TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/19 VGW-031/076/16559/2020

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Veröffentlicht am 19.08.2021
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Entscheidungsdatum

19.08.2021

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StVO 1960 §1
StVO 1960 §2 Abs1 Z1
StVO 1960 §24 Abs3 litd
StVO 1960 §99 Abs3 lita
VStG 1991 §5 Abs1
VStG 1991 §5 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, C.-weg, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 20.11.2020, Zahl MA67/...1/2020, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 3 lit. d StVO,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 4 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundesverfassungsgesetzes – B-VG nicht zulässig. Eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gemäß § 25a VwGG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 20.11.2020, Zahl MA67/...1/2020, lautet wie folgt:

"1.  Datum/Zeit:   16.10.2020, 14:05 Uhr – 16.10.2020, 14:16 Uhr

     Ort:          Wien, D.-gasse vor Kleingartenanlage

     Betroffenes Fahrzeug: Kennzeichen: W-... (A)

     Funktion:   Lenker/in

Sie haben auf einer Fahrbahn mit Gegenverkehr, auf der nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freigeblieben sind, geparkt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: 

1. § 24 Abs. 3 lit. d StVO 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von   falls diese uneinbringlich ist,  […]            Gemäß

                           Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 70,00   0 Tage(n) 16 Stunde(n) 0    § 99 Abs. 3 lit. a StVO

                           Minute(n) 

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10 für jedes Delikt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 80,00"

2. Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, dass es sich bei der D.-gasse in Wien um keine Straße mit öffentlichem Verkehr handle und die StVO – wenn überhaupt – nur für den Fußgängerverkehr anwendbar sei. Die Organe der Straßenaufsicht hätten auf der restlichen Verkehrsfläche (gemeint offenkundig: betreffend die Fahrbahn) keine Befugnis und seien alle bisherigen Strafen zu Unrecht erfolgt. Im Kreuzungsbereich zur E. Straße befinde sich ein "allgemeines Fahrverbot – ausgenommen Anrainer" sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf "5 km/h". Etwa 20 Meter weiter sei eine Schrankenanlage installiert, die den Fahrzeugverkehr auf die Anrainer beschränke. Diese Abschrankung erstrecke sich jedoch nicht über die ganze Straßenbreite, sondern sei ein schmaler Streifen für Fußgänger frei gelassen worden. Er verweise auf eine im Jahr 2019 eingeholte Rechtsmeinung der Magistratsabteilung 65, wonach die D.-gasse in Wien "eine öffentliche Straße nur für den Fußgängerverkehr [sei], sodass die Straßenverkehrsordnung nur teilweise zur Anwendung komm[e]". Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nicht fahrlässig gehandelt, zumal er vielmehr seine Sorgfaltspflicht gegenüber seinem behinderten Sohn wahrgenommen und ihm sicheres Geleit in den gemeinsamen Haushalt gegeben habe.

3. Über Ersuchen des Verwaltungsgerichtes Wien vom 26.01.2021 übermittelte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 65 (im Folgenden: "MA 65"), am 29.01.2021 die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde ins Treffen geführte Stellungnahme der MA 65 vom 12.09.2019, GZ: MA 65 – ...2-2019, zur rechtlichen Qualifikation der D.-gasse in Wien.

4. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 (im Folgenden: "MA 67"), teilte über Ersuchen des Verwaltungsgerichtes Wien vom 09.02.2021, zum Beschwerdevorbringen und zur Mitteilung der MA 65 vom 12.09.2019, GZ: MA 65 – ...2-2019, eine Stellungnahme abzugeben, mit Schreiben vom 17.02.2021 mit, dass auf ein Schreiben der Magistratsdirektion Wien – Geschäftsbereich Recht vom 11.04.2019 verwiesen werde, wonach es sich im gegenständlichen Fall um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle und somit die Straßenverkehrsordnung Gültigkeit habe. Die MA 67 teile diese Ansicht, weshalb das gegenständliche Straferkenntnis ergangen sei.

5.1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer parkte das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A) am 16.10.2020, im Zeitraum von 14:05 Uhr bis 14:16 Uhr, in Wien, D.-gasse vor der dort befindlichen Kleingartenanlage, wodurch nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freigeblieben sind.

