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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der SM in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. Jänner 1996, Zl. MA 61/IV-M 665/93, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 26. Jänner 1995 hatte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin und ihrem mj. Kind MM, Staatsangehörigen Jugoslawiens, gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) für den Fall zugesichert, daß die Beschwerdeführerin binnen zwei Jahren den Nachweis über ihr Ausscheiden aus dem jugoslawischen Staatsverband erbringe.
Mit Bescheid vom 8. Jänner 1996 widerrief die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 StbG den erstangeführten Bescheid (richtig: die darin ausgesprochene Zusicherung); gleichzeitig wies sie das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Verleihung der Staatsbürgerschaft bzw. um Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf ihr mj. Kind gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat den Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft sowie die Abweisung des Verleihungsantrages der Beschwerdeführerin damit begründet, daß diese die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall StbG, wonach die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden könne, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet, nicht erfülle. Es sei hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin, die sich seit ihrer Geburt am 20. Februar 1971 überwiegend in Österreich aufhalte, nach Erlassung des Zusicherungsbescheides am 24. März 1995 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 StGB, wegen Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB und wegen Beteiligung am Vergehen der versuchten falschen Zeugenaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach §§ 12, 15, 289 StGB zu einer sechsmonatigen bedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sei. Weiters seien im "neu fortgesetzten Ermittlungsverfahren" Verurteilungen der Beschwerdeführerin durch den Jugendgerichtshof Wien vom 25. Juni 1986 wegen Vergehens des schweren Diebstahls im Familienkreis (§ 166 in Verbindung mit §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat und vom 20. Juli 1988 wegen Vergehens des Diebstahls (§ 127 Abs. 1 StGB) zu einer einwöchigen bedingten Freiheitsstrafe aktenkundig geworden. Diese beiden Bestrafungen seien allerdings bereits getilgt. Infolge der rechtskräftigen Verurteilung nach Erlassung des Zusicherungsbescheides sei zu prüfen gewesen, ob nunmehr ein Einbürgerungshindernis vorliege. Diese Prüfung habe ergeben, daß die durch die Verurteilung vom 24. März 1995 geahndeten Straftaten, insbesondere die strafbaren Handlungen gegen die Rechtspflege, sich als Delikte mit hohem Unrechtsgehalt darstellten. Die Beschwerdeführerin könne unter Berücksichtigung aller Umstände - als solche führte die belangte Behörde die Geburt der Beschwerdeführerin in Wien, ihren langen Aufenthalt in Österreich, ihre sehr guten Deutschkenntnisse, die österreichische Staatsbürgerschaft zweier ihrer Kinder und die erst vor kurzem erfolgte, rechtskräftige Verurteilung wegen dreier schwerwiegender strafbarer Handlungen an - nicht Gewähr dafür bieten, daß sie keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde. Diese Einschätzung werde noch durch den Umstand bestätigt, daß auch noch die zwei bereits getilgten, einschlägigen Vorstrafen bekannt geworden seien. Somit sei durch die rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin durch das Landesgericht Wien vom 24. März 1995 nach der Erlassung des Zusicherungsbescheides das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG entstanden und eine der Voraussetzungen für die Verleihung der österreichische Staatsbürgerschaft weggefallen, weshalb der Zusicherungsbescheid gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen und das Ansuchen (um Verleihung der österreichische Staatsbürgerschaft bzw. Erstreckung derselben) abzuweisen gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde insbesondere geltend, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides sei nicht erkennbar, auf welche konkrete Tatsache die belangte Behörde ihre negative "Zukunftsprognose" gestützt habe. Insbesondere habe die belangte Behörde zwar angeführt, es sei das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin bewertet worden, doch habe sie dieses Gesamtverhalten weder näher erläutert noch begründet, auf welche Merkmale des Gesamtverhaltens die negative Prognose gestützt werde. Das ergänzende Ermittlungsverfahren habe lediglich in der Miteinbeziehung des Strafaktes bestanden. Auch lägen die der Verurteilung vom März 1995 zugrundeliegenden Straftaten nahezu drei Jahre zurück. Aus der Verhängung von lediglich bedingten Freiheitsstrafen ergebe sich eine günstige "Zukunftsprognose", weil bedingte Strafen nur dann verhängt werden dürften, wenn sowohl aus spezialpräventiver als auch vor allem aus generalpräventiver Sicht die bedingte Bestrafung als ausreichendes Mittel anzusehen sei, um den bestimmten Täter von der Begehung gleicher oder anderer Straftaten abzuhalten.
Zunächst ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß aus der gerichtlichen Verurteilung zu einer bloß bedingten Strafe nicht geschlossen werden kann, in solchen Fällen komme wegen der nur bei positiv ausfallender Prognose des künftigen Verhaltens des Täters gegebenen Zulässigkeit einer solchen Verurteilung eine negative Prognose der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zuständigen Behörden nicht in Betracht. Vielmehr stellen die in dieser Hinsicht in Frage kommenden Bestimmungen des StbG (wie § 10 Abs. 1 Z. 6) in keiner Weise darauf ab, ob eine Verurteilung zu einer Strafe bedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde, sodaß für den Bereich des StbG von einer bedingt ausgesprochenen Strafe grundsätzlich die gleichen Wirkungen wie von einer unbedingt verhängten gerichtlichen Strafe ausgehen.
Gemäß § 20 Abs. 2 StbG ist die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet. Bei der gemäß dieser Gesetzesstelle vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist - wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0118, und die dort zitierte Judikatur).
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat es die belangte Behörde nicht unterlassen darzulegen, aus welchen Überlegungen und auf welchen Gründen aufbauend sie zu der Auffassung gelangt ist, die Beschwerdeführerin biete keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden. So hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, daß es sich bei den Straftaten, deretwegen die Beschwerdeführerin nach Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft rechtskräftig verurteilt worden sei, um schwerwiegende strafbare Handlungen mit hohem Unrechtsgehalt handle. Insbesondere sei die Verurteilung wegen dieser Delikte erst vor kurzem erfolgt (etwa zehn Monate vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides), wobei nach Ausweis der Verwaltungsakten die dieser Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten im August 1993 und im April 1994 begangen wurden. Die durch diese Ausführungen und den Hinweis auf bereits getilgte Vorverurteilungen begründete, wenn auch sehr knapp ausgeführte Prognose des künftigen Verhaltens der Beschwerdeführerin rechtfertigt den von der belangte Behörde daraus gezogenen Schluß, es sei nach Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG eingetreten. Waren aber die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen ausreichend, um vom Vorliegen dieses Einbürgerungshindernisses auszugehen, so erweist sich auch der auf den Eintritt dieses Verleihungshindernisses gegründete Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft als dem Gesetz entsprechend.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010173.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
17.03.2009