TE Vwgh Beschluss 2021/8/31 Ra 2020/14/0061

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Veröffentlicht am 31.08.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag. Wissam Barbar, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 99/2/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. September 2019, L512 2133130-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 21. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er führte aus, dass er zum christlichen Glauben übertreten habe wollen, weshalb er den Iran verlassen habe.

2        Mit Bescheid vom 2. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die belangte Behörde legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 12. Dezember 2019, E 3786/2019-6, die Behandlung derselben ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die vorliegende Revision führt zu ihrer Zulässigkeit näher begründet aus, das Bundesverwaltungsgericht stütze seine Feststellungen zur behaupteten Konversion auf eine unvertretbare Beweiswürdigung. Es liege zudem ein Verstoß gegen die amtswegige Ermittlungspflicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht sei verpflichtet gewesen, weitere Zeugen einzuvernehmen. Weiters liege ein Begründungsmangel vor, weil das Bundesverwaltungsgericht trotz entgegenlautender Feststellungen eine Verfolgungsgefahr verneint habe.

9        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 5.3.2021, Ra 2021/14/0038, mwN).

10       Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 15.3.2021, Ra 2021/20/0047, mwN).

11       Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte und ein Mitglied einer österreichischen Freikirche, der auch der Revisionswerber angehört, als Zeugin zu seinen religiösen Aktivitäten befragte. Es gelangte mit ausführlicher Begründung, in der es auch die Aussagen der einvernommenen Zeugin würdigte, zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Der Revision, die nur einzelne Aspekte der umfangreichen beweiswürdigenden Erwägungen anspricht, gelingt es nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung insgesamt fallbezogen unvertretbar wäre.

12       Soweit die Revision die unterlassene Einvernahme von weiteren Zeugen rügt, insbesondere seines Bruders und eines näher genannten Zeugen, ist zunächst festzuhalten, dass nicht behauptet wird, der Revisionswerber habe eine solche Einvernahme im Verfahren beantragt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 9.12.2020, Ra 2020/19/0295, mwN). Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/19/0431, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorbringen des Revisionswerbers zu den behaupteten Gründen der Flucht mit nicht als unschlüssig zu wertenden Erwägungen, insbesondere näher dargelegter Widersprüche und Ungereimtheiten, als unglaubwürdig eingestuft. Ausgehend davon sind Gründe dafür, dass die von der Revision gerügte unterbliebene Einvernahme weiterer Zeugen nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, nicht ersichtlich.

13       Darüber hinaus ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Fall einer unterbliebenen Vernehmung - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen - in der Revision konkret darzulegen ist, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem pauschalen und nicht näher konkretisierten Vorbringen, der Zeuge hätte über die innere Überzeugung des Revisionswerbers Auskunft erteilen können, nicht nach. Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht ohnehin von den in der Revision angesprochenen, nach außen hin im Bundesgebiet gesetzten religiösen Aktivitäten des Revisionswerbers ausgegangen ist. Ein krasser, die Rechtssicherheit beeinträchtigender Verfahrensfehler kann daher nicht erblickt werden.

14       Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit den Folgen des von ihm als bloße Scheinkonversion gewerteten Religionswechsels und dem vom Revisionswerber in Zusammenhang damit gesetzten Verhalten bei Rückkehr in den Iran auseinandergesetzt und ist mit einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Begründung zum Ergebnis gekommen, dass diese zu keiner asylrelevanten Verfolgung führen. Das wird in der Revision jedoch nicht substantiiert bestritten.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 31. August 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140061.L00

Im RIS seit

17.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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