TE Vfgh Erkenntnis 2021/6/23 G368/2020 ua

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Veröffentlicht am 23.06.2021
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Index

24/01 Strafgesetzbuch

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
EMRK Art7 Abs1
StGG Art2
EU-Grundrechte-Charta Art49 Abs1
StGB §58 Abs3a
StrafrechtsänderungsG 2015 Art12 §2
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Gebot der rückwirkenden Anwendung milderer Strafgesetze durch eine – dem verfahrensrechtlichen Strafrecht angehörende – Verjährungsbestimmung des StGB; keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch die strafrechtliche Übergangsregelung betreffend die Geltung der bisherigen Bestimmungen für bereits anhängige Verfahren

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, die Bestimmungen des §58 Abs3a StGB, BGBl 60/1974, idF des StRÄG 2015, BGBl I 112/2015, sowie des Art12 §2 StRÄG 2015, BGBl I 112/2015, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Strafgesetzbuches 1974 (StGB), BGBl 60/1974, idF BGBl I 106/2014 lauten:

"Allgemeiner Teil

Erster Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Keine Strafe ohne Gesetz

§1. (1) Eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

(2) Eine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe darf nicht verhängt werden. Eine vorbeugende Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn zur Zeit der Begehung diese vorbeugende Maßnahme oder eine der Art nach vergleichbare Strafe oder vorbeugende Maßnahme vorgesehen war. Durch die Anordnung einer bloß der Art nach vergleichbaren vorbeugenden Maßnahme darf der Täter keiner ungünstigeren Behandlung unterworfen werden, als sie nach dem zur Zeit der Tat geltenden Gesetz zulässig war.

[…]

Sechster Abschnitt

Verjährung

Verjährung der Strafbarkeit

§57. (1) Strafbare Handlungen, die mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie strafbare Handlungen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt verjähren nicht. Nach Ablauf einer Frist von zwanzig Jahren tritt jedoch an die Stelle der angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren. Für die Frist gelten Abs2 und §58 entsprechend.

(2) Die Strafbarkeit anderer Taten erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

zwanzig Jahre,

wenn die Handlung zwar nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe, aber mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

zehn Jahre,

wenn die Handlung mit mehr als fünfjähriger, aber höchstens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

fünf Jahre,

wenn die Handlung mit mehr als einjähriger, aber höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

drei Jahre,

wenn die Handlung mit mehr als sechsmonatiger, aber höchstens einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

ein Jahr,

wenn die Handlung mit nicht mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe oder nur mit Geldstrafe bedroht ist.

(4) Mit dem Eintritt der Verjährung werden auch der Verfall und vorbeugende Maßnahmen unzulässig.

[…]

Siebenter Abschnitt

Geltungsbereich

Zeitliche Geltung

§61. Die Strafgesetze sind auf Taten anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten begangen worden sind. Auf früher begangene Taten sind sie dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren."

2. §58 des Strafgesetzbuches 1974 (StGB), BGBl 60/1974, idF BGBl I 112/2015 lautete (die angefochtene Vorschrift ist hervorgehoben):

"Verlängerung der Verjährungsfrist

§58. (1) Tritt ein zum Tatbild gehörender Erfolg erst ein, nachdem die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufgehört hat, so endet die Verjährungsfrist nicht, bevor sie entweder auch vom Eintritt des Erfolges ab verstrichen ist oder seit dem im §57 Abs2 bezeichneten Zeitpunkt ihr Eineinhalbfaches, mindestens aber drei Jahre abgelaufen sind.

(2) Begeht der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich eine mit Strafe bedrohte Handlung, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht, so tritt die Verjährung nicht ein, bevor auch für diese Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

(3) In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während der nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, soweit das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr 1/1930, und Abs4 nichts anderes bestimmen;

2. die Zeit zwischen der erstmaligen Vernehmung als Beschuldigter, der erstmaligen Androhung oder Ausübung von Zwang gegen den Täter wegen der Tat (§§93 Abs1, 105 Abs1 StPO), der ersten staatsanwaltlichen Anordnung oder Antragstellung auf Durchführung oder Bewilligung von im 8. Hauptstück der StPO geregelten Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahmen zur Aufklärung des gegen den Täter gerichteten Verdachts, der Anordnung der Fahndung oder Festnahme, des Antrags auf Verhängung der Untersuchungshaft oder der Einbringung der Anklage und der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens;

3. die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war;

4. die Probezeit nach §203 Abs1 StPO, die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich (§§200 Abs2 und 3, 201 Abs1 und 3 StPO), sowie die Zeit von der Stellung eines Ersuchens der Staatsanwaltschaft gemäß §204 Abs3 StPO bis zur Mitteilung des Konfliktreglers über die Ausgleichsvereinbarungen und ihre Erfüllung (§204 Abs4 StPO).

(3a) Eine nach den vorstehenden Absätzen eingetretene Hemmung der Verjährung bleibt wirksam, auch wenn durch eine spätere Änderung des Gesetzes die Tat im Zeitpunkt der Hemmung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(4) Wird die Tat nur auf Verlangen oder mit Ermächtigung eines dazu Berechtigten verfolgt, so wird der Lauf der Verjährung nicht dadurch gehemmt, daß die Verfolgung nicht verlangt oder beantragt oder die Ermächtigung nicht erteilt wird."

3. Art12 des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015 (StRÄG 2015), BGBl I 112/2015, lautet (die angefochtene Vorschrift ist hervorgehoben):

"Artikel 12

Inkrafttreten und Übergangsbestimmung

§1. Art1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 112/2015 tritt mit 1. Jänner 2016 in Kraft.

§2. Für Taten, deretwegen am 31.12.2015 bereits ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist die Verjährungsfrist (§§57 Abs3, 58) nach der an diesem Tag geltenden Strafdrohung zu berechnen."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller wurde im zweiten Rechtsgang mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 21. September 2020 auf Grund einer am 18. Juli 2003 begangenen Tat wegen des Vergehens der Untreue gemäß §153 Abs1 und 3 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die bedingt nachgesehen wurde.

2. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an den Obersten Gerichtshof. Der vorliegende Parteiantrag auf Normenkontrolle (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG) wurde anlässlich dieses Rechtsmittels gestellt. Darin legt der Antragsteller seine Bedenken wie folgt dar:

2.1. Mit dem StRÄG 2015 sei die Wertgrenze für die qualifizierte Untreue des §153 Abs2 StGB von € 50.000,? auf € 300.000,? hinaufgesetzt und damit die Verjährungsfrist für die von ihm begangene Untreue mit einem Schaden von € 100.000,? von zehn auf fünf Jahre verkürzt worden. Das Landesgericht für Strafsachen Graz habe in seinem Urteil vom 21. September 2020 allerdings die Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes übernommen, dass auf Grund der Bestimmungen des §58 Abs3a StGB und des Art12 §2 StRÄG 2015 wegen des Umstandes, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller am 31. Dezember 2015 bereits anhängig gewesen sei, die Verjährungsfristen noch nach dem alten Strafrahmen zu beurteilen seien.

2.2. §61 StGB stelle jedoch dem Verbot der Rückwirkung von Strafrecht als zweite Säule ein beschränktes Gebot der rückwirkenden Anwendung neueren Rechts zur Seite, dem eine menschenrechtliche Dimension zugesprochen werde, die auch in Art15 Abs1 dritter Satz des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verankert sei. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe das Gebot der Rückwirkung günstigeren Strafrechts als einen anerkannten Fundamentalgrundsatz zum implizierten Inhalt des Art7 Abs1 EMRK erklärt; und der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 8. März 2021, B1003/2011 ua, ausgesprochen, von jenem Inhalt des Art7 EMRK auszugehen.

2.3. Das aus diesen Bestimmungen abgeleitete Gebot der Rückwirkung milderen Strafrechts müsse im Gesamten betrachtet werden und es könne nicht angehen, ausgerechnet die Verjährungsbestimmungen einfachgesetzlich vom verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rückwirkungsgebot auszunehmen. Mit dem vom Gesetzgeber angeordneten Mindergewicht des inkriminierten Handlungsunwertes seien eben unter Umständen untrennbar auch andere günstige Folgen verbunden, wie etwa die Verkürzung von Verjährungsfristen.

2.4. Die vom Gesetzgeber gewählte Vorgangsweise verstoße zudem gegen den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Die angefochtenen Bestimmungen würden dazu führen, dass ein Täter, der vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung eine Straftat begangen habe, dann, wenn ein Ermittlungsverfahren am 31. Dezember 2015 eingeleitet worden sei, strafrechtlich verfolgt werde; ein anderer Täter, der dieselbe Tat am selben Tag begangen habe, gegen den aber ein Ermittlungsverfahren erst am 1. Jänner 2016 eingeleitet worden sei, aber straflos bleibe. Dabei handle es sich um eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, die im Widerspruch zu §61 StGB und zu Art7 EMRK stehe und zu einer Verfassungswidrigkeit des §58 StGB idF BGBl I 112/2015 und des Art12 §2 StRÄG 2015 führe. Das Rückwirkungsgebot für günstigeres Recht sei als unmittelbar anwendbares Unionsrecht (§49 Abs1 GRC) sowie als österreichisches Verfassungsrecht (Art7 EMRK) anzusehen.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] 3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. Die angefochtenen Bestimmungen sind auf das StRÄG 2015 zurückzuführen und traten am 1. Jänner 2016 in Kraft. §58 Abs3a StGB und Art12 §2 St[R]ÄG 2015 enthalten Regelungen betreffend die Verjährung der Strafbarkeit. Im Rahmen des StRÄG 2015 erfolgte zudem ua eine Anhebung der Wertgrenzen im Bereich der Vermögensdelikte, wie im Folgenden näher ausgeführt wird.

3.2. Zur Anhebung der Wertgrenzen bei Vermögensdelikten:

3.2.1. Mit dem St[R]ÄG 2015 wurden umfassende Änderungen in verschiedensten Bereichen des gerichtlichen Strafrechts vorgenommen. Eines der wesentlichen Ziele der Reform war, die Strafenrelation zwischen den Delikten gegen Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung einerseits und den Vermögensdelikten andererseits den heutigen Wertvorstellungen der Gesellschaft anzupassen. Dazu wurden einerseits die Strafdrohungen im Bereich der Körperverletzungsdelikte erhöht und andererseits jene für die Vermögensdelikte gesenkt, und zwar insbesondere durch die Anhebung der Wertgrenzen (Troppacher, Änderungen des Vermögensstrafrechts durch das StRÄG 2015, ecolex 2016, 478).

3.2.2. Das System der Wertgrenzen im Bereich der Vermögensdelikte – das eine an die Höhe des Schadens angepasste Strafdrohung ermöglicht und bewirkt, dass Delikte mit geringem Schaden am Tatobjekt bzw mit geringem Wert nur bis zu einer niedrigeren Strafobergrenze geahndet werden können und daher eine gewisse Verhältnismäßigkeit der Strafen garantiert – wurde beibehalten, jedoch wurde die erste Wertgrenze von 3.000 Euro auf 5.000 Euro und die zweite Wertgrenze von 50.000 Euro auf 300.000 Euro erhöht. Dadurch sollte dem Bedürfnis entsprochen werden, die bis zum StRÄG 2015 zehn Jahre nicht geänderten Wertgrenzen an den Wandel der Werthaltung der Gesellschaft anzupassen (vgl ErlRV 689 BlgNR 25. GP, 21, wonach die Strafdrohungen bei den Vermögensdelikten im Vergleich zu den Körperverletzungsdelikten, 'insbesondere bei Übersteigen der bisher bestehenden Wertgrenzen,' als zu hoch angesehen wurden).