Die D.-gasse in Wien ist – von der E. Straße kommend – mit einer Schrankenanlage abgesperrt, sodass die Durchfahrt nur solchen Fahrzeugen möglich ist, deren Lenker über einen zur Öffnung der Sperre erforderlichen Schlüssel verfügen. Bei Einfahrt in die D.-gasse befinden sich dort u.a. das Vorschriftszeichen "Fahrverbot" mit der Zusatztafel "ausgenommen Anrainer" sowie ein an einem Zaun angebrachtes Schild mit der Aufschrift "Privatweg – Parken verboten". Die installierte Schrankenanlage erstreckt sich nicht über die gesamte Straßenbreite, sondern wurde rechts davon (von der Zufahrt der E. Straße aus gesehen) ein Streifen für den Fußgängerverkehr, welcher durch eine Sperrlinie von der Fahrbahn getrennt ist, freigelassen. Hinsichtlich des Fußgängerverkehrs kann die D.-gasse uneingeschränkt von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden.

Der Beschwerdeführer erhielt über Anfrage eines weiteren Anrainers zur rechtlichen Qualifikation der D.-gasse die Auskunft, dass es sich nach Ansicht der MA 65 bei der D.-gasse um eine öffentliche Straße nur für den Fußgängerverkehr handle, sodass die Straßenverkehrsordnung nur teilweise zur Anwendung kommen würde. Die Stellungnahme der MA 65 vom 12.09.2019, GZ: MA 65 – ...2-2019, lautet auszugsweise wie folgt:

"[…]

Zur Anfrage betreffend die rechtliche Qualifikation der D.-gasse in Wien als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Absatz 1 Straßenverkehrsordnung teilt die Magistratsabteilung 65 folgendes mit:

Straßen mit öffentlichem Verkehr sind gemäß § 1 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.

[…]

Nach den getroffenen Feststellungen ist die D.-gasse derart mit einer Schrankenanlage abgesperrt, dass die Durchfahrt nur solchen Fahrzeugen möglich ist, deren Lenker über einen zur Öffnung der Sperre erforderlichen Schlüssel verfügen.

Damit liegt aber jedenfalls keine Straße mit öffentlichem Verkehr für den Fahrzeugverkehr vor. […]

Hinsichtlich des Fußgängerverkehrs kann die D.-gasse jedoch von jedermann unter gleichen Bedingungen benützt werden. Demgemäß ist davon auszugehen, dass es sich im gegenständlichen Fall für den Fußgängerverkehr um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt.

Es handelt sich um eine partielle Geltung der Straßenverkehrsordnung.

[…]"

5.2. Diese Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen und im Verfahren unstrittig gebliebenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes, insbesondere auf die im Akt einliegenden Lichtbilder zur gegenständlichen Tatörtlichkeit und zum abgestellten Fahrzeug. Der Beschwerdeführer hat überdies zu keinem Zeitpunkt bestritten, das in Rede stehende Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt am Tatort in Wien, D.-gasse, abgestellt zu haben; er führte vielmehr ausschließlich ins Treffen, dass es sich bei der D.-gasse um keine Straße mit öffentlichem Verkehr handle und die Straßenverkehrsordnung – wenn überhaupt – nur für den Fußgängerverkehr anwendbar sei, weshalb die Organe der Straßenaufsicht im Hinblick auf die Fahrbahn – auf der der Beschwerdeführer das Fahrzeug im gegenständlichen Fall geparkt hatte – keine Befugnis hätten. Die Feststellungen zu der erhaltenen Auskunft seitens der MA 65 zur rechtlichen Qualifikation der D.-gasse sowie deren Inhalt ergeben sich ebenso aus dem unstrittigen Akteninhalt.

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, lauten:

"§ 1. Geltungsbereich.

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.

(2) Für Straßen ohne öffentlichen Verkehr gilt dieses Bundesgesetz insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Die Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich auf diese Straßen nicht.

§ 2. Begriffsbestimmungen.

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

1. Straße: eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen;

2. Fahrbahn: der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße;

3. – 9. […]

10. Gehsteig: ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße;

[…]

§ 24. Halte- und Parkverbote.

(1) Das Halten und das Parken ist verboten:

a)

bis p) […]

(2) […]

(3) Das Parken ist außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen noch verboten:

a) – c)

d) auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr, wenn nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freibleiben,

[…]

§ 99. Strafbestimmungen.

(1) bis (2e) […]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

         a)       wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, […]"

III. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daher Folgendes:

1.1. Zur rechtlichen Qualifikation der "D.-gasse":

Gemäß § 1 Abs. 1 StVO gelten als "Straßen mit öffentlichem Verkehr" solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen genutzt werden können. Die Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich gemäß Abs. 2 par. cit. nicht auf "Straßen ohne öffentlichen Verkehr".

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 StVO ist eine "Straße" im Sinne der StVO eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.

Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach es betreffend die D.-gasse Hinweise auf deren Eigenschaft als Privatstraße gebe bzw. das dort die StVO nicht für den Fahrzeugverkehr gelte und er dahingehend u.a. auf das Vorschriftszeichen "Fahrverbot" mit der Zusatztafel "ausgenommen Anrainer" sowie ein am dort befindlichen Zaun angebrachtes Schild mit der Aufschrift "Privatweg – Parken verboten" verweist, ist vorauszuschicken, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beantwortung der Frage, ob eine Straße mit öffentlichem Verkehr (im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO) vorliegt, nicht auf die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund ankommt (VwGH vom 27.05.1992, Zl 92/02/0113; 09.05.1990, Zl 89/03/0197).

Auch ein im Eigentum eines Privaten stehender Parkplatz bzw. eine Privatstraße ist eine Straße mit öffentlichem Verkehr, wenn nicht durch eine entsprechende Kennzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft. Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- oder Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen muss (VwGH vom 13.04.2017, Ro 2017/02/0015).

Eine Straße kann dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, d.h. also nicht darauf, ob die betreffende Landfläche ganz oder teilweise im Privateigentum steht. Maßgeblich sind somit nicht die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund, sondern die tatsächliche Benützbarkeit der Verkehrsfläche. Eine im Privateigentum stehende Straße ist nur dann nicht als im öffentlichen Verkehr stehend anzusehen, wenn sie abgeschrankt ist oder ihre Benützung unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Privatstraße der Allgemeinheit ersichtlich verboten wird (VwGH vom 31.01.2014, Zl 2013/02/0239; 12.09.2017, Ra 2017/02/0166; 28.11.2008, Zl 2008/02/0228; 15.02.1991, Zl 90/18/0182, 25.04.1990, Zl 89/03/0192; 20.01.1986, Zl 85/02/0192).

Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass die D.-gasse mit einer Schrankenanlage abgesperrt ist, sodass die Durchfahrt nur solchen Fahrzeugen möglich ist, deren Lenker über einen zur Öffnung der Sperre erforderlichen Schlüssel verfügen. Die installierte Schrankenanlage erstreckt sich jedoch nicht über die gesamte Straßenbreite, sondern wurde rechts davon (von der Zufahrt der E. Straße aus gesehen) ein Streifen für den Fußgängerverkehr, welcher durch eine Sperrlinie von der Fahrbahn getrennt ist, freigelassen. Hinsichtlich des Fußgängerverkehrs kann die D.-gasse – unstrittig – uneingeschränkt von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Wertung einer Straße als solche "mit öffentlichem Verkehr" lediglich auf das Merkmal des Fußgänger- ODER Fahrzeugverkehrs an (VwGH vom 27.06.2014, Zl 2013/02/0193; 27.05.2011, Zl 2010/02/0250; 25.11.2005, Zl 2005/02/0208). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung führte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.01.2007, Zl 2006/02/0046, ausdrücklich Folgendes aus:

"Unbestritten ist die Feststellung der belangten Behörde, dass der K.-Weg jedenfalls dem Fußgängerverkehr uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Schon deshalb handelt es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr, auf der die StVO gilt."

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung, insbesondere der Entscheidung zur Zl 2006/02/0046, ist folglich auch die D.-gasse in Wien – in ihrer Gesamtheit (vgl. VwGH vom 18.05.2004, Zl 2002/17/0271 zur "Einheitlichkeit einer Straße") – ohne Zweifel als "Straße mit öffentlichem Verkehr", auf der die StVO gilt, zu qualifizieren, zumal diese – den getroffenen Feststellungen zufolge – jedenfalls dem Fußgängerverkehr uneingeschränkt zur Verfügung steht. Die Möglichkeit einer "partiellen Geltung" der Straßenverkehrsordnung besteht – vor dem Hintergrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes (§ 2 Abs. 1 Z 1 StVO: "Straße: eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche […]") sowie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien nicht.

1.2. Zur objektiven Tatseite:

§ 24 Abs. 3 lit. d StVO verbietet das Halten und Parken auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr, wenn nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freibleiben. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes und damit auch gegen § 24 Abs. 3 lit. d StVO verstößt.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A) am 16.10.2020, im Zeitraum von 14:05 Uhr bis 14:16 Uhr, in Wien, D.-gasse vor der dort befindlichen Kleingartenanlage, geparkt, wodurch nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freigeblieben sind.

Der Beschwerdeführer hat damit gegen § 24 Abs. 3 lit. d StVO verstoßen und ist die Verwaltungsübertretung daher in objektiver Hinsicht erfüllt. Ergänzend ist dazu festzuhalten, dass der objektive Tatbestand des § 24 Abs. 3 lit. d StVO kein Tatbestandsmerkmal einer dadurch bewirkten Verkehrsbeeinträchtigung vorsieht, weshalb dieser Aspekt außer Betracht zu bleiben hatte.

