrigen Leiden würden unverändert bestehen bleiben und das Leiden 4 sei neu aufgenommen worden. Aufgrund der Herabsetzung des Leidens 1 sinke der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe ab. Zudem würde eine Gesundheitsschädigung (Zuckerkrankheit) im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung vorliegen.

Da der beigezogene Facharzt für Lungenheilkunde in seinem Gutachten vom 30.12.2020 nicht auf das letzte Vorgutachten aus dem Jahr 2016 verwiesen hatte, erstattete er ein ergänzendes Gutachten. In diesem Aktengutachten vom 22.02.2021 bestätigte der medizinische Sachverständige seine Beurteilungen im Gutachten vom 30.12.2020 und korrigierte lediglich seine Stellungnahme zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten. Darin führt er ergänzend aus, dass das Leiden 1 im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 nun die 5-Jahres-Heilbewährung erreicht habe und nach rein funktionellen Kriterien einzustufen sei, weshalb der Grad der Behinderung um eine Stufe herabgesetzt werde. Das frühere Leiden 4 (Depressio), das damals als reaktiv depressive Störung unmittelbar nach Feststellung einer Krebserkrankung eingestuft worden sei, erreiche nach über 4 Jahren Verlaufsbeobachtung zwischenzeitlich keinen Grad der Behinderung mehr, da die bösartige Erkrankung die 5-Jahres-Heilungsbewährung erreicht habe und kein Hinweis für ein Rezidiv bestehe. Zudem stehe die Beschwerdeführerin nicht in ständiger psychiatrischer Betreuung und Kontrolle, sie sei vollständig sozial integriert, es würden keine kognitiven Defizite vorliegen, die depressive Störung habe auch keine stationäre Aufnahme notwendig gemacht und die auslösende Ursache der depressiven Stimmungslage habe sich zwischenzeitlich mit überstandener Lungenkrebserkrankung abgeschwächt. Außerdem sei das damalige Leiden 6 (Bluthochdruck) therapeutisch gut eingestellt und es würden keine sekundären kardiovaskulären Folgeerkrankungen bestehen, weshalb auch dieses Leiden keinen Grad der Behinderung erreiche. Die übrigen Leiden würden unverändert bestehen. Durch die Verbesserung des Leidens 1 und dem Wegfall der Leiden 4 und 6 sinke der Gesamtgrad der Behinderung somit insgesamt um zwei Stufen.

Mit Schreiben vom 23.02.2021 erfolgte eine Information der Beschwerdeführerin über die beabsichtigte Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 % und der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“. Das Gutachten vom 22.02.2021 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Mit Begleitschreiben samt Rechtsmittelbelehrung vom 25.02.2021 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den unbefristeten Behindertenpass mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 50%. Diesem Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Mit Schreiben vom 11.03.2021 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde bei der belangten Behörde ein. Ohne Vorlage von neuen Beweismitteln führt sie darin aus, dass sie zwar nicht mehr in psychiatrischer Behandlung sei, sich aber dennoch nicht gesund fühle. Sie wolle aber auch nicht von Psychopharmaka abhängig sein. Jedoch würden sie die neuen Befunde des rechten Lungenoberlappens psychisch sehr belasten, wobei diese Veränderung ein weiteres Problem für ihren Körper und ihre Psyche darstelle. Außerdem habe sie Luftprobleme, Gelenksschmerzen, Schmerzen der Wirbelsäule und Beinkrämpfe, weshalb sie ständig auf Hilfe angewiesen sei. Vor ihrer Erkrankung sei sie ein sehr selbstständiger und sozialer Mensch gewesen, heute fühle sie sich hingegen eingeschränkt und minderwertig. Deshalb widerspreche sie der ihrer Meinung nach nicht gerechtfertigten Herabstufung des Grades ihrer Behinderung.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 15.03.2021 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Sozialministeriumservice stellte der Beschwerdeführerin einen bis 31.10.2020 befristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v.H. aus.