3.2.3. Für den Tatbestand der Untreue (§153 StGB) bedeutet die Anhebung der Wertgrenzen Folgendes:

Bis zum 31. Dezember 2015 waren nach §153 StGB tatbestandsmäßige Handlungen bis zu einem Schaden von 3.000 Euro mit der Grundstrafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht (vgl §153 Abs1 StGB idF vor dem StRÄG 2015). Überstieg der Schaden 3.000 Euro, nicht aber 50.000 Euro, so betrug die Strafdrohung bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Bei einem 50.000 Euro übersteigendem Schaden betrug die Strafdrohung bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe (vgl §153 Abs2 StGB idF vor dem StRÄG 2015).

Seit dem 1. Jänner 2016 sind nach §153 StGB tatbestandsmäßige Handlungen bis zu einem Schaden von 5.000 Euro mit der Grundstrafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht (vgl §153 Abs1 StGB idgF). Übersteigt der Schaden 5.000 Euro, nicht aber 300.000 Euro, so beträgt die Strafdrohung bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Bei einem 300.000 Euro übersteigenden Schaden beträgt die Strafdrohung bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe (vgl §153 Abs3 StGB idgF).

Eine Änderung in der Strafdrohung durch das Inkrafttreten des StrÄG 2015 ergibt sich seit 1. Jänner 2016 sohin für Sachverhalte mit

?   einer Schadenshöhe zwischen 3.001 Euro und 5.000 Euro: Hier betrug die Strafdrohung bis zum 31. Dezember 2015 Freiheitsstrafe bis drei Jahre, während solche Taten nunmehr (nur) mit Freiheitsstrafe bis sechs Monate oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht sind.

?   einer Schadenshöhe zwischen 50.001 Euro und 300.000 Euro: Hier betrug die Strafdrohung bis zum 31. Dezember 2015 Freiheitsstrafe bis zehn Jahre, während solche Taten nunmehr (nur) mit Freiheitsstrafe bis drei Jahre bedroht sind.

3.3. Zur Verjährung der Strafbarkeit:

3.3.1. Die Verjährung der Strafbarkeit ist in den §§57 bis 60 StGB geregelt. Ganz grundsätzlich wird zwischen Verfolgungsverjährung (§§57, 58 StGB) und Vollstreckungsverjährung (§§59, 60 StGB) unterschieden. Die Verfolgungsverjährung hat das Erlöschen der Strafbarkeit der Tat zur Folge (§57 Abs2 Satz 1 StGB), die Vollstreckungsverjährung das Erlöschen der Vollstreckbarkeit einer Strafe, eines Verfalls und einer vorbeugenden Maßnahme (§59 Abs2 Satz 1 StGB; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 Vorbemerkungen zu den §§57–60 Rz 1).

Der gegenständliche Antrag bezieht sich nur auf Regelungen iZm der Verfolgungsverjährung, weshalb sich die Darstellung der einfachgesetzlichen Rechtslage auf diese beschränkt.

3.3.2. Maßgeblich für die Verfolgungsverjährung sind die gesetzlichen Strafdrohungen. Nach ihnen bestimmt sich, ob Verjährung überhaupt eintreten kann bzw welche Verjährungsfrist zur Anwendung kommt (Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §57 Rz 3). Bestimmte strafbare Handlungen sind unverjährbar, nämlich solche, die entweder ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind (§57 Abs1 erster Satz – Verjährungsausschluss; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §57 Rz 6). Bei den übrigen strafbaren Handlungen hebt der Ablauf der Verjährungsfrist (sofern diese nicht gemäß §58 verlängert wird, s.u. Punkt 3.4.) die Strafbarkeit auf (Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §57 Rz 10). Es werden insgesamt fünf Fristen unterschieden (20, zehn, fünf und drei Jahre sowie ein Jahr; siehe dazu §57 Abs3 StGB). Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört (§57 Abs2 Satz 2 StGB) und zwar an dem Tag, der dem Tag der Beendigung des strafbaren Verhaltens nachfolgt (Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §57 Rz 10).

3.3.3. Das StGB baut auf dem System der relativen Verjährung auf; demnach können die Verjährungsfristen (§§57 und 59 StGB) bei Vorliegen der Voraussetzungen nach den §§58 und 60 StGB durch Hemmung verlängert werden. Wesensmerkmal der Hemmung ist, dass der noch nicht abgelaufene Teil der Frist nach Wegfall der Voraussetzungen weiterläuft. Demgegenüber beginnt bei der Unterbrechung einer Frist diese bei Wegfall des Unterbrechungsgrundes neu zu laufen. Nach Art der Hemmung werden Anlauf-, Ablauf- und Fortlaufhemmung unterschieden (siehe dazu Schallmoser in Trifterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum StGB [Dezember 2016] Vorbemerkungen zu den §§57-60 Rz 18 ff mwN).

3.4. Zur Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß §58 StGB:

3.4.1. §58 StGB enthält Regelungen, die eine Verlängerung der Verjährungsfrist normieren und damit zu einer längeren als der in §57 Abs3 StGB bestimmten Frist führen (Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §58 Rz 1). §58 Abs1 StGB normiert die Verlängerung der Verjährungsfrist durch einen erst später eintretenden tatbildmäßigen Erfolg (Ablaufhemmung für den Fall des zeitlichen Auseinanderfallens von Täterverhalten und Erfolgseintritt). §57 Abs2 StGB normiert ebenso eine Ablaufhemmung für den Fall, dass der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht: Die Verjährungsfrist für die Ersttat verlängert sich, bis auch die Zweittat verjährt ist. §58 Abs3 StGB wiederum legt Zeiten fest, die in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet werden (siehe dazu §58 Abs3 Z1 bis 3 StGB).