1.3. Zur subjektiven Tatseite:

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Ein Ungehorsamsdelikt liegt bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes vor, wenn erstens zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört und zweitens für die Tatbegehung kein besonderes Verschulden gefordert ist.

Die angelastete Verwaltungsübertretung ist als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Bei solchen Delikten obliegt es sohin gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass im konkreten Fall die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne vorwerfbares Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. VwGH vom 30.06.1998, Zl 96/11/0175).

Der Beschwerdeführer brachte vor, er habe von der Magistratsabteilung 65 die Auskunft erhalten, dass die D.-gasse in Wien "eine öffentliche Straße nur für den Fußgängerverkehr [sei], sodass die Straßenverkehrsordnung nur teilweise zur Anwendung komm[e]". Bei dieser Auskunft handelt es sich um die –auszugsweise unter Punkt I.5.1. zitierte – Stellungnahme der MA 65 vom 12.09.2019, GZ: MA 65 – ...2-2019, in welcher ausdrücklich angeführt wird, dass die D.-gasse "jedenfalls keine Straße mit öffentlichem Verkehr für den Fahrzeugverkehr" sei.

In diesem Zusammenhang ist auf den Verbotsirrtum im Sinn des § 5 Abs. 2 VStG hinzuweisen, wonach demjenigen, der sich auf diesen beruft, das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Dem Beschuldigten ist daher die Verbotsunkenntnis vorwerfbar, wenn er sich – trotz Veranlassung hierzu – über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundigungspflicht. Unterlässt der Beschuldigte bei gebotener Informationspflicht derartige Erkundigungen, so ist ein einschlägiger Verbotsirrtum – weil nicht erwiesenermaßen unverschuldet – jedenfalls vorwerfbar (VwGH vom 10.02.1999, Zl 98/09/0298). Bei Unsicherheiten über die Auslegung der in Rede stehenden Vorschriften sind Erkundigungen bei der zuständigen Behörde einzuholen (VwGH vom 13.09.2016; Ro 2016/03/0013); geschieht dies nicht, so ist ein diesbezüglicher Verbotsirrtum nicht erwiesenermaßen unverschuldet.

Der Beschwerdeführer hat sich – dem unstrittigen Akteninhalt zufolge – bei der Magistratsabteilung 65 des Magistrates der Stadt Wien erkundigt. Dazu ist im Hinblick darauf, dass es sich bei der bescheiderlassenden Magistratsabteilung im vorliegenden Fall um die MA 67 handelt, zu bemerken, dass sich der Magistrat der Stadt Wien unter anderem in Geschäftsgruppen und innerhalb dieser in Abteilungen gliedert. Der Magistrat der Stadt Wien besorgt die Geschäfte der Gemeinde. Er vollzieht alle behördlichen Angelegenheiten, soweit hierfür nicht andere Organe zuständig sind. Zu den behördlichen Angelegenheiten des Magistrates gehören auch die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er sich bei einer Abteilung des Magistrats der Stadt Wien – bei der Magistratsabteilung 65 („Rechtliche Verkehrsangelegenheiten“) - erkundigt hat und ihm von dieser - für rechtliche Verkehrsangelegenheiten zuständigen Magistratsabteilung - mitgeteilt wurde, dass die StVO für den Fahrzeugverkehr in der D.-gasse nicht anwendbar sei, so liegt ein entschuldigender Verbotsirrtum des Beschwerdeführers vor, zumal er sich bei der zuständigen Behörde – nämlich beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 65 – erkundigt hat. Dem Beschwerdeführer ist daher im konkreten Fall kein Verschulden vorwerfbar.

Vor diesem Hintergrund hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zwar in objektiver, jedoch nicht in subjektiver Hinsicht verwirklicht, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen war.

2. Die mündliche Verhandlung konnte nach § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG entfallen, da eine solche von keiner Partei beantragt wurde, der Sachverhalt unstrittig feststeht und in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch genannte Gesetzesstelle.

4. Weil in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 726,-- Euro und keine (primäre) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte, und tatsächlich das Verfahren einzustellen war, ist eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG) nicht zulässig. Der Amtspartei steht die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht offen, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anwendbarkeit der StVO; Straße mit öffentlichem Verkehr; Privatstraße; Fußgängerverkehr; Ungehorsamkeitsdelikt; subjektive Tatseite; entschuldigender Verbotsirrtum; Verschulden; vorwerfbares Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.076.16559.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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