Am 01.10.2020 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses aufgrund des nahenden Ablaufes ihres befristeten Behindertenpasses.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Zustand nach Entfernung des linken Lungenoberlappens 06/2015 wegen Adenokarzinom, derzeit rezidivfreier Verlauf mit Erreichen der 5-Jahres- Heilungsbewährung, maligne Grunderkrankung in der Vorgeschichte, Entfernung eines gesamten Lappens mit einer mäßiggradigen pulmonalen Funktionsstörung;

2.       degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Versteifungsoperation L5/S1, mit deutlicher funktioneller Einschränkung, jedoch ohne relevante motorische Ausfälle;

3.       chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD I-II) mit mäßiger obstruktiver Ventilationsstörung ohne kardiovaskuläre Folgeerscheinungen;

4.       Diabetes mellitus Typ II, unter medikamentöser Behandlung und unter Kostbeschränkung liegt eine befriedigende Stoffwechsellage vor;

5.       Abnützung im Daumensattelgelenk beidseits, mit Orthesen gut versorgt.

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 im Sinne einer ungünstigen wechselseitigen Leidenspotenzierung um eine Stufe erhöht. Die übrigen Leiden führen zu keiner weiteren Erhöhung.

Ein unter Verlaufskontrolle stehender winziger Rundherd im rechten Lungenoberlappen, der derzeit keinen eindeutigen Hinweis für ein Rezidiv aufzeigt und zu keinen funktionellen Auswirkungen führt, sowie die Fettleber ohne Funktionsstörungen erreichen keinen Grad der Behinderung.

Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 wurde im nunmehrigen Gutachten der Einzelgrad der Behinderung des Leidens 1 um eine Stufe herabgesetzt, da nach Erreichen der 5-Jahres-Heilungsbewährung das Leiden nach rein funktionellen Kriterien einzustufen ist. Das frühere Leiden 4 (Depressio), welches als reaktiv depressive Störung unmittelbar nach Feststellung einer Krebserkrankung eingestuft worden war, erreicht nach über vier Jahren Verlaufsbeobachtung keinen Grad der Behinderung mehr, da die bösartige Erkrankung die 5-Jahres-Heilungsbewährung erreicht hat und kein Hinweis für ein Rezidiv besteht. Darüber hinaus steht die Beschwerdeführerin nicht in ständiger psychiatrischer Betreuung und Kontrolle, sie ist vollständig sozial integriert, es liegen keine kognitiven Defizite vor, die depressive Störung hat auch keine stationäre Aufnahme notwendig gemacht und die auslösende Ursache der depressiven Stimmungslage hat sich zwischenzeitlich mit überstandener Lungenkrebserkrankung ebenfalls abgeschwächt. Das damalige Leiden 6 (Bluthochdruck) ist therapeutisch gut eingestellt und es bestehen keine sekundären kardiovaskulären Folgeerkrankungen, weshalb es nun auch keinen Grad der Behinderung mehr erreicht. Die übrigen Leiden des Vorgutachtens zeigen sich unverändert. Durch die Besserung des Leidens 1 und dem Wegfall der Leiden 4 und 6 senkt sich der Gesamtgrad der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten vom 15.09.2016 insgesamt um zwei Stufen ab.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2020 und im ergänzenden Gutachten vom 22.02.2021 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 50 v.H. Es wurden im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch keine Befunde vorgelegt bzw. nachgereicht, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als in den Gutachten vom 30.12.2020 und 22.02.2021 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden; diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die Ausstellung des befristeten Behindertenpasses und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Neuausstellung des Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2020 und dem ergänzenden Gutachten vom 22.02.2021. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen in seinen Gutachten vom 30.12.2020 und 22.02.2021 vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten schlüsseln konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin konnte gegenwärtig lediglich ein Behinderungsgrad von 50 v.H. objektiviert werden.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist der Zustand nach Entfernung des linken Lungenoberlappens wegen eines Adenokarzinoms bei derzeit rezidivfreiem Verlauf mit Erreichen der 5-Jahres-Heilungsbewährung. Der von der belangten Behörde beigezogene Facharzt für Lungenheilkunde ordnete dieses Leiden in seinen Gutachten zutreffend der Positionsnummer 13.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche entfernte Malignome mit abgeschlossener adjuvanter Behandlung nach Abschluss der Heilungsbewährung betrifft. Auch die Zuordnung zum oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer erweist sich unter Berücksichtigung der Entfernung eines gesamten Lappens und den mäßiggradigen pulmonalen Funktionsstörungen als nachvollziehbar und richtig. Zudem ist die Herabsetzung des Leidens um eine Stufe im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 aufgrund des Erreichens der 5-Jahres-Heilungsbewährung entsprechend der Anlage zur Einschätzungsverordnung richtig erfolgt und nicht zu beanstanden.