3.4.2. Für den Anlassfall relevant ist §58 Abs3 Z2 StGB. Danach wird die Zeit zwischen der erstmaligen Vernehmung als Beschuldigter, der erstmaligen Androhung oder Ausübung von Zwang gegen den Täter wegen der Tat (§§93 Abs1, 105 Abs1 StPO), der ersten staatsanwaltlichen Anordnung oder Antragstellung auf Durchführung oder Bewilligung von im 8. Hauptstück der StPO geregelten Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahmen zur Aufklärung des gegen den Täter gerichteten Verdachts, der Anordnung der Fahndung oder Festnahme, des Antrags auf Verhängung der Untersuchungshaft oder der Einbringung der Anklage und der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Mit dieser Ziffer wird der für die Praxis bedeutsame Fall der Fortlaufhemmung der Verjährung ab einem der genannten Verfahrensschritte in einem laufenden Strafverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat normiert (vgl Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §58 Rz 18). Diese Hemmung gilt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens (vgl dazu näher Schallmoser in Trifterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum StGB [Dezember 2016] §58 Rz 67 ff).

3.5. Zu §58 Abs3a StGB:

3.5.1. Mit dem StRÄG 2015 wurde in §58 Abs3a StGB das allgemeine Prinzip eingeführt, wonach eine nach früherem Recht rechtzeitig eingetretene Hemmung der Verjährung durch für den Beschuldigten günstigere neue Bestimmungen nicht rückwirkend unwirksam wird. Eine einmal eingetretene Hemmung der Verjährung bleibt auch dann wirksam, wenn die Tat im Zeitpunkt der Verjährungshemmung durch eine spätere Änderung des Gesetztes nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre (vgl ErlRV 689 BlgNR 25. GP, 12 und Marek in Höpfel/Ratz, WK² StGB, §58 Rz 35).

3.5.2. Bis zum Inkrafttreten des StRÄG 2015 bestand eine uneinheitliche Rechtsprechung zu den Auswirkungen von Gesetzesänderungen auf eine nach alter Rechtslage gehemmte Verjährungsfrist. Die Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage (ErlRV 689 BlgNR 21. GP, 11 ff) führen zu §58 Folgendes aus:

'Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Verjährung grundsätzlich nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu beurteilen, es sei denn, die Verjährung der Strafbarkeit wäre nach dem zur Tatzeit geltenden Recht innerhalb dessen Geltungsdauer bereits eingetreten (RIS-Justiz RS0116876). Mit der Auswirkung einer geänderten Rechtslage auf den Lauf von (nach alter Rechtslage) unterbrochenen bzw gehemmten Verjährungsfristen hatte sich der OGH bereits mehrmals auseinanderzusetzen. Dabei hat er – zusammengefasst – gegensätzliche Standpunkte eingenommen.

In der Entscheidung vom 6. April 1973, 11 Os 203, 204/72, hatte sich der OGH mit der Konstellation auseinanderzusetzen, dass durch Gesetzesänderungen im StG im Jahr 1971 im Bereich der Strafdrohungen für fahrlässige Tötung und grob fahrlässige Körperverletzung unter gleichzeitiger Beibehaltung der Verjährungsregelung eine fahrlässige Tötung der Rechtslage nach rascher verjährte als eine fahrlässige Körperverletzung (vgl dazu Durl, Keine Rückwirkung günstigeren Verjährungsrechts bei 'rechtzeitiger' Hemmung der Verjährung, JBl 2011, 91, 97 unter Verweis auf Burgstaller, Rz 1874, 1ff). (Hervorhebung hinzugefügt, Anm.). Dies veranlasste den OGH zur Formulierung des folgenden Rechtssatzes: 'Eine nach früherem Recht eingetretene Unterbrechung der Verjährung kann durch günstigere neuere Verjährungsbestimmungen ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift rückwirkend nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden' (vgl RIS-Justiz RS0091909). Auf diesen Rechtssatz rekurrierte der OGH in den Entscheidungen vom 17. Juli 2008, 12 Os 78/08z, 79/08x, 80/08v und vom 16. Dezember 2008, 11 Os 170/08x, 171/08v in Bezug auf eine nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Strafprozessreform mit 1.1.2008 eingetretene Verjährungshemmung. Der OGH führte ergänzend aus: 'Die Verjährung ist ein Strafaufhebungsgrund, was bedeutet, dass die zunächst gegebene Strafbarkeit einer Tat zu einem darauf folgenden Zeitpunkt (durch Fristablauf) beseitigt wird. Verjährungsbestimmungen entfalten somit erst mit Ablauf der Verjährungsfrist strafbefreiende Wirkung, wobei das Gesetz Umstände determiniert, die eine Verlängerung dieser Frist (Hemmung) nach sich ziehen. Der Begriff 'Hemmung' beschreibt einen prozessualen Zustand, in dem der An-, Ab- oder (wie hier) Fortlauf der Verjährungsfrist – de facto – gehindert ist. Ein bereits eingetretener Zustand wird aber durch eine nachträgliche Änderung der Normensituation nicht beseitigt, aus welchem Grund auch eine schon erfolgte Hemmung durch eine Gesetzesänderung nicht rückwirkend unwirksam wird.' Während die Entscheidung vom 6. April 1973, 11 Os 203, 204/72 eine Änderung der Strafdrohungen von Straftatbeständen betrifft, beschäftigen ich die Entscheidungen vom 17. Juli 2008, 12 Os 78/08z, 79/08x, 80/08v und vom 16. Dezember 2008, 11 Os 170/08x, 171/08v mit einer Änderung im Bereich der Verjährungsbestimmungen.

Aus diesen Entscheidungen ließe sich der Schluss ziehen, dass eine Änderung der Rechtslage – sei sie auch zu Gunsten des Angeklagten – eine einmal eingetretene Hemmung bzw Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht berührt, eine 'nachträgliche Verjährung' somit ausgeschlossen ist.

