TE Lvwg Beschluss 2021/7/27 VGW-172/092/7106/2019

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Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Index

36 Wirtschaftstreuhänder
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

WTBG 2017 §111 Abs1 Z1
WTBG 2017 §8 Abs1 Z13
B-VG Art. 133 Abs1 Z3
B-VG Art. 131
B-VG Art. 102 Abs1
B-VG Art. 102 Abs4

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B., vertreten durch den Verfahrenshelfer Mag. Dr. C., Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Präsidenten der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vom 28.3.2019, Zl. ..., betreffend Widerruf der durch öffentliche Bestellung erteilten Berechtigungen zur selbständigen Ausübung von Wirtschaftstreuhandberufen, den

BESCHLUSS:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 28.3.2018 widerrief der Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 8 Abs. 1 Z 3 WTBG 2017 die durch öffentliche Bestellung erteilten Berechtigungen des Beschwerdeführers zur selbständigen Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe „Wirtschaftsprüfer“ und „Steuerberater“ mit dem Datum der Zustellung dieses Bescheids (4.4.2018). Nach der Rechtsmittelbelehrung konnte „gegen diesen Bescheid […] binnen 4 Wochen ab Zustellung Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht“ erhoben werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15.5.2019 durch seinen mit Bescheid der RAK Wien vom 31.1.2019 bestellten Verfahrenshelfer (rechtzeitig) Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien mit dem Antrag, dem bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Mit Note vom 21.5.2019 legte die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor, wo sie am 23.5.2019 einlangte.

Mit Beschluss vom 8.10.2019 beantragte das Verwaltungsgericht Wien – gestützt auf Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG – beim Verfassungsgerichtshof, näher bezeichnete Wortfolgen des WTBG 2017 als verfassungswidrig aufzuheben. Das Verwaltungsgericht Wien hegte Bedenken ob der Verfassungsgemäßheit des die Zuständigkeit des Präsidenten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder regelnden § 154 Abs. 2 Z 1 WTBG 2017 in Hinblick auf das System der mittelbaren Bundesverwaltung; diese waren insbesondere durch das den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer betreffende Erkenntnis des VfGH vom 13.3.2019, G 242/2018-16, entfacht worden.

Mit Beschluss vom 17.6.2021, G 251/2019-21 u.a., eingelangt beim Verwaltungsgericht Wien am 8.7.2021, wies der Verfassungsgerichtshof den Gesetzesprüfungsantrag (als zu eng gefasst) zurück, merkte jedoch inhaltlich an (Rn 29), vorliegendenfalls bestehe „das Zustimmungserfordernis“ gemäß „Art. 102 Abs. 4 B-VG“ und „der unzutreffende Hinweis auf Art. 102 Abs. 1 B-VG in den Gesetzesmaterialien zum WTBG 2017 sowie in den entsprechenden Schreiben des Bundeskanzlers an die Länder steht der Wirksamkeit einer von den Ländern erteilten Zustimmung oder – im Falle des ungenutzten Verstreichens der dafür normierten Frist – dem Eintritt der Zustimmungsfiktion gemäß Art. 42a zweiter Satz B-VG nicht entgegen.“

II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

1. Mit Bescheid vom 28.3.2018 widerrief der Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 8 Abs. 1 Z 3 WTBG 2017 die durch öffentliche Bestellung erteilten Berechtigungen des Beschwerdeführers zur selbständigen Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe „Wirtschaftsprüfer“ und „Steuerberater“ mit dem Datum der Zustellung dieses Bescheids (4.4.2018). Nach der Rechtsmittelbelehrung konnte „gegen diesen Bescheid […] binnen 4 Wochen ab Zustellung Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht“ erhoben werden.

Mit Schriftsatz vom 15.5.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid (rechtzeitig) Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien mit dem Antrag, dem bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Mit Note vom 21.5.2019 legte die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.

2. Diese Feststellungen gründen im Verwaltungsakt und sind zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig.

3.1. Gemäß Art. 131 B-VG ist das Bundesverwaltungsgericht nur zuständig, wenn nicht das Bundesfinanzgericht zuständig ist, und die Landesverwaltungsgerichte sind nur zuständig, wenn keines der beiden Verwaltungsgerichte des Bundes zuständig ist (Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013], Art. 131 B-VG, Rz 4: „Rangordnung der Zuständigkeiten“). Besteht somit eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, sind die Landesverwaltungsgerichte (und damit auch das Verwaltungsgericht Wien) zur meritorischen Entscheidung in dieser Sache nicht zuständig.