Auch die Einschätzung der weiteren vorliegenden Leiden (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Versteifungsoperation L5/S1 / chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD I-II) / Diabetes mellitus Typ II / Abnützung im Daumensattelgelenk beidseits) ist durch den beigezogenen Facharzt für Lungenheilkunde im Rahmen der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt erfolgt und wurden auch diese Einstufungen von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten.

Die Feststellungen des Sachverständigen, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 im Sinne einer ungünstigen wechselseitigen Leidenspotenzierung um eine Stufe erhöht wird, die übrigen Leiden hingegen nicht weiter erhöhen, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung mit 50 v.H. angenommen wurde, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Festzuhalten ist des Weiteren, dass auch die Feststellungen des Sachverständigen, dass der winzige Rundherd im rechten Lungenoberlappen ohne eindeutigen Hinweis für ein Rezidiv und ohne funktionelle Auswirkungen sowie die Fettleber ohne Funktionsstörung keinen Grad der Behinderung erreichen, ebenfalls nicht zu beanstanden sind.

Darüber hinaus erweist sich die Feststellung des beigezogenen Facharztes für Lungenheilkunde in seinem Gutachten vom 22.02.2021, dass die endoreaktive Depressio keinen Grad der Behinderung mehr erreicht, als nachvollziehbar und richtig. Der Gutachter legt eingehend dar, dass die damals als reaktiv eingestufte depressive Störung unmittelbar nach Feststellung einer Krebserkrankung eingeschätzt worden war, nunmehr nach Erreichen der 5-Jahres-Heilungsbewährung der bösartigen Erkrankung und ohne Hinweis für ein Rezidiv keinen Grad der Behinderung mehr erreicht. Dabei führt er begründend nachvollziehbar aus, dass die Beschwerdeführerin derzeit nicht in ständiger psychiatrischer Betreuung und Kontrolle steht, sie vollständig sozial integriert ist, keine kognitiven Defizite vorliegen, die depressive Störung auch keine stationäre Aufnahme notwendig gemacht hat und sich der Auslöser der depressiven Stimmungslage zwischenzeitlich mit einer überstandenen Lungenerkrankung abgeschwächt hat. Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ausführt, dass sie sich dennoch nicht gesund fühle und auch die Veränderung auf dem rechten Lungenoberlappen ein Problem für ihren Körper und ihre Psyche darstelle, ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin derartige Beschwerden bei der persönlichen Untersuchung am 20.11.2020 gegenüber dem Sachverständigen nicht äußerte und solche auch vom Sachverständigen nicht festgestellt werden konnten. Die Beschwerdeführerin legte auch keine medizinischen Befunde vor, die das gegenständliche Gutachten entkräften würden.

Auch die Feststellung des beigezogenen Facharztes für Lungenheilkunde, dass der im Vorgutachten aus dem Jahr 2016 festgestellte Bluthochdruck therapeutisch gut eingestellt ist und keine sekundären kardiovaskulären Folgeerkrankungen vorliegen, weshalb auch dieses Leiden keinen Grad der Behinderung mehr erreicht, ist nachvollziehbar und richtig. Die Beschwerdeführerin erhob diesbezüglich auch keine Einwendungen in der Beschwerde.

Die dokumentierten Funktionseinschränkungen sind in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Status somit vollumfänglich - soweit ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt - berücksichtigt worden. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung nicht möglich.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen ihrer Beschwerde – wie bereits angeführt – auch keine Beweismittel vor, die dem Gutachtensergebnis widersprechen würden. Sie ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 30.12.2020 und 22.02.2021. Diese Gutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 30.12.2020 und 22.02.2021 zu Grunde gelegt. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, das Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften. Die Gutachten erweisen sich als richtig, vollständig und schlüssig.

Nach den vorliegenden Sachverständigengutachten liegt bei der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vor.

Die medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.12.2020 und 22.02.2021 sind auch nicht zu beanstanden, wenn sie betreffend die Leiden 4 und 5 im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sehen.

Die von der belangten Behörde mit Bescheid vom 25.02.2021 erfolgte Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. erweist sich somit als richtig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus weder von der belangten Behörde, noch von der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W133.2240428.1.00

Im RIS seit

17.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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