In anderen Entscheidungen nahm der OGH jedoch einen gegenteiligen Standpunkt ein: In der Entscheidung vom 26. November 1980, 11 Os 71/80, betreffend eine Privatanklage wegen §§11, 12 UWG wurden zwischen dem Urteil erster Instanz und der Entscheidung des OGH die Strafdrohungen herabgesetzt, womit eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr einherging. Der OGH stellte fest, dass es binnen einen Jahres ab dem Tatzeitpunkt zu keinen verjährungshemmenden Maßnahmen gekommen war und führte sodann aus: 'Die nach der Art der inkriminierten Delikte nicht verlängerbare (§58 Abs1 StGB.) einjährige Verjährungsfrist lief selbst bei Bedachtnahme auf den §58 Abs2 StGB somit ungehemmt im Sinn des §58 Abs3 StGB ab bevor noch wegen der inkriminierten Taten gegen die Angeklagten ein Strafverfahren bei Gericht anhängig war.' Der OGH nahm hier keinerlei Bezug darauf, dass nach alter Rechtslage die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden war. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam der OGH in der Entscheidung vom 20. Jänner 2014, 12 Os 117/12s, 118/12p in Bezug auf einen nach §255 AktG zu beurteilenden Sachverhaltskomplex.'

3.5.3. Mit dem durch §58 Abs3a StGB eingeführten allgemeinen Prinzip, wonach eine einmal eingetretene Hemmung der Verjährungsfrist rückwirkend nicht unwirksam werden soll, wird die beschriebene Meinungsdivergenz in der Rechtsprechung zu Gunsten des in RS0091909 formulierten Rechtssatzes gelöst und somit mehr Rechtssicherheit geschaffen (vgl Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 §58 Rz 31).

3.6. Zu Art12 §2 des StRÄG 2015:

3.6.1. Art12 §2 des StRÄG 2015 enthält eine Übergangsbestimmung. Für Taten, deretwegen am 31. Dezember 2015 bereits ein Ermittlungsverfahren anhängig war, sieht Art12 §2 des StRÄG 2015 vor, dass die Verjährungsfrist (§§57 Abs3, 58 StGB) nach der an diesem Tag geltenden Strafdrohung zu berechnen ist. Relevant ist dies für jene Vermögensdelikte, bei denen sich durch die mit dem StRÄG 2015 erfolgten Wertgrenzenanhebungen die Strafdrohungen geändert haben (siehe dazu Pkt. 3.2.).

3.6.2. Die Übergangsregelung des Art12 §2 des StRÄG 2015 bezieht sich ausschließlich auf die Verjährungsfrist. Dagegen ist die Strafbarkeit einschließlich der Strafdrohung nach der ab 1. Jänner 2016 geltenden Rechtslage, also in den relevanten Konstellationen nach den höheren Wertgrenzen zu beurteilen; es gelten somit auch für vor dem Inkrafttreten des StRÄG 2015 gesetzte Taten die niedrigeren Strafdrohungen (vgl ErlRV 689 BlgNR 25. GP, 53). Diese Auffassung wurde auch vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen vom 23. Juni 2020, 11 Os 32/20w, sowie vom 15. Oktober 2020, 12 Os 95/20t, bestätigt.

3.6.3. In den Erläuterungen zu Art12 §2 StRÄG 2015 wird darauf hingewiesen, dass es nicht der rechts- und kriminalpolitischen Zielsetzung des StRÄG 2015 entspricht, zwar von den Strafdrohungen her anders gewichtetes, aber nach wie vor als strafwürdig befundenes Verhalten indirekt durch eine durch die Reduzierung von Strafdrohungen bewirkte Verkürzung von Verjährungsfristen gegebenenfalls doch sanktionslos zu halten. Weiters wird dazu ausgeführt (vgl ErlRV 689 BlgNR 25. GP, 53):

'Gegen das verfassungsgesetzliche Rückwirkungsverbot wird durch die vorgeschlagene Übergangsbestimmung nicht verstoßen, zumal die Verjährungsbestimmungen nicht unter den nach der Rechtsprechung des EGMR implizit mit dem Rückwirkungsverbot einhergehenden Grundsatz der Rückwirkung milderer Strafbestimmungen fallen (EGMR vom 17.9.2009, Scoppola v. Italien Nr 2, Nr 10249/03, Rz 110). Die gegebenenfalls milderen Strafsätze sollen diesem 'Rückwirkungsgebot' entsprechend hingegen sehr wohl zugunsten der Beschuldigten durchschlagen.'

3.7. Die Rechtslage wird daher wie folgt zusammengefasst:

3.7.1. Ausgehend von einem fiktiven Beispiel einer Untreuehandlung vom 5. Mai 2005 mit einer Schadenshöhe von 200.000 Euro gilt Folgendes:

3.7.2. Durch das am 1. Jänner 2016 in Kraft getretene StRÄG 2015 wurden die Wertgrenzen bei Vermögensdelikten angehoben. Beim Delikt der Untreue (§153 StGB) erfolgte die Anhebung der ersten Wertgrenze von 3.000 Euro auf 5.000 Euro, jene der zweiten Wertgrenze von 50.000 Euro auf 300.000 Euro. Dies hat zur Folge, dass Schadensbeträge von 3.001 Euro bis 5.000 Euro seit 1. Jänner 2016 der Grundstrafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen unterliegen (statt zuvor Freiheitsstrafe bis drei Jahre), Schadensbeträge von 50.001 Euro bis 300.000 Euro der Strafdrohung der ersten Qualifikation von Freiheitsstrafe bis drei Jahre (statt zuvor Freiheitsstrafe bis 10 Jahre).

Bsp.: Bei einer Verurteilung vor dem 31. Dezember 2015 unterlag die Untreuehandlung mit einer Schadenshöhe von 200.000 Euro einer Strafdrohung von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe. Bei einer Verurteilung ab dem 1. Jänner 2016 beträgt die Strafdrohung maximal drei Jahre Freiheitsstrafe.

3.7.3. Die Verjährung der Strafbarkeit nach dem StGB knüpft an die Strafdrohung an: Je höher die Strafdrohung, desto länger die Verjährungsfrist (§57 Abs3 StGB).

Bsp.: Bis zum 31. Dezember 2015 betrug die Verjährungsfrist (Verfolgungsverjährung) für Untreuehandlungen mit einer Schadenshöhe von 200.000 Euro 10 Jahre, seit 1. Jänner 2016 beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre.