Der Verfassungsgerichtshof stellte bereits klar, dass die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts daran anknüpft, ob eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art. 102 B-VG) besorgt wird (VfSlg 19.953/2015, Rn 20). Liegt unmittelbare Bundesverwaltung vor, ist folglich das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über Beschwerden zuständig.

Das Verwaltungsgericht Wien hegte in seinem Anfechtungsantrag an den Verfassungsgerichtshof das Bedenken, die im WTBG 2017 dem Präsidenten der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eingeräumte Zuständigkeit zum Widerruf der Berufsberechtigungen sei verfassungswidrig, denn dieser Regelung haben die Länder gemäß Art. 102 Abs. 1 letzter Halbsatz B-VG zugestimmt, nicht aber gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG, was aber erforderlich gewesen wäre, weil die Zuständigkeit des Landeshauptmanns gänzlich („schlechthin“) durch jene des Bundesministers (und damit eines Bundesorgans) ersetzt wurde. Der Verfassungsgerichtshof zerstreute jedoch in seinem Beschluss vom 17.6.2021, G 251/2019-21 u.a., dieses Bedenken, weil die Länder ohnehin gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG zugestimmt haben, denn der unzutreffende Hinweis auf Art. 102 Abs. 1 B-VG in den Gesetzesmaterialien zum WTBG 2017 sowie in den entsprechenden Schreiben des Bundeskanzlers in den Ländern stehe nicht der Wirksamkeit einer von den Ländern erteilten Zustimmung oder – im Falle des ungenutzten Verstreichens der dafür normierten Frist – dem Eintritt der Zustimmungsfiktion gemäß Art. 42a zweiter Satz B-VG entgegen. Da somit die Länder (in Wahrheit ohnehin) gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG zugestimmt haben, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass (in einer nicht in Art. 102 Abs. 2 B-VG aufgezählten Angelegenheit) der Bundesminister den Landeshauptmann ersetzt. Art. 102 Abs. 4 B-VG stellt im Übrigen nicht auf die Errichtung von Bundesbehörden ab, sondern auf die Begründung deren Zuständigkeit (z.B. VfGH 5.3.2020, G 157/2019 u.a.).

Die Ausschaltung des Landeshauptmanns auf Landesebene durch eine unmittelbare Bundesbehörde (wie dies nach Art 102 Abs. 4 B-VG der Fall ist) macht allerdings die Angelegenheit zu einer solchen der unmittelbaren Bundesverwaltung (B. Raschauer in Korinek/Holoubek [Hrsg] B-VG, 15. Lfg. [2019], Art 102, Rz 25; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 [2015] Rz 842; VfSlg. 2282/1952).

Da aufgrund der nach Art. 102 Abs. 4 B-VG erforderlichen und auch tatsächlich erteilten Zustimmung der Länder der Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit dem bekämpften Bescheid den Widerruf der dem Beschwerdeführer erteilten Berechtigungen zur selbstständigen Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe „Wirtschaftsprüfer“ und „Steuerberater“ in unmittelbarer Bundesverwaltung ausgesprochen hat, ist folglich zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde das Bundesverwaltungsgericht zuständig (vgl. in einem vergleichbaren Fall VwGH 27.2.2019, Ro 2016/04/0048, Rn 13) und damit gleichzeitig das Verwaltungsgericht Wien unzuständig. Die Beschwerde war daher wegen sachlicher Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wiens durch förmlichen Beschluss zurückzuweisen.

3.2. Die förmliche Beschlussfassung ist im gegenständlichen Fall schon deshalb geboten, weil der gemäß Art 133 Abs. 1 Z 3 B-VG über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten erkennende Verwaltungsgerichtshof nur dann in einem allfälligen Revisionsverfahren die Zuständigkeit bindend beurteilen kann, wenn diese zuvor von einem Verwaltungsgericht „in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form (Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit oder Erkenntnis in der Sache bzw Zurückweisung aus anderen Gründen oder Einstellung oder Bejahung der Zuständigkeit)“ getroffen wurde (vgl. VwGH 18.02.2015, Ko 2015/03/0001).

3.3. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

3.4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl die im Beschluss zitierte höchstgerichtliche Judikatur). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Sachliche Zuständigkeit; Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts; unmittelbare Bundesverwaltung; Wirtschaftstreuhandberuf; Kammer der Steuerberater; Widerrufsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.172.092.7106.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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