3.7.4. Ohne die Anordnungen des §58 Abs3a StGB und Art12 §2 StRÄG 2015 wären – für den Fall, dass der Oberste Gerichtshof zur Frage der Hemmung der Verjährungsfristen den 'strengeren' Standpunkt einnimmt (vgl dazu oben Punkt 3.5.2.) – Straftaten hinsichtlich deren zwar innerhalb der vor dem 31. Dezember 2015 geltenden längeren Verjährungsfrist, jedoch nicht innerhalb der (als Folge der Wertgrenzenanhebung) ab dem 1. Jänner 2016 geltenden kürzeren Verjährungsfrist Hemmung (§58 StGB) eingetreten ist, mit 1. Jänner 2016 verjährt, selbst wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StRÄG 2015 bereits ein Ermittlungsverfahren anhängig war. Dieses Resultat der gänzlichen Straflosigkeit trotz laufendem Strafverfahren würde nicht der mit dem StRÄG 2015 vorgenommenen Wertung und Zielsetzung (Beibehaltung der Strafbarkeit der Vermögensdelikte, lediglich Anhebung der Wertgrenzen) entsprechen. Darüber hinaus sollte mit §58 Abs3a StGB Rechtsklarheit hinsichtlich der in der Rechtsprechung bis dahin uneinheitlich beantworteten Frage der Auswirkungen einer nach altem Recht eingetretenen Verjährungshemmung geschaffen werden.

Bsp.: Ohne Hemmung der Verjährungsfrist (§58 StGB) ist eine am 5. Mai 2005 mit Schadenshöhe von 200.000 Euro begangene Untreuehandlung am 6. Mai 2015 verjährt. Wurde die Verjährungsfrist hinsichtlich dieser Tat jedoch vor dem 6. Mai 2015 nach §58 StGB gehemmt und ist am 31. Dezember 2015 ein Ermittlungsverfahren anhängig, so ist – ausschließlich für die Frage der Verjährungsfrist – auf die am 31. Dezember 2015 geltende Strafdrohung abzustellen. Die Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre, die Frist ist gehemmt und die Tat nicht verjährt. Im Falle einer Verurteilung ist die seit 1. Jänner 2016 geltende (günstigere) Strafdrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe anzuwenden.

II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

1. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. Juli 2018, 9 Hv 29/18p, der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung für schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 250.000 Euro verurteilt. Des Weiteren wurde er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19. September 2019, 222 Hv 15/18w, des Verbrechens der Untreue gemäß §153 Abs1 und Abs3 zweiter Fall StGB für schuldig erkannt und unter (wie in der Urteilsbegründung selbst ausgeführt wird rechtsirriger) Bedachtnahme auf das vorgenannte Urteil vom 16. Juli zu einer Zusatzstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten Freiheitsstrafe, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

2. Mit Urteil vom 23. Juni 2020, 11 Os 32/20w, hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19. September 2019, 222 Hv 15/18w, auf und verwies die Strafsache zu neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz. Darin führte der OGH insbesondere aus (S 4ff):

'Ob eine Tat verjährt ist, richtet sich grundsätzlich nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht, nach früherem Recht nur dann, wenn Verjährung bereits unter dessen Geltung eingetreten war, der Täter also bereits nach früherem Recht straflos wurde (Marek in WK² StGB §57 Rz 23; RIS-Justiz RS0072368, RS0116876). Allerdings ist nach Art12 §2 des StRÄG 2015 (BGBl I 2015/112) für Taten, derentwegen am 31. Dezember 2015 ein Ermittlungsverfahren anhängig war, die Verjährungsfrist (§§57 Abs3, 58 StGB) nach der an diesem Tag geltenden Strafdrohung zu berechnen. Korrespondierend dazu bleibt nach §58 Abs3a StGB eine nach Abs1 bis Abs3 des §58 StGB eingetretene Hemmung der Verjährung wirksam, auch wenn durch eine spätere Änderung des Gesetzes die Tat im Zeitpunkt der Hemmung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre (vgl Marek in WK² StGB §58 Rz 35 f). […]

Für die erste Behebung von 100.000 Euro am 18. Juli 2003 […] bedeutet dies, dass bei Anwendbarkeit von Art12 §2 des StRÄG 2015 die Strafdrohung am 31. Dezember 2015 von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§153 Abs2 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112) maßgeblich wäre, womit die zehnjährige Verjährungsfrist (§57 Abs3 zweiter Fall StGB) mit Ablauf des 18. Juli 2013 endet. Den Ablauf dieser Verjährungsfrist würden die nachfolgenden, jeweils über 2.000 (und 3.000), nicht aber über 40.000 Euro gelegenen Behebungen bis 6. August 2004 angesichts der seit dem Tatzeitraum (§153 StGB idF BGBl I 2001/130) unveränderten dreijährigen Strafdrohung und einer damit einhergehenden fünfjährigen Verjährungsfrist (§57 Abs3 dritter Fall StGB) nicht beeinflussen (§58 Abs2 StGB – vgl Marek in WK2 StGB §58 Rz 6). Für diese Taten wäre Verjährung zufolge Ablaufhemmung im Fall von auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Tatbegehung (§58 Abs2 StGB) vielmehr mit Ablauf des 6. August 2009 gemeinsam eingetreten, was bei Nichtanwendbarkeit des Art12 §2 des StRÄG 2015 dann auch für die Tat vom 18. Juli 2003 gelten würde. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass keine Umstände eine (weitere) Hemmung der Verjährung bewirkt hätten, die nach §58 Abs3a StGB wirksam bleibt. Feststellungen, ab wann ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der urteilsgegenständlichen Taten anhängig war (§1 Abs2 StPO), und zu verjährungshemmenden Umständen können dem Urteil nicht entnommen werden.'

3. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 21. September 2020, 8 Hv 93/20w, wurde der Antragsteller im zweiten Rechtsgang des Vergehens der Untreue gemäß §153 Abs1 und Abs3 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten verurteilt, die gemäß §43 Abs1 StGB unter Probezeitsetzung von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der gegenständliche Parteiantrag auf Normenkontrolle wurde vom Antragsteller aus Anlass seiner gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung vom 23. November 2020 erhoben.

Anzumerken ist, dass sich das Vorbringen des Antragstellers zu den Ausführungen der Generalprokuratur nicht aus den beigelegten Unterlagen ableiten lässt. So stammt lediglich die Beilage C zum Parteienantrag von der Generalprokuratur. Diese enthält eine durch die Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§23 StPO), die sich (nur) darauf bezieht, dass zugleich mit dem Antragsteller auch ein Verband nach dem VbVG verurteilt wurde, und zwar für einen Zeitraum, in dem das VbVG noch nicht in Geltung stand. Auch der Oberste Gerichtshof nahm in seiner Entscheidung vom 23. Juni 2020, 11 Os 32/20w, nicht auf die vom Antragsteller genannte Stellungnahme der Generalprokuratur Bezug.

4. Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit des Antrages und die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen sprechen würden.

III. In der Sache:

[…]

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze gemäß Art7 EMRK und Art49 GRC:

2.1. Nach Ansicht des Antragstellers verstoßen die angefochtenen Bestimmungen gegen das Gebot der Rückwirkung milderer Strafgesetze gemäß Art7 EMRK und Art49 GRC. Auch §61 StGB enthalte ein Rückwirkungsverbot sowie ein beschränktes Gebot der rückwirkenden Anwendung neueren Rechts. Dem Gebot der rückwirkenden Anwendung neueren Rechts werde eine menschenrechtliche Dimension zugesprochen, die in Art15 Abs1 dritter Satz des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, BGBl Nr 591/1978, und in Art49 Abs1 dritter Satz GRC ausdrücklich verankert sei. Das aus diesen Bestimmungen ableitbare verfassungsrechtliche Gebot der Rückwirkung milderen Strafrechtes müsse im Gesamten betrachtet werden. Nach Ansicht des Antragstellers könne es nicht angehen, ausgerechnet die Verjährungsbestimmungen einfachgesetzlich vom verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rückwirkungsgebot auszunehmen.

2.2. Nach Auffassung der Bundesregierung treffen diese Bedenken nicht zu:

2.2.1. Gemäß Art7 Abs1 EMRK kann niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden (dazu bereits VfSlg 20.287/2018, Rz 24 mwN). Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner (neueren) Rechtsprechung aus Art7 EMRK iVm Art49 Abs1 GRC das Gebot abgeleitet, bei Änderung der Rechtslage nach Begehung einer Straftat die für den Beschuldigten mildere Strafe zu verhängen (vgl EGMR 17.9.2009 [GK], Fall Scoppola [Nr 2], Appl 10.249/03, Rz 106, 109; Muzak, B-VG6 [2020] Art7 EMRK, Rz 4.; dazu kritisch Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24 Rz 161). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte begründet das letztgenannte Gebot, welches in der EMRK im Unterschied zur GRC nicht festgeschrieben ist (vgl dazu näher Art49 Abs1 letzter Satz GRC), ua damit, dass dessen Nichtbeachtung darauf hinauslaufen würde, den Angeklagten begünstigende Gesetzesänderungen, die vor seiner Verurteilung erfolgen, zu missachten und weiterhin Strafen zu verhängen, die der Staat – und die Gemeinschaft, die er repräsentiert – nun für 'exzessiv' erachtet (vgl EGMR 17.9.2009, Fall Scoppola, Rz 108). Im selben Sinn hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits vor Inkrafttreten der GRC ausgesprochen, dass es ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrechts) ist, je nach Fall die günstigere Strafvorschrift und die leichtere Strafe rückwirkend anzuwenden, und dass dieser Grundsatz zu den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gehört (EuGH 3.5.2005, verb. Rs. C-387/02 ua, Berlusconi ua, Slg. 2005, I-03565, Rz 68 ff., 4.6.2009, Rs. C-142/05, Åklagaren, Slg. 2009, I-04273, Rz 43; vgl etwa VfSlg 19.957/2015, 20.214/2017).

2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung von jenem Inhalt des Art7 EMRK aus, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesem zuletzt beigemessen hat. Im Lichte dessen gebietet es Art7 EMRK, bei Änderung der Rechtslage nach Begehung der Straftat die für den Angeklagten mildere Strafe zu verhängen (vgl etwa VfSlg 20.326/2019, 20.214/2017; siehe schon §61 StGB).

2.2.3. Das dem Art7 EMRK inhärente Günstigkeitsgebot ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Gegenstand des sich aus Art7 EMRK ergebenden Günstigkeitsvergleichs ist nämlich ausschließlich die Strafe, sprich die angedrohte Sanktion.

Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Art7 EMRK, der sich auf die 'Strafe' bezieht (vgl 'Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung ... angedrohte verhängt werden'; siehe auch den Wortlaut des Art49 Abs1 letzter Satz GRC), zum anderen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Rs. Scoppola, indem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte klarstellte, dass die Regeln des Art7 EMRK über die Rückwirkung nur auf Bestimmungen anwendbar sind, die Straftaten und die jeweils drohenden Strafen definieren (vgl EGMR 17.9.2009, Fall Scoppola, Rz 110). Vor diesem Hintergrund geht auch der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass das aus Art7 EMRK abgeleitete Rückwirkungsverbot strengerer Strafgesetze nur auf Bestimmungen anwendbar ist, die Straftaten und die jeweils drohende Strafe festlegen. Bestimmungen, die keinen materiellstrafrechtlichen Inhalt aufweisen, sind hingegen nicht vom Schutzbereich des Art7 EMRK erfasst (vgl VfSlg 20.287/2018 und VfSlg 20.214/2017 sowie Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24 Rz 147).

2.2.4. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zudem ausdrücklich festgehalten, dass eine Verlängerung von Verjährungsfristen keine Verletzung des Art7 EMRK begründet: Im Fall Coeme ua gg. Belgien bewirkte das konkret in Rede stehende Gesetz eine Verlängerung der Zeit, innerhalb deren die betreffenden Vergehen verfolgt werden können. Dies bringe jedoch keine Verletzung der nach Art7 EMRK garantierten Rechte mit sich, da diese Bestimmung nicht dahingehend ausgelegt werde könne, dass sie die Verlängerung von Verjährungsfristen durch die Anwendung eines Verfahrensrechts verbietet, wenn das betreffende Vergehen noch nicht Gegenstand der Verjährung war (vgl EGMR 22.6.2000, Coeme ua gg. Belgien, Appl 32492/96, 32547/96, 32548/96, 33209/96 und 33210/96, Rz 149 [Hervorhebung nicht im Original]: 'The extension of the limitation period brought about by the Law of 24 December 1993 and the immediate application of that statute by the Court of Cassation did, admittedly, prolong the period of time during which prosecutions could be brought in respect of the offences concerned, and they therefore detrimentally affected the applicants' situation, in particular by frustrating their expectations. However, this does not entail an infringement of the rights guaranteed by Article 7, since that provision cannot be interpreted as prohibiting an extension of limitation periods through the immediate application of a procedural law where the relevant offences have never become subject to limitation.[...]', vgl auch EGMR 17.9.2009, Fall Scoppola, Rz 110).

2.2.5. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hielt im Urteil vom 8. September 2019 in der Rs. C-105/14 fest, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nationale Regelungen betreffend die Verlängerung der Verjährungsfrist und deren unmittelbare Anwendung zu keiner Beeinträchtigung der von Art7 EMRK gewährleisteten Rechte führen, da Art7 EMRK nicht so ausgelegt werden kann, dass diese Bestimmung eine Verlängerung der Verjährungsfristen verhindert, wenn die vorgeworfenen Taten nie verjährt sind (vgl EuGH, Rs. C-105/14, Taricco, Rz 57).

2.2.6. Auch im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass die Verlängerung von Verjährungsfristen mit Art7 im Einklang steht (vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 §24 Rz 152; Kröll in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar2 Art49 Rz 12; Marek in Höpfel/Ratz, WK² StGB §58 Rz 36; vgl zum VStG auch Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² §1 Rz 17 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des VwGH).

2.2.7. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht gegen das aus Art7 EMRK ableitbare Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze verstoßen. Weder §58 Abs3a StGB noch Art12 §2 StRÄG 2015 sind als Bestimmungen zu qualifizieren, die Straftaten und die jeweils drohenden Strafen festlegen. §58 Abs3a StGB und Art12 §2 StRÄG 2015 weisen keinen materiell-strafrechtlichen Inhalt im Sinne der Rechtsprechung zu Art7 EMRK auf und betreffen ausschließlich die Verjährungsfrist und bewirken im Ergebnis eine Verlängerung derselben. Auch bei einer Betrachtung der Gesamtauswirkung der angefochtenen Bestimmungen ist zu berücksichtigen, dass das StRÄG 2015 lediglich eine Anpassung der Strafdrohungen zum Ziel hatte, nicht aber ein zwar von den Strafdrohungen her anders gewichtetes, aber nach wie vor als strafwürdig befundenes Verhalten indirekt durch eine durch die Reduzierung von Strafdrohungen bewirkte Verkürzung von Verjährungsfristen gegebenenfalls sanktionslos halten wollte (vgl dazu bereits die Ausführungen zur Rechtslage unter Pkt. II).

2.2.8. Lediglich der Vollständigkeit halber weist die Bundesregierung abschließend darauf hin, dass sich die zu beurteilenden Rechtsfragen von jenen, die der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.214/2017 zu Grunde liegen, wesentlich unterscheiden. Mit diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof §265 Abs1p vorletzter Satz FinStrG, BGBl Nr 129/1958, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010, wegen Widerspruchs zu Art7 EMRK als verfassungswidrig aufgehoben. §265 Abs1p vorletzter Satz FinStrG sah vor, dass die Änderungen der Zuständigkeitsgrenzen der §§53 und 58 FinStrG auf Verfahren, die bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010 bei den Staatsanwaltschaften, Gerichten und Spruchsenaten bereits anhängig sind, nicht anzuwenden sind. Die durch diese Übergangsbestimmung bewirkte Fortschreibung der gerichtlichen Ahndung bestimmter Finanzvergehen führte im Vergleich zur Ahndung durch Finanzbehörden zu gravierenden Nachteilen für den Antragsteller (so gilt im finanzbehördlichen Finanzstrafverfahren insbesondere ein wesentlich günstigerer Strafrahmen). Davon unterscheiden sich die hier angefochtenen Regelungen ganz grundlegend: Die durch das StRÄG 2015 vorgesehenen milderen Strafdrohungen werden durch §58 Abs3a StGB und Art12 §2 StRÄG 2015 nicht berührt und wirken sich zugunsten der Beschuldigten aus. Wie bereits ausgeführt, treffen die angefochtenen Bestimmungen lediglich (Übergangs-)Regelungen betreffend den Lauf der Verjährungsfrist und sind daher nicht von dem aus Art7 EMRK ableitbaren Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze erfasst.

2.2.9. Soweit der Antragssteller eine Verletzung des Art49 GRC behauptet, wird auf die Ausführungen zu Art7 EMRK sinngemäß hingewiesen. Dessen ungeachtet ist nicht ersichtlich, inwiefern im Ausgangsfall der Anwendungsbereich der GRC nach Art51 GRC überhaupt eröffnet sein sollte. Hierzu finden sich im Antrag auch keine näheren Ausführungen.

3. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art7 B-VG, Art2 StGG):

3.1. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass §58 Abs3a StGB und Art12 §2 StRÄG eine unsachliche Differenzierung von zwei Tätergruppen schaffe. Die beanstandeten Bestimmungen würden dazu führen, dass ein Täter, der vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung eine Straftat begeht, dann, wenn ein Ermittlungsverfahren am 31. Dezember 2015 eingeleitet wird, strafrechtlich verfolgt wird, hingegen ein anderer Täter, d